unschuldige Kinder abzuschlachten, das Haus deiner Hauptmutter niederzubrennen und das Grab deines Sippenvaters zu schänden. Moderne Soldaten standen dem Feind zwar nur in den seltensten Fällen von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Doch manchmal genügte schon eine flüchtige Begegnung auf dem Feld, aus nächster Nähe, um Monate der Ausbildung zunichtezumachen: Wenn deine Rekruten das erste Mal ein junges Wesen sahen, das ihm oder ihr ziemlich ähnlich war und auf dem Schlachtfeld saß, während es seine Eingeweide in den Händen hielt und nach einem Schluck Wasser heulte - nun, das war ein Schock. Womöglich wurde deinem für den Kampf trainierten Rekruten mit einem Mal bewusst, dass der sterbende junge Soldat Hoffnungen und Ängste besaß, die sich nicht allzu sehr von seinen eigenen unterschieden - und dass auch er vielleicht nichts weiter wollte, als bloß seinen Militärdienst abzuleisten und dann wieder nach Hause zurückzukehren. Diese Erkenntnis war wie ein umgestülpter Kolben flüssigen Stickstoffs, erschreckend bis ins Mark.
Für einen Soldaten war es keine gute Idee, sich solchen Gedankengängen hinzugeben. Womöglich brachte ihn das beim nächsten Mal dazu zu zögern; womöglich kostete es ihn das Leben. Am besten war es zu versuchen, das Ganze zu ignorieren.
Doch wenn man ein eingeschleuster Spion war, konnte man das nicht. Man verabschiedete sich recht schnell von der Illusion, dass der Feind kollektiv böse war. Das geschah praktisch von ganz allein, wenn man mit ihnen zusammen aß, mit ihnen zusammen trank und mit ihnen zusammen arbeitete. Manchmal entwickelte man eine sehr enge Bindung zu ihnen. An einem Ort wie diesem lebten die Leute dicht an dicht. Man lernte denjenigen, der einem im Speisesaal gegenüber am Tisch saß, fast so gut kennen wie sein eigenes Spiegelbild.
Der Stab dieser Flehr bestand aus guten Leuten, das galt für nahezu alle. Der Spion wusste das - andere Wesen zu beurteilen war ein wichtiger Teil der Arbeit eines Agenten. Wäre dieser Krieg nicht ausgebrochen, hätten sie alle potenzielle Freunde sein können. Unter ihnen befand sich kein Dämon.
Das machte die Aufgaben schwieriger. Wenn man keinem Ungeheuer schadete, indem man gewisse Ereignisse in Gang setzte, sondern stattdessen Leuten Leid zufügte, die einen als Freund betrachteten - das tat weh. Man stand jeden Morgen auf, und dein Leben unter ihnen war fast gänzlich eine Lüge. Alles, was man sagte oder tat, musste hinter einem dichten Schleier verborgen und geheim gehalten werden, um das eigene Überleben zu gewährleisten. Schließlich wurden Spione in Zeiten des Krieges nicht sonderlich gut behandelt. Wurde man geschnappt, wurde man nur selten ausgetauscht. Für gewöhnlich fand ein rasches Mlitär- gerichtsverfahren statt, und man wurde leise und schnell ausgelöscht wie ein ausgeschalteter Glühstab, sobald sie aus dem bald toten Hirn alle Informationen extrahiert hatten, die sie kriegen konnten. Tot auf irgendeinem abgelegenen Planeten, unbeweint in einem flachen Grab, verachtet von jenen, die einen zu kennen glaubten.
Selbst wenn man Erfolg hatte - selbst wenn man seine Mission zum Abschluss brachte und sicher zurückkehrte -, erwarteten einen zuhause kein Ruhm, keine Orden und keine Paraden. Wenn man ganz viel Glück hatte, konnte man ein ruhiges, unauffälliges Leben führen, ohne dass einem die »eigene« Seite umfangreiche Teile des Gedächtnisses löschte.
Zu spionieren war keine Aufgabe für Leute mit wenig Schneid. Man musste aus etwas gemacht sein, das härter als der härteste Ferrobeton war, um dem Druck standzuhalten, als Undercoveragent zu arbeiten, ganz gleich, für welche Seite man tätig war, ganz gleich, wie überzeugend und berechtigt die Gründe auch sein mochten, den Job zu übernehmen.
Berechtigt? Oh ja, das waren die Beweggründe des Spions mit Sicherheit. Die Gründe waren alt und weit weg, aber nichtsdestotrotz unvermindert stark. Dennoch war es un möglich, diese Leute anzulächeln, ohne dass es einem ernst damit war, weil das gute Leute waren. Keiner von ihnen war an der Gräueltat beteiligt gewesen, die all dies notwendig machte - in Wahrheit hätte der Vorfall sie alle entsetzt, so wie jedes anständige Lebewesen auf jeder beliebigen Seite in jedem beliebigen Krieg. Doch es waren nicht die anständigen Leute, die solche Dinge verursachten, und es waren die Unsittlichen, die für ihre Verbrechen bezahlen mussten. Man musste sich frühzeitig damit abfinden, dass die Unschuldigen womöglich leiden mussten, und man musste sich bemühen, dafür zu sorgen, dass sie so wenig wie möglich litten - doch dass sie litten, war unvermeidlich. In Kriegen starben Leute, genauso, wie das Volk des Spions gestorben war, und man konnte nur wenig dagegen tun, abgesehen davon, das Ganze so sauber und schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
Einige von ihnen waren attraktiv, gescheit, talentiert ... Alles Dinge, die der Spion bei Freunden und Geliebten schätzte, und dennoch würden sie sterben. Dieser Entschluss musste unerschütterlich bleiben. Der Krieg war ein kaltes Geschäft. Die Tränen würden noch sehr lange warten müssen...
Es wurde Zeit, zu Bett zu gehen. Der morgige Tag würde bringen, was immer er eben in petto hatte, und es war stets notwendig, sich auszuruhen, wann immer der Zufall es erlaubte.
Mindestens einmal im Monat besuchte Admiral Bleyd die Flehrs im Rahmen einer oberflächlichen Inspektion, die in erster Linie dazu diente, die Fahne zu schwenken und vorzugeben, dass ihm die Truppen und die Mediziner auf dieser tropischen Schlammkugel, die er so durch und durch verabscheute, am Herzen lagen. Bleyd wollte vermeiden, dass an seiner eigenen Routine irgendetwas ungewöhnlich war, wenn der nächste Abgesandte der Schwarzen Sonne auftauchte. Die Inspektionstour erfolgte planmäßig und würde ohne einen triftigen Grund, sie abzublasen, ganz normal ablaufen. Alles ging seinen gewohnten Gang.
Dabei war die Sache für alle größtenteils reine Zeitverschwendung. Sie wussten, dass er kam, hatten jede Menge Zeit gehabt, alles auf Vordermann zu bringen und sich vorzubereiten. Er würde nichts Nachteiliges zu Gesicht bekommen, es sei denn, es passierte zufällig und direkt vor seiner Nase.
Er konnte nicht einmal einige Zeit erübrigen, um auf die Jagd zu gehen - doch andererseits gab es auf diesem durchweichten Planeten ohnehin nichts zu erlegen, das seines Talents würdig gewesen wäre.
Bleyd verwendete für den Flug zur Oberfläche stets seinen persönlichen Erleichterer, ein kleines Schiff, das diese Bezeichnung ursprünglich dadurch erlangt hatte, dass der Zweck seines Namensvetters traditionell darin bestand, Schiffe auf Planetenmeeren zu »erleichtern«, indem sie Fracht von Bord ans Ufer beförderten. Sein Schiff, ein modifiziertes surronianisches Angriffsschiff der Conqueror-Klasse, war gewiss nicht das Standardgefährt für einen Flottenadmiral. Das Schiff war klein, weniger als dreißig Meter lang, und seine Frachtladekapazität war begrenzt - damit ließ sich kein größeres Schiff in merklichem Maße erleichtern, was nur normal war. Allerdings verfügte das Schiff über eine Ansammlung von acht surronianischen Ionentriebwerken, vier A2er und vier vom Typ A2.50, und war damit mit Abstand das schnellste Ding in der Atmosphäre dieses Planeten. Feindliche Geschütze, die in Position gebracht worden waren, um gewöhnliche Raumfrachter und Sternenjäger ins Visier zu nehmen, würden weit hinter dem Schiff in die leere Luft feuern, wenn Bleyd Schub gab. Auch war man den Sporen weniger ausgesetzt als in jedem anderen Schiff. Auf einem guten Flug, wenn ihn kein örtlicher Sturm langsamer machte, konnte er das Flugdeck doppelt so schnell verlassen und bei den Bodenstationen landen wie jedes andere verfügbare Transportmittel. Beim Klasse-1-Hyperantrieb handelte es sich um einen H1.5 der Corellianischen Ingenieursgesellschaft, leistungsstark genug, um einen Passagier zurück ins Reich der zivilisierten Welten zu befördern. Bleyd hatte von dem Schiff gehört, nachdem es im Zuge einer militärischen Auseinandersetzung von irgendeinem Piraten oder dergleichen beschlagnahmt worden war, unmittelbar bevor er hierherversetzt wurde, und mit ein wenig geschicktem Verhandeln war es ihm gelungen, es sich als persönliches Transportmittel zu sichern.
Abgesehen von seinen anderen Vorzügen besaß das Schiff eine ansprechende, aerodynamische Form, eine Art langgezogener Ziffer Acht. Immerhin gab es keinen Grund dafür, warum das Transportmittel eines Admirals nicht auch so gut aussehen konnte, wie es flog.
