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»Shanks!«

Der Name allein reichte aus, um die Herzen der einfachen Leute von Paz mit Schrecken zu erfüllen. Und um die Wahrheit zu sagen, bei Krun, es gab viele ergraute Veteranen, die in Kriegen gekämpft und ihre Narben davongetragen hatten, die lieber gegen jeden anderen Gegner angetreten wären als gegen die Shanks. Die Fischköpfe von der anderen Seite der Welt waren in jeder Hinsicht weitaus schlimmer als selbst die Katakis.

Die aufeinander zustrebenden Streitkräfte schienen die gleiche Stärke zu haben. Jeder Befehlshaber, der auch nur einen Funken Verstand sein eigen nannte, wüßte es zu schätzen, wenn er den Shanks bei Kampfbeginn mindestens zwei zu eins überlegen wäre.

Zim und Genodras schickten noch immer ihr strömendes, freundliches rubinrotes und jadegrünes Licht über das Meer. Hoch oben trieben weiß und flockig Wolken vorbei. Möwen kreisten auf gekrümmten Schwingen und stießen ihre krächzenden Schreie aus. Die Welt Kregens nahm weiterhin ihren Lauf.

Doch ich verspürte nun eine Kälte, als griffen die Eisgletscher von Sicce nach mir und nähmen mich in ihre frostige Umarmung.

»Seht euch die drei an!« stieß Seg hervor. Das brachte mich in die Realität zurück; ich konzentrierte mich auf das vor uns Liegende – und in eine Herrelldrinische Hölle mit allen kränklichen Gedanken!

Die Voller der Fischköpfe rasten über die Argenter hinweg und hielten geradewegs auf unsere Streitmacht zu, dunkel, mächtig und unheilverkündend. Doch drei Flieger blieben zurück und setzten zur Landung an. Sie waren offensichtlich von anderer Bauweise, viel massiger und mit einer Menge Stauraum zwischen den Decks versehen.

Bei den schleimverklebten Nasenlöchern und den herabbaumelnden, verfaulenden Augäpfeln Makki-Grodnos! Mir war sofort klar, was sie darstellten und was sie vorhatten.

Es waren Sklavenvoller. Der teuflische Plan war enthüllt. Die Katakis trieben die Sklaven zusammen und übergaben sie dann den Shanks, die die Küsten mieden und sich so einer möglichen Entdeckung entzogen. Jetzt landeten sie, um ihre Frachträume mit den Erbarmungswürdigen zu füllen, die die Peitschenschwänze für sie eingefangen hatten.

»Jetzt schulde ich dir Gold.« Seg sah wütend aus. Doch der finstere Ausdruck in seinem Gesicht kam nicht dadurch zustande, daß er unsere kleine Wette verloren hatte. Nein, wie wir alle durchschaute er jetzt den teuflischen Plan und seine Bedeutung.

Mit beherrschten Bewegungen drehte ich mich um und sah zurück. Die Streitmacht der Flugboote raste wie von einem Hurrikan angetrieben heran. Die beiden Himmelsschiffe hielten direkt auf die Hauptmacht der Shanks zu. An Bord der kleinen Armada befanden sich Männer und Frauen, die etwas von Politik und Kriegskunst verstanden – und von den Fischgesichtern. Als mir dieser Gedanke durch den Kopf ging, stießen drei schnelle Voller in einer schrägen langen Flugbahn auf die drei Sklavenargenter herab.

»Dein Gold ist sicher, Seg.« Die Worte kamen, ich gebe es zu, wie ein Knurren heraus. »Opaz sei dafür gedankt.«

Ich fuhr herum und warf Seg einen prüfenden Blick zu. Als Großmeister der Krovere führte Seg Segutorio den Orden unabhängig von meinem Einfluß. Er holte Rat ein und traf dann eine Entscheidung. Die beiden Luftflotten näherten sich einander. Die Zeit lief ab. Die Entscheidung lag nun bei Seg.

Bei Krun, keine Frage, was ich tun würde. Die Ankunft unserer Hauptstreitmacht hatte alles verändert. Mein Glaube an meinen Klingengefährten hatte nie in Frage gestanden. Schließlich handelte es sich um Seg Segutorio, den meiner Meinung nach besten Bogenschützen zweier Welten.

Als er sprach, hatte seine Stimme einen harten, stählernen Unterton.

