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Das funkelnde Langschwert fuhr nach rechts und links; ich hielt es in dem beidhändigen raffinierten Krozairgriff. Zwei Shanks konnten nicht einmal mehr einen Schrei ausstoßen, sie brachen zusammen, von grünem Blut überströmt. Der größte Teil der Krozairklinge spiegelte noch immer das Licht der Zwillingssonnen.
Nachdem weitere überraschte Fischgesichter unter meinen gnadenlosen Hieben fielen, verwandelte sich der Glanz in einen unheilvollen grünen Belag. Es war absolut überlebenswichtig, in Bewegung zu bleiben und trotz der leidenschaftlichen, im Blut tosenden Woge der Rache mit Überlegung zuzuschlagen. Die Katakis schrien einander widersprechende Befehle zu, und der Peitschen-Chuktar wollte mit dem klingenbewehrten Schwanz zustechen. Ein aufwärtsgerichteter Hieb durchtrennte zuerst den Greifschwanz und spaltete dann unter einem Blutschwall die Rüstung.
»Los! Los! Bewaffnet euch! Bratch!«
Llodi reagierte als erster. Er griff sich einen Dreizack und stieß ihn einem Shank mit Jubelgeschrei sauber in den Leib.
Kuong und Mevancy besorgten sich Schwerter und machten sich an die Arbeit.
Rollo bekam einen Dreizack in die Hände und schloß sich ihnen an.
Das alles geschah so schnell, daß die Fischgesichter durch den Schreck und den jähen Tod des Lords verwirrt zurückwichen. Immer mehr starben. Der Kampf tobte über das schmutzige Deck.
Trotzdem hätten wir uns aller Wahrscheinlichkeit nach gegen den schrecklichen Gegner nicht durchsetzen können, der nun rasch weitere Krieger in die Schlacht warf. Doch an sechs Membranen fraß Säure, wenn auch mit unterschiedlicher Schnelligkeit, und die an Bord von sechs fliegenden Schiffen der Shanks versteckten Brandsätze entzündeten sich nacheinander. Mit lautem Fauchen schlugen auf dem nächsten Schiff Flammen in die Höhe. Von Bord des Flaggschiffs des Lords erscholl unverständliches Gekreisch, als sich endlich der Brandsatz entzündete, den ich im Magazin versteckt hatte.
Ein halbes Dutzend Fischgesichter sprang über Bord. Andere zögerten.
Ich sorgte mit einigen Hieben des Krozairschwerts für Platz.
»Rollo! Ich halte sie in Schach. Geh an die Kontrollen!«
»Aber Drajak ...«
»Mevancy, begleite Rollo! Läufer, nun mach schon! Du kannst einen solchen Apparat fliegen! Beweg dich!«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, begab sich Rollo zu der Leiter, die zum nächsten Deck hinaufführte. Es war klar, wo sich die Kontrollen befanden: in dem weiter vorn befindlichen gepanzerten Steuerraum mittschiffs. Mevancy durchbohrte einen Kataki und trat ihm auf den Schwanz, während sie neben Rollo einherlief. Sie hielt sich nicht damit auf, den Schwanz abzuschneiden. Gewöhnlich tut man dies bei sich bietender Gelegenheit, aber sie hatte den Kataki getötet. Rollo und sie verschwanden nach oben.
Nun kam Leben in die Sklaven, sie sahen die Rettung vor Augen.
Außer meinen vier Freunden kannte ich niemanden. Die Berserkerwut hatte mir genug Antrieb verliehen, um die Sklavendenkweise zu überwinden. Nun mußte sie mit Überlegung geleitet, geordnet und genutzt werden. Der Kampf war noch nicht vorbei.
Auf dem hinteren Teil des Flaggschiffs loderten die Flammen. Die sechs Schiffe, auf denen Brandsätze deponiert worden waren, wurden vom Feuer verwüstet.
Das Flaggschiff des Lords, auf dem wir uns aufhielten, war ein prächtiges Gefährt. In jenen Tagen hatte ich keinerlei Bedenken, es in Brand zu setzen. Ich hoffte nur, daß wir uns damit in die Luft erheben konnten, bevor die Flammen es völlig erfaßt hatten.
