Meister Magie

 

 

Caya konnte den Beginn des Unterrichtes kaum erwarten. Sie hatte das Gefühl, so viel aufgestaute Energie in sich zu tragen, dass sie sich wunderte, dass ihr Trinkglas nicht zersprang, wenn sie es an die Lippen führte.

 

„Ihr seid nun im dritten Schuljahr und ich erwarte von euch herausragende Leistungen“, blaffte Dana Mcintosh die Klasse im Windmagie Unterricht an.

„Was hat die denn?“ murmelte Finn.

„Sie nimmt das Fernbleiben der Schüler von Shanthee persönlich,“ raunte Caya zurück.

„Können wir doch nichts für. Wir sind immerhin zurückgekommen,- um uns hier anbellen zu lassen“, brummte DeeDee.

„Biete ihr was, Caya, das hebt vielleicht ihre Laune.“

„Ich werd mein Bestes geben.“

„Möchten die Damen und Herren der Klasse mitteilen, was sie zu tuscheln haben?“

Mcintosh stand breitbeinig vor ihnen, die Arme in die Hüfte gestemmt.

„Wir haben nur laut überlegt, auf welche Weise man am besten zwei Magieformen kombiniert“, behauptete Caya.

„Und zu welchem Ergebnis sind sie gekommen?“

„Nun,- man könnte Feuer und Windmagie kombinieren und so etwas damit anstellen-“ Sie erschuf einen Feuerball mit der linken Hand und lenkte mir der rechten Hand einen dünne Windstrahl in das Feuer. Aus dem Ball wurde eine Spirale, die sich in schlängelnden Bewegungen um ihren Körper wand . Die Klasse johlte und Mcintoshs Laune schien zu steigen.

„Oder wir verbinden  Wasser, Feuer und Windmagie.“ Mit einer lässigen Handbewegung ließ sie das Wasser von einer der Bütten, die zu Übungszwecken da standen, in die Höhe steigen und zu einer Eiswand erstarren. Dann schoss sie eine Flamme auf die Eiswand. Das abschmelzende Wasser fegte sie, mittels Windmagie, mit einem gewaltigen Druck zur Seite, so dass es fünfzig Meter weiter wieder auf den Boden schlug.

„Kommt mir so bekannt vor,“grinste DeeDee.

Caya zwinkerte ihr zu und verbeugte sich vor der Klasse, die begeistert applaudierte. Seit sie den Tobar gefunden hatte und die Begleitumstände des Ganzen durchgesickert waren, musste sie sich nur noch selten mit abfälligen Bemerkungen der anderen Schüler herumschlagen.

Mcintosh stieg in den Applaus mit ein.

„Hervorragend, Ms, Cunningham! Ich glaube, es gibt nicht mehr viel, dass ich ihnen noch beibringen kann!“

„Das sehe ich auch so! Sie haben tolle Arbeit geleistet, Mcintosh!“

Caya wirbelte herum, als sie die Stimme von Ainsley hinter sich hörte.

„Danke, Capt´n.“

Der Blick, den Mcintosh Ainsley zuwarf konnte man nicht anders als Heldenverehrung deuten.

Es fehlte nur noch, dass sie salutierte, dachte Caya, ließ sich aber nichts anmerken. Sie hätte nicht gedacht, dass Mcintosh zu den Wächtern gehörte. Den Blicken nach, die sich die anderen zuwarfen, ging es ihnen ähnlich. Außer Finn, der war offensichtlich informiert. Caya runzelte die Stirn.

 

„Die Lehrkräfte unter den Wächtern tragen keine Stirntücher, zumindest nicht während des Unterrichts“ sagte Ainsley, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. Caya registrierte den Plural und fragte sich, wer noch alles zu den Wächtern übergelaufen war. Ihr Elan für die Truppe sank immer weiter. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Lehrer sollten irgendwie neutral sein,- vielleicht war das aber auch einfach nicht mehr möglich.

 

„Nach dem Unterricht ist das Wächter Training. Wir erwarten euch-“ sie schaute Caya und Finn an, „ am Südstrand. Seid bitte pünktlich!“

Caya nickte und Finn schlug beinahe die Hacken zusammen. DeeDee warf ihm einen galligen Blick zu. Sie hatte ihm sein unsensibles Verhalten vom Vorabend noch nicht verziehen und seine Bemühungen, die atmosphärischen Störungen zu beseitigen hielten sich in Grenzen.

 

„Wie findest du Ainsley?“ fragte er Caya später, als er mit ihr nach dem Wassermagie Unterricht zum Mittagessen ging

„Sie ist interessant“, meinte sie ausweichend.

„Hah, ich glaube, die hat mehr Haare auf den Zähnen, als Drusilla“, plärrte Broc.

Caya unterdrückte ein Grinsen.

„Sie weiß was sie tut und hat alles im Griff!“ tönte Finn begeistert.