»Die Bruderschaft ist gerettet. Jetzt, da ihre verdammten Kunden über ihnen kreisen, werden sich die Katakis nicht mehr ihrer Handelsware entledigen. Wir gehen auf den Argenter nieder, der am weitesten von uns entfernt ist. Die herbeieilenden Jungs können sich um die anderen beiden kümmern. Zena Iztar ist meine Zeugin, dafür ist jetzt genug Zeit!« Er wandte sich Rollo zu. »Bring uns hinunter!«

Wir stürzten durch die dünne Luft, direkt auf unser Ziel zu. Der gute alte Seg Segutorio!

Fahrtwind raste vorbei. Die Flaggen zeigten so steif nach hinten wie gestärktes Leinen. Das Sklavenschiff wurde größer. Das Glitzern der See, der Schlag der Wellen, die zerfetzten Wolken – das alles stürzte uns in einem Kaleidoskop zersplitterter Eindrücke entgegen.

Das Schiff schien uns entgegenzuspringen, so schnell war unser Sturzflug. Ein flüchtiger Blick zurück zeigte mir, daß sich Seg in seiner taktischen Einschätzung der Situation in einem Punkt geirrt hatte; es betraf eine menschliche Eigenart. Er hatte behauptet, die drei Voller würden sich um die anderen beiden Argenter kümmern. Aber die an Bord befindlichen Frauen und Männer wußten nur zu gut, wer sich auf der Pinke Lilie befand. Wie ich erwartet hatte, rasten zwei der Flieger auf die Segelschiffe zu. Einer hingegen schlug unseren Kurs ein.

O ja, bei Zair! Unsere grimmigen Krieger ließen nicht zu, daß ihre Freunde und Befehlshaber ohne Unterstützung in den Kampf gingen.

Seg nickte knapp. »Ja, das habe ich erwartet.«

Inch lachte. »Bei allen Flaggen, das Kommando führt Alten Schongar.«

»Ein prächtiger Bursche.« Nath Javed fällte sein Urteil aus ganzem Herzen. »Er weiß, wie man ordentlich zuschlägt.« Und weil er nun einmal so war, wie er war, fügte er hinzu: »Zweifellos!«

Dieser allesumfassende Blick zurück hatte mir verraten, daß sich der Himmel mit dunklen brodelnden Wolken zuzog. Die mausgrauen Massen deckten ein Leichentuch über die hinter uns befindliche See. Sie versahen den hellen kregischen Nachmittag mit einem ungesunden, bedrohlichen Frösteln.

Ein letzter, flüchtiger Blick in die Höhe vor der Landung zeigte, daß die drei Sklavenvoller der Shanks noch immer dort schwebten. Offensichtlich waren sie unschlüssig, wie sie auf den Angriff der schnellen pazianischen Flugboote reagieren sollten. Schlechtes Cess für sie alle!

Pinke Lilie krachte schwer auf die dicken Decksplanken des Argenters und zerbrach dabei den Hauptmast, der in einer zerstörerischen Flut zerberstenden Holzes und wild um sich peitschenden Takelwerks umstürzte. Wir sprangen über die Reling wie Leems, die sich am Wasserloch auf ihre Beute stürzen. Die Shanks stellten sich uns entgegen. O ja, die Fischköpfe von der anderen Seite der Welt hatten Mut. Sie würden kämpfen. Wir mußten sie ohne Mitleid oder Zögern niederkämpfen. Das war die Pflicht, die uns, den Brüdern der Krovere von Iztar, auferlegt worden war.

Der Argenter segelte weiter, wurde jedoch langsamer, als der über Bord gegangene und noch immer in seinem Netz aus Takelwerk eingesponnene Hauptmast wie eine Bremse wirkte. Das Deck unter unseren Füßen fühlte sich hart an. Das Zwielicht der Sturmwolken raubte den Klingen das Funkeln. Der Stahl sah grau aus, scharf geschliffen, um Leiber aufzuschlitzen und Köpfe abzuschlagen. »Ishtish! Ishtish!« kreischten die Shanks.

Ein wildes »Iztar!« hallte durch die Luft, dann trafen wir auf sie.

Sie waren uns in der Anzahl überlegen. Das hatten wir erwartet.

Die Fischköpfe wissen, wie man kämpfen muß. Normalerweise reicht schon ihr Name, um Burschen, die kein Stahl im Rückgrat haben, in die Flucht zu jagen. Dieser Haufen hier hatte das Pech, gegen die tapferen Jungs in meiner Begleitung antreten zu müssen. Schreie ertönten. Blut spritzte. Schwerter stießen in den kurzen tödlichen Stößen des Nahkampfs zu. Die Dreizacke der Shanks zielten nach unseren Eingeweiden oder Hälsen und wurden von gutem vallianischen Stahl pariert.