Das Schiff schlingerte plötzlich, als Feuerzungen daraus hervorschossen und Katakis und Shanks übers Schanzkleid sprangen. Der Voller hob ab und setzte wieder auf dem Boden auf.
»Mach schon, Rollo, mein Junge. Los!«
Er ließ das Schiff so hart in die Höhe steigen, daß viele auf die Decksplanken geworfen wurden. Es flog geradeaus, und die Flammen strömten nach hinten. Die aus dem Gleichgewicht gebrachten Katakis und Shanks stolperten übereinander und stürzten aufs Deck; diese großartige Gelegenheit durfte ich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Als ich loslief und mit dem rot- und grünbeschmutzten Langschwert zuschlug, kannte ich keine Gnade mehr.
Gerade als ich ein Fischgesicht niedergestreckt hatte und herumschwang, um einem Peitschenschwanz den Leib aufzuschlitzen, schob Mevancy den Kopf über das Oberdeck.
»Kohlkopf! Hier oben ist keiner!«
Sie stieg den Niedergang herab.
»Paß auf dich auf, Hühnchen! Hier unten gibt es noch ein paar Shints.«
Das Schiff stieg nun in die Höhe, und durch die immer schnellere Vorwärtsbewegung ließ es einen Flammenschweif hinter sich zurück. Die Sklaven, die nun keine mehr waren, kämpften weiter. Auf einem brennenden Schiff stießen wir in den Himmel vor.
»Spürt sie alle auf!« brüllte ich. »Laßt keinen der Cramphs übrig!«
Wie Sie sehen, hatte ich mich in eine wahre Raserei hineingesteigert.
Allerdings hatte ich als Sklave Greuel mitansehen müssen, die so schrecklich waren, daß ich sie nicht zu schildern vermochte. Meine Freunde sollten ermordet werden. Doch der scharlachrote Lendenschurz und die Krozairklinge hatten es verhindert und den Lauf des Schicksals verändert!
Die schnelle Vorwärtsbewegung des fliegenden Schiffs durch die Luft trug eine frische und saubere Brise mit sich; der faulige Fischgestank ließ etwas nach.
Wir jagten die Sklavenherren auf den vorderen Decks.
Das Heck hatte sich in ein brennendes Inferno aus prasselnden Flammen verwandelt. Als ziemlich sicher war, daß kein Peitschenschwanz und kein Fischgesicht mehr lebte, schwiegen alle. Die Stille wurde nur von dem knisternden Tosen der Flammen und des Windes gebrochen.
Ich riß einem Kataki, der kopfüber in seinem Blut lag, ein Stück Stoff aus dem Gewand und säuberte die Krozairklinge.
Mevancy fragte leise: »Kohlkopf?«
Ich bemühte mich, für sie zu lächeln.
»Danke, Hühnchen.«
»Wie? Du bedankst dich bei mir? Aber ...«
»Ich habe in Taranjin versagt. Ich dachte, ganz Tarankar sei verloren. Da brachten die Shanks und die Katakis dich und die anderen an Bord.«
Noch während ich diese Worte aussprach, merkte ich, daß ich dummes Zeug redete. Trotzdem war die Sache ziemlich knapp ausgegangen, bei Krun. Ich war im Begriff, mich schnell zu erholen.
Sie nickte. »O ja, ich verstehe.«
Ich glaube, sie verstand tatsächlich.
Rollo kam heran. Er hatte einen lohischen Langbogen gefunden und rückte den Köcher über der Schulter zurecht. Er warf mir einen eigenartigen Blick zu.
»Wie ich schon sagte: Ich habe die Geschichten gelesen ... Drajak.«
»Hast du die Stricke so um die Kontrollen gezurrt, wie ich es dir gezeigt habe?«
Mein Tonfall war scharf.
»Natürlich.« Er klang verletzt. »So ein Fambly bin ich nun auch wieder nicht, oder?«
Vom Feuer und dem Auseinanderbrechen des Schiffes abgesehen, kamen wir großartig voran. Ich wußte nicht, wie lange das Schiff noch zusammenhielt. Entweder würden wir plötzlich in die Tiefe stürzen oder gebraten werden. Weder das eine noch das andere war eine erfreuliche Vorstellung.
