17

Ich war seit der Halloweenparty bei keiner Veranstaltung einer Verbindung mehr gewesen, und ich hatte Buck seit dem Vorfall im Treppenhaus nur noch im Vorbeigehen gesehen – immer in einer Gruppe und immer in der Öffentlichkeit. Wenn er sich mir näherte, wich ich ihm aus, als würde mich sein ganzes Wesen abstoßen, was stimmte. Allein schon bei dem Gedanken an ihn wurde mein Mund noch immer trocken, und mein Magen verkrampfte sich.

In unserem Zimmer wirbelte Erin nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel herum. »Er soll sich verdammt nochmal von dir fernhalten, sonst werde ich den Rasenmäher an seinem Arsch anlassen«, erklärte sie.

»Diese Bewegung ist nicht für den Arsch gedacht«, witzelte ich. Ich hasste das Schaudern, das mich bei dem Gedanken an Buck durchzuckte. Ich hoffte, dass Erin nichts dagegen hatte, heute Abend einen Schatten zu haben, denn ich hatte nicht vor, von ihrer Seite zu weichen.

Den Arm um meine Schultern gelegt, drehte sie uns beide zu dem bodenhohen Spiegel um. »Wir sehen heiß aus, Mädchen.« Ihr Blick begegnete meinem. »Danke, dass du mitkommst. Die Mädels waren eine echte Stütze, aber sie sind nicht du. Ich fühle mich stärker, wenn ich weiß, dass du bei mir bist.«

Ich lächelte und drückte sie an meine Seite. Wir sahen tatsächlich heiß aus. In ihrem schimmernden Kleid und den silbernen Riemchensandaletten stahl Erin einer Discokugel die Show. Mein eng anliegendes blaues Kleid – im exakten Farbton meiner Augen und schlicht geschnitten – sah einfach, wenn nicht sogar langweilig neben Erin aus … bis ich mich umdrehte. Dem Bassspielen und Yoga hatte ich einen straffen Rücken zu verdanken, den das Kleid mit einem V-Ausschnitt, der fast bis zur Taille reichte, betonte. Und mit den supersexy lackschwarzen Slingpumps an meinen Füßen konnte von langweilig mit Sicherheit keine Rede mehr sein.

Erin vollführte ein paar Tanzmoves. »Komm schon, wir wollen doch, dass Chaz wünscht, er wäre nie geboren worden.«

Ich verdrehte lachend die Augen. »Oh, Erin. Ich bin ja so froh, dass ich dich auf meiner Seite habe.«

»Verdammt richtig, Bitch.« Sie gab mir einen Klaps auf den Po, und wir schnappten uns unsere Mäntel.

In stillschweigender Übereinkunft gingen wir an der Tür zum Treppenhaus vorbei und stattdessen die breite, offene Haupttreppe hinunter, um unseren Fahrer zu treffen. Alle, die an uns vorbeiliefen, starrten uns perplex an – ein dürrer Erstsemester stolperte über eine Stufe, als seine Augen zwischen mir und Erin hin- und hersprangen. Zum Glück war er auf dem Weg nach oben, sodass er mit beiden Händen praktisch zu Erins Füßen landete. »Wow«, entfuhr es ihm, als er zu ihr hochsah.

Sie tätschelte im Vorbeigehen seinen Kopf und säuselte: »Oooh, ist der nicht süß«, als wäre er ein junger Welpe. Sein bewundernder Blick bei ihrer Berührung verriet, dass hier ein Typ wartete, der gewillt war, sie auf ein Podest zu stellen und wie eine Göttin zu hofieren. Aber ich vermutete, dass Erin das von einem Typen gar nicht so sehr erwartete, wie sie beharrlich behauptete.

Die Jungs aus Chaz’ Verbindung hatten sich mächtig ins Zeug gelegt, hatten eine echte Discokugel aufgehängt und eine Band angeheuert. Mit ihren Anzügen, Krawatten und einem gewagten Maß an Selbstbewusstsein sahen sie alle unfassbar gut aus, und jeder von ihnen wusste es. Zwei Erstsemester standen am Eingang, einer hängte die Jacken auf, während der andere die Einladung für zwei Personen entgegennahm, die Erin ihm reichte. Er gab jeder von uns einen Streifen Bons für die »Bar«, die in der Küche aufgebaut war, und ein Tombolalos für den Tisch mit Preisen, den ein anderer Student bewachte.

