Die Bisonjagd
Als unser Haus gebaut wurde, entdeckten die Arbeiter eine alte Feuerstelle. Eine Radiokarbonuntersuchung ergab ein Alter von zweieinhalbtausend Jahren, lange Zeit bevor die Indianer Pferde oder Pfeil und Bogen besaßen. Andere Feuerstellen, Steinkreise - sogenannte tipi rings -, Steinkeile und eine Feuersteinfundstätte bezeugen die frühe Gegenwart von Indianern. Gegenüber dem Haus liegt eine Kalksteinklippe, wo in alten Zeiten Bisons gejagt worden sein können, indem man sie in den Abgrund trieb. Aus der Vorstellung jener Zeit und einer solchen Jagd entstand die folgende kleine Geschichte.
Nach und nach verstummten die vertrauten Geräusche von Nacht und Schlaf. Einige Männer erwachten sofort und stützten sich auf die Ellbogen, lauschten der Veränderung. Die kühle Luft kündigte den Herbst an. Im bläulichen Licht der Senke stritten Kojoten. Eine satte Eule heulte auf der Insel, und der Fluss zwängte sich zwischen den sonnengewärmten Steinen hindurch. Doch das waren gewöhnliche Geräusche, und sie hatten die Männer nicht geweckt. Die Stille hatte ihren Schlaf gestört, das Fehlen einer Stimme. Der Schamane hatte zu singen aufgehört. Nacht für Nacht hatte der eintönige Rhythmus seiner Gebete und Beschwörungen den feierlichen Hintergrund der Träume des Stammes gebildet. Seine bittende, flehende Stimme war so elementar geworden wie das Zirpen der Heuschreckenflügel oder die Schreie fliegender Kraniche, die wie Rasselgeklapper klangen. Der alte Mann, der während der feierlichen Beschwörungen nicht essen durfte, war abgemagert, und seine Stimme war fast unhörbar geworden. Doch nun schwieg er nach vollbrachter Arbeit, und in die Leere der Stille kam Erregung.
Die Männer, die als Erste erwacht waren - die Jäger -, spitzten die Ohren, um den hörbaren Fluchtpunkt zu erlauschen, die fernen Töne, die nur für das innere Ohr vernehmbar waren. Die Erfordernis, Fett zuzulegen und Nahrung für den baldigen Winterhunger aufzubewahren, machte die Männer besonders empfänglich für leise Veränderungen in der Natur: dicke Wolken, die sich am Himmel rieben, als führe ein Finger über Haut, das Zittern eines vereinzelten Grashalms in windstiller Luft, das eine unterirdische Bewegung verriet. Manche konnten am Jodgeruch von Seetang erkennen, dass Stürme vom fernen Ozean hereinwehten. Die Blätter an einigen Pappelzweigen hatten sich bereits tiefgelb gefärbt; der erste Frost hing über ihnen wie Schleier spärlichen Regens, die nicht bis zum Erdboden gelangten.
Unter ihren Seufzern und Herzschlägen spürten sie das Tosen der Bisons tief im Erdinneren, ein Brüllen, das Felsgestein erbeben ließ und versprach, dass etwas lange Erwartetes bald geschehen würde. Das Schweigen des Schamanen verwandelte diese Hoffnung in Erwartung, in die aufregende Aussicht auf Blut und Fleisch, denn auf ihren Wanderungen durch die Welt kamen die Bisons nun ganz gewiss zu ihnen.
Die Männer erhoben sich, gingen hinaus, um sich in das Beifußgebüsch zu erleichtern, und suchten mit dem Blick den Himmel nach einer Botschaft ab. In dem Zwielicht vor der Morgendämmerung war er flach und farblos, als hätte man ihn mit einem Hirschhorn glattgerieben. Er gab nichts preis. Es würde ein heißer, erstickender Tag werden, der bestätigte, dass der Sommer sie noch immer gepackt hielt wie ein hechelnder Wolf den blutigen Knochen.
Die Jäger fragten einander: Wie viele? Es war wichtig zu wissen, wie viele.