Kuong und Llodi erweckten den Eindruck, als sei ihnen übel. Das lag nicht am Kampf. Als Loher hatten sie keinerlei Erfahrung mit fliegenden Schiffen. In dem Bemühen, sie zu beruhigen, sagte ich: »Diese Flugapparate sind wunderbar. Uns wird nichts geschehen.« Nach einem Kampf benehmen sich nur die wenigsten Menschen so, als sei nichts gewesen. Unsere Unterhaltung war gezwungen und unnatürlich. Auch das würde vorübergehen.
»Ich gehe nach achtern unter Deck. Ich will sehen, ob wir verfolgt werden.«
»Du wirst dich verbrennen«, entfuhr es Mevancy unverzüglich.
»Das ist ein merkwürdiger Tag heute, mit dieser Fliegerei und so weiter«, sagte Llodi, der noch immer über die wunderbare Erfahrung des Fliegens durch die Luft nachsann.
Das brach das Eis. Wir lachten alle.
»Ich begleite dich nach achtern, Drajak«, schlug Kuong vor.
Bis auf Rollo mit seiner dummen Bemerkung hatte noch niemand etwas über mein Erscheinen gesagt. Rollo kannte als einziger meine wahre Identität. Doch die anderen hatten die wilden Geschichten über Dray Prescot gelesen, denen zufolge er durch die Länder Kregens reist, in Not geratene Damen rettet und die Unterdrückung bekämpft. Den scharlachroten Lendenschurz und das große Krozair-Langschwert konnte man durchaus als Markenzeichen Dray Prescots bezeichnen. Ich grübelte ergebnislos darüber nach, ob sie die Hinweise zusammensetzen konnten. Konnte Rollo schweigen?
Aber eigentlich bedeutete es nicht mehr viel. Die Herren der Sterne hatten mir die Aufgabe übertragen, die verdammten Shanks zuerst aus Tarankar und dann aus Paz zu vertreiben.
Wir sahen von der unteren Galerie am Schiffsheck aus, daß die Armada der fliegenden Shankschiffe eine erbarmungslose Verfolgung aufgenommen hatte. Dabei wehte uns die pulsierende Hitze von oben auf den Kopf.
»Wie viele sind es?«
»Ich kann neunundzwanzig ausmachen«, sagte Rollo nach einer kurzen Pause.
»Zähl sie noch einmal«, bat ich in dem Bestreben, den jungen Draufgänger hart anzufassen.
Während er damit beschäftigt war, sah ich, daß er ein Gefährt übersehen hatte, das direkt hinter einem anderen flog. Deshalb hatte er zwei als eines gezählt.
»Oh, aye«, murmelte Rollo mürrisch. »Es sind dreißig.«
»Ich muß wohl nicht erklären, daß das Schiff, das du übersehen hast, für deinen Tod verantwortlich sein könnte.«
»Nein, das ist nicht nötig«, konterte er in fast trotzigem Tonfall.
»Wir gehen wieder an Deck. Die Hitze hier ist ungesund.«
Die Rauch- und Flammenwolke, die wir hinter uns verbreiteten, verschmutzte den Himmel. Hinter der Qualmspur mochten sich, ehrlich gesagt, noch dreißig weitere Gegner verbergen. Aber das glaubte ich eigentlich nicht. In den ersten Augenblicken unser hektischen Flucht hatten wir an Höhe gewonnen, und die Fischgesichter eilten in direkter Linie voran und gewannen nur langsam an Höhe, damit sie nicht zurückfielen. Es schien erst wenige Perioden zurückzuliegen, daß die Shanks über keine Voller verfügten, und für diese kurze Zeit hatten sie sich zu tüchtigen Fliegern entwickelt.
»Du kennst dich mit Flugbooten aus. Sicher weißt du auch, wie man das Feuer löschen kann.« Mit diesen Worten begrüßte mich Mevancy an Deck.
»Alle Glocken der Hölle und Eimer voller Blut, Frau!« fauchte ich zurück. »Vielleicht reicht es, wenn ich darauf spucke.«
»Oh, du!«
»Ich sehe nach den Kontrollen«, sagte Rollo, klug, wie er war.
»Ich habe da so ein Gefühl«, sagte ich. »Kuong, ich glaube, irgendwo verbirgt sich noch ein Kataki oder ein Fischgesicht.«
Kuong strahlte, statt besorgt auszusehen. »Da stimme ich dir zu, Drajak. Ich werde einige Leute sammeln und sie ausräuchern!«
»Falls vorher nicht wir ausgeräuchert werden«, keifte Mevancy aufgebracht.
