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Eine Armada aus Segeln, die durch die dünne Luft schwebte ... das vermengte Licht der Sonnen von Scorpio, das von der prallen Leinwand reflektiert wurde ... das Funkeln der Verzierungen und Beschläge, der prunkvollen Heckaufbauten und Türme, der Geschützgalerien und drohenden Enterplattformen ... O ja, die Himmelssegler Kregens bieten ein aufmunterndes, inspirierendes Schauspiel. Lautlos bewegen sie sich hoch über dem Land, nichts kündigt ihr Erscheinen an.
Und ich, Dray Prescot, Lord von Strombor und Krozair von Zy, gab gelassen Befehle, die die mächtige Armada in die Gefahr der Vernichtung führen konnten.
Denn eines müssen Sie sich klarmachen: Ich hatte zwar behauptet, der Sturm werde uns nicht daran hindern, zu Turkos Armee zu stoßen, doch gab es keine Garantie, daß wir das wirklich schaffen würden. O nein! Mein Auftrumpfen konnte uns alle in den Tod führen.
Es gibt auf den Meeren Paz' ein Sprichwort, wonach ein einwandfrei geführtes Schiff stets nach Art der Vallianer betrieben wird.
In den Augenblicken, ehe wir von der schwarzen Gefahr verschluckt wurden, zeigten die vallianischen Seeleute der Luft, daß dieses geflügelte Wort seine Berechtigung hatte.
Die Voller, die die Fähigkeit zum Vorwärtsflug besaßen, nahmen die Vorlcas ins Schlepp, deren Segel in dem aufkommenden Unwetter keine Unterstützung bieten konnten, sondern eher ein Hindernis wären. Schleppseile wurden ausgelassen, Drähte festgemacht. Mit buntem seufzenden Flattern senkten sich die Segel herab. Einige entsprechend eingerichtete Schiffe konnten noch die Topmasten herunterholen. Wir zurrten alles fest.
Die Flutduins wurden von ihren Stangen geholt. Die prächtigen Vögel spürten natürlich das Unwetter und protestierten nur wenig gegen das Einsperren. Ein Flügelschlag, das Aufreißen eines Schnabels, schon ließen sie sich nieder. Die Stangen wurden eingeholt und gesichert.
Dies geschah auf allen Schiffen, während Signale wie Blitze von Mast zu Mast flogen.
»Wir sind soweit, Majister«, meldete Kapitän Nath Hardolf.
»Ausgezeichnet, Käpt'n Nath. Nun werden wir sehen, wie wir abschneiden, bei Vox!«
»Bei Corg, Majister! Ich glaube, mir wird dieser Tag Spaß machen. Er wird mir das Blut munterer durch die Adern schicken.«
Ich musterte ihn. Ja, er war dermaßen erfahren, daß ihn in dieser Spätphase seines Dienstes kaum noch etwas aufzuregen vermochte. Nun ja, jetzt stand ihm ein wenig Aufregung bevor. Man ist nie zu alt zum Dazulernen, nie zu alt zum Lieben, nie zu alt, das Leben auszukosten ...
Bei seiner täglichen Pflichterfüllung und aufgrund seiner sonstigen berufsmäßigen Vorsicht war Kapitän Hardolf wohl seit Jahren nicht mehr in die Nähe eines Sturms gekommen ...
Das Unwetter würde ihn aufmuntern, auf die Probe stellen – und die Flotte durcheinanderbringen. Festgezurrt, bis ins letzte abgesichert, hielten wir auf die hoch aufragenden Wolkenberge zu. Schwärze stieg empor, und das Tageslicht schwand und wandelte sich zu einem gespenstischen unterwasserhaften Leuchten, das schnell ins Schwarze abglitt.
Der Sturm packte uns mit scharfen Kiefern und begann uns zu schütteln. Der Wind kreischte und heulte und durchdrang uns. Wir kämpften uns voran.
Nun ja ... Es gibt Stürme im Leben, die wir überstehen oder nicht. Wie ein Opfer im Maul eines Leem wehrten wir uns schwach und leisteten Widerstand, so gut wir konnten. Der Sturm behandelte uns, wie es seiner Natur entsprach, und wir nahmen unsere Strafe hin, gaben den Kampf aber nicht auf – und erreichten dann endlich auf der Rückseite der Störungsfront das helle Licht Zims und Genodras'.