Diese Spritztour war das reinste Zuckerschlecken. Als er durch die Atmosphäre auf die Oberfläche zuschoss, grübelte er deshalb über sein anderes Problem nach: Credits und wie man am besten so schnell wie möglich so viel wie möglich davon anhäufte, ohne Gefahr zu laufen, dass einem jemand auf die Schliche kam.
»Bitte identifizieren Sie sich!«, ertönte die Aufforderung von der republikanischen Hauptbodengeschützkontrolle.
Bleyd lächelte. Sie mussten das fragen, obwohl sie mit Sicherheit genau wussten, wer er war. Das Sensorprofil seines Erleichterers war einzigartig - im Umkreis von zwanzig Parsecs gab es nichts, das auch nur entfernt so aussah.
»Hier Admiral Bleyd«, entgegnete er mit forscher Stimme. »Auf Inspektionstour von MediStern Neunzehn.« Er ratterte den gegenwärtigen Identifikationscode runter, der auf seinen Befehl hin täglich geändert wurde.
Es folgte eine kurze Pause, während der diensthabende Offizier so tat, als würde er die Angaben überprüfen, um sicherzustellen, dass sein Kommandant nicht irgendein Separatistenspion war, der gekommen war, um eine arme Flehr-Besatzung in die Luft zu sprengen, die irgendwo im Sumpf hockte. Dann: »Alles bestens, Sir. Begeben Sie sich zum zugewiesenen Landequadranten, und herzlich willkommen, Admiral!«
Bleyd schaltete das Kom aus, ohne darauf zu reagieren.
Es ging nicht um das Geld an sich, auch wenn es auf seine Weise mit Sicherheit eine gewisse Anziehungskraft besaß. Nein, es ging um die Wiederherstellung von Ehre, von Ansehen, darum, Unrecht zu korrigieren - das war es, wofür ein Bankkonto voller Credits stand. Es war ihm bereits gelungen, eine hübsche Summe zusammenzutragen, genug, dass es reichte, um ihn, sofern man richtig damit umging, für den Rest seines Lebens zu ernähren und zu kleiden und ihm alle Annehmlichkeiten zu erlauben, die man sich nur wünschen konnte. Doch sein Ziel bestand nicht bloß darin, sich als reicher Mann zur Ruhe zu setzen. Nein, sein Ziel war viel wichtiger als das. Sein Ziel war es, Ehre zu erlangen.
Darunter mischte sich natürlich auch ein gewisses Maß an Rachsucht. Es gab Leute, um die er sich kümmern musste, alter Groll, der ausgeräumt werden musste, um schließlich eine Dynastie zu gründen. Er musste eine Partnerin finden, heiraten, Erben zeugen und dafür Sorge tragen, dass seine Söhne und Töchter wohlhabend genug waren, ihren rechtmäßigen Platz in der Galaxis sicher zu wissen. Irgendwann würde dieser Krieg vorüber sein. Die Republik würde siegen - daran zweifelte er nicht, alles andere war undenkbar -, und das Leben würde mehr oder weniger genauso weitergehen wie zuvor. Eine friedliche Galaxis mit jeder Menge Gelegenheiten für die Reichen und Wohlhabenden, noch erfolgreicher zu werden - das waren Dinge, die man als gegeben hinnehmen konnte. Kein zurechnungsfähiges Wesen wollte Krieg, es sei denn, er diente den eigenen Zwecken. In Konfliktzeiten gab es ein Vermögen zu verdienen, und wenn dieser Krieg vorbei war, würden Bleyd und seine Nachkommen ebenfalls zu den Reichen und Mächtigen gehören. Daran bestand kein Zweifel.
Das zu bewerkstelligen war gar nicht so einfach, doch er war gleichermaßen gerissen wie einfallsreich. Kleine Mengen Bota konnten auch weiterhin abgezweigt und gelagert werden. Seine Unstimmigkeiten mit der Schwarzen Sonne mussten erst einmal beigelegt werden - ein großer Diebstahl kam derzeit nicht in Frage -, doch auf einem Raumschiff von der Größe eines MediSterns konnte er eine Menge von dem kostbaren Adaptogen verstecken, es in Karbonitblöcken verstauen, um das Bota als etwas anderes zu tarnen, und es dann - verwegen, wie er war - selbst in die Zivilisation zu schaffen. Das Material würde niemals in einem Ladeverzeichnis auftauchen, niemand würde wissen, dass es existierte, und im Laufe der Zeit würde es nur noch wertvoller werden. Eintausend Kilo Bota in Pharmaqualität, die in irgendeinem Lagerhaus deponiert waren, würden schließlich ganz von selbst Millionen wert sein.
Allerdings gab es noch einige andere Dinge, die ein gewitzter Admiral tun konnte, um sein Vermögen zu mehren. Ein medizinisches System, wie es für eine Flehr nötig war, konnte doppelt angefordert werden, und eins davon konnte seinen Weg zu einem anderen Bestimmungsort finden, vielleicht auf irgendeinen Planeten, der dringende Verwendung für eine solche Anlage hatte, um gegen etwas Gleichwertiges, aber Handlicheres verschachert zu werden - gegen Edelmetalle oder seltene Juwelen beispielsweise. Auch ein paar erstklassige Medidroiden, die »fälschlicherweise« zu irgendeinem Grenzplaneten geschickt wurden, wo Ärzte knapp waren, würden ihr Gewicht in Credits wert sein. Selbst die Kopie eines geschützten Computerprogramms, wie etwa dem, das die Operationssysteme des MediSterns betrieb, war eine kostbare Ware - wenn man den richtigen Kunden dafür an der Hand hatte. Wie viele Welten, die bloß ein Sternenschiff besaßen, würden liebend gern eins für ihre Spitäler nehmen, ohne Fragen zu stellen, wenn der Preis stimmte?
Die Außenhülle des Schiffs erhitzte sich, als es sich einem Pfeil gleich seinen Weg in die Atmosphäre bahnte. Die Sensoren registrierten das und justierten die Umgebungskontrollsysteme. Er war bloß einige Minuten vom Medihauptquartier am Boden entfernt, das traditionell Flehr Eins genannt wurde. Heute schienen in diesem Quadranten keinerlei Kampfhandlungen stattzufinden, weshalb er keine echten Schwierigkeiten erwartete. Hin und wieder versuchte ein Pilot der Konföderation ein Selbstmordmanöver, trotzte den Sporen, um die Chance zu bekommen, ein Republikschiff außerhalb seiner Einsatzreichweite angreifen zu können. Er selbst war noch nie attackiert worden, und der Erleichterer war mit zwei feuergekoppelten Ionenkanonen ausgerüstet wie auch mit Laserkanonen, die er vom Cockpit aus bedienen konnte. Manchmal wünschte er, einer der Separatistenjäger würde ihm auf die Pelle rücken, damit er beweisen konnte, dass er kein Nachhut-Admiral war, doch eine solche Gelegenheit hatte sich ihm bislang nicht geboten. Zu schade.
»Hier spricht die Landekontrolle. Wir übernehmen in dreißig Sekunden das Kommando über Ihr Schiff, Sir.«
Bleyd nickte bei sich. »Bestätige, Landekontrolle.« Eigentlich hätte er es vorgezogen, den Erleichterer persönlich mit Handsteuerung reinzubringen, aber das war nicht die Standardprozedur, und Tarnese Bleyd würde seine Zukunft nicht aus schlichten, egoistischen Gründen aufs Spiel setzen, wenn so wenig dabei raussprang. Sollten sie das Schiff ruhig landen. Er hatte sich um Wichtigeres zu kümmern ...
22. Kapitel
Bleyd variierte seine Inspektionen gerne. Manchmal blieb er in einem Planetensektor, bei anderen Gelegenheiten reiste er quer durch eine gesamte Region. Auf einem Trip besuchte er die Flehrs womöglich in numerischer Reihenfolge, ein andermal suchte er bloß die mit den geraden oder ungeraden Zahlen auf. Es gab ein Dutzend medizinischer Notfallstützpunkte, einen für praktisch jede Hauptfront, die kreuz und quer über ganz Tanlassa verstreut waren. Es war unmöglich, alle bei einem einzigen Besuch abzuklappern, sofern er nicht gewillt war, sich einen Monat lang auf dem Boden aufzuhalten, um fortwährend herumzureisen. In technischer Hinsicht waren die Feldlazaretteinheiten der Republik imstande, rasch aufzubrechen und die Position zu wechseln, entweder, um Gefahren zu entgehen, dem Vorstoß zu folgen oder sich weiter von den Frontlinien zurückzuziehen. Sobald sie jedoch irgendwo Stellung bezogen hatten, blieben die Einheiten für gewöhnlich über Wochen und Monate an einem Ort, und einige befanden sich nach wie vor an derselben Stelle, an der sie ursprünglich runtergegangen waren. Die Stationen unterschieden sich nicht allzu sehr voneinander, da sie alle im Wesentlichen demselben Zweck dienten: der Reparatur und der Instandhaltung der Klonarmee und aller übrigen Verletzten, die es womöglich sonst noch zu beklagen gab.
Nicht, dass es irgendeinen Unterschied machte, wie er seine Inspektionen durchführte. Ganz gleich, für welches Vorgehen er sich entschied, die Männer wussten lange vor seiner Ankunft Bescheid, dass er unterwegs war. Einige Anführer platzten gern unangekündigt herein, doch für ihn hatte das Überraschungsmoment bei diesem Prozedere nichts verloren. Er suchte nicht nach irgendetwas Unerfreulichem, dessen er sich annehmen konnte. Solange es niemand vermasselte, machte er sich wegen des regulären Betriebs keine Gedanken.