Es war Jahre her, dass eine Herde nahe genug gekommen war, dass man sie über die Klippe treiben konnte, doch da es gegen Ende eines Sommers in der Vergangenheit geschehen war, hatte der Stamm weiterhin am Fuß der Erhebung seine Zelte aufgeschlagen, denn man wusste, dass es wieder geschehen würde. Zwischen ihrem Lager und der bleichen Kalksteinklippe lag der Fluss. Es war das Ende des Sommers; die Sonne hatte alle Regenwolken versengt, bis der Fluss kaum mehr die Kiesbänke benetzte. Ein schmaler Streifen Gebüsch wuchs vor der Klippe, am Rand steiler Geröllhalden, der jahrtausendealten Ablagerung des Schutts abgetragener Felsoberflächen. Beim letzten Mal hatten die gejagten Tiere sich in den erschreckend steilen Abgrund gestürzt; die einen waren die Geröllhalden hinuntergerollt, andere waren auf ihnen liegen geblieben, Fleischmassen, die mit den Beinen strampelten. Die als Schlächter ausersehenen Frauen waren mit ihren zweischneidigen Messern aus Feuerstein hingeeilt, um die Tiere zu häuten und zu zerschneiden, und hatten die Eingeweide in den gierigen Fluss geworfen.
 
Der Horizont der Bewohner desTipilagers südlich des Flusses war von jeder Einzelheit der Klippe und des Lebens der Tiere und Vögel ringsum geprägt. Eine kleine Herde Bergschafe graste auf den oberen unerreichbaren Abhängen, bisweilen mit verächtlichem Blick hinunter zu den Menschen, bisweilen reglos und zusammengedrängt wie blasse Fäuste. Ein Adlerpärchen und seine zwei ausgewachsenen Jungen überließen sich spielerisch den Aufwinden oberhalb der Klippe, und ihre hohen, kehligen Schreie klangen wie Aufforderungen zum Gebet. Wie üblich schmiedeten die jungen Männer Pläne, sie ihrer Federn wegen zu fangen, doch zugleich baten sie die Adler, ihren Wunsch nach erfolgreicher Jagd den Göttern zu überbringen. Es war ein aufregender Moment, und es lief ihnen kalt den Rücken hinunter, als die Adler sich in der Luft trennten und in die vier geheiligten Richtungen flogen. Nie zuvor hatte es ein so aussagekräftiges Vorzeichen gegeben.
Im Frühjahr hatte einer der Jäger - inzwischen ein erwachsener Mann, doch damals, als die Bisons sich zum letzten Mal über die Klippe hatten treiben lassen, noch ein Junge - geträumt, dass die Bisons in diesem Jahr wiederkämen. Sie würden den östlichen Pass nehmen. Er wusste, dass sie kommen würden, eine dunkle Masse, die aus ihrem dunklen Loch dem Sonnenlicht entgegendrängte und die pulverige Erde zu Staubwolken aufwirbelte. Er träumte davon, helles Blut zu verspritzen, glitschiges, lebensspendendes Blut, das seinen Kindern das Kinn hinunterlief, er träumte von der weichen Saftigkeit der frischen, warmen Leber eines wilden Tiers, das eben noch um sein Leben gelaufen war. Mit dem Geschmack von Leber und würziger Galle im Mund erwachte er von seinem Traum. Auch der Schamane entsann sich der früheren Jagd und sagte, der Traum sei ein Wahrtraum gewesen.
Die Eindringlichkeit der Erinnerung des Jägers an die Beute vor langer Zeit hatte die Aufmerksamkeit der anderen geweckt. Die Häute ihrer Tipis waren alt und geflickt, und deshalb machten sie sich im Frühsommer zu der Absturzstelle auf. Es gab mehr Gründe für ihr Kommen als nur die Bisons; in einer bestimmten Senke wuchsen zahllose Lilien, und die Frauen gruben die Zwiebeln mit Geweihzacken aus; Gänsefuß und Mehlwurzeln wuchsen nicht fern davon. In der Nähe der Sanddünen wuchs Hirse, im Fluss gab es Fische, Biber und Nerze, Gabelantilopen und Rotwild grasten am Wasser, und die Bergschafe weideten oben auf der Klippe. Unzählige Vögel und Tausende kleiner Tiere lebten in diesem fruchtbaren Gebiet am Flussufer.