Ein Großteil der Männer und Frauen an Bord hatte grüne Gesichter ...
Nur zwei Zugseile waren gerissen. Die Werften Vallias leisteten gute Arbeit, so daß nur ein Schiff zerbrach und in die Tiefe stürzte und dabei seine Menschen wie Staubkörner aus einem Besen in alle Richtungen verstreute.
Nicht alle verfügten über einen Gürtel mit den zwei kleinen Silberkästen, die dafür sorgten, daß eine Person langsam zu Boden trieb. Nicht alle. Ja, wir Vallianer versuchten mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen auszukommen, so gut es ging. Solche Unglücke sind nun mal der Preis, der für das Reich zu bezahlen ist. Wieder einmal raste ich über den Punkt hinweg, bis zu dem ich die seelische Pein, die dieser Preis in mir auslöste, zu ertragen in der Lage war.
»Wir haben uns gut gehalten, Majister.« Kapitän Hardolfs Wangen waren gerötet, und er wirkte munterer als je zuvor. »Jetzt glaube ich auch, daß Corg ab und zu auf uns herablächelt.«
Das Schiff, das den Sturm nicht überstanden hatte, Naghans Antwort, hatte zu den älteren Einheiten der Streitmacht gehört und hatte Speerträger befördert. Es war ein bedauerlicher Verlust, doch war ich irgendwie froh, daß wir keine Brumbyten oder Bogenschützen oder schwere Infanterie entbehren mußten. Unsere Kavallerie war etwas unterbesetzt – wie üblich. Die Flugeinheiten der Flutduins würden Großes leisten müssen.
Seg hatte den blaugefiederten Pfeil an sich genommen, der Turkos Kurier das Leben gekostet hatte, und betrachtete ihn immer wieder eingehend. Ich verstand sein Unbehagen und empfand es in ähnlicher Weise. Wenigstens hatten wir ein prächtiges Regiment meiner valkanischen Bogenschützen in unserem Verband.
Marions Jikai-Vuvushis waren bei guter Laune geblieben – ich hätte auch keinen Grund gehabt, etwas anderes zu vermuten. Meine eigenen kampfstarken Kampeone des Wachkorps ließen sich ebenfalls nichts anmerken und reagierten phlegmatisch oder mit Flüchen, wie es ihrem Temperament entsprach.
So rasten wir denn in das Licht der Zwillingssonne hinaus, ausgespuckt wie die Kerne einer Apfelsine. Noch immer waren alle Schiffe sturmfest. Alle waren wie durch den Wolf gedreht. Bösartige Ausläufer des Sturms bedachten uns mit letzten heftigen Böen und wirbelten die Schiffe durcheinander. Auf der Ebene tief unter uns lagen die Zelte und Lager einer Armee.
Diese Armee war vom Sturm ebenfalls nicht unbeeinflußt geblieben; viele Zelte waren eingerissen, Umfriedungen eingestürzt, und wir hätten uns beinahe ein Lächeln abringen können angesichts der Verrenkungen der Gestalten, die dort unten entflohenen Reittieren nachjagten.
»Genug Platz zum Landen«, bemerkte Kapitän Hardolf. »Mit Bäumen dürfte es keine Schwierigkeiten geben.«
»Je eher wir unten sind und alles richten können, desto besser«, meldete sich Seg, und seine Stimme klang so ruhig und gelassen wie immer und hatte eine seltsam beruhigende Wirkung auf mich. Ich war irgendwie nervös. Nun ja, bei Zim-Zair, hatte man nicht ein Recht darauf, mißgelaunt und kurzangebunden zu sein, wenn durch eigenen Befehl andere gute Kämpfer, Männer und Frauen, in Lebensgefahr geraten waren?
Unser Erscheinen sorgte im Lager für große Aufregung. Bleiche Gesichter wandten sich den niederstoßenden Schiffen entgegen, wir sahen Leute durcheinanderlaufen, und viele von denen, die entflohenen Tieren nachhetzten, machten sich auf den Rückweg ins Lager.
»Turko hat dort eine ziemlich große Armee beieinander«, bemerkte Nath na Kochwold, beugte sich über die Bordwand und legte eine Hand über die Augen.
»Weshalb die große Eile?« wollte Seg wissen.