Als sich der Landgleiter, der ihn am provisorischen Hauptraumhafen abgeholt hatte, dem aktuellen Standort von Flehr Sieben näherte, beobachtete Bleyd vage Flecken rötlichen Sporenstaubs, die auf dem Transparistahlverdeck des Fahrzeugs glitzerten. Obwohl die Sporen auf Bodenniveau die meiste Zeit über wesentlich ungefährlicher waren, war es dennoch keine sonderlich gute Idee, in einem Speeder mit offen em Verdeck durch die Sporenwolken zu flitzen.
Die Einheit war direkt voraus. Sie hatten die gut zweihundert Kilometer Marschland und sumpfiger Flussarme, die sie von seinem Landefeld trennten, rasch hinter sich gebracht. Sein Fahrer war ein junger, vierarmiger Myneyrsh, was ein wenig überraschend war. Die meisten Myneyrshi hegten eine Abneigung gegen Technik, und Bleyd nahm an, dass das auch für energiebetriebene Bodeneffektfahrzeuge wie dieses galt. Auch hatte der Fahrer einen Blaster neben sich auf dem Sitz, obwohl Bleyd ziemlich sicher war, dass der Soldat zuerst nach dem großen Garraizahnmesser greifen würde, das er in einer Scheide bei sich trug, die an sein durchscheinendes Bein geschnallt war. Es gab bei den Myneyrshi ein Sprichwort, das besagte: »Einem Messer geht nie die Munition aus.« Bleyd wusste genau, was damit gemeint war.
»Flehr Sieben, Admiral, Sir«, sagte der Fahrer.
Bleyd nickte. Er war schon vorher hiergewesen, auch wenn das bereits mehrere Monate her war - mindestens. Die Basis sah genauso aus wie alle anderen. Lediglich der Standort und die hiesige Umgebung wiesen daraufhin, dass es sich um eine andere handelte.
Nun, das und der Umstand, dass sein Komplize, Filba der Hutt, hier stationiert war ...
Sie näherten sich dem Außenbereich des Lagers, wurden von einer Wache kontrolliert und passierten den Energieschild. Der Energieschild nach Militärstandard sorgte dafür, dass gewisse Dinge draußen blieben, besonders sich schnell bewegende Raketen und Hochenergiespektren wie beispielsweise Gamma- und Röntgenstrahlen, während Radiowellen und sichtbares Licht durchgelassen wurden. Bedauerlicherweise waren Hitze, Regen, Sporen und Insekten auf die eine oder andere Weise ebenfalls langsam genug, dass sie den osmotischen Schild durchdringen konnten.
Bleyd traf sich mit Colonel D'Arc Vaetes, dem Kommandanten, und sie tauschten die üblichen bedeutungslosen Komplimente und Floskeln aus. Bleyd, der mechanisch dem üblichen Trott folgte, widmete der Inspektion nicht einmal die Hälfte seiner Aufmerksamkeit. Er wusste, dass Vaetes ein straffes Regiment führte, und es hätte den Admiral überrascht, tatsächlich etwas zu Gesicht zu bekommen, das nicht in Ordnung war.
Als sie auf ihrem Weg zum Haupt-OP am Speisesaal und der Cantina vorbeikamen, sah Bleyd zwanzig Meter entfernt einen lächelnden Mann an einem Knallbaum lehnen.
Ein kalter Schauer lief Bleyd über den Rücken, da von dem lächelnden Menschen ein unverkennbarer Eindruck drohender Gefahr ausstrahlte - wenn auch nicht offenkundig. Da war nichts, das als Geste der Respektlosigkeit angesehen werden konnte, doch das Gefühl an sich war unmiss- verständlich. Er war ein Krieger, nicht bloß ein Soldat. Ein lächelnder Killer, der wusste, was er war, und dieses Wissen genoss.
Bleyd blieb stehen. »Wer ist das?«
Vaetes warf einen Blick hinüber und sagte: »Phow Ji, der Bunduki-Nahkampfausbilder. Seine Trainingseinheiten sorgen dafür, dass ich besser in Form bin, als mir lieb ist.«
»Aha.« Das erklärte alles. Bleyd wusste über Ji Bescheid. Wie jeder gute Jäger markierte er stets die Raubtiere in seinem Territorium. Ji hatte sich bereits einen gewissen Ruf erworben, bevor er hierhergekommen war. Seine Personaldatei war speziell eingestuft gewesen, und seit seiner Ankunft hatte er mehrere Dinge getan, die diesem Ruf alle Ehre gemacht hatten. Es ging das Gerücht, dass ein Holo von Ji existierte, wie er es mit einem Trio von Söldnern aufnahm und am Ende als Einziger überlebte. Bleyd war sehr daran interessiert, sich diese Aufnahme anzusehen.
Zu Vaetes sagte er: »Lassen Sie uns rübergehen und Hallo sagen!«
Als sie sich umwandten und auf Ji zugingen, amüsierte es den Admiral zu sehen, dass sich die Nasenlöcher des Kämpfers ein wenig aufblähten und seine entspannte Haltung eine Winzigkeit angespannter wurde. Er lächelte. Das hätte allein an seinem Rang liegen können, doch Bleyd glaubte nicht, dass dem so war. Aus seiner Akte ging hervor, dass Phow Ji Vorgesetzten nur wenig Respekt entgegenbrachte. Nein, Bleyd gelangte zu dem Schluss, dass Ji in ihm dasselbe sah.
das er auf den ersten Blick in dem Bunduki gesehen hatte: einen potenziell gefährlichen Widersacher.
Ji nahm Haltung an, wenn auch ein bisschen langsam.
»Rühren, Lieutenant Ji!«
»Zu Befehl, Admiral!« Der Kämpfer entspannte sich, beugte leicht die Knie und schüttelte fast unmerklich seine Schultern.
Er macht sich bereit zum Angriff, dachte Bleyd. Ausgezeichnet! Dieser Mann konnte es mit zwanzig Schlägern der Schwarzen Sonne aufnehmen wie dem, den Bleyd in den Orbit befördert hatte, ohne auch bloß ins Schwitzen zu geraten.
»Sie kennen mich?«, fragte Ji.
»Natürlich. Ich habe gehört, dass Sie ein ... geschickter Kämpfer sind.«
Sein Tonfall und die Pause genügten gerade so, um seiner Bemerkung eine Durchtriebenheit zu verliehen, die sarkastisch gemeint sein konnte - oder auch nicht. So dicht dran, dass das Ganze entweder nichts bedeutete - oder eine kalkulierte Beleidigung darstellte. Das war unmöglich zu sagen.
Die beiden sahen einander eine Sekunde lang an, und die Blicke der zwei Männer waren kühl und abschätzend.
Ji sagte: »Geschickt genug für jeden auf diesem Planeten, Sir.«
Bleyd hielt sein Grinsen im Zaum, obgleich er den Drang verspürte, die Zähne zu zeigen. Der Bunduki war unverschämt. Der Kommentar war eindeutig eine Herausforderung.
Es gab eine Zeit, damals, als er wesentlich jünger war, da hätte sich Bleyd bei einer solchen Bemerkung das hautenge Hemd vom Leib gestreift, um den Kerl gleich hier und jetzt zu einem Tänzchen aufzufordern. Auch jetzt überkam ihn dieses Verlangen - und er erkannte, dass Ji das wusste und ebenfalls bereit dazu war, es darauf ankommen zu lassen.
Drei Dinge hielten Bleyd davon ab, den Bunduki körperlich anzugreifen, der dort stand und ihn genau dazu einlud. Zunächst mal war er ein Admiral der Flotte, und es war unter seiner Würde, dass man ihn dabei sah, wie er sich in aller Öffentlichkeit schlug. Ein solches Duell musste hinter verschlossenen Türen und ohne Zeugen stattfinden.
Zweitens: Bleyds Pläne, die Ehre seiner Familie wiederherzustellen, hatten nach wie vor höchste Priorität, und eine körperliche Auseinandersetzung mit einem anderen Offizier, aus welchen Gründen auch immer, würde die unerwünschte Aufmerksamkeit der oberen Etagen auf ihn lenken. Das wollte er nicht riskieren.
Drittens - und dieser Grund wog mit am schwersten, doch er konnte ihn nicht von der Hand weisen - war er sich absolut nicht sicher, ob er Phow Ji in einem fairen Duell besiegen konnte. Er war zweifellos stärker und schneller, doch der Mensch war ein Champion, der seinen Fähigkeiten in Dutzenden Kämpfen, von denen einige auf Leben und Tod gewesen waren, den letzten Schliff gegeben hatte. Natürlich spielten Größe, Kraft und Flinkheit allesamt eine Rolle, aber ein Gegner mit genügend Geschick konnte das wieder ausgleichen. Wenn zwei voll ausgewachsene Säbelzähne gegeneinander kämpften, bluteten am Ende der Gewinner und der Verlierer, sodass es zuweilen schwierig war zu bestimmen, wer von ihnen den Sieg davongetragen hatte. Bleyd war ein Raubtier und als solches bereit, dem Tod ins Auge zu blicken, doch schlaue Killer taten das nur, wenn die Belohnung das Risiko wert war. Damit zu prahlen, einen Nahkampfmeister bezwungen zu haben, fiel nicht in diese Kategorie - zumindest nicht in diesen Tagen und nicht an diesem Ort.
Was, fragte er sich flüchtig, wenn er Ji in den Regenwald lockte und dann Jagd auf ihn machte? Das würde Bleyd einen Vorteil verschaffen, aber dennoch bestand die Möglichkeit, dass er am Ende trotzdem nicht den Sieg davontrug. Ein derartiges Risiko würde dem Spiel eine gewisse Würze verleihen, doch unglücklicherweise würde es jetzt nicht dazu kommen.
»Eines Tages würde ich Sie gern in Aktion sehen«, sagte Bleyd.