Und während der ganzen Zeit übertönte das schreckliche Stöhnen der unter Deck angeketteten Sklaven den Kampflärm.

Wenn überhaupt, so trieb dieser Laut der Qual unsere Klingen zu schnelleren Hieben und unsere Muskeln zu wilderen Angriffen an. Der Kampf wogte über das Deck. Wir hielten sie in Schach, konnten aber wegen ihrer größeren Anzahl keinen Vorteil erringen. Nun gut! Bei Kurins Klinge! Wenn sie uns zahlenmäßig überlegen waren, mußten wir ihre Reihen eben lichten und so das Ungleichgewicht zerstören.

Kalte, unpersönliche Worte für Kampf, Blut und Tod!

Über dem blutverschmierten Deck breitete der Tod seine dunklen Schwingen aus. Seine Gefährtin, die Vernichtung, ging mit jedem Hieb einer Klinge ihrem blutigen Handwerk nach. Wir kämpften, und das Tageslicht verdüsterte sich immer mehr. Die Pracht der Sonnen von Scorpio schwand und starb, als die Sturmwolken unausweichlich näher kamen.

Der erste Regen benetzte das Deck. Der sichere Stand wurde trügerisch. Ein sauberer Rückhandschlag, der auf den schuppigen Kopf eines Fischgesichts zielte, das seinen Dreizack nach mir stieß, ging fehl, als ich ausrutschte. Die Bewegungen des Argenters im Wasser, die von dem über Bord gegangenen Hauptmast behindert wurden, waren unberechenbar. Ich duckte mich, fand wieder sicheren Stand und konnte den Dreizack abwehren.

Eine Klinge fuhr über meinen Kopf hinweg, und der Shank taumelte kreischend fort.

»Und wieder einer, mein alter Dom.«

Es war nicht nötig, Seg ein Dankeschön zuzukeuchen; wir hatten so etwas schon in der Vergangenheit getan, und bei Vox, wir würden es auch in der Zukunft tun müssen. Ich entledigte mich eines neuen Gegners mit einem geraden Ausfall, während Seg herumfuhr, um den nächsten niederzuschlagen.

»Das bringt einen ins Schwitzen!« Auch auf diese Bemerkung konnten wir verzichten.

Der Kampf brachte einen zum Schwitzen, und er würde noch heißer werden.

Das Schiff sackte träge in ein Wellental, und erneut hätte ich beinahe das Gleichgewicht verloren. Und das mir, einem alten Seemann! Mehr als nur leicht gereizt wandte ich mich dem nächsten Shank zu, tötete ihn und sah mich nach einem neuen Gegner um.

Dunkelheit brach über uns herein, als sich am Himmel Gewitterwolken vereinten. Der Regen verdichtete sich zu grauem Hagel, der auf das Deck niederprasselte. Wasser strömte über unsere Gesichter. Fahle Blitze spalteten den Himmel. Krachender Donner ertönte.

Die Voller, die dort oben flogen, würden ihren Spaß haben, bei Krun!

Das pazianische Flugboot, das zu unserer Hilfe herbeieilte, war ein nur schattenhafter Punkt in der Dunkelheit. Es prallte mit dem Bug gegen den Vormast, der mitsamt Segel und Takelage umstürzte, und krachte dann in das Vorderdeck hinein. Krieger mit blankgezogenem Stahl in den Fäusten sprangen heraus.

Jetzt hatten wir die verdammten fischgesichtigen Räuber!

Der Kampf bewegte sich auf das Achterdeck zu. Wir trieben unsere Feinde mit einer gnadenlosen Wand aus Stahl zurück. Und genau in diesem Augenblick riß das Takelwerk, das den Hauptmast am Rumpf gehalten hatte. Ich sah nicht, wie der Mast in den Wellen verschwand, aber ich spürte es sofort an der Art und Weise, wie das Schiff sich drehte. Einige Männer taumelten und fielen hin. Die Shanks stießen ihr schrilles »Ishtish! Ishtish!« aus, das trotz des Sturms zu hören war.

Das Deck bewegte sich wie eine Achterbahn. Das Schiff selbst wirbelte im Wasser umher wie eine der entfesselten Tänzerinnen des Wüstenstammes der Dordre-Um, die allen Fremden feindlich gesinnt sind. Meine linke Faust umklammerte die Reling, und einen Augenblick lang hielt ich mich wie alle anderen verzweifelt fest.