Die ersten Schiffe berührten den Boden: Besatzungsmitglieder sprangen hinaus, um alles zu sichern. Als ich über die Bordwand zu steigen begann, wußte ich, daß eine große Horde muskulöser Burschen mich umringen würde. Zwischen denen neuerdings auch die geschmeidigen Gestalten von Jikai-Vuvushis auftauchen mochten ...
Im Nachklang des Sturmes wehte noch ein lebhafter Wind, in der Luft lag ein besonders frischer Geruch, und im Gras glitzerten viele Millionen Lichtpunkte. Nacheinander setzten die anderen Schiffe auf. Bei der Landung bildeten wir eine genau festgelegte saubere Formation. Ein verdammt großer Voller landete unmittelbar vor der Logans Stolz und versperrte mir die Sicht auf das Lager.
»Nun ja, ich kann mir vorstellen, daß Turko nun ganz schnell angerannt kommt«, sagte ich. »Wir sollten ihm entgegengehen.«
»Ich freue mich auf das Wiedersehen mit dem Mann«, sagte Seg und rieb sich die Hände.
»Wenn du ein paar Runden mit ihm auf die Matte willst, Seg ...«
»Was?« rief Seg lachend. »Da kann ich ja gleich versuchen, einen Berg aus dem Boden zu reißen und umzudrehen, oder einen Fluß aus seinem Bett.«
»Sehr poetisch.« Turko war ein großer Khamorro, ein Meister des waffenlosen Kampfes. Seine bloßen Hände waren weitaus tödlicher als manche Waffe in weniger geschickten Händen.
Hinterher versuchten wir herauszufinden, wer den ersten Schrei ausgestoßen hatte. Niemand vermochte zu sagen, wer den Alarm auslöste. Wir wußten nur, daß wir eben noch dankbar waren, den Sturm verlassen zu haben und auf dem Boden zu sein, froh über das Wiedersehen mit Freunden, daß wir im nächsten Augenblick aber Feinden gegenüberstanden, die keinen anderen Gedanken kannten, als uns alle zu vernichten.
»Die Farben!« gellte der Schrei. »Das sind nicht die Farben von Falinur! Das ist Vennar!«
Und so war es.
Wir erblickten nicht Turkos Banner aus ockergelben und umbrabraunen Karos, gesäumt mit Rot, mit dem Drachen als dramatischem Symbol, sondern die Farben Vennars, ocker und silbern unter der Strigicaw.
»Layco Jhansi!« rief ich und hätte am liebsten ausgespuckt. »Jetzt wissen wir, was Turkos Kurier uns mitteilen wollte!«
Ja, wir wurden überrascht. Jhansis Männer kamen im Laufschritt aus den Lagern und formierten sich zu Reihen. Das geschah schnell und geschickt. Der Mann, der dem alten Herrscher als Erster Pallan gedient hatte, der für ihn das Land regiert hatte, der sich verschworen hatte, um den Herrscher zu ermorden, dessen Verrat bittere Früchte getragen hatte – dieser Mann stellte als Söldner nur erstklassige Leute ein.
In all dem Durcheinander zeigten die Jungs von der Wache, daß auch sie sich von der Falle nicht aus dem Konzept bringen ließen. Auch wenn es sich nur um eine unbeabsichtigte Falle handelte.
So wie die Wacheinheiten sich zusammensetzten, herrschte eine natürliche Rivalität zwischen der Schwertwache des Herrschers und den Gelbjacken des Herrschers – aber das beflügelte den Einsatz nur, bei Bogolin! Es war ein schöner Anblick, wie die Männer ihre Rüstungen hervorholten und festmachten, wie sie sich die Helme auf den Kopf knallten und nach den Waffen griffen. Es waren rauhe, harte, haarige Burschen, die vielleicht nicht den Gegner beeindruckten, die aber auf mich Eindruck machten, bei Zair!
Während dies alles im Gang war, eilte ich zur Takelage und enterte den Hauptmast hoch, als befände ich mich wieder wie in alten Zeiten in der Nelsonschen Marine. Immer höher stieg ich hinauf, bis ich von einer Rah einen guten Ausblick auf das Wespennest hatte, das wir mit unserer Landung aufgescheucht hatten.