Ji nickte, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Bleyd konnte sehen, dass er verstand, dass der Admiral keinen Rückzieher machte, sondern eine potenzielle Konfrontation lediglich aufschob. »Das würde mir ebenfalls gefallen, Admiral, Sir.«
Die beiden standen einige Sekunden lang da. Keiner von ihnen blinzelte. Schließlich wandte sich Bleyd an Vaetes. »Sie wollten mir den OP zeigen, Commander. Und ich nehme an, dass die Feldkommandanten ihre Truppen vorführen wollen, was bei diesem Wetter zweifellos ziemlich warm für die Männer werden wird.«
Vaetes, der respektvolle Distanz zu dem gewahrt hatte, was für ihn ein ausgesprochen seltsames Intermezzo sein musste, und die ganze Zeit über einen unverbindlichen Gesichtsausdruck präsentiert hatte, nickte. »Hier entlang, Admiral!«
Bleyd spürte Jis Blick im Rücken, als er davonging. Eine Schande, doch es stimmte, dass ein Jäger ohne Geduld für gewöhnlich bald Hunger litt. Ihre Zeit würde kommen. Allerdings hatte Bleyd jetzt schon ein besseres Gefühl, was seine Inspektionstour betraf. Nichts ging über ein gefährliches Tier, das einem auf den Fersen war, um das Blut in Wallung zu bringen.
Sein Enthusiasmus wurde ein wenig gedämpft, als er sich daran erinnerte, dass es andere Angelegenheiten gab, um die er sich bei dieser speziellen Flehr kümmern musste, so unangenehm das auch sein mochte. Keine Ruhe für jene, die hier das Sagen hatten ...
Es war so weit.
Den wusste, dass es keine bessere Gelegenheit gab, seine Falle für Filba zuschnappen zu lassen, als jetzt, wo sich der Flehr-Admiral auf seiner Inspektionstour auf dem Planeten befand. Was hätte da passender sein können, als zu sehen, wie die vielen Verbrechen des diebischen Hutts endlich ans Licht gezerrt wurden - die Unterschlagungen, der Wucher und die zahllosen anderen illegalen Mittelzuweisungen, auf die Den in den vergangenen paar Wochen gestoßen war, sowohl durch das HoloNet als auch durch geschickt geführte Interviews mit dem Stab, die geradewegs unter Admiral Bleyds Nase stattgefunden hatten? Oder befriedigender?
Das Ganze war nicht einfach gewesen. Die Datenspur war so verschlungen gewesen wie die ureigene Schleimspur des Hutts nach einem ordentlichen Cantina-Besäufnis. Die belastendste Anschuldigung stammte von einem Mitglied des Sanitätsstabs, der einen Onkel bei der Versorgungsdivision hatte. Der Onkel war im Besitz verschlüsselter Daten gewesen, die Filba mit der Umleitung von fünfhundert Hektolitern Anticeptin-D in den Frachtraum des Transportschiffs eines Schwarzmarkthändlers vor zwei Monaten in Verbindung brachten. Diese Beweise allein reichten nicht aus, und Filba war zumindest schlau genug gewesen, dieselbe Quelle nicht zweimal zu melken, doch zusammen mit den anderen Verstößen, die Den entdeckt hatte, war das Ganze mehr als genug, um ihn zu Fall zu bringen.
Den lehnte sich auf seiner Formschaumpritsche zurück und lächelte. Seine Rache würde süß sein.
Über die Hyperschall-Lautsprecher drangen die martialischen Klänge der ersten Strophe der Republikshymne - die Musik wurde traditionell immer dann gespielt, wenn ein ranghoher Offizier oder andere Würdenträger zu Besuch waren. Natürlich war Den Zivilist, sodass er im Prinzip nicht dazu verpflichtet war, mit den anderen strammzustehen. Trotzdem konnte es nicht schaden, ein bisschen Höflichkeit zu zeigen.
Bislang hatte er erst ein einziges Mal mit dem sakiyanischen Offizier gesprochen, und das auch nur kurz, bevor er auf Drongar gelandet war. Doch nach dem zu urteilen, was er auf der Basis gehört hatte, wurde Admiral Bleyd ein gesundes Maß an Hochachtung entgegengebracht. Er führte ein straffes Regiment, und seine persönliche Tapferkeit, sein Stolz und seine Ehre schienen kaum in Frage gestellt zu werden. Den hatte nicht allzu viel Ahnung von der sakiyanischen Kultur, aber er wusste, dass die Gesellschaft um komplexe familiärpolitische Einheiten herum strukturiert war, und dass Ehre, Würde und Respekt eine große Rolle spielten - so sehr, dass es eine Vielzahl subtiler, aber genau umrissener Permutationen gab, jede mit ihrem eigenen Namen und ihren eigenen Regeln.
Er verließ das Zelt, blinzelte, wie immer leicht erstaunt über die drückende, feuchte Hitze, und sah, dass die Offiziere, die angeworbenen Soldaten und das medizinische Personal für die Inspektion Aufstellung genommen hatten. Die Klon-Kohorte stand für sich, ihre mit schimmernden schwarz-weißen Rüstungen ausstaffierten Gestalten - alle exakt gleich groß und von derselben Statur - standen in Reihen in Habachtstellung, die da, wo sie nicht perfekt waren, allenfalls einen Millimeter davon abwichen.
Warum sich jemand die Mühe machte, Klone zu inspizieren, ging über seinen Horizont. Kannte man einen, kannte man alle.
Admiral Bleyd stand vor ihnen. Er war eine beeindruckende Persönlichkeit, das war mal sicher - groß und schlank, seine graue Paradeuniform zeigte keine einzige Falte, und irgendwie wusste Den, dass er dafür keinen Antistatikfeldgenerator brauchte. Keine Falte, die wusste, was gut für sie war, würde sich auch nur in die Nähe der Uniform des Admirals wagen.
Der kahle, polierte Kopf glänzte in der Sonne, die dunkle, bronzefarbene Haut schimmerte wie der Panzer eines Insekts. Den konnte keine Anzeichen dafür ausmachen, dass der Admiral schwitzte. Vielleicht schwitzten Sakiyaner ja überhaupt nicht. Oder möglicherweise tat Admiral Bleyd es einfach nicht.
Der Reporter blieb nicht weit von der Offiziersreihe entfernt stehen. Er konnte Filba ausmachen ... Nicht sonderlich schwer zu übersehen. Er sieht aus wie eine ausgerotzte Weltraumschnecke. Die gelbliche Haut des Hutts war sogar noch fleckiger als gewöhnlich, und er sah heute besonders schleimig aus. Noch weißt du nicht, was Leiden bedeutet, versprach Den dem riesigen Weichtier im Stillen. Zumindest besitzt dieser Planet eine Atmosphäre, so widerlich sie auch sein mag. Nicht wie ein Gefängnis auf einem Asteroiden, wo man um sich herum nichts weiter sieht als Felsen ...
Der beste Zeitpunkt, um seine Bombe platzen zu lassen, war während der Inspektionstour - offenkundig außer Hörweite von Filba. Den versuchte, sich den Ausdruck der Bestürzung auf dem Gesicht des Hutts vorzustellen, wenn der Sicherheitsdienst kam, um ihn einzusacken.
Jetzt, wo dieser durchdachte Racheplan, den er in den letzten paar Wochen ausgetüftelt hatte, kurz davor war, Früchte zu tragen, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass er wegen der ganze Sache nicht übermäßig enthusiastisch war. Mit einem Mal kam es ihm mehr wie eine Schuldigkeit vor, wie eine Pflicht, den Hutt zu verpfeifen, denn wie genussvolle Vergeltung. Er verspürte nicht die Freude, von der er gedacht hatte, dass er sie empfinden würde.
Hierbei ging es nicht allein darum, dem Hutt heimzuzahlen, wie er Den unlängst behandelt hatte. Auf Jabiim hatte er außerdem dazu beigetragen, dass Den beinahe getötet worden war. Nein, das hier drohte Filba schon seit langer Zeit. Doch jetzt - und das wurde ihm mit einer Wucht klar, die echtem Entsetzen gleichkam - ertappte Den sich dabei, dass er tatsächlich unwillig war, es durchzuziehen.
Du wirst allmählich weich, sagte Den sich. Verlierst deinen Schneid. Muss an der Hitze liegen. Du musst von diesem Planeten verschwinden!
Dann bemerkte er, dass der Admiral kurz verharrte, als er an dem Hutt vorbeikam. Die beiden hatten Blickkontakt - ein sehr flüchtiger Blick, einer, der praktisch kaum wahrnehmbar war, sofern man kein investigativer Reporter war, dessen Sensoren durch Jahre des Feldeinsatzes geschärft waren.
Doch Den nahm es wahr.
Höchst interessant.
Obgleich er sich darüber im Klaren war, dass er womöglich ein oder zwei Terrabyte in diesen Blick hineininterpretierte, der möglicherweise gar nichts zu bedeuten hatte, waren die Implikationen dennoch ... beunruhigend. Er hätte seine Schutzlinsen darauf verwettet, dass zwischen dem Hutt und dem Sakiyaner irgendetwas vorging, das zumindest in höchstem Maße unkonventionell war. Was hatten ein Flottenadmiral und ein Versorgungsoffizier miteinander zu besprechen?
Natürlich las er viel in einen einzigen, beinahe unterbe- wussten Blick hinein. Womöglich steckte nichts weiter als eine Abneigung gegen die Hutts im Allgemeinen hinter Bleyds Blick, aber Den Dhur war erfahren in dem, was er tat, und er hatte gelernt, auf seine Reporterinstinkte zu vertrauen - der Schöpfer wusste, dass es schwer genug gewesen war, die zu entwickeln. Und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr Sinn ergab das Ganze. Je tiefer er bei seinen Nachforschungen bezüglich Filbas Vergehen vorgedrungen war, desto mehr war deutlich geworden, dass der Hutt eine Schwarzmarktoperation wie diese nicht allein durchziehen konnte. Er musste Hilfe von weiter oben haben. Den war nur nicht bewusst gewesen, von wie hoch oben diese Hilfe kam.