»Sieh mal, Hühnchen, auf so einem Holzschiff kann man nur hoffen und beten. Wir haben nicht einmal das Meer, um Wasser zu schöpfen. Wir können die Flammen durch unsere Fluggeschwindigkeit zurückhalten. Aber irgendwann werden sie sich nach vorn fressen.«
»Dann erwarte nicht, daß ich dich dort wieder herausziehe.«
»Nein, danke. Ich will nicht noch einen Schlag auf den Kopf bekommen, damit ich wieder gelähmt bin«, entfuhr es mir, bevor ich mich beherrschen konnte.
»Was willst du damit sagen?« fragte sie eisig.
»Nichts, Hühnchen. Ich gehe in die Waffenkammer.«
Damit meinte ich nicht das Schiffsmagazin, sondern den Trophäenraum des Lords. Wenn ich mich nicht beeilte, griff das Feuer auch noch auf diesen Raum über.
Als ich an den Leichen der beiden Peitschenschwänze vorbei durch die Tür trat, drehte ich mich um, damit ich Mevancy etwas zurufen konnte. Sie stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und hatte den Kopf vorgeschoben. Auf ihrem Gesicht lag ein teuflischer Ausdruck.
»Sorg dafür, daß man die Leichen über Bord wirft, ja?«
Wenn ich schon das Kommando hatte, sollte das Schiff so gut wie möglich gesäubert werden; dabei war völlig unerheblich, daß es brannte.
Der Trophäenraum enthielt einige Gegenstände, die sich meiner Meinung nach als nützlich erweisen konnten. Die zusammengehörige Bewaffnung, Rapier und Main-Gauche, stammte aus Hamal und war prächtig verziert. In Tarankar hatten wir so tiefe Gravuren in die Shank-Klingen eingeätzt, daß sie beim Kampf zerbrechen mußten. Bei dem Kampf an Deck war es zwar nicht dazu gekommen, aber ich glaubte fest daran, daß die Waffen der Fischgesichter zerbrachen, wenn es an der Zeit war. Es würde sich zeigen, wie lange das Rapier einen Kampf überstand. Ein echter Krozair oder ein Schwertkämpfer aus Zenicce sorgt dafür, daß seine Klinge nur mit wenigen Gravierungen versehen wird. Der Brudstern, einige Geheimzeichen – das ist alles. Ich traue hübsch verzierten Klingen nicht.
Die aus Lestenhaut nach Krosturrart angefertigte Scheide konnte ich nun wieder an den Gürtelschlaufen befestigen. Es war nicht nötig, daß ich mit der blanken Klinge in der Faust herumstolzierte. Leider war das Kettenhemd eine Handbreit zu schmal für meine Schultern. Mag man auch in den Legenden erzählen, daß Dray Prescot bis auf einen roten Lendenschurz nackt herumläuft, so weiß ich meinen Rücken doch gern durch eine Rüstung geschützt. Allerdings würde sich die canopische Armbrust als nützlich erweisen, bei Vox.
Was die zerrissenen Flaggenhälfte des vallianischen Speerträgerregiments der Grünröcke anging, nun, sie wollte ich nach Möglichkeit retten. Sollten wir mit heiler Haut aus dieser Klemme herauskommen, würde es mir große Freude bereiten, die Standarte bei einer offiziellen Zeremonie dem Regiment zu überreichen. Bei Vox, welch für ein Handstreich!
Allerdings mußte ich dann aus dem gleichen Grund auch den Lanzenwimpel aus Hyrklana mitnehmen. Mein Sohn Jaidur, Vax Neemusjid, war König von Hyrklana. Auch er würde den Lanzenwimpel gern dem betreffenden Regiment zurückgeben.
In der Tür erschien ein Schatten. Im gleichen Augenblick hatte ich den Trophäenraum durchquert, das Langschwert gezogen und war bereit.
»Du bist nervös, Kohlkopf.«
Ich schob das Schwert wieder in die Scheide.
»Am besten suchst du dir aus, was du haben willst. Das hier wird bald alles brennen.«
»Ja, also gut. Sieh mal, Drajak, wir dienen beide den Everoinye, und du weißt, daß ich das Kommando habe. Also überlaß es mir, die Befehle zu geben, ja?«
Darauf wußte ich nichts Vernünftiges mehr zu erwidern.