An dem großen Abhang hinter der Klippe verfestigten Männer und Knaben die alten Treibjagdlinien mit Felsstücken, weißen Kalksteinbrocken, die selbst im Zwielicht weiß schimmerten. Neben dem westlichen Steinhügel, der den Rand der Klippe anzeigte, gruben die Jäger ein Versteck für den Schamanen, der mit Beschwörungen und lockenden Flötentönen die Bisons herbeirufen würde. Als sie fertig waren, verliefen die Steinhaufen in Linien von der Klippe auf den fernen Pass zu. Aus jener Richtung würden die Bisons kommen. Es war die einzig mögliche Richtung. Nahe dem oberen Rand der Klippe zog sich ein mit Gestrüpp bewachsener Streifen, der an die Senke mit den Lilien anschloss, bis zu der Stelle, wo die Treibjagdlinie sich zu einem Haken krümmte, damit die Herde ein enger Pulk blieb. Sobald die Tiere den Abhang zur Steilkante hinaufwanderten, würden die Treiber an den Seiten aus Bodenvertiefungen aufspringen und hinter Beifußsträuchern hervorkommen, um die Bisons in Panik zu versetzen.Wenn die Herde sich dann in die Senke flüchten wollte, würden die Knaben und jungen Männer, die sich dort versteckt hatten, laut schreiend aufspringen und sie unwiderruflich auf die Klippe zutreiben. Dieser Todeslauf mit den Bisons war gefährlich und schön zugleich. So war es in jener früheren Zeit gewesen. So würde es nun wieder sein. Dafür waren sie geboren.
Einige der Männer gingen zu der Feuersteinader entlang einem Grat hinter den Sanddünen, um die begehrten Klumpen in ihrer weißen Kalkrinde aus dem Boden zu kratzen. So viele wie möglich würden sie zu ihrem Lager mitnehmen, im Boden vergraben und darüber ein Feuer entzünden, dessen langsame, stetige Hitze den Feuerstein glatt und leicht zu bearbeiten machte. Den abgekühlten Feuerstein konnte man dann in geeignete Stücke schlagen, aus denen sich Kratzhilfen, Wurfgeschosse und Messerklingen machen ließen.
Der Jäger, der zur Zeit der letzten Jagd ein Knabe gewesen war, sprach, wie er es schon oft getan hatte, von den Sanddünen vor dem hohen Abhang, wo die Treiber mit dem Wind arbeiten mussten, sich nicht sehen lassen durften, aber durch Einsatz des fremden menschlichen Geruchs die Tiere mit ihrem feinen Geruchsinn zwischen die Treibjagdlinien scheuchen mussten. Diese Reden hatten die anderen schon oft gehört, und sie hatten die Jagdgründe gesehen in jedem fruchtlosen Jahr, in dem kein Bison kam oder nur eine Herde, die so klein war, dass man sie nicht treiben konnte. Wieder erzählte ihnen der Jäger, wie die Treibjäger, die sich hinter Beifußsträuchern, Dachsbauen und Präriehundhügeln verborgen hatten, im entscheidenden Augenblick aufsprangen und sich den Bisons zeigten. Der Schrecken machte die Tiere besinnungslos, und sie stürmten blindlings vorwärts, wirbelten mit den Hufen Steine und Klumpen von langblättrigem Riedgras auf, dessen dunkle Wurzeln wie das wirre Haar eines Ertrunkenen aussahen, zertraten Schlangen und Heuschrecken, und wenn eines von ihnen strauchelte, trampelten die anderen über das Tier hinweg, das sich vergebens aufzurichten versuchte. Sie waren keine Bisons mehr, sondern Fleisch. So hatte es sich vor vielen Jahren abgespielt.
Wieder fragten die Jäger einander:Wie viele? Es war wichtig zu wissen, wie viele.
Zwei junge Männer sagten, sie wollten die Herde suchen, ihre Größe herausfinden, die Richtung, in die sie wanderte, und wie schnell sie wanderte. Ein Knabe, nur zehn Sommer alt, bat, mitgehen zu dürfen. Als Kleinkind waren ihm die Ohren abgefroren, und mit den zurückgebliebenen Stummeln sah er aus wie ein kleines Tier; er hieß Kleines Murmeltier. In geschwindemTrabeschritt liefen sie nach Osten zu den Bergen nördlich des Passes. War die Herde groß genug, dass man sie jagen konnte? Kleine Herden gerieten nicht in Massenpanik. Und die Häute der Tipis waren alt.
 
Spät am Tag kehrten die jungen Männer zurück. Sie hatten einen weiten Bogen beschrieben und kamen aus nördlicher Richtung, wo die Klippe niedrig war, so dass man bequem zu der Furt des Flusses und dem Lager auf der anderen Seite gelangte. Bevor sie sich an den Abstieg machten, standen sie oben und blickten zu dem Lager hinunter, auf dem das erstickende Gewicht des Lichts lastete, das auf die dünne Erdkruste einhämmerte. Es war, als zerrte das Licht an den Tipis und lockerte sie, bis sie zu den bebenden Himmelsteilchen emporstiegen. Die strahlende Helligkeit bot unbarmherzig klare Sicht. In wenigen Wochen würde der Rauch der herbstlichen Steppenbrände die Berge verhüllen und verwischen, der Wind wäre voller Asche und Staub, doch noch war die stille Luft so klar wie ungetrübtes Wasser, und alles war so deutlich zu erkennen wie Kiesel am Grund einer Quelle. Sie hörten einen schwachen Ton, der aufstieg und zitterte wie ein Falke, der über seiner Beute schwebt. Der alte Schamane hatte gegessen und geschlafen und genug Kraft gesammelt, um seine Flöte zu blasen, den Ton, der jetzt schon die Bisons unausweichlich herbeirief.