Die Gegner waren überaus zahlreich. Hier lagerte eine sehr große Streitmacht, etwa doppelt so groß wie die unsere. Ich hielt Ausschau nach den Bogenschützen. Der blaugefiederte Pfeil, der Turkos Kurier getroffen hatte, ließ mich bereits ahnen, was ich sehen würde – und ich sah es.
Bogenschützen aus Loh.
Ich sah sie laufen, im Begriff, ihre Schußformationen einzunehmen. Großgewachsene rotschöpfige Männer, jeder mit einem großen lohischen Langbogen und einem Köcher voller Pfeile, bewehrt mit den Federn des König-Korfs, waren sie die berühmtesten aller Bogenschützen in Paz. Layco Jhansis Pakt mit den Ractern brachte ihm große Vorteile, denn es ging nicht nur um Geld, wenn man Söldner dieser Qualität in seinen Dienst bekommen wollte. Sie forderten gewisse Garantien, ehe sie sich verpflichteten. Offensichtlich hatte Jhansi diese Garantien gegeben – und eine davon war das Recht zur Plünderung nach einem Sieg.
Ein schneller Rundblick brachte mich zu der Überzeugung, daß wir den bevorstehenden Kampf gewinnen konnten, wenn wir entschlossen und schnell handelten. Ich rutschte am Mast zum Deck hinunter und rief nach Kapitän Hardolf.
»Majister!«
»Geben Sie Signal an die Flotte. Wir steigen auf.«
»Wir – was?« japste Seg.
»Majister!« bellte Nath na Kochwold. »Meine Jungs steigen bereits aus und sind zum Kampf bereit ...«
»Deine Kerchuri würde abgeschossen, Nath!«
»Meine Chodku und deine valkanischen Bogenschützen sorgen für Deckung!«
»Wir können nicht davonlaufen«, sagte Seg. »Turko ...«
»Turko war mit uns hier auf der Ebene von Marndor verabredet und schickte einen Boten, der uns an einen anderen Ort bestellen sollte. Offensichtlich wurde er zurückgedrängt.«
»Wenn das so ist, sollten wir diesen Haufen niederkämpfen und ihn damit entlasten.«
Das Teuflische war, daß Seg recht hatte. Ich zeigte mich auf meine alten Tage als Hasenfuß, ich Dray Prescot. Und doch widerte mich der Gedanke an, die jungen Burschen und Mädchen in den Kampf zu schicken und sterben zu lassen.
Wie auch immer – mir blieb keine andere Wahl mehr. Jhansis Männer legten einen dröhnenden Kavallerieangriff vor, der genau auf unsere Mitte zielte. Sie hofften uns offenbar gleich bei dieser ersten Attacke ins Wanken zu bringen und ohne großen Widerstand zu besiegen.
Dieses Ziel war für Jhansi nicht unerreichbar, obwohl wir aus allen Schiffen quollen und uns formierten. Er konnte uns treffen, ehe wir zu Atem gekommen waren.
»Laßt Voller starten!« brüllte ich. »Greift aus der Luft an! Schickt die Flutduins hoch! Bratch!«
Ich griff mir Nath na Kochwold, indem ich kräftig seinen Oberarm packte.
»Nath! Laß die Kerchuri eine dichte Formation einnehmen. Schilde nach oben. Wir schicken dich los, wenn der erste Angriff abgeschlagen ist.«
»Aber ...«
»Los!«
»Quidang!«
Targon der Tapster und Naghan ti Lodkwara meldeten, daß die 1SWH formiert und dazu bereit sei, die Sache anzupacken – wie sie es ausdrückten.
»Gut«, antwortete ich. »Zu Anfang müßt ihr vielleicht den größten Druck aushalten.«
»Das werden wir, Majister!« brüllte Clardo der Clis, eine narbige, häßliche Erscheinung in einer strahlend gelben Uniform.
»Aye, Majister«, sagte Drill das Auge auf seine temperamentvolle Art, ein gedrungener Bursche mit den Schultern eines Bogenschützen; seine gelbe Uniform stand Clardos in nichts nach.
Clardo der Clis kommandierte die Churgurs und Drill das Auge die Bogenschützen des Ersten Regiments der Gelbjacken des Herrschers. Sie würden sich von ihren rivalisierenden Kameraden aus der 1SWH auf keinen Fall in den Schatten drängen lassen.