Statt dessen fragte ich: »Sind alle Decks gesäubert?«
Ihr voller, beweglicher Mund wurde schmal. »Du tust es schon wieder! Nur weil du dich wie der Herrscher von Vallia anziehst und ein langes Schwert trägst, bist du noch lange nicht Dray Prescot. Ich habe die Bücher gelesen. Davon habe ich dir erzählt. Dray Prescot ist von viel zu edler Gesinnung, als daß er sich auf so ungehobelte Weise benehmen würde wie du. Du kannst so viel schauspielern, wie du willst, Drajak, du wirst nie ein Dray Prescot.«
Also wirklich!
»Verdammt noch mal!« rief ich. »Derjenige, der dir erzählt hat, Dray Prescot sei von edler Gesinnung, war ein Erzlügner ...«
»Also bitte, Kohlkopf! Ich weiß, was ich gelesen habe. Schaff jetzt einige der befreiten Sklaven herbei, damit sie die Waffen wegtragen. Sie könnten von Nutzen sein.«
»Nun gut. Oh, nimm das Kettenhemd hier. Es wird dir passen. Du wirst es brauchen.« Ich hielt ihr das Hemd aus den kunstvoll zusammengeschmiedeten Eisenringen hin.
»Oh, du!« Doch sie nahm es. Dann sagte sie: »Sag San Cheng, er möge zu mir kommen.«
»San Cheng? Wer ist das?«
»Kuongs neuer Bewahrer. Ein merkwürdiger kleiner Kerl. Also los, Kohlkopf, spute dich!«
Ich ging, einerseits zufrieden über die kleine Auseinandersetzung mit der hitzköpfigen Dame, andererseits aber auch wieder unzufrieden. Man zeigte mir San Cheng, und ich befahl ihm, die Dame Mevancy im Trophäenraum aufzusuchen.
Er plusterte sich auf, die spitze Nase und das runde Kinn hoch erhoben, die Hände in den Ärmeln seines Gewandes verborgen. »Egal, wer du bist«, sagte er, »du wirst mich mit San anreden. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?« Er lächelte. »Ich werde die Dame aufsuchen, wann ich es will.«
Das ärgerte mich, und ein bißchen ritt mich der Teufel.
»Du bist hier nicht in Makilorn. Du befindest dich an Bord eines brennendes Schiffs, das unter meinem Kommando steht. Du wirst dem Befehl der Dame Mevancy augenblicklich Folge leisten, oder ich packe dich an deinem dreckigen Hals und schleife dich zu ihr. Dernun?«*
Er zuckte zurück. Der verabscheuungswürdige alte Dray Prescot-Teufelsblick muß sich auf meinem Gesicht gezeigt haben. Er leckte sich die Lippen. »Nun, vielleicht ...«
»Da gibt es kein Vielleicht, Sonnenschein! Bratch!«**
In diesem Augenblick erhob sich ein Geschreie, und Kuong erschien mit einer Gruppe befreiter Sklaven an Deck. Sie trugen etwas in einem Netz.
Sie warfen die Last auf die Planken, die mit zwei Armen, zwei Beinen und einem dolchbewehrten Schwanz um sich schlug.
»Du hattest recht, Drajak! Sieh!«
»Ich rieche ihn zwar nicht, aber er ist dasselbe Kaliber wie die Shanks.«
Der Kataki wurde, noch immer in dem Netz gefangen, in die Höhe gezerrt. Kein Buchmacher hätte die Wette angenommen, daß der Kerl das Netz früher nicht dazu verwendet hatte, um normale, anständige Menschen aus Paz einzufangen und zu versklaven. Und nun hatten die Jibrfarils ihre üblen Dienste an die Shanks verkauft. Ich starrte den Peitschenschwanz mit großem Mißfallen an. Der Bursche fing tatsächlich an zu reden und versuchte, um sein Leben zu verhandeln.