Die Preise bestanden hauptsächlich aus elektronischen Geräten – von iPods über Spielekonsolen bis hin zu einem 42-Zoll-Flachbildschirm. »Jungs«, spottete Erin. »Wo ist der Wellnesstag? Oder ein Shoppinggutschein für Victoria’s Secret?« Die Augen des Tischwächters weiteten sich, sichtlich begeistert von letzterem Vorschlag.

»Hallo, Erin«, sagte eine tiefe Stimme. Wir drehten uns um, und da stand Chaz. Er sah umwerfend aus in einem perfekt geschnittenen dunkelgrauen Anzug und einer roten Krawatte, die irgendwie genau zu Erins Haaren passte. Er warf einen warmen, freundlichen Blick in meine Richtung. »Hi, Jacqueline.« Ich erkannte darin keinen Vorwurf, dass ihre Beziehung in die Brüche gegangen war, weil Erin für mich Partei ergriffen hatte.

»Hi, Chaz. Das sieht ja toll aus hier.« Ich antwortete für uns beide, während Erin sich zur Musik wiegte und irgendwelchen Freundinnen zuwinkte, als wäre ihr Ex Luft. Das Thema der diesjährigen Party war Saturday Night Fever, und die Band wechselte eben von einem Keith-Urban-Coversong zu einem Bee-Gees-Stück – etwas, was vielleicht beliebt gewesen war, als meine Eltern in die Grundschule gingen.

Chaz sah sich kurz um, bevor sein Blick zu mir zurückkehrte. »Danke«, erwiderte er und hatte danach nur noch Augen für Erin. Während sie den Leuten zusah, die bereits tanzten, schnappte sie sich einen vollen roten Becher von einem Typen, der mit einer Handvoll Getränke vorbeikam. Er wollte eben schon protestieren, aber Chaz warnte ihn mit einem vernichtenden Blick, auch nur ein Wort zu ihr zu sagen. Er ging schweigend weiter.

Während sie an ihrem Becher nippte und seine Anwesenheit gar nicht zur Kenntnis nahm, starrte er sie an. Es war nicht zu übersehen, worauf er hinauswollte, und die Tatsache, dass Erin betont auffällig überallhin sah, nur nicht zu ihm, verriet mir, dass sie alles andere als immun gegen ihn war. Den ganzen Abend entfernten sie sich nicht aus der Umlaufbahn des anderen, aber er versuchte auch nicht wieder, sie anzusprechen.

Ich wusste, dass Chaz ein netter Kerl war, auch wenn er sich allzu leicht von den falschen Leuten beeinflussen ließ. Er hatte Bucks Version von dem, was zwischen uns passiert war, einfach geschluckt, hatte Erin gegenüber eingewandt, ich sei an dem Abend vielleicht betrunken gewesen und würde mich nicht mehr klar an alles erinnern. Er war vermutlich einer dieser Jungen, in deren Augen Vergewaltiger hässliche alte Säcke waren, die aus dem Gebüsch sprangen und wahllos Mädchen anfielen. Vergewaltiger waren nicht dein netter Kollege oder dein Verbindungsbruder oder dein bester Kumpel.

Vielleicht war er nie auf die Idee gekommen, dass sein bester Freund einer Frau binnen fünf Minuten ihr ganzes Selbstbewusstsein rauben konnte. Dass er einem unschuldigen Mädchen etwas antun konnte, nur um einen Rivalen zu demütigen. Dass er sie vergewaltigen konnte, in einem krankhaften Versuch, seine eigene Machtlosigkeit zu überspielen. Dass er ihr das Gefühl geben konnte, ständig bedroht zu sein, ohne sich einen Dreck darum zu scheren.

Völlig sicher fühlte ich mich nur, wenn ich mit Lucas zusammen war.

Verdammt.