Der stumpfohrige Knabe blickte zum Lager hinunter, und er konnte die glänzenden Haare erkennen, die wie Fransen die Ohren eines jungen Hundes säumten. Und dann war ihm, als begänne das Tipi des Schamanen zu beben und verlöre seinen festen Umriss und würde so durchsichtig wie frisches Eis, so dass er alles im Inneren des Tipis sehen konnte. Er sah das heiligste und kostbarste Gut des Stammes, eine tiefe Steinschale, die in ferner Vergangenheit in dessen Besitz gelangt war. Die Schale war von weicher, schimmernder, grauer Farbe, mit hellen und dunklen Streifen geädert, und es wurde behauptet, sie fühle sich fettig an, wenn man sie berührte. Nach einer erfolgreichen Bisonjagd rieb man sie mit Fett ein, was den Stein noch dunkler machte. Die Schale verlieh Macht. Sie verlangte nach Blut. Sie brauchte Fett. Sie war sehr schwer, und selbst wenn sie leer war, mussten zwei Männer sie anheben. Weil sie eine spirituelle Kostbarkeit war und weil sie Macht verlieh, wurde sie mitsamt spirituellen Kräutern in weiße Tierfelle verpackt und von Hunden auf einer Trage geschleppt, wenn der Stamm weiterzog. Kleines Murmeltier spürte, wie die graue Kraft der Schale die Bisons herlockte, denn es dürstete sie nach dem Blut, das bis an ihren kalten Rand schäumen würde.
Die jungen Männer und der Knabe berichteten den Jägern, dass die Bisons sich langsam dem Abhang näherten. Es war eine stattliche Herde. Alle drei streckten sechsmal ihre Finger aus, um die Anzahl zu verdeutlichen. Die Flöte zog die Tiere an. Sie konnten nicht anders. Sie kamen. Am Morgen würden sie den Abhang hinaufwandern.
 
Nun verdichtete sich die Zeit und nahm Form und Farbe der Bisons an. Nichts anderes war mehr von Bedeutung. Die Frauen begutachteten ihre Tipis und schätzten, wie viele neue Häute sie benötigen würden. Die wartenden Männer schlugen aus dem abgekühlten Feuerstein lange, schmale Keile. Einer holte ein schönes Stück Obsidian hervor, das aus dem Nordwesten stammte; der glänzende schwarze Stein schmiegte sich in seine Hand wie ein Kind an seinen Vater. Sie schliffen und reparierten Wurfspeere und schlugen neue Schneiden in Messer und Schaber zum Häuten. Die jungen Männer, die vor Erregung kaum an sich halten konnten, wollten ihren Platz an den Treibjagdlinien einnehmen, bevor es dunkel wurde. Die Jäger sagten ihnen, am Morgen wäre dafür noch Zeit genug, denn die Bisons würden am Fuß des leichten Anstiegs erst ankommen, wenn die Sonne schon hoch stand. Geduld war bei einer solchen Jagd ausschlaggebend. Dennoch lagen nicht wenige die ganze Nacht wach und fieberten dem Morgen entgegen. Bevor die Jäger die Klippe erstiegen, trugen sie im Gefolge des Schamanen die zauberkräftige Steinschale zu der Stelle, wo die Bisons hinunterstürzen und geschlachtet werden würden. Sie stellten sie behutsam auf einen großen, flachen Felsblock, der mit einer Adlerfeder bezeichnet war.
Als sie oben an der Klippe ankamen, sahen sie die Herde nahe dem Fuß des Abhangs. Am Vorabend waren die Bisons zum Fluss gewandert und hatten große Mengen Wasser getrunken, und nun erholten sie sich langsam von der Trägheit, die das viele Wasser in ihrem Bauch bewirkt hatte. Der Wind blies aus Nordwesten. Der Schamane ging zu dem Steinhügel am westlichen Klippenrand und begann, die Herde mit seiner Flöte zu locken. Männer und Knaben nahmen ihre Plätze an den Treibjagdlinien ein: in den Sanddünen, hinter von wühlenden Tieren aufgeworfenen Erdhaufen, in der Senke mit den Lilien. Die Sonne schob sich schwerfällig über den heißen Himmel, und die Bisons zogen langsam den Abhang hinauf. Sie kamen an den Sanddünen vorbei, und der Geruch der dort verborgenen Jäger drang leise und schwach genug zu ihnen, um einigeTiere ganz leicht nervös zu machen. Mehrere Bullen richteten den Kopf auf, als wollten sie den Geruch besser erschnüffeln, doch die Herde bewegte sich weiter grasend den Hügel hinauf.
