TANIA BLIXEN, eigentlich Karen Blixen-Finecke, wurde am 17. April 1885 in Rungstedlund bei Kopenhagen als Tochter des Hauptmanns und Schriftstellers Wilhelm Dinesen geboren. Nach dem Studium der Malerei in Kopenhagen, Paris und Rom heiratete sie 1914 ihren Cousin Baron Bror Blixen-Finecke. Das Ehepaar wanderte nach Kenia aus und betrieb, am Fuße der Ngongberge, eine Kaffeefarm. Nach ihrer Scheidung 1922 leitete Tania Blixen die Farm allein, bis sie 1931 durch die Weltwirtschaftskrise gezwungen wurde, die Plantage aufzugeben. Sie kehrte nach Dänemark zurück und lebte bis zu ihrem Tod am 7. September 1962 auf dem Familiensitz in Rungstedlund. Bereits in Afrika hatte Tania Blixen zu schreiben begonnen. 1934 erschien in England unter dem Pseudonym Isak Dinesen ihr erster Band mit Erzählungen: «Seven Gothic Tales» («Sieben phantastische Geschichten»; deutsch 1937) Das Erstlingswerk weist in Thematik und Stil auf ihre späteren Erzählungen voraus. Immer wieder erzählt sie von unerhörten Begebenheiten, von großen Leidenschaften und großen Katastrophen, in einer Sprache, die sowohl die Abkehr von dem oft bedrückenden Alltag als auch die ironische Distanz der Autorin zu dem Erzählten erkennen läßt.
Ihre Erinnerungen an die Jahre in Afrika veröffentlichte sie 1937 unter dem Titel «Out of Africa» («Afrika –dunkel lockende Welt»; deutsch 1938). Mit diesem Buch, das heute als moderner Klassiker gilt und 1985 von Sydney Pollack unter dem Titel «Jenseits von Afrika» verfilmt wurde, erzielte Tania Blixen im englischsprachigen Raum ihren ersten großen Erfolg. 1942 folgte mit «Winter’s Tales» («Wintergeschichten»; deutsch 1985) ein weiterer Band mit Erzählungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg unternahm die Autorin ausgedehnte Reisen nach Paris, Rom, London und in die USA. In jener Zeit erschienen die «Last Tales» (1957; «Letzte Erzählungen», deutsch 1959) und der Band «Anecdotes of Destiny» (1958; «Schicksalsanekdoten», deutsch 1960), in den auch die Erzählung «Babettes Fest» aufgenommen wurde. In «Shadows on the Grass» (1960; «Schatten wandern übers Gras», deutsch 1961) erinnert sie noch einmal an ihre afrikanischen Jahre. Es war ihr letztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Buch.
Ernest Hemingway bekannte 1954, als ihm der Nobelpreis verliehen wurde, daß diese Auszeichnung eigentlich Tania Blixen gebühre. Dies zeigt, welche Bewunderung das Werk der Autorin erfuhr, das der zeitgenössischen sozialkritischen Literatur Dänemarks entgegenstand: Tania Blixens Geschichten spielen im 18. oder 19. Jahrhundert, ihre Figuren leben in einem fast märchenhaft verklärten Orient oder in einem ruhigen, den politischen und sozialen Umwälzungen der Zeit scheinbar entrückten Europa. Und doch zeichnet Tania Blixen keine Idyllen. Voraufgegangene Katastrophen – die despotische Willkür eines orientalischen Herrschers oder die Niederschlagung der Pariser Kommune – prägen Tania Blixens Protagonisten, die sich einem vermeintlich schicksalhaft vorgezeichneten Leben ergeben. Entstanden sind ihre Erzählungen aus einem von Unglück und Niederlagen belasteten Leben, aus einer «Katastrophenerfahrung» (Jürg Glauser). Für die «Scheherezade des Nordens», wie sich Tania Blixen oft selbst nannte, war Erzählen Mittel und Chance, aus dem Alltag erwachsene Bedrohungen und Gefahren zu bannen, Niederlagen zu bewältigen. Ihre phantastischen, Traumhaft-Irreales und Reales vermengenden Geschichten sind breit angelegte Anekdoten: Eine pointierte Einzelhandlung erhellt blitzartig das Ganze eines Lebens. Die Erzählungen stehen in der Tradition der Geschichten aus «Tausendundeine Nacht», von Boccaccios «Decamerone», Goethes «Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten», aber auch der Novellen und Erzählungen E. T. A. Hoffmanns, Edgar Allan Poes und Heinrich von Kleists. Sie gewinnen in ihrer spannungsreichen Darstellung der Stoffe und der kunstvollen, dem mündlichen Erzählen angelehnten sprachlichen Gestaltung weltliterarische Bedeutung.
«Babettes Fest» wurde zuerst 1950 unter dem Titel «Babette’s Feast» in der amerikanischen Zeitschrift «Ladies’ Home Journal» veröffentlicht und erschien 1960 unter dem Titel «Babettes Gastmahl» in dem Band «Schicksalsanekdoten» erstmals auf deutsch. 1987 wurde dieses «lukullische Märchen» von dem dänischen Regisseur Gabriel Axel verfilmt. Es ist eine Parabel über die Befreiung des Menschen aus den vom Schicksal auferlegten Zwängen durch die Kunst. Gleichzeitig spiegelt diese Novelle das literarische Credo der Autorin wider: Ebenso wie die Meisterköchin Babette mit ihrer Kunst, dem »dîner français», den beiden Schwestern Martine und Philippa die Möglichkeit gibt, zumindest für wenige Stunden aus ihrem pietistisch-puritanischen Dasein auszubrechen, so war auch für Tania Blixen selbst die Kunst – das Schreiben und Erzählen – der einzige Weg, alltäglichen Sorgen und Schwierigkeiten zu entfliehen.
Unsere Ausgabe folgt dem 1982 bei der Deutschen Verlags-Anstalt, Stuttgart, unter dem Titel «Babettes Gastmahl» erschienenen Text aus dem Band «Schicksalsanekdoten».
D. L.