Zehn Minuten später beobachtete ich, wie Buck mit einer Studentin aus Erins Verbindung tanzte. Er scherzte und lachte und sie ebenfalls. Er sah so … normal aus. Zum ersten Mal fragte ich mich, ob ich das einzige Mädchen war, das er je gequält hatte, und falls ja, warum. Ich zuckte zusammen, als ich Kennedys Stimme in meinem Ohr hörte. »Toll siehst du aus, Jacqueline.« Mein Drink schwappte über den Rand meines Bechers, zum Glück nicht auf mein Kleid. Er nahm mir den Becher aus der Hand. »Oh, entschuldige – ich wollte dich nicht erschrecken. Komm, ich hole dir ein Handtuch.«

Ich war so verwirrt von seiner Hand auf meinem nackten Rücken, von seinem Arm, der mich durch das Gedränge lotste, dass ich gar nicht bemerkte, wie ich von Erin getrennt wurde, bis wir in der Küche standen. Ich hielt den Arm über die Spüle, als hätte ich eine tödliche Verletzung, nicht nur eine von Bier triefende Hand. Er spülte meine Hand ab und wollte sie abtrocknen, doch ich entzog sie seinem Griff, als er nicht sofort losließ.

Er ignorierte meinen Rückzieher mit einem Lächeln. »Was ich eben schon sagen wollte – du siehst wunderschön aus heute Abend. Ich bin froh, dass du gekommen bist.«

Die Musik war laut, und um uns zu unterhalten, mussten wir uns näher vorbeugen, als mir lieb war. »Ich bin Erin zuliebe mitgekommen, Kennedy.«

»Ich weiß. Aber das schmälert nicht meine Freude, dass du hier bist.«

Er trug sein übliches Lacoste-Rasierwasser, aber es weckte in mir nicht mehr den Wunsch, mich an ihn zu lehnen und tief einatmen zu wollen. Wieder stand er in einem krassen Gegensatz zu Lucas, dessen Duft kein bestimmter war – es waren eher seine Lederjacke und sein kaum vorhandenes Aftershave, das Essen, das er für mich gekocht hatte, der feine und doch scharfe Geruch von Grafit an seinen Fingern, wenn er gezeichnet hatte, die Abgase seiner Harley und der Geruch von Minzshampoo auf seinem Kissen.

Kennedy fixierte mich mit hochgezogenen Augenbrauen, und ich begriff, dass er vermutlich irgendetwas gesagt oder gefragt hatte.

»Entschuldige, wie bitte?« Ich reckte mein Ohr zu ihm hin, um eine Sekunde Zeit zu gewinnen und Lucas aus meinen Gedanken zu verscheuchen.

»Ich habe gesagt, lass uns tanzen.«

Außerstande, meine schweifenden Gedanken abzuschütteln, erklärte ich mich einverstanden und ließ mich von meinem Ex auf die Tanzfläche führen, unmittelbar vor der Band. Genau unter der Discokugel, die für einige der größeren Jungs gefährlich tief hing, war ein Bereich von Möbeln freigeräumt worden. Die Kugel drehte sich langsam im Kreis, und ihre verspiegelte Oberfläche warf Lichtflecken durch den Raum, die wie Wellen über Gesichter und tanzende Körper glitten und alles glitzern ließen … auch Erins silbernes Kleid. Sie hatte die Hände hinter dem Nacken eines Pi-Kappa-Alpha-Studenten verschränkt, und ein leerer Becher baumelte von ihren Fingerspitzen. Ihr Tanzpartner war, ohne dass es ihm bewusst war, Ziel eines vernichtenden Blicks von Chaz. Aber Erin war es durchaus nicht entgangen, und sie drängte sich noch näher an ihn und blickte ihm mit hingerissener Aufmerksamkeit in die Augen.

Armer Chaz. Ich sollte auch wütend auf ihn sein, aber es ging ihm eindeutig hundeelend.

»Ich habe das mit Chaz und Erin gehört. Was ist denn passiert?« Kennedy war meinem Blick gefolgt.