„Es gefällt mir, wie sie die Dinge anpackt und Sachen beim Namen nennt.“

„Ihre blauen Augen und die netten Grübchen sind auch nicht zu verachten“, warf Broc hinterhältig ein.

Finn wurde rot und murmelte etwas Unverständliches.

Oh, je, daher weht der Wind, dachte Caya und warf ihm einen verstohlenen Blick zu.

Das kann ja noch heiter werden.

Broc schien ähnliches durch den Kopf zu gehen, den Blicken nach zu urteilen, die er ihr zuwarf. Erfreulicherweise behielt er seine Gedanken für sich.

 

Das Mittagessen war keine wirklich entspannende Angelegenheit. DeeDee war immer noch verschnupft. Finn machte ein, zwei halbherzige Versöhnungsversuche, überzeugte aber nicht wirklich mit seinen Bemühungen. Eonan war auch recht schweigsam, nur Brian und Evan schwatzten unbekümmert daher und tauschten sich über ihre Eindrücke aus. Sie teilten sich zusammen eine Baumhütte und hatten offensichtlich die gleiche Wellenlänge. Japh saß neben Evans Teller und angelte sich kleine Häppchen daraus hervor, was ihm missbilligende Blicke von Broc eintrug, wie Caya amüsiert bemerkte. Mr. Rülps und Furz stößt sich an andrer Leute Tischmanieren.

 

Sie war ganz froh, alleine zu sein nach dem Mittagessen und ging mit Broc zum Amphitheater, wo ihre Schulleiterin schon auf sie wartete. Zu ihrer Überraschung nahm Logan sie in den Arm und drückte sie fest.

„Wie geht es dir?“

„An manchen Tagen fällt es mir schon schwer aufzustehen“, hörte Caya sich sagen.

Eigentlich hatte sie das Gefühl ihr Leben halbwegs im Griff zu haben. Sie funktionierte und tat, was man von ihr erwartete. Logan hatte sie mit ihrer unerwarteten Fürsorglichkeit kalt erwischt und sie spürte, wie sich das Wasser in ihren Augen sammelte. Sie gab sich für einige Momente dem Luxus hin, sich an ihrer Schulter zu vergraben, bevor sie sich wieder sammelte.

 

„Kann ich sie mal etwas fragen?“

„Ja?“

„Was halten sie von Ainsley?“

Logan schwieg einen Moment. Sie schien zu überlegen, ob und was sie einer Schülerin gegenüber verlauten lassen sollte, entschied sich dann aber für die Wahrheit.

„Ich kann sie schwer einschätzen. Rein von meinem Gefühl her mag ich sie, aber ich hatte schon immer Probleme mit fanatischen Gruppen. Hier die Krieger, da die Wächter, und ich befürchte, dass es auf beiden Seiten genügend Leute gibt, denen das menschliche völlig egal ist, die nur für ihre Ideale Leben, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich glaube nicht, dass Ainsley wahllos über Leichen geht, um ihre Ziele zu verwirklichen, aber sie ist auch nicht der Truppführer vom örtlichen Pfadfinderverein.

Ich weiß, warum du die Wächter gewählt hast und ich billige und unterstütze deine Entscheidung, denn sie ist klug. Wenn du aber wirklich in Schwierigkeiten bist oder irgendjemand dich oder deine Nächsten bedroht, würde ich mir wünschen, dass du zuerst zu mir kommst und nicht zu ihr. Vielleicht ist das egoistisch von mir, aber ich liebe deine Mutter. Wir sind seit vielen Jahren befreundet und ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich mir sagen müsste, nicht alles getan zu haben für dich.“

Logan schaute sie lange an. Dann zwinkerte sie ihr zu.

 

„Und jetzt ist es Zeit für ein paar Übungen. Mcintosh hat einen doppelten Salto geschlagen, als sie mir von deiner Show heute Morgen berichtet hat. Ich hoffe deine Fertigkeit mit dem Feuer hinkt nicht hinterher! Zeig was du kannst!“

Mit diesen Worten erschuf sie eine Feuersäule, die höher und höher wurde. Caya tat es ihr gleich. Wie zwei  Feuertürme schraubten sich die Flammen in den Himmel. Logans Säule war bereits zwanzig Meter hoch, als Cayas Kreation, mit einem Funkenstoben, vorbeizog. Logan lachte und ließ mehr Energie frei. Caya tat es ihr nach. Dreißig, vierzig, fünfzig Meter, höher als die Freiheitsstatue ragten die beiden Feuersäulen in den Himmel. Logan machte eine komplizierte Handbewegung und ihre Säule explodierte in einem Feuerwerk.

 

Das kann ich leider noch nicht“, grinste Caya und ließ ihre verpuffen.

„Ich bin beeindruckt!“ Logan beugte anerkennend den Kopf.

„Es gibt nicht allzuviel, das ich dir noch beibringen kann.“

„Vielleicht nicht was die Magie betrifft, bei allem anderen kann ich noch eine ganze Menge von ihnen lernen.“