Der dunkelhäutige Fakal der Oivon war bei ihnen und hielt sich wie immer ein wenig im Hintergrund. Larghos der Sko-Händige, der langgesichtige Hyr-Paktun aus Gremivoh, kämpfte diesmal nicht bei uns, da er das Kommando über die Stabschlinger der 3GJH übernommen hatte.
Marion trat vor und schien mir alle möglichen rhetorischen Versprechungen machen zu wollen.
Hastig sagte ich: »Marion, ich möchte, daß sich deine Mädchen bei diesem Kampf in meiner Nähe halten. Sorg dafür!«
Sie zuckte zusammen und erbleichte ein wenig. »Quidang!« sagte sie dann.
Targon sagte mit schiefem Lächeln: »Es gefällt mir ganz und gar nicht, dich mit so vielen flotten Mädchen allein zu lassen ...«
Wieder wollte Marion etwas sagen, wurde diesmal aber von Seg unterbrochen.
»Ich nehme die valkanischen Bogenschützen und sehe zu, was ich aus ihnen herausholen kann, wie ich sie warmbekomme. Paß auf, daß du tüchtig Druck machst!«
»O aye!«
Wie sollte ich das fertigbringen, wenn ich von Leuten umgeben war, die es darauf anlegten, sich zwischen mich und die heranfliegenden Pfeile, die angreifenden Lanzen zu schieben!
»Das dürfte eine interessante Erfahrung werden, Seg. Bestimmt kannst du den Bogenschützen aus Loh zeigen, was Pfeile, die die Federn des valkanischen Zim-Korf tragen, anzurichten vermögen!«
»Da sei Erthyr mein Zeuge!«
Trompetenklang war zu hören. Jedermann eilte auf seinen Posten. Korero nahm hinter mir Aufstellung; nichts würde ihn von dort vertreiben können. Volodu die Lungen spuckte aus und wischte das Mundstück seiner zerdrückten Trompete sauber. Cleitar die Standarte entrollte mein Schlachtsymbol, jene Fahne, die von erfahrenen Kämpfern die Alte Kampfflagge genannt wurde. Ortyg der Tresh hob die Unionsflagge von Vallia. Nun ja, wir waren so bereit, wie wir nur sein konnten ...
Flutduins stiegen auf. Ihre Reiter funkelten in den Lichtstrahlen Zims und Genodras'. Voller rasten empor. Wir mochten zwar gegen einen doppelt so starken Gegner stehen, doch hatten wir Luftunterstützung, die sich entscheidend für uns auswirken konnte.
Wenn nicht – dann stand uns ein schneller, stiller Abgang bevor.
Was später als Schlacht von Marndor bekannt werden sollte, begann also auf denkbar undisziplinierte Weise.
Jhansi hatte ebenfalls eine Lufteinheit unter seinem Kommando. Er hatte Söldner angeworben, die Fluttrells flogen, behäbige Vögel mit einer lächerlichen Kopfflosse, die dem Reiter im Sattel zuweilen in den Weg geriet. Auch diese Tiere stiegen nun massiert auf, um unseren Flugkämpfern Widerstand zu leisten.
Unsere Soldaten stürmten noch immer aus den Schiffen, stellten sich in Reihen auf, richteten die Waffen aus. Die Voller wirbelten am Himmel durcheinander, nahmen eine Formation ein, bildeten eine Reihe, die den Feind mit Feuer und Tod übergießen sollte.
Unsere Flugkavallerie mochte schon in der Luft sein und sich in den Kampf stürzen wollen, ganz anders sah es jedoch mit unserer bodengebundenen Kavallerie aus. Für den Transport der Satteltiere hatten wir vernünftig ausgestattete Schiffe verwendet, Schiffe mit Gehegen und Käfigen und einer größtmöglichen Bequemlichkeit für alle Mitreisenden. Der Sturm hatte die Tiere gehörig durcheinandergebracht. Sie waren unruhig und wollten ihre Gehege nicht verlassen und trampelten wiehernd und ächzend herum. Einige Burs, um sie zu beruhigen, hätten einen großen Unterschied ausgemacht. Wie die Dinge standen, würden wir diesen Kampf mit sehr wenig Bodenkavallerie beginnen müssen.