Von einem Moment zum anderen änderte er seine Pläne.
Sieht so aus, als würde ich den Admiral doch nicht mit deinen Verfehlungen konfrontieren, du Schleimbeutel. Mit Sicherheit nicht, bis er mehr darüber in Erfahrung gebracht hatte, wie Bleyd in der Sache mit drinsteckte. Die Fäulnis drang weiter nach oben, als ihm klar gewesen war. Wenn er sich in Gegenwart des Admirals verplapperte und anfing, über Filbas Verbrechen zu plappern, bei denen Bleyd sein Komplize gewesen war, und der zufällig mit einem Wink seiner Hand dafür sorgen konnte, dass Den erschossen wurde - nun, das konnte sich als fataler Fehler erweisen.
Sag nicht, dass dich das überrascht, flüsterte sein Verstand spöttisch.
Der Admiral entließ die Truppen und das übrige Personal. Colonel Vaetes, der von den Captains Vondar und Yant begleitet wurde, gesellte sich zu Bleyd, um ihn durch den Operationssaal zu führen.
Früher oder später würde Bleyd die Zeit finden, allein mit Filba zu sprechen, und Den war entschlossen, dafür zu sorgen, dass sie dann nicht so allein sein würden, wie sie zu sein glaubten...
23. Kapitel
Zurück in seiner Wohneinheit holte Den eine kleine Kiste unter dem Bett hervor, tippte den Autorisierungscode ins Schloss ein und öffnete sie. Es war an der Zeit, die schweren Geschütze aufzufahren - oder vielmehr die kleinen, tatsächlich sogar das kleinste, und obgleich das Ding »schoss«, war es keine Waffe.
Den hielt das winzige Gerät dicht vor die Augen und bewunderte es. Es handelte sich um eine winzige Spionagekamera, die als Fluginsekt getarnt war, das man als Mondmotte kannte. Das ganze Ding bedeckte kaum seinen Daumennagel, doch seine biomimetische Konstruktion erlaubte es ihm, unbemerkt herumzufliegen, um denjenigen, der das Gerät bediente, alles hören und sehen zu lassen, was seine Sensoren auffingen, und das von einer Entfernung von bis zu zehntausend Metern aus. Er hatte die Kamera schon zuvor einige Male eingesetzt. Sie verfügte über einen eingebauten, hochmodernen Störsender, der Verwirrfelder, Sensorschirme und andere elektromagnetische Blockaden, die Bleyd oder Filba womöglich bei sich trugen, außer Kraft setzte. Und bei all den geflügelten Viechern, die auf der Basis herumschwirrten, würde eins mehr kaum auffallen. Das Gerät hatte ihn drei Monate Arbeit gekostet, doch gleich beim ersten Mal, als er es benutzt hatte, damals, als er die Story über die Schmuggler im Wilden Raum gemacht hatte, hatte es sich bereits bezahlt gemacht.
»Ab mit dir!«, murmelte er, als er das Gerät aktivierte. Die Mondmotte flog durch den offenen Eingang und verschwand, während Den das virtuelle Headset überstreifte, das es ihm ermöglichte, das Ding zu steuern.
Einige Sekunden lang genoss er das Gefühl zu fliegen und stieg hoch über die Basis auf, um sich einen Panoramablick über den Sumpf zu verschaffen, ehe er weit nach unten sauste, um einen der vielen Klone in Sichtweite zu umschwirren. Dann pendelte er das Gerät aus und hielt auf Filbas Domizil zu.
Die Tür war geschlossen, aber es gab jede Menge winziger Öffnungen, wo sich der von der Hitze verzogene Plastahl mit dem Duralegierungsrahmen verband. Er quetschte die Mondmotte durch eins der Löcher. Keinen Moment zu früh: Bleyd war bereits da, dem Hutt zugewandt, und dem Ausdruck auf ihren Gesichtern nach zu urteilen rechnete Den nicht damit, dass einer von ihnen irgendwann in nächster Zeit seinen großen Auftritt in Kinder-Holos haben würde. Er steuerte die Insektenkamera zu einem Absatz bei einem Regal dichtbei.
Wie war das mit diesem alten Kubaz-Sprichwort darüber, sich zu wünschen, man wäre ein Summkäfer an der Wand...?
Augenscheinlich hatte sich Filba auf diese Auseinandersetzung vorbereitet, indem er den Großteil eines Kruges mit etwas geleert hatte, bei dem es sich um Alderaanisches Ale zu handeln schien. Seine Hautfalten besaßen dieses gummiartige Aussehen, das Hutts annahmen, wenn sie betrunken waren.
Bleyd hingegen war nicht im Geringsten berauscht, es sei denn, man betrachtete Zorn als Rauschmittel. Er sprach mit leiser, gleichmäßiger Stimme und machte - zumindest auf Den - den Eindruck, als sei er bereit, Filba in Stücke zu schneiden und zu würfeln.
Den drehte die Leistung der Tonverstärker hoch.
»... momentan ist die Sache zu heiß«, sagte Bleyd durch seine Reißzähne. »Ich will nicht, dass die Schwarze Sonne irgendwann in nächster Zeit wieder hier auftaucht. Bis diese Angelegenheit mit ihrem vermissten Abgesandten aus der Galaxis ist, müssen wir uns bedeckt halten.«
»Sie haben gut reden«, polterte der Hutt. »Ihre Gewinnspannen sind wesentlich größer als meine.« Er nahm einen weiteren mächtigen Schluck von dem Bier. Ungeachtet seines aufgeblähten Bauchs hatte er seine Füllmenge offensichtlich noch nicht einmal annähernd erreicht. »Ich trage das ganze Risiko, und Sie machen den ganzen ...«
»Keiner von uns wird mehr Profit machen, wenn die Schwarze Sonne uns auf die Pelle rückt, du aufgeplusterter Schwachkopf! Falls irgendwo in diesem ganzen Wabbelspeck ein Gehirn vergraben wäre, würdest du das begreifen.«
»Beleidigungen«, spöttelte Filba und fuchtelte mit seinem Krug herum, »das ist alles, was ich je bekomme. Ich verdiene mehr als den Anteil, den ich von allem kriege, was hierbei rausspringt. Ich verdiene ...«
Mit einem Mal war Bleyd quer durch den Raum und hatte den Hutt an der Kehle gepackt. Er hatte sich so schnell bewegt, dass die Mondmotte bloß einen verwischten Schemen registriert hatte. »Du verdienst«, zischte der Sakiyaner, »dass ich dir deine Eingeweide neu ordne, du sumpfsaufender ...«
Er hielt abrupt inne. Filbas Augen waren sogar noch kugelrunder und aufgequollener als sonst. Der breite Spalt seines Mundes öffnete und schloss sich, entweder im Bemühen, Luft zu holen, oder bei dem Versuch zu sprechen, ohne dass ihm offenkundig bei einem von beidem Erfolg beschieden war. Die kleinen Arme wedelten panisch herum. Der Krug entglitt seiner Hand und zersprang auf dem Boden.
Filba machte einen Satz nach vorn und stemmte mehr und mehr von seiner Masse in die Höhe, bis es unmöglich schien, dass er das Gleichgewicht halten konnte. Er schwankte - ein fleckiger Turm aus Schwabbel und Schleim -, dann kippte er um und krachte zu Boden. Bleyd musste aus dem Weg springen, um zu verhindern, dass er zermalmt wurde, als der beträchtliche Leib des Hütts schwer genug aufschlug, um das Gebäude erzittern zu lassen. Die Vibrationen beförderten die Mondmotte beinahe von ihrem Hochsitz.
Bei den Augen des Schöpfers! Er ist ohnmächtig geworden! Oder Schlimmeres...
Den, der zusah, konnte seinen Augen nicht trauen - oder vielmehr den Fotorezeptoren der Mondmotte. Was ging da vor? Hatte der Admiral Filba dadurch, dass er vorgab, ihn anzugreifen, tatsächlich solche Angst eingejagt, dass sein Herz versagt hatte - oder was immer das Hutt-Äquivalent dafür sein mochte? Schwer zu glauben, dass Filba überhaupt ein Herz besaß.
Bleyd beugte sich über die reglose Gestalt. Er berührte den Hutt am Rücken, vielleicht, um nach irgendeiner Art Puls zu tasten. Dann wandte er sich dem zersplitterten Bierkrug zu, hob eine Scherbe auf und roch daran.
Ein merkwürdiger Ausdruck trat in sein Gesicht - zu gleichen Teilen Begreifen, Wut und Verwirrung. Einen Moment lang stand er wie erstarrt da, ehe er das Bruchstück gegen die Wand schleuderte, wo es zersprang.
Die Türglocke schrillte. Ein gedämpftes Hämmern war zu vernehmen, ebenso wie besorgte Rufe. Wahrscheinlich hatte jeder in dem Gebiet Filbas Zusammenbruch mitbekommen. Den wäre überrascht gewesen, wenn die Separatisten die Erschütterung nicht ebenfalls gespürt hatten.
Bleyd drehte sich zur Tür um. Er glättete seine Uniform, stellte sicher, dass kein Orden auch nur leicht schief hing, und öffnete dann.