Als sie die Sanddünen passiert und eine kritische Entfernung zum Rand der Klippe erreicht hatten, sprangen die Männer und Knaben hinter den Treibjagdlinien auf und liefen schreiend und mit Fellen wedelnd auf die Tiere zu. Die erschreckte Herde wandte sich nach Westen, wo zwanzig Männer unter lautem Geschrei auftauchten. Die vordersten Tiere rannten los, und bald rannten alle. Die Treiber schrien und fuchtelten, und die Herde drängte sich immer enger zusammen und rannte immer schneller, bis alle Tiere rempelnd und drängelnd mit stieren, blicklosen Augen den Abhang hinaufgaloppierten und sich in einen einzigen riesigen Organismus mit Hunderten Beinen verwandelten.
Kurz vor dem Gipfel sprang eine Gruppe Jäger aus der Senke, die sich dort zu einem Haken krümmte, und nötigte die Bisons, sich noch enger zusammenzuschließen, bis sie eine galoppierende, irrsinnige Masse bildeten, die alles auf ihrem Weg zertrampelte. Einer der jungen Männer kam ihnen zu nahe und wurde in den hufedonnernden Erdrutsch gerissen. Die ersten Tiere stürzten brüllend und krachend in den Abgrund, rissen Steinbrocken mit, stürzten, strampelten, flogen und fielen, und ihre Beine bewegten sich in der Luft, als liefen sie noch. Felsen und Steine trafen mit den Bisons wie ein Erdbeben auf den Boden. Erstickende Staubwolken stiegen auf. Von unten hörten die Jäger die schrillen und lauten Schreie der Frauen durch das ersterbende Röcheln der zerschmetterten Bisons dringen. Die letzten Tiere rasten in die Leere, und die Jäger wagten sich an den Rand der Klippe.
Manche Tiere waren auf eine Steinkante getroffen, wo sie sich mit gebrochenen Beinen oder zerschmettertem Unterleib aufzurichten versuchten. Die ersten Elstern hackten auf offene Wunden ein, und Raben kreisten herbei. Die meisten Bisons waren bis zur Talsohle gefallen oder gerollt und durch die Wucht des Aufpralls getötet worden, und die Frauen waren bereits damit beschäftigt, die ersten Tiere auszuweiden. Männer, die unten mit Speeren und Steinäxten warteten, töteten die überlebenden Tiere. Kein Bison durfte am Leben bleiben, denn er hätte das Geheimnis der unsichtbaren Klippe anderen Bisons verraten.
Oben an der Klippe fanden die Jäger die zertretenen Überreste des jungen Mannes, der sich zu nahe an die rasende Herde herangewagt hatte und von dem nichts als blutiger Matsch geblieben war. Seine Frau würde nicht über das große Schlachten frohlocken. Doch noch hatte die Nachricht sie nicht erreicht, und sie schnitt und riss mit den anderen zusammen, schlitzte zuckende Kehlen auf und fing das Blut mit Schläuchen aus Tierhäuten und Töpfen aus Ton auf. Die Jäger machten sich auf einem steilen Pfad etwas weiter weg an den Abstieg, voller Vorfreude auf das gute, üppige Fleisch.
Die Steinschale stand auf der Felsplatte mit der Adlerfeder. Zu ihr brachten die Frauen ihre kleineren Gefäße voll warmem, dampfendem Blut, und die Steinschale füllte sich stetig. Der stumpfohrige Knabe stand daneben und sah zu. Dann war die Schale voll, so voll, dass ihr gewölbter Spiegel leicht über den steinernen Rand hinausragte. Ein leiser Windstoß furchte die Oberfläche. Der Anblick des Blutes und die darauffolgende Zeremonie verwoben sich untrennbar in sein Lebensgefühl. Die Adler in der Höhe stießen liebliche, köstliche Rufe aus, und das alte Paar schwebte herab, um sich an einem der zerschmetterten Tiere auf der Steinkante weiter oben gütlich zu tun. Niemand zweifelte daran, dass die Vögel sich an die letzte Treibjagd erinnerten und ihnen auch beim nächsten Mal helfen würden.