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Stahl! Stahl! Nutzloser Stahl ...

Der hübsche Drexer, der in den Waffenschmieden Valkas entstanden war, darauf angelegt, die besten Elemente des havilfarischen Thraxters, des vallianischen Clanxers und des sagenhaften Savantischwertes in sich zu vereinen, die ganze Geschicklichkeit, Umsicht, all das Wissen und Können – es sollte umsonst sein, ohnmächtig, verschwendet ...

Ich eilte so schnell die Treppe hinab, daß ich beinahe auf die Nase gefallen wäre. Der Werwolf erblickte mich. Die im Lampenschein rötlich schimmernden Augen schienen Funken zu sprühen. Speichel hing dick und klumpig zwischen den Lefzen. Er atmete schwer. Er ließ keinen Zweifel daran, was er war: ein böses, lebensgefährliches Geschöpf, das so etwas wie menschliche Gnade nicht kannte.

Der Werwolf sprang über das Mädchen, um mich anzugreifen. Er fauchte die Treppe herauf und zog dabei die schwärzlichen Lippen zurück, um die spitzen Hauer bloßzulegen. Am Nacken sträubte sich das Fell zu einer dicken Bürste. O ja, trotz der Eile, mit der ich mich bewegte, sah ich, daß ich es hier mit einem teuflischen Werwolf zu tun hatte.

Von der vorletzten Stufe sprang ich ab. Ich sauste in hohem Bogen über den Rücken der Bestie und landete katzenfüßig auf dem Teppich. Mit einem furchterregend tiefen Knurren fuhr sie herum. In dem Herzschlag vor dieser Wende hieb ich mit dem Schwert nach ihr und brachte ihr am Hinterbein einen tiefen Schnitt bei.

Der Werwolf schrie auf – wer hätte das nicht getan? – und wich aus. Mein zweiter Hieb verfehlte knapp die zurückweichende Schnauze.

Die Wunde am Hinterbein behinderte das Ungeheuer nicht im geringsten. Es schien völlig unberührt zu sein.

Mit einer gutturalen Lautexplosion sprang es erneut vor.

Diesmal gelang es mir, mich seitlich unter ihm hindurchzurollen. Dabei gab ich ihm den alten Leemjäger-Trick zu spüren.

Wäre er doch nur ein Leem gewesen, eines der wildesten Raubtiere, die es auf dieser Welt gibt, dann wären ihm jetzt die Eingeweide aus dem Leib gequollen! Ich sah Blut. Ich sah es, das schwöre ich. Aber schon landete das Wesen kreischend auf dem Teppich und drehte den hageren Körper herum, um mich erneut anzugreifen.

Bei diesem einseitigen, seltsam unheimlichen Kampf ging es ohne den unangenehmen Geruch frisch vergossenen Blutes ab. Ich habe, wie Sie wissen, gegen so manches wilde Tier gekämpft und mir dabei gegen die verschiedenen Rassen gewisse Techniken zurechtgelegt – zu meiner Schande, wie ich eingestehen muß, denn einige kämpfen lediglich so wild, weil es ihrer Natur entspricht. Jedenfalls wäre jedes vierbeinige Tier dieser Wolfsgattung, mochte es auch noch so groß sein, längst erledigt gewesen.

Als der Ganchark erneut attackierte, gewann ich dabei den Eindruck, daß er sich so schnell bewegte wie ein normaler Wolf. Meine Hiebe schienen ihm nichts auszumachen.

Nun versuchte ich einen neuen Trick und versetzte dem Ungeheuer einen Streich auf die Schnauze. Der Werwolf jaulte auf und wurde nach rechts geschleudert, während ich mich gleichzeitig nach links in Sicherheit brachte. Wieder war keine Wunde zu beobachten.

Erst wenige Augenblicke waren vergangen, seit ich so tollkühn die Treppe hinabgestürzt war. Das Mädchen lag ohnmächtig am Boden, und wir Kämpfenden umkreisten sie und suchten die Gelegenheit, uns gegenseitig anzufallen. Er zuckte vor, und ich benutzte mein Schwert und wich zurück, und wieder griff er an. So konnte es die ganze Nacht weitergehen ...

Es konnte nicht mehr lange dauern, da würde Seg die Treppe herabgelaufen kommen, ein Gedanke, der mich alarmierte und mir die Entschlossenheit schenkte, ein schnelles Ende zu suchen – aber wie?

Das Monstrum raste mit klaffender Schnauze auf mich los, und ich landete zwei weitere Hiebe, die es eher zurücktreiben als verletzen sollten. Die Wächter von der Tür waren wohl längst zu den Eisgletschern Sicces eingegangen.

Der nächste Angriff ließ mich gegen einen herrlichen irdenen Krug aus Pandahem prallen. Das schöne Stück krachte zu Boden, Keramikstücke spritzten in alle Richtungen. Ich wich seitlich geduckt aus und hätte mir beinahe an den ausgestreckten Fingern der tanzenden Talu eine schlimme Wunde geholt.

Meine linke Hand umfaßte den Bizeps eines der acht Arme der Statue. Starr blickte ich dem nächsten Angriff entgegen – und erst dann ging mir ein Licht auf.