Den wusste, dass es an der Zeit war zu verschwinden. Die Mondmotte war für die meisten Ortungsgeräte nicht aufzuspüren, doch vermutlich würden Techniker die Kammer in Kürze mit Apparaten überprüfen, mit denen man ein Elektron hören konnte, das die Hülle wechselte. Er ließ die Mondmotte vom Regal wegfliegen, auf den Eingang zu, der bereits von verwirrten und schockierten Gesichtern erfüllt war...
Aus dem Nichts schoss eine Hand heran, die sich so schnell bewegte, dass sie einfach bloß aufzutauchen schien. Den keuchte, als sich sein Blickfeld gewaltsam veränderte, und dann hielt Bleyd die Mondmotte plötzlich dicht an sein Gesicht. Es hatte den Anschein, als würde der Admiral Den geradewegs in die Augen schauen.
Eine Sekunde später schloss sich die Hand zur Faust. Es folgte ein Blitz, als die Piezoelektronik durchbrannte - und dann Schwärze.
Oh, oh...
24. Kapitel
Barriss Offee beendete gerade ihre Meditation, als sie den Aufruhr hörte, während sie gleichzeitig ein Wogen in der Macht verspürte. Sie ließ sich zu Boden sinken, löste ihre Beine voneinander und erhob sich.
Draußen rannten mehrere Leute hin und her. An sich war das nichts Ungewöhnliches auf der Basis, doch der Widerhall der Emotionen, den sie gefühlt hatte, hatte nichts mit dem vertrauten Eindruck zu tun, dass weitere Verwundete im Anflug waren. Sie folgte diesen neuen Gefühlen und der aufgeregten Menge und sah eine Traube von Leuten, die sich draußen vor Filbas Büro im großen zentralen Verwaltungsund Anforderungszentrum lebhaft miteinander unterhielten. Zan Yant war unter ihnen. Sie ging zu ihm hinüber.
»Doktor Yant.«
Er lächelte sie an. »Heilerin Offee, sieht so aus, als hätten wir Filbas Ableben auf die eine oder andere Weise alle gespürt.«
»Der Hutt ist tot? Wie ist das passiert?«
»Schwierig, das mit Bestimmtheit zu sagen. Anscheinend ist der Tod sehr plötzlich eingetreten. Ich habe mit einem der Sanis gesprochen, der manchmal an unserem Kartenspiel teilnimmt, und er hat angedeutet, dass es Gift gewesen sein könnte.«
Aus der großen Wohneinheit tauchte ein Sanitäter mit einer Antigrav-Bahre auf, auf der ein großer Leichensack lag - verschlossen, versiegelt und offenbar bis zum Äußersten gefüllt. Die Gyroskope und Kondensatoren der Hebebahre wimmerten unter der Last, als er sie nach draußen dirigierte.
»Sofern ich mich nicht irre, dürfte das der jüngst verblichene und ziemlich schwergewichtige Filba sein. Ich frage mich, wer heute unser diensthabender Pathologe ist? Wer immer es ist, ihm steht eine ganze Menge Arbeit bevor.«
Just in diesem Moment tauchte Jos Vondar auf, und das Trio verfolgte, wie die Bahre auf den OP zuschwebte.
»So ein Pech«, meinte Jos. Er sah nicht sonderlich glücklich aus.
»War Filba ein Freund von Ihnen?«, fragte Barriss.
Er sah sie an, offensichtlich überrascht über die Frage. »Filba war ein widerlicher, aufdringlicher, knauseriger, vaterloser Schleimklumpen, der seine eigene Beutelmutter einen Antrag auf Wasser hätte ausfüllen lassen, wenn sie am Verdursten wäre.«
»Sie müssen lernen, Ihren eigenen Gefühlen gegenüber offener zu sein«, sagte Zan.
»Warum dann der Kummer?«, fragte Barriss.
»Weil ich der diensthabende Pathologe bin«, antwortete Jos trübsinnig. »Ich Glücklicher darf die Autopsie durchführen. Wenn ich ihn endlich ganz aufgeschnitten habe, wird dieser Krieg vorbei sein. Ich werde fast alle Vibroskalpelle stumpf schnippeln, die wir vorrätig haben. Das Letzte hebe ich mir allerdings für meine eigene Gurgel auf«, sagte er mit einem Scherz-beiseite-Flüstern zu Zan.
»Es heißt, er wurde vergiftet«, meinte Zan.
»Das wird auch nichts ändern, wie du weißt. Ich muss ihn trotzdem in Würfel schneiden und jedes einzelne Organ wiegen, selbst wenn er bloß einen einfachen Herzstillstand hatte. Ich werde einen Abschleppdroiden brauchen, um mir zur Hand zu gehen.«
»Tja, nun, sieh's doch mal positiv!«, schlug Zan vor. »Vielleicht können wir ihn wiederverwerten und Schmiermittel aus ihm machen - das sollte reichen, um unsere gesamten Chirurgiedroiden für, sagen wir mal, die nächsten hundert Jahre zu schmieren.«
»Schön zu sehen, dass Sie beide angesichts des Todes eines Mitwesens nicht Ihren Sinn für Humor verlieren«, sagte Barriss. Es klang ein bisschen steifer, als sie beabsichtigt hatte. Nach all diesen Wochen bei Flehr Sieben war ihr der schwarze Humor gewiss nicht mehr fremd. Trotzdem war sie gelegentlich immer noch davon überrascht.
Jos sah sie an und zuckte mit den Schultern. »Lachen, weinen, sich betrinken oder durchdrehen - das sind die Optionen, die man hier hat. Ich überlasse es Euch, Eure eigene Wahl zu treffen. Was mich angeht, ich muss jetzt einen Berg tranchieren.« Er ging auf den OP zu und folgte der Bahre.
Nachdem er fort war, sagte Zan: »Nach einer Weile setzt einem das hier alles ganz schön zu. Dann muss man gewisse Abwehrmechanismen entwickeln. Ich habe meine Musik, Jos greift auf Sarkasmus zurück. Was immer einen durch die heißen Nächte bringt.«
Barriss erwiderte nichts darauf. Sie wusste, dass er recht hatte, aber dennoch...
Zan seufzte. »Wisst Ihr, was ich bedaure?«
»Was?«
»Ich habe gerade einen brandneuen Huttwitz gehört, mit dem ich Filba jetzt nicht mehr zur Weißglut bringen kann.«
Sie sah ihn überrascht an, und er grinste sie an. Nach einem Augenblick erwiderte sie das Lächeln und schüttelte den Kopf.
Abgesehen von Filbas Ableben war es ein recht ruhiger Tag. Es gab eine Kampfpause, und keine Mediberger mit Verwundeten an Bord trafen ein - eine willkommene Seltenheit.
Die Aufregung, die Filbas Tod umgab, war ohnehin schon dramatisch genug. Gerüchte machten wie ein Lauffeuer die Hunde. Während Barriss auf der Krankenabteilung die Visite machte und ihre Runden drehte, wussten sogar die Patienten bereits darüber Bescheid. Sie hörte zufällig, wie die Ugnaughts tratschten: Jah, de Hutt hat Gift getrung'n. Selbstmord, das is ma sicha. Er war 'n Spion - es war Filba, de de liota-Frachta hochg'jacht hat, echt wahr! Se sinn ihm langsam auffe Schliche gekomm, er hat's komm'n seh'n...
Hatte Admiral Bleyd Filba nicht persönlich aufgesucht, kurz bevor der Hutt abgekratzt war? Zweifellos, um ihn bezüglich seiner Aktivitäten zu befragen. Außerdem hat er Bota gestohlen, wusstest du das? Und dieser kleine Reporter, Dhur? Er hat an dem Hutt drangeklebt wie Sleaks an Sumpfschlamm, hat herumgeschnüffelt, Fakten gesammelt, und Filba stand kurz davor, verhaftet zu werden, und er hat das Gift geschluckt, um zu verhindern, dass er vors Kriegsgericht gestellt und exekutiert wird... Und so weiter und so fort.
Barriss beteiligte sich nicht an dem Klatsch, sie hörte einfach bloß zu, während sie ihren Pflichten nachging. Falls das Selbstmordgerücht zutraf, dann konnte das bedeuten, dass sie Drongar bald verlassen würde. Ihre Mission herauszufinden, wer das Bota gestohlen hatte, würde vorbei sein, wenn tatsächlich der Hutt dahintergesteckt hatte. Zumindest dem Gerede nach zu urteilen, schien es, als wäre dem so gewesen. Außerdem: Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass in einer so kleinen Gruppe wie dieser mehrere Diebe gleichzeitig ihr Unwesen trieben? Filba war ein Versorgungsoffizier gewesen - er hatte Zugriff auf das Bota, und obgleich es Barriss nicht gefiel, umfassende Verallgemeinerungen über gewisse Spezies anzustellen, entsprach es doch der Wahrheit, dass Hutts ganz generell nicht für ihre Ehrlichkeit und Tugend bekannt waren. Ein solches Verbrechen passte perfekt zu Filba.
Vielleicht ein wenig zu perfekt. Diesbezüglich konnte sie sich nicht sicher sein, da die Macht nach wie vor in Aufruhr war. Irgendetwas brodelte noch immer in ihren unsichtbaren Gefilden, und sie verfügte nicht über die Gabe, genau zu bestimmen, worauf die subtilen Vibrationen hinwiesen. Sie wusste bloß, dass die Angelegenheit noch nicht erledigt war.
Sie brachte alldem gemischte Gefühle entgegen. Dieser Krieg war in der Tat eine Situation, die eine starke emotionale Reaktion hervorrief, und sie war schon auf wesentlich angenehmeren Welten gewesen, das war mal sicher. Doch das gehörte alles zu ihrer Prüfung, zu ihrem Weg zur Jedi-Ritterschaft - und wenn sie jetzt abberufen wurde, was dann? Was würde ihre eigene Zukunft bringen? Sie hatte keine Angst davor - ihre Ausbildung ließ nicht viele Ängste zu doch der Gedanke war ... beunruhigend.