»Das fragst du ihn besser selbst.« Ich fragte mich, was Kennedy von Bucks Verhalten denken würde. Sie gingen höflich miteinander um, aber dieses Konkurrenzgehabe zwischen ihnen war von Anfang an da gewesen.

»Das habe ich. Aber er schien irgendwie nicht darüber reden zu wollen. Hat gemeint, sie hätten einen Riesenkrach gehabt, sie würde dummes Zeug reden, bla, bla, bla – du weißt schon, genau das dumme Zeug, das wir Typen sagen, wenn wir etwas Gutes vermasselt haben.«

In dem Augenblick wechselte die Musik zu etwas Schnellerem, und ich löste mich von ihm, um das Thema Trennungen und vermasselte Beziehungen endlich abzuhaken. Ich war so erleichtert, diese Unterhaltung zu beenden, dass ich gar nicht darauf achtete, wo Erin war. Ich achtete nicht darauf, wo Buck war.

In einer kurzen Pause zwischen zwei Songs trat er von hinten an mich heran. »Hey, Jacqueline«, sagte er, und ich zuckte zum zweiten Mal an diesem Abend zusammen. »Hast du genug mit diesem Loser getanzt? Komm, tanz mit mir.« Die Härchen auf meinen Armen stellten sich auf, jeder Nerv in meinem Körper ging in Alarmbereitschaft, und ich stellte mich näher zu Kennedy, der mir den Arm um die Schultern legte. Ich wollte seinen Arm nicht auf mir haben, aber angesichts der Wahl zwischen den beiden hatte ich keine Wahl.

Lächelnd streckte Buck eine Hand aus.

Ich starrte sie an, fassungslos, während ich mich noch enger an Kennedy drückte, dessen Körper sich neben meinem versteifte. »Nein.«

Mit seinem üblichen lässigen Grinsen starrte Buck auf mich herab, als wäre mein Ex gar nicht da. Als wären wir allein. »Na schön, dann vielleicht später.«

Ich schüttelte den Kopf, während ich mich auf das Wort konzentrierte, das ich an diesem Morgen immer wieder gesagt hatte. Das Wort, das jedem Fußtritt vorausging. »Ich habe Nein gesagt. Verstehst du nicht, was Nein heißt?« Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Kennedys Blick zu mir zuckte.

Bucks Augen verengten sich, und für einen Sekundenbruchteil verrutschte seine Maske der Gleichgültigkeit. Doch sofort fing er sich wieder. In diesem Moment begriff ich, dass er sich nicht geschlagen geben würde. Er wartete nur den richtigen Zeitpunkt ab. »Na klar, ich habe dich gehört, Jacqueline.« Sein Blick wanderte zu Kennedy, dessen zurückhaltende Miene nicht so richtig zu der starren Anspannung seines Körpers passte. »Kennedy.« Er nickte, Kennedy reagierte in gleicher Weise, und dann entfernte sich Buck.

Ich ließ mich kurz gegen meinen Ex sinken und löste mich dann aus seinem Griff, während meine Augen in dem Gedränge nach Erins silbernem Kleid Ausschau hielten.

»Jacqueline, was ist zwischen dir und Buck los?«

Ich ignorierte seine Frage. »Wo ist Erin? Ich muss Erin finden.« Ich wollte in die entgegengesetzte Richtung von Buck laufen, aber Kennedy hielt mich am Oberarm fest. Ich riss mich los, und erst dann bemerkte ich, dass Leute uns anstarrten.

Er trat näher, ohne mich zu berühren. »Jacqueline, was ist los? Ich werde dir helfen, Erin zu finden.« Seine Stimme war leise, nur für meine Ohren bestimmt. »Aber sag mir zuerst – warum bist du so sauer auf Buck?«

Ich blinzelte. Meine Augen brannten. »Nicht hier.«

Er presste die Lippen zusammen. »Dann komm mit. Auf mein Zimmer?« Als ich zögerte, fügte er hinzu: »Jacqueline, dir geht es nicht gut. Komm bitte mit und rede mit mir.«

Ich nickte, und er führte mich die Treppe hoch.