Ich war halb entschlossen, die Käfigschiffe wieder aufsteigen zu lassen, um sie aus dem Weg zu haben. Jiktar Mophrey, Kommandeur der Totrix-Einheiten, bat mich allerdings um eine Chance, und ich gab nach und ließ ihn zu seinen Schiffen zurückkehren, wo er in dem Bestreben, seine Tiere in Aktion treten zu lassen, herumfluchte und brüllte und seine Reitpeitsche schwenkte.
Trotz der Hektik ringsum verweilten meine Gedanken kurz bei der ungewöhnlichen Situation, daß hier in unserer Armee, in der Tiere so knapp waren, meine Wächter über jeweils zwei Reittiere verfügten – und doch erschien das notwendig. Die Wächter leisteten auf dem Rücken ihrer Zorcas eine Arbeit, die sie mit Nikvoves nicht hätten schaffen können.
Die Kommandeure der Gardeeinheiten hatten die Situation eingeschätzt und erkannt, daß sie heute als Infanterie kämpfen mußten. Darauf verstanden sie sich hervorragend. Ich schaute zu, wie sie Aufstellung nahmen und losmarschierten, Reihe um Reihe, funkelnd, prachtvoll, in einheitlichem Rhythmus.
»Dort sollte ich jetzt eigentlich mitmarschieren«, sagte ich unruhig zu Korero.
»Mag sein. Und vielleicht sollte ein Kommandant sich an einer Stelle aufhalten, von der aus er die Schlacht leiten kann.«
Eine scharfe Zunge führte Korero, der goldene Kildoi. Seine beiden dicken Schilde neigten sich über mich; er hielt sie gleichgültig mit zweien seiner vier Hände oder der Schwanzhand. Sollte dennoch ein Pfeil an dieser Abwehrmauer vorbeikommen, würde er eher Korero treffen als mich, und so war es auch vorgesehen – durch Korero den Schildträger. Da nützte mein Murren gar nichts.
»Wenn ich das Signal gebe, hört man mich besser von hier«, meinte Volodu.
Widerstrebend stimmte ich bei. Aber ich traf eine Vereinbarung mit mir selbst – wenn es darauf ankam, würde ich bei meinen Männern sein und den Angriff mitmachen. Und wenn ich dieses Vorhaben in die Tat umsetzte, würde mein kleines Gefolge in meiner Nähe sein und in das Gebrüll der anderen einfallen.
Der erste stürmische Angriff der feindlichen Kavallerie scheiterte, wie es sein sollte, an unserem Dustrectium*. Dann sah ich Jhansis Bogenschützen aus Loh herbeimarschieren, eine feste, kompakte Einheit aus allzu vielen Reihen. Ich schätzte die Zahl auf annähernd fünfhundert Bogenschützen, ein ganzes Regiment.
Seg mußte diese Zahl vermindern, wenn wir die Gelegenheit zu einem Gegenschlag haben sollten. Seine valkanischen Bogenschützen, die sich sehr über ihren Erfolg gegen die attackierende Kavallerie freuten, fuhren sich mit der Zunge über die Lippen und begannen ernsthaft zu schießen.
Aber der Kampf würde nicht von den Bogenschützen allein entschieden werden. Aus der Luft stürzten unsere Voller zum Angriff herab. Pfeile sirrten empor. Varters machten ihr metallenes Geräusch und ließen Felsbrocken wirbeln. Feuertöpfe brodelten und fauchten.
Nun ja, Sie wissen natürlich, daß ich auch bei Schlachten mitgewirkt habe, die nicht gewonnen werden konnten. So manchesmal wurde ich zurückgeschlagen. Aber zur Ehre Vallias muß gesagt werden, daß wir unsere Kämpfe in letzter Zeit gewonnen hatten. Hier und jetzt sollte es eine knappe Sache werden.
Die massierten Blöcke der Bogenschützen aus Loh hatten keine Freude an den Luftangriffen. Viele schossen in die Höhe. Sie mochten zwar hervorragende Bogenschützen sein, doch wissen selbst Bogenschützen aus Loh nicht genau zu sagen, wie genau sie treffen gegen schnell dahinrasende, in wirrem Durcheinander über der Formation kreisende Ziele. Als Segs valkanische Bogenschützen die dichten Formationen aufs Korn nahmen, waren die schlimmen Folgen offensichtlich.