Für die armen, unglücklichen Sklaven unter Deck mußte es die Hölle sein. Die Kataki waren schlimm genug; die Fischköpfe, die gelandet waren, um die Kontrolle zu übernehmen, waren weitaus schlimmer – und jetzt wurden die Sklaven wie Äpfel in einem Faß umhergeschleudert, das über holperige Pflastersteine einen Hügel hinunterpolterte. Wir fühlten mit ihnen, aber uns war auch klar, daß es verhängnisvoll gewesen wäre, sie zu befreien und an Deck zu bringen. Das so verursachte Chaos wäre unvorstellbar gewesen.

Die Katakis in den Rängen unserer Feinde waren mit löblicher Regelmäßigkeit gefallen, und es war wenig wahrscheinlich, daß ihre Auftraggeber, die Shanks, noch einmal die Decks ihrer verfluchten Sklavenvoller wiedersehen würden. Alles in allem hätte sich diese kleine Rangelei wesentlich schlechter entwickeln können.

Nun mußten wir nur noch durchhalten, den Rest der Sklavenjäger ausschalten, den Sturm überstehen und dann den Argenter wieder so weit herrichten, daß er zurücksegeln könnte.

Es war später Nachmittag, und die Sonnen von Scorpio hätten ihre rubinroten und smaragdgrünen Strahlen aussenden müssen, um die See in ein farbenprächtig funkelndes Märchenland zu verwandeln. Statt dessen lag über allem das undurchdringliche dunkle Leichentuch des Sturms; Regen peitschte herab, Blitze zuckten, und Donner brachte alles zum Erbeben.

Das Licht eines Blitzes gestattete einen flüchtigen Blick auf dunkle Gestalten, die vom Heck aus ins Meer sprangen. Die Shanks gaben das Schiff auf!

»Die sind wir los!« verkündete Seg und atmete schwer durch die Nase.

»Aye.« Der alte Hieb-und-Stich packte mit einer kräftigen Hand die Reling. »Zweifellos!«

Wir hatten genügend Erfahrung in der Kriegskunst, um dankbar zu sein, wenn unsere Feinde flohen oder – wie in diesem Fall – ins Meer sprangen und wir sie nicht verfolgen mußten.

Einige der Leute, die mit dem Voller gekommen waren, verabscheuten Kataki und Shanks so sehr, daß sie entschlossen waren, den Kampf bis zum bitteren Ende zu führen. Ein halbes Dutzend lief nach achtern.

»Beim Verschleierten Froyvil!« Seg rannte ihnen hinterher. Er verschwand im Zwielicht.

»Geh nach unten und sieh nach den Sklaven, Nath!« brüllte ich gereizt Nath Javed ins Ohr. Ohne ihm Zeit für eine Erwiderung zu lassen, lief ich Seg über das rutschige und schwankende Deck hinterher. Grünweiß gischtendes Wasser schäumte über die Reling. Einen Augenblick lang stand ich bis zur Taille im Strudel und befürchtete, nun sei alles vorbei und ich würde über Bord gespült. Aber die See wich zurück, mein verzweifelter Griff fand die Reling, und ich stemmte mich Seg hinterher.

Selbst in diesem Moment, da ich die Narren verfluchte, die das Schicksal auf diese Weise herausfordern mußten, gestattete ich mir einen Gedanken an den armen alten Hieb-und-Stich. Kein Zweifel, er würde gehorchen und die ganze Zeit über mit verblüffter Wut vor sich hinmurmeln. Was die zusammengepferchten Sklaven von seiner gewaltigen wassergetränkten und für den Kampf gerüsteten Gestalt dächten, die da plötzlich wie ein Teufel aus Cottmers Höhlen vor ihnen auftauchte, wollte ich mir lieber nicht ausmalen. Ich kämpfte mich weiter und folgte Seg so schnell, wie es nur möglich war.

Nicht alle Fischköpfe sprangen über Bord.

Die die Dunkelheit durchdringenden Blitze flammten nun öfters auf. Der Donner verschmolz zu einem nichtendenwollenden Krachen. In der flackernden Helligkeit traten die Shanks gegen unsere ungestümen Männer an.

Eine riesige Welle traf das Schiff, und das Deck schwankte gewaltig. Ich rutschte auf der Steuerbordseite mit nach Gleichgewicht rudernden Armen kopfüber gegen die unterhalb des Achterdecks befindliche Tür zum Schiffsinnern. Der Aufprall ließ mich genug Sterne sehen, um den Himmel damit zu bevölkern.

Ein wilder Griff nach der Leiter und ein noch wilderer Ruck, um den Körper herumzureißen, brachten meinen Fuß auf die zweite Sprosse. Ich stieg nach oben, und meine Stimmung ließ keinen Platz für Höflichkeit. Wäre die Situation nicht so voller Gefahren gewesen, hätte der Anblick auf dem Achterdeck zum Lachen gereizt.