Er schloss die Tür, und wir setzten uns auf sein Bett. Sein Zimmer war, wie üblich, ordentlich und aufgeräumt, auch wenn das Bett nicht gemacht war und Jeans und Hemden über seinem Schreibtischstuhl hingen. Ich erkannte die Bettwäsche, die wir zusammen ausgesucht hatten, bevor wir diesen Herbst zurück auf den Campus kamen, weil er etwas Neues haben wollte. Ich erkannte seinen Bücherschrank und seine Lieblingsromane, seine juristischen Fachbücher, seine Sammlung mit Präsidentenbiografien. Der Inhalt dieses Zimmers war vertraut. Er war vertraut.

»Was ist los?« Seine Besorgnis war aufrichtig.

Ich räusperte mich und erzählte ihm schließlich, was am Abend der Halloweenparty passiert war, wobei ich Lucas aus der Geschichte ausließ. Während er schweigend zuhörte, stand er auf und ging im Zimmer auf und ab, atmete schwer ein, die Hände zu Fäusten geballt. Als ich fertig war, blieb er stehen und setzte sich aufgebracht hin. »Du hast gesagt, du bist ihm entkommen. Das heißt, er hat dich nicht …?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«

Er atmete hörbar aus. »Gottverdammte Scheiße.« Er lockerte seine Krawatte und knöpfte den obersten Knopf seines weißen Anzughemds auf. Er hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass die Sehnen an seinem Hals deutlich hervortraten. Er schüttelte den Kopf und schlug sich mit einer Faust auf den Schenkel. »Dieser Hurensohn

Kennedy neigte im Allgemeinen nicht zum Fluchen – diese Worte gehörten jedenfalls nicht zu seinem Standardwortschatz. Er sah mich fest an. »Ich werde mich darum kümmern.«

»Es ist schon – es ist vorbei, Kennedy. Ich will nur … ich will nur, dass er mich in Ruhe lässt.« Seltsamerweise kamen mir dabei keine Tränen. Ich hatte das Gefühl, stärker geworden zu sein, indem ich es ihm gesagt hatte, genau wie ich mich stärker gefühlt hatte, nachdem ich es Erin gesagt hatte.

Er presste wieder die Kiefer zusammen. »Das wird er.« Er nahm mein Gesicht in seine Hände und wiederholte: »Er wird dich in Ruhe lassen. Dafür werde ich sorgen.« Und dann küsste er mich.

Die Wärme seines Mundes war ebenso vertraut wie die Gegenstände, die ich eben in seinem Zimmer registriert hatte. Die Bücher auf dem Regal. Die Bettdecke unter meiner Hand. Die Kletterausrüstung in der Ecke. Der Kapuzenpulli, den ich mir manchmal geborgt hatte. Der Geruch seines Rasierwassers.

Unbewusst nahm ich das Gefühl seiner Lippen auf meinen wahr, die sich ein wenig zu forsch bewegten. Ich überlegte, ob sein Kuss aufgrund seiner Wut auf Buck vielleicht weniger zärtlich war, aber ich wusste es besser. Denn auch das war vertraut. Dieser Kuss, es war, wie er mich immer geküsst hatte – seine Zunge drang besitzergreifend in meinen Mund –, es war vertraut, gut … es war nicht Lucas.

Ich zuckte zurück.

Er ließ die Hände sinken. »Gott, Jackie, entschuldige! Das war so unangebracht …«

Ich ignorierte seinen Ausrutscher. »Nein, nein, schon gut, es ist nur, ich … ich will nicht …« Ich suchte nach Worten, um zu definieren, was genau ich nicht wollte. Wir waren seit sieben Wochen getrennt. Sieben Wochen, und ich war am Ende. Ich starrte auf meine Hand, die offen in meinem Schoß lag – die Erkenntnis und die Endgültigkeit waren wie ein Schock.

»Verstehe. Du brauchst noch Zeit.« Er stand auf und ich ebenfalls. Ich wollte aus diesem Zimmer und aus diesem Gespräch verschwinden.