Dummkopf! Onker! Get-Onker! Natürlich!

Nun mußte ich es nur noch möglich machen. Das Fläschchen in meinem Gürtelbeutel war heil. Ich griff danach, fummelte damit herum, zog das Gebilde heraus. Wenn ich es fallen ließ, während der Ganchark geifernd erneut auf mich lossprang ...

Herumwirbelnd duckte ich mich, wehrte das Wesen ab und achtete darauf, daß ich ihm nicht direkt in den Weg geriet. Die Zähne sahen sehr unangenehm aus. Wieder näherte ich mich auf Umwegen der Statue des tanzenden Talu. Die acht Arme, die zu dem vertrauten hingebungsvollen Kreis gereckt waren, bestanden wie Leib und Beine aus Bronze. Der geheimnisvoll lächelnde Kopf war aus Gold.

Aber die Fingernägel ...

Ich schmierte das Ganjid auf so viele Fingernägel, wie ich während dieses Vorbeihuschens erreichen konnte, zielte einen bösen Hieb auf den Werwolf und sah ein Stück graues Fell davonfliegen. Mehr konnte ich ihm nicht schaden – noch nicht. Weitere Fingernägel wurden ebenfalls mit Ganjid beschmiert. Dann wich ich zurück, ließ das Fläschchen fallen und hielt mich bereit.

In diesem Augenblick tönte Segs Stimme von der Treppe: »Dray!«

»Zurückbleiben, Seg!«

Der Werwolf sprang. Ich wartete ab, ließ das Schwert vor seinen geröteten Augen hochzucken, wie ich es schon oft getan hatte, und wich dann zur Seite aus. Diesmal aber hieb ich ihm das Schwert mit voller Kraft ins Gesicht und ließ los. Die Klinge glitt in ein Auge, das spürte ich ganz deutlich.

Aufschreiend hielt das Wesen inne, und dann ...!

Das Schwert begann sich wieder aus dem Auge zu schieben. Es bewegte sich sichtlich auswärts. Zitternd stand der Unhold da, die Zunge hing ihm aus dem Maul, während das Schwert von übernatürlichen Kräften aus dem Auge geschoben wurde und dröhnend auf den Teppich fiel.

Der Unhold fauchte, als wisse er anzuerkennen, daß der Hieb ein weniger gut ausgerüstetes Wesen getötet hätte, ein Raubtier, das nicht über Werkräfte verfügte ...

Er sprang.

Ich packte die überlebensgroße Statue der tanzenden Talu an zwei unteren Armen, hob sie hoch, drehte sie um und hielt sie schräg nach vorn. Der Ganchark sprang auf mich zu und landete geradewegs auf der spitzen Hecke, die aus den Dudinterfingern der Statue gebildet wurden.

Später zählten wir die Zahl der Fingernägel, die seine Haut durchdrungen hatten.

Fünf.

Fünf Fingernägel aus Goldsilberlegierung, beschmiert mit Wolfsbann, fünf dünne Finger genügten, um das Wesen zu töten.

Seg eilte brüllend in die Vorhalle. Andere Leute erschienen, denen ich keine Vorwürfe machen kann, daß sie meinen Kampf etwa aus dem Hintergrund beobachtet hatten. Immerhin hatten sie dann den Mut gehabt, nicht fortzulaufen. Im Kreis standen wir um den Werwolf herum und starrten ihn an, und zwei Mädchen beugten sich über das ohnmächtige Hausmädchen.

»Die Punkturfrau kommt«, sagte ein Pachak, der ein Amtszeichen trug.

Wir starrten den Unhold an.

Wer würde zum Vorschein kommen, wenn die üblen okkulten Kräfte die furchteinflößende graue Gestalt verließen?

Das graue Fell begann zu schimmern, der strenge spitze Kopf rundete sich, die Umrisse wurden weicher – und dann lag vor uns der Wächter, der am Eingang gestanden und uns eine gute Nacht gewünscht hatte.

»Larghos m'Mondifer«, sagte ich. Ein erfahrener Kampeon, der kürzlich als Jurukker in die 1SWH eingetreten war.

Nun aber geschah etwas, auf das wir nicht im geringsten gefaßt waren.

Der Tote öffnete die Augen.

Ehe jemand schreien oder ohnmächtig werden konnte, ging der Mund auf. Ein seufzendes Entweichen von Luft war zu hören, als wäre ein lange verschlossenes Grab erbrochen worden, dann sagte die Leiche Larghos' m'Mondifer:

»Dies, Dray Prescot, war nicht mein Werk.«

Nun ertönten doch ringsum die Schreie, nun sanken die Nervenschwachen bewußtlos zu Boden.

Der tote Larghos m'Mondifer lief schwarz an. Die Haut leuchtete wie Emaille, ermattete, bis sie aschen wirkte. Risse erschienen überall wie ein Spinngewebe. Schließlich sackte der Wächter in sich zusammen, war bald nur noch ein Umriß in schwarzem Staub auf dem dicken Teppich, aber auch diese Überreste verschwanden und ließen nichts übrig von einem ordentlichen vallianischen Kämpfer, der in einen Werwolf verwandelt worden war.