Die engen Bogenschützenreihen schwankten – es dauerte nicht lange, da brachen sie auseinander. So schnell sie konnten, flohen die Männer.
Wir jubelten ungeachtet der Schrecknisse, die noch ringsum auf dem blutigen Felde im Gange waren – die blinde Panik unserer Gegner war zu offensichtlich.
Jhansi mußte zwar bestürzt sein, daß die Perle seiner Infanterie so schmählich wich – aber er selbst schwankte nicht. Ein zweiter großer Kavallerieangriff begann.
Wir wehrten uns nicht weniger heftig als bei der ersten Angriffswoge.
Die gegnerische Luftkavallerie war längst in die Flucht geschlagen worden, die Fluttrells in alle Winde zerstreut. Nun kehrten unsere Flutduins zurück und begannen den Bodenstreitkräften Jhansis weitere schlimme Wunden zuzufügen.
»Er hat noch seine Infanterie«, sagte Korero.
»Aye, er scheint gut zu zahlen. Die Männer halten sich gut.«
»Masichieri sind das bestimmt nicht.«
»Nein. Volodu, bläst du jetzt ›Phalanx vorrücken‹?«
Anstelle einer Antwort hob Volodu seine alte Trompete an die Lippen und stimmte ein schrilles Signal an, das durch das Brausen und Lärmen deutlich zu hören war.
Die Trompeter der Kerchuri stimmten sich sofort auf das Kommando ein. Jede der sechs Jodhris, aus denen die Kerchuri bestand, blies zum Vorrücken, und jede der sechs Relianches innerhalb einer Jodhri bestätigte den erregenden Drang nach vorn. Die Phalanx geriet in Bewegung. Es war keine volle Phalanx, sondern nur eine Kerchuri, dennoch bebte der Boden. Die Helme wurden gesenkt, die Schilde neigten sich im vorgeschriebenen Winkel. Die Lanzen wurden zu einer borstigen Wand des Todes formiert. Die Phalanx griff an.
An den Flanken paßten die Hakkodin mit ihren Hellebarden und zweihändigen Schwertern auf, daß niemand den Versuch machte, die Formation von der Seite aufzubrechen. Die Chodku der Bogenschützen deckten die Brumbyten mit einem fauchenden Schirm aus Pfeilen.
Neben der Phalanx setzte sich die schwere Infanterie in Bewegung – die Churgurs, die Schwert- und Schild-Kämpfer – und bewegte sich auf ihre behäbige, doch täuschend schnelle Art. Die ganze Streitmacht rückte vor.
Aber noch war der Kampf nicht vorbei.
Jhansi hatte wesentlich mehr Männer als wir. Er leitete sie gut, aber er wurde mit unserer Lufthoheit nicht fertig.
Als unsere Phalanx auf seine Infanterie traf, hatte ich den Eindruck, ein wildgewordener Stier durchbräche einen dünnen Gartenzaun.
Kleine Teile seiner Infanterie wirbelten in alle Richtungen davon. Die Ebene war übersät mit Fliehenden, die Schwerter und Schilde, Speere und Bögen fortwarfen. Die Phalanx stürmte hinter ihnen her.
Über den kompakten Kämpferreihen wehten die Kampfflaggen, Lanzenspitzen schimmerten im Licht der Sonnen.
Unsere Speerträger hatten wir während des Unwetters verloren. Wir folgten der zersprengten gegnerischen Armee noch ein Stück, dann bliesen wir zum Sammeln. Wir hatten keine leichte Infanterie, keine Kreutzin für die Verfolgung, keine Kavallerie, die dafür sorgen konnte, daß der Feind sich nicht neu formierte.
Hier und jetzt brauchten wir sie auch kaum.
Aus der Luft, von Bord der Voller, aus dem Sattel der Flutduins, wurden die Überlebenden verfolgt, bedrängt und gehetzt.
Diese Aktionen ließen sich fortsetzen, bis die Sonnen von Scorpio unter dem Horizont versanken.
Wir übrigen konnten unterdessen zu Atem kommen und Bilanz ziehen. Nun würde die schlimme Rechnung aufgemacht werden.
Niedergeschlagen und erschöpft wandte ich mich von der Szene des Todes ab.
So endete die Schlacht von Marndor.