Zeit würde nichts an dem ändern, was ich fühlte – oder nicht fühlte. Ich hatte Zeit gehabt, und auch wenn sich der Schmerz des Verlassenwerdens noch nicht völlig gelegt hatte, linderte er sich bereits. Meine Zukunft war verschwommen, ja, aber ich begann mir allmählich eine Zukunft vorzustellen, in der ich ihn überhaupt nicht mehr vermissen würde.

»Lass uns Erin für dich finden. Und ich werde mir Buck vorknöpfen.«

Ich erstarrte auf halbem Weg zur Tür. »Kennedy, ich erwarte nicht von dir, dass du …«

Er wandte sich zu mir um. »Ich weiß. Trotzdem. Ich werde mich um diese Angelegenheit kümmern. Ich werde mich um ihn kümmern.«

Ich atmete tief durch und folgte ihm aus dem Zimmer, in der Hoffnung, dass seine Absichten nicht nur dem Wunsch entsprangen, mich zurückzuerobern.

Erin und ich beobachteten vom Fenster aus, wie sich Buck und Kennedy auf dem Parkplatz hinter dem Haus miteinander anlegten. Es war zu kalt, um draußen zu feiern, was hieß, dass die beiden allein waren. Wir konnten die Worte nicht hören, aber ihre Körpersprache war unmissverständlich. Buck war größer und kräftiger gebaut, aber mein Ex besaß ein angeborenes Gefühl von Überlegenheit, das niemandem die Kontrolle überließ. Bucks Gesicht war eine Fassade aus Ärger, hinter der sich maßlose Wut verbarg, während Kennedy auf ihn einredete und immer wieder mit dem Finger auf ihn zeigte, ohne ihn zu berühren, aber auch, ohne Angst zu zeigen.

Ich beneidete ihn um diese Fähigkeit. Das hatte ich schon immer getan.

Wir wichen vom Fenster zurück, als Kennedy sich abwandte, um ins Haus zu gehen, aber in dem Moment blickte Buck zum Fenster hinauf und bedachte mich mit einem hasserfüllten Blick.

»Oh, mein Gott«, murmelte Erin und nahm meinen Arm. »Zeit für einen Drink

Wir fanden Maggie inmitten einer Gruppe von Leuten, die Quarters spielten. Vierteldollarmünzen mussten dabei in ein Glas Bier geschnippt werden. »Errrrrrin!«, lallte sie. »Komm in mein Team!«

Erin zog eine Augenbraue hoch. »Wir spielen in Teams?«

»Ja.« Sie schnappte sich Erins Arm und zog sie auf ihren Schoß. »J, nimm du Mindi hier als Partnerin! Erin und ich, wir werden euch alle in die Pfanne hauen.« Mindi war eine zierliche blonde Studentin im ersten Semester. Sie lächelte und blinzelte mit ihren großen grünen Augen, außerstande, sich auf mich zu konzentrieren.

»Dein Name ist Jay?« Ihre Art zu sprechen war gedehnt und sehr betont, und ihre Wimpern klappten auf und ab wie bei einer Comicfigur, sodass sie jünger und verletzlicher schien als achtzehn. Sie war das genaue Gegenteil von Maggies sarkastischem Wesen und ihrem dunklen, koboldartigen Aussehen. »Wie der Jungenname, Jay?«

Die Typen auf der anderen Seite des Tischs kicherten, und Maggie verdrehte entnervt die Augen. Es war klar, warum sie mir ihre Partnerin zugeschoben hatte. »Äh, nein, J wie in Jacqueline.« Einer der Jungen schnappte sich zwei Klappstühle von der Wand und stellte jeweils einen neben Mindi und Maggie. Ich nahm mir den neben Mindi, und Erin ließ sich auf den anderen nieder.

»Oh.« Mindi blinzelte stirnrunzelnd. »Dann kann ich dich einfach Jacqueline nennen?« Mein Name war fast nicht zu verstehen zwischen dem Akzent und dem betrunkenen Lallen.

Maggie begann leise zu grummeln, daher sagte ich: »Na klar, gerne«, und sah in die Runde. »Und, sind wir am Gewinnen?«

Die Jungs auf der anderen Seite grinsten. Wir würden eindeutig nicht gewinnen.