Pazianer und Shanks taumelten wie einfältige Narren umher und versuchten, ihre Gegner zu treffen. Schwerter verfehlten Fischköpfe, und Dreizacke bohrten sich ins Deck. »Bei Makki-Grodnos krankem linken Nasenloch und seinen pilzverseuchten Achselhöhlen!« stieß ich halblaut hervor. »Eine Horde von Narren!«

Der makabere Anblick, der in das flackernde, geisterhafte, blaue Licht der herabzuckenden Blitze getaucht wurde, stellte ein Problem dar. Eine schemenhafte Bewegung im Augenwinkel ließ mich herumfahren, und beim nächsten Blitz wurde mir klar, daß wie bizarr die sich mir hier bietende Szene auch war, die Männer es allein schaffen mußten. An der Reling des Achterdecks wartete Arbeit auf mich, die keinen Aufschub duldete.

Die Blitze zuckten nun seltener vom Himmel, und die dazwischenliegenden Phasen des Zwielichts dauerten länger an. Ich mußte schnell sein. Verdammt schnell!

Die kurze Helligkeit der elektrischen Entladung hatte mir zwei Männer gezeigt – einen Kataki und einen Shank –, die wild auf eine dritte Person einhieben. Anhand der schlanken Gestalt und der dazugehörigen Formen handelte es sich bei dieser Person um ein Mädchen, eine junge Kriegerin, die verzweifelt um ihr Leben kämpfte.

»Verflucht!« knurrte ich und setzte mich mit dem Schwert in der Hand in Bewegung. »Das werde ich nicht zulassen!«

Das Schiff bäumte sich auf und brachte mich ins Taumeln, das schlechte Licht verhinderte einen sauberen Stoß – trotzdem! Meine Klinge durchbohrte den Kataki in dem Augenblick, als sein heimtückischer klingenbewehrter Schwanz schräg nach oben sauste und nach dem Kopf der Jikai-Vuvushi hieb.

Da meine rechte Faust das Schwert hielt, mit dem ich den Peitschenschwanz aufgespießt hatte, schnellte meine linke vor, packte den Schwanz des Burschen und zog kräftig. Das Schiff bewegte sich heftig, doch ich behielt das Gleichgewicht, indem ich den Kataki als Stütze benutzte. Die fünfzehn Zentimeter Stahl an seinem Schwanzende verfehlten das Mädchen, und er taumelte zurück. Selbst im Toben des Sturms war sein Aufschrei zu hören.

Die unkontrollierten Bewegungen des Decks und der Ruck, als der Kataki zurücktaumelte, rissen mir das Schwert aus der Hand. Außerdem mußte ich mich dringend irgendwo festhalten, und so schloß sich meine Rechte um die Reling. Ich schnellte herum. Da ich den Schwanz losließ, krachte ich mit Wucht gegen das Holz. Der nächste Blitz zeigte mir, daß das Mädchen nur einen Schritt entfernt mit dem Rücken zu mir gewandt dastand, während sie sich mit wirbelnder Klinge dem Shank stellte.

Der Fischkopf hatte seinen Dreizack verloren und schwang nun einen beidseitig geschliffenen Krummsäbel, eine häßliche Waffe. Der Thraxter der Jikai-Vuvushi, eine gerade Hieb- und Stichwaffe, glitt vom gegnerischen Stahl ab, und ich erkannte sofort, daß die doppelt geschliffene Klinge des Todes sie durchbohren würde. Ein Satz nach vorn, ein wilder Ruck meines Arms, der sich um eine schlanke Taille geschlungen hatte, und sie stolperte über das Deck und verschwand in der Dunkelheit.

Der Shank stieß ein Zischen aus, das ich hören konnte; sein Angriff war so ungestüm gewesen, daß wir zusammenstießen und der Krummsäbel an meiner Seite vorbei ins Leere stach – zumindest glaubte ich dies in diesem Augenblick.

Wir rangen miteinander. Das Schiff kippte zur Seite, und ineinander verschlungen gingen wir über Bord und stürzten in die feindliche See. Schwarze Wellen hüllten uns ein. Der Argenter verschwand. Wir kämpften auf dem menschenleeren Meer um unser Leben. Und genau in diesem gefahrvollen Augenblick – ich weiß nicht, ob es Wirklichkeit war oder ob es sich um eine fiebrige Wunschvorstellung meiner Einbildung handelte – hörte ich von irgendwoher eine schrille Stimme rufen: »Er ist ins Wasser gefallen!«