»Versteht doch, Doms ... Die Shanks haben mich dazu gezwungen ... Ich bin Pazianer wie ihr ...«
Die Sklaven stießen haßerfüllte Schreie aus. Ich sah erfreut, daß Kuong sie so weit beherrschte, daß sie den Peitschenschwanz noch nicht in Stücke rissen. Daß ich sie ohne Unterschied als Sklaven bezeichne, verrät etwas darüber, welchen Einfluß Kregen auf den Kopf eines Burschen wie mich hat. Ja, einige dieser armen Leute waren schon Sklaven gewesen, bevor die Katakis sie gefangen hatten. Andere wiederum nicht. Nach meinem Kodex waren sie alle ehemalige Sklaven. Aber mein Kodex galt hier unten in Tarankar nichts. Ich hoffte zuversichtlich, daß sich das eines Tages ändern würde.
Übrigens meine ich mit Kodex natürlich nicht den Sagenschatz, der in Büchern, Schauspielen und Puppentheatern enthalten ist, in denen von dem mythischen Dray Prescot die Rede ist. O nein, ich beziehe mich auf die Ideen, die wir Vallianer hoffentlich irgendwann allen Pazianern beibringen werden.
Mevancy trat zu uns; der Aufruhr hatte sie angelockt. Sie hielt das Kettenhemd im Arm, denn man muß es erst in der Hand wiegen, um wirklich zu begreifen, mit welchem Geschick die Waffenschmiede aus den Ländern der Dämmerung mit Eisenmaschen umzugehen wissen. »Was ist denn jetzt schon wieder los ... Ah!« Sie sah den Peitschenschwanz und verstand sofort.
»In dieser Situation könnte Caspar der Spitzer glänzen«, bemerkte ich nebenbei.
»Caspar? Oh, die Everoinye haben ihn wieder losgeschickt.«
»Vielbeschäftigter Bursche.« Caspar war ein Kaogoinye, ein offizieller Meuchelmörder im Auftrag der Herren der Sterne und außerdem noch ein Künstler von bemerkenswertem Talent. »Wohin?«
»Er wurde vorgewarnt und hat es mir erzählt. Boromir in der Asche.«
»Beim schwarzen Chunkrah!« Ich lachte nicht laut. Aber es erheiterte mich. »Das bedeutet, daß der alte Strom Irvil es nicht geschafft hat oder daß Caspar sich mit diesem reizenden Numim-Adligen auseinandersetzen muß. Ich wünsche ihm Glück, bei Krun!«
Mevancy wußte nicht, wo Boromir in der Asche lag.
Der Kataki versuchte, die Netzstränge mit dem Dolch zu zerschneiden, den er an den Schwanz geschnallt trug. Einer der ehemaligen Sklaven, ein ungeschlachter Brokelsh, dessen schwarzes Körperhaar sich rachelüstern sträubte, beugte sich ruhig vor und hieb den Schwanz ab.
»Aber Tuco!« rief Kuong aus. »Dafür ist doch noch genug Zeit.«
»Ja, Herr, der Shint verdient mehr, als er bekommen wird.«
Der Peitschenschwanz hielt den Schwanzstumpf mit beiden Händen fest. Er schrie zwar nicht, aber er starrte das blutige Ende voller Entsetzen an.
»Tötet ihn! Tötet ihn!« Die Leute waren nun so aufgebracht, daß Kuong jeden Augenblick die Kontrolle über sie verlieren konnte.
»Der Shint kann uns einige Dinge verraten, wenn wir ihn befragen«, schlug Mevancy vor.
»Was, zum Beispiel?« Ich sah mich um. Wenn wir nicht sofort etwas unternahmen, war unsere Autorität dahin.
»Bitte!« keuchte der Kataki bebend. »Bitte, verschont mich ...«
Es war ein Schauspiel, das ich heftig verabscheute. Natürlich stand uns nur noch ein Weg offen. Ich sagte: »Peitschenschwanz, wir werden dir gleiche Gnade erweisen, die du den pazianischen Sklaven gegenüber gezeigt hast.«
Er schrie.
»Über Bord mit ihm!« brüllte ich, und das in einem schneidigen Befehlston, daß die rachsüchtige Meute sofort gehorchte. Sie schrien und lachten vor Freude, als sie den Peitschenschwanz auf einen Wald aus emporgereckten Armen hoben. Er kreischte, als sie ihn zum Schiffsrand beförderten.
Ich verzichtete darauf, zum Schanzkleid zu gehen, um seinen langen Sturz in die Tiefe mitanzusehen.