Was passieren würde, würde passieren. Das lag nicht in ihrer Hand.
Der Tag ging in den Abend über, und schließlich beendete Barriss ihre medizinische Arbeit. Sie beschloss, das Abendessen ausfallen zu lassen und zu ihrer Wohneinheit zu gehen. Vielleicht würden eine weitere Sitzung stiller Meditation und tiefen Atmens etwas Licht auf das werfen, was immer diese kleinen, aber fortwährenden Störungen in der Macht verursachte...
Das Lager war ruhig, als die Nacht darüber hinwegkroch. Nur wenige Leute waren unterwegs. Der Schichtwechsel war längst erfolgt, und die meisten saßen entweder beim Essen, schliefen oder taten, was immer sie eben so taten, wenn sie nicht arbeiteten. Für die meisten gehörte dazu nicht, die stinkende, heiße Nachtluft einzuatmen.
Als sich Barriss der Einmündung der Gasse näherte, die zu ihrem Quartier führte, fühlte sie eine Präsenz in den Schatten. Sie sah niemanden, doch die Einflüsterung der Macht war klar und unmissverständlich - beinahe das psychische Äquivalent einer Hand auf ihrer Schulter.
Sie blieb stehen. Ihre Hand bewegte sich langsam in Richtung des Lichtschwerts.
»Das wirst du nicht brauchen«, sagte eine Stimme. »Ich habe nicht die Absicht, dir wirklichen Schaden zuzufügen. Ich will dir bloß eine kleine Lektion in Sachen Demut erteilen. Darin seid ihr Jedi doch ganz groß, oder nicht?«
Phow Ji.
Sie konnte ihn immer noch nicht sehen, aber sie wusste, wo er sich befand. Gleich da drüben, in dem dunklen Schatten eines geräuscharmen Energiegenerators, einige Meter rechts von ihr. Er war eine böse Präsenz, ein pulsierendes Hindernis im geschmeidigen Kontinuum der Macht.
Ihre Stimme war leise und gleichmäßig. »Was bringt dich auf den Gedanken, dass du derjenige bist, dem es zusteht, andere Leute Demut zu lehren?«
Phow Ji huschte aus der Dunkelheit. »Die, die dazu imstande sind, tun's eben. Die, die es nicht sind, tun's nicht.«
»Überaus treffend. Was willst du?«
»Wie ich schon sagte: Du hast eine Lektion nötig. Als wir das letzte Mal miteinander geplaudert haben, hast du mich geschubst - von hinten! Diese Gefälligkeit würde ich jetzt gern erwidern. Ich denke, ein Schlammbad ist da nur angemessen. Nichts Ernstes, keine gebrochenen Knochen oder so was. Das hier ist eine Übung in Sachen Wechselseitigkeit, nichts weiter. Wenn deine Macht mich aufhalten kann, dann solltest du sie unter allen Umständen ...« Er breitete in einer einladenden Geste die Arme aus. »... einsetzen!«
Was war er nur für ein Egoist! Selbst so überzeugt davon, unschlagbar zu sein. Und dass er so gut war, dass er sie erniedrigen konnte, ohne sie dabei zu verletzen - das war für einen Kämpfer eine echte Herausforderung.
Sie erwog kurz, seinen Geist zu berühren und ihm eine unterschwellige Suggestion einzuflüstern, dass er das hier gar nicht tun wollte, dass er eigentlich viel lieber in sein Quartier zurückkehren und eine kalte Dusche nehmen wollte - doch sie konnte die Zucht und Ordnung seiner Gedanken spüren. Sein Denken war eine dichte Woge, so undurchdringlich wie Spinnwurmseide. Ji war nicht willensschwach genug, dass die Fähigkeiten eines Padawans ausgereicht hätten, um ihn ohne Weiteres zu beeinflussen, wenn überhaupt.
Ji verfiel in Angriffsposition, die Beine weit und tief gespreizt. Er hob die Hände und winkte sie mit einer davon in einer respektlosen Geste zu ihm hin. »Komm schon, Jedi! Sollen wir ein kleines Tänzchen wagen?«
Ich sollte das nicht tun. Ich sollte mich weigern und weggehen. Soll er ruhig denken, ich hätte Angst - was spielt das schon für eine Rolle?
Doch er sollte die Jedi respektieren, selbst wenn er keinen Respekt vor ihr hatte. Es schmerzte sie, den Namen ihres Ordens mit Verachtung belegt zu hören.
Sie blieb, wo sie war.
Sie verlagerte leicht das Gewicht, ohne dabei die Füße zu bewegen. Sie balancierte sich bloß so aus, dass sie sich rasch mit einem Bein abstoßen konnte, vorwärts oder zurück.
Der Abend war schwül, alles war feucht, sogar die Luft. Ihr Schweiß konnte nirgendwo hin. Er sammelte sich und lief ihr Gesicht und ihren Hals hinab, tränkte ihren Overall, drohte, ihr in die Augen zu tropfen.
Ji lächelte. »Ein guter Schachzug! Du willst dich nicht auf das eine oder andere festlegen, wenn du dich einem erfahrenen Gegner gegenübersiehst.«
Er bewegte sich nach rechts, und Barriss entfernte sich von ihm, um einen wachsamen Abstand zu wahren.
Die Versuchung, sich auf die Macht zu berufen, sie einzusetzen, um Ji in die Schranken zu weisen, war beinahe überwältigend. Sie zweifelte nicht daran, dass sie dazu imstande war. Eine Geste, und Ji würde wie eine tollwütige Felsfledermaus gegen den nächstbesten Baum krachen. Kein Kämpfer, ganz gleich, wie körperlich stark er war, konnte mit Muskelkraft gegen die Macht bestehen. Vielleicht war sie nicht in der Lage, seine Gedanken zu beherrschen, aber seinen Körper konnte sie kontrollieren. Das wusste sie genau.
Wenn sie das tat, würde sie diese Schlacht gewinnen. Doch sie wusste, dass sie den Krieg trotzdem verlieren konnte. Ji hatte ihr erklärt, dass er nicht die Absicht hatte, sie zu verletzen. Er wollte sie mit rudernden Armen in den Matsch befördern, um sie zu erniedrigen, aber mehr steckte nicht dahinter. Sie spürte keinen dunkleren, gemeineren Zweck hinter seinem Tun. Nichts würde großen Schaden nehmen, abgesehen von ihrer Würde - was natürlich genau die Stelle war, an der er sie treffen wollte. Die Energie, die Ji antrieb, war das Verlangen nach Kontrolle, und gerade jetzt wollte, ja, musste er sie kontrollieren.
Die Macht gegen einen Gegner einzusetzen, wenn man sich nicht in echter Gefahr befand, war falsch. Das hatte man sie ihr ganzes Leben lang gelehrt. Die Macht war weder etwas, das man anwandte, bloß weil man die Möglichkeil dazu hatte, noch diente sie ausschließlich als Waffe.
Was blieb ihr damit? Ihre eigenen kämpferischen Fähigkeiten. Die waren nicht unbeträchtlich - Jedi wurden in allen möglichen Kampfdisziplinen trainiert, sowohl mental als auch körperlich, und die Meister wussten, dass es Zeiten gab, in denen der Einsatz der Macht nicht angemessen war. Selbst ohne ihr Lichtschwert zu aktivieren, war sie jemand, mit dem man sich besser nicht anlegte.
Selbstverständlich waren ihre Selbstverteidigungsfähigkeiten nicht darauf ausgerichtet, es mit einem Nahkampf- Champion aufzunehmen - wie standen die Chancen, dass man jemals in eine solche Situation geriet? Insbesondere, wenn er nicht die Absicht hatte, sie ernsthaft zu verletzen oder sie zu töten?
Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie über diesen Gedanken gelächelt. Wie die Chancen standen, spielte letztlich keine Rolle, wenn die Wirklichkeit bloß zwei Schritte entfernt stand und einem angriffsbereit die Stirn bot.
Natürlich bestand jederzeit die Möglichkeit, das Lichtschwert zu benutzen. Selbstverständlich würde Ji das als Bruch der Kampfregeln betrachten. Für sie war das nicht weiter von Belang, aber sie machte sich Sorgen darüber, dass das Ziehen der Energieklinge ihn womöglich dazu verleiten könnte, brutaler anzugreifen. Ein Ritter oder ein Meister besäßen die Gabe, ihn aufzuhalten, ohne ihn zu verletzen, doch als Padawan war sie nicht übermäßig davon überzeugt, dass ihr das gelingen würde. Womöglich brachte sie ihn am Ende um - und das wollte sie sich nicht auf ihr Gewissen laden.
Sie hatte bereits entschieden, dass er den ersten Schritt machen würde. Falls Phow Ji darauf wartete, dass sie ihn attackierte, würde er lange warten ...
Er sprang vor und brachte die beiden großen Schritte, die sie voneinander trennten, mit phänomenaler Geschwindigkeit hinter sich. Barriss blieb kaum genügend Zeit wegzutauchen, sich nach links zu drehen und abzublocken, sodass sein Schlag über ihre Schulter hinwegschoss, anstatt sie in die Magengrube zu treffen.
Sie wich zurück, ohne ihre Deckung sinken zu lassen.
»Ausgezeichnet!«, sagte er. »Du hast sehr gute Reflexe. Aber du hättest zum Gegenangriff übergehen sollen. Sich nur zu verteidigen ist der beste Weg, um zu verlieren.«
Sie wusste, dass er ihr dadurch, dass er sie behandelte wie ein Lehrer seine Schülerin, Überlegenheit zeigen wollte - als müsste er die noch eigens demonstrieren.
Ji kreiste in die entgegengesetzte Richtung, bewegte die Hände in einem beinahe hypnotischen Wogen hoch und runter und herum, um ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken.
Seine Hände spielten keine Rolle. Vor seinen Füßen musste sie sich in Acht nehmen! Um nah genug an sie heranzukommen, um sie erfolgreich angreifen zu können, musste er weiter nach vorn kommen, musste er vorrücken. Soweit es sie betraf, konnte er den ganzen Tag lang mit den Händen herumfuchteln. Sobald er seine Füße bewegte, dann musste sie...
Er sprang abermals vor, und diesmal glitt Barriss nach vorn, um seine Attacke abzufangen, anstatt ihm aus dem Weg zu gehen. Allerdings ließ sie sich weit nach unten fallen, unter seinen Körperschwerpunkt, um ihm gleichzeitig einen harten Hieb in den Magen zu verpassen, während sein Schlag über ihren Kopf hinwegsegelte. Sie erwischte ihn, aber es war, als würde sie auf eine Wand einschlagen - das musste man ihm lassen. Seine Bauchmuskeln waren hart, wie geriffelter Plastahl.
Sie huschte außer Reichweite, so schnell sie konnte, jedoch nicht schnell genug. Als sie zurückwich, kassierte sie einen Schlag gegen die linke Halsseite, kräftig genug, dass ihr Blickfeld einen Augenblick lang rot aufflammte.
Sie gewann zwei Schritte Abstand, und er wandte sich ihr zu, um ihr wieder das Gesicht zuzukehren.
»Sehr gut, Padawan! Nicht das beste Ziel, aber ein sauberer Treffer. Allerdings wirst du mehr als das brauchen. Vergiss nicht, deine Schläge zu kombinieren - hoch, tief, mehrere Angriffe.«
Ihr Hals brannte, doch der Schmerz war gering, und sie hatte keine Verletzung erlitten. In ihrem Innern sang die Macht, und sie konnte sich kaum davon abhalten, ihre Kraft einzusetzen. Die Dunkle Seite war immer da, das hatte ihre Meisterin ihr klargemacht, und immer wartete sie auf ihre Gelegenheit, entfesselt zu werden. Gab man ihr einmal nach, würde sie beim nächsten Mal doppelt so stark sein. Gab man ihr dann wieder nach, war man womöglich auf ewig verloren.
Oh, aber sie wollte es ihm zeigen - wollte ihm dieses hämische Grinsen aus dem Gesicht prügeln und es durch Ehrfurcht ersetzen, durch Erstaunen, durch ...
... Furcht...
Zu spät wurde ihr klar, dass sie zu viel nachgrübelte. Ji sprang von Neuem vor und verpasste ihr eine rasche Abfolge von Schlägen gegen Kopf, Oberkörper und Hüfte. Der letzte Treffer war mit einem Fuß kombiniert, der sich um ihren Knöchel hakte. Barriss ging hart zu Boden, und der feuchte
Untergrund gab bloß eine Winzigkeit nach, als sie daraufkrachte.
Was auch immer als Nächstes passiert wäre, als sie sich wieder aufrappelte und in Verteidigungsposition ging, wurde es vom nur allzu vertrauten Dröhnen im Anflug befindlicher Berger unterbunden. Die Leute kamen aus den Unterkünften und eilten zu ihren Stationen. Diejenigen, die Ji und Barriss überhaupt bemerkten, hatten kaum mehr als einen flüchtigen Blick für sie übrig.
»Ich denke, wir sind fertig«, stellte Ji fest. »Ich habe meinen Standpunkt deutlich gemacht.«
Barriss sagte nichts - das traute sie sich einfach nicht zu. Ihr Zorn umfing sie genauso wie der Schlamm. Sie erbebte unter der Wucht ihres Zorns. Sie konnte spüren, wie die Dunkle Seite in ihr anschwoll, ihr zuflüsterte, wie gut es sich anfühlen würde, wie einfach es wäre, sich davon anstacheln zu lassen und ihren Gegner davon verschlingen zu lassen, ihr Lichtschwert zu packen, sich auf ihn zu stürzen und ihn mit einem einzigen Hieb der surrenden Energieklinge in zwei Hälften zu teilen...
Phow Ji ahnte nicht, wie nah er in diesem Augenblick dem Tode war. Ihr Zorn war so heftig, dass das Zucken eines Fingers genügt hätte, um sie zum Zuschlagen zu bewegen. Er würde nicht einmal wissen, was ihm passiert ist - und in gewisser Weise wäre es sogar Gerechtigkeit - denn immerhin war er letzten Endes ein Mörder, oder?
Ja, das war er - doch Barriss Offee war es nicht. Es war eine der schwersten Entscheidungen, die sie je zu treffen hatte, doch sie traf sie - sie widerstand der Dunklen Seite. Sie verlor die Schlacht, aber sie gewann den Krieg.
Dieses Mal...
25. Kapitel
Admiral Bleyd tigerte hin und her. Der Schauer, der ihm den Rücken hinablief, schien so kalt wie der Interstellarraum zu sein. Sofort bedauerte er, die als Insekt getarnte Spionagekamera zerquetscht zu haben. Hätte er sie einfach weiter filmen lassen, wäre er vielleicht imstande gewesen, den Steuerungssystemspeicher zu seiner Quelle zurückzuverfolgen und herauszufinden, wer das Ding geschickt hatte. So, wie die Dinge lagen, war das Einzige, das er mit Sicherheit wusste, dass irgendjemand entweder ihn oder Filba ausspioniert hatte. Angesichts der Natur des Geräts konnte es sich bei ihrem Bediener um jeden in einem Umkreis von zehn Kilometern rings um das Lager handeln. Möglicherweise hatte die Schwarze Sonne hier einen Agenten? Oder vielleicht steckte einer seiner eigenen Leute dahinter ...
Bleyd knurrte tief in seiner Kehle. Irgendjemand hatte Filba vergiftet, das hatte die Autopsie bestätigt, und Bleyd glaubte nicht an so schwerwiegende Zufälle. Der Hutt wurde ermordet, und rein zufällig war eine Miniatur-Spionagekamera vor Ort, um das Ganze zu filmen? Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passierte, war nicht einmal so groß wie, dass innerhalb der nächsten fünf Minuten ein fehlgeleiteter Planetoid auf Drongar krachte - doch es fehlte nicht viel dazu. Nein, die beiden Vorfälle hingen ohne Zweifel miteinander zusammen.
Natürlich hatte Filba Feinde, und es bestand die Möglichkeit, dass einer davon ausgerechnet diesen Zeitpunkt gewählt hatte, um eine alte Schuld zu begleichen, und dann eine Spionagekamera benutzt hatte, um sicherzustellen, dass alles glatt über die Bühne ging. Doch wer immer dafür verantwortlich war und welche Gründe ihn auch immer antreiben mochten, diese Person besaß jetzt Informationen, die belegten, dass Bleyd mit dem toten Hutt bei kriminellen Machenschaften unter einer Decke steckte. Ganz gleich, aus welchem Blickwinkel er die Sache betrachtete, das war nicht gut. Er musste herausfinden, wer dahintersteckte, musste die Aufzeichnungen beschaffen, die von dem Vorfall existierten, und sie vernichten - zusammen mit dem, wer auch immer dafür verantwortlich war.
Er erwog die Möglichkeit, dass vielleicht der Feind dahintersteckte, tat diesen Gedanken jedoch rasch ab. Es schien nicht sonderlich wahrscheinlich, dass es einem Spion der Separatisten gelungen war, sich in das Lager zu schleichen, Filba zu vergiften und sich dann wieder aus dem Staub zu machen, um sich im Sumpf zwischen glitschigen Viechern und Sägegras zu verstecken und sich das ganze Spektakel via Spionagekamera anzuschauen. Welcher Spion hätte auch nur das geringste Interesse an dem, was in einer Flehr-Basis vorging? Hier passierte nichts von strategischer Bedeutung, abgesehen von den gelegentlichen Bota-Lieferungen. Es stimmte, dass eine der Ladungen in die Luft gejagt worden war, und obgleich es keinen Grund gab anzunehmen, dass Filba irgendetwas damit zu schaffen hatte, besagten die Gerüchte, die innerhalb der Einheit die Runde machten, dass eben das der Fall war. Filba drehte Dinger, die so krumm waren wie ein Ereignishorizont - ein Umstand, der offensichtlich allgemein bekannt gewesen war. Das würde für ihn von Nutzen sein, da er den Hutt als »Reserve« in der Hinterhand behalten hatte für den Fall, dass mit ihrer Schwarzmarktoperation irgendetwas schiefging. Er hätte der Riesenschnecke für alles die Schuld zuschieben können, und dann hätte Filba vor seiner Gerichtsverhandlung einen »Unfall« gehabt. Und jetzt...
Jetzt, wo er nicht länger zugegen war, würde es noch einfacher sein, ihn zum Sünden-Drall für jegliche Rechtswidrigkeiten zu machen, die womöglich ans Licht kamen.
Bleyd hörte auf, hin und her zu eilen, und lächelte. Ja, unterm Strich konnte sich die Sache für ihn als Vorteil erweisen. Sogar ein Killersturm wässerte den Garten.
Doch falls sich derjenige, der die Spionagekamera bedient hatte, im Lager aufhielt, wie Bleyd vermutete, war das eine vollkommen andere Sache. Er - oder sie oder es - könnte versuchen, dieses Wissen gegen Bleyd einzusetzen - und das konnte er natürlich nicht zulassen.
Also, der Jäger hatte die Fährte seiner Beute aufgenommen. Bleyd fletschte seine Zähne. Möge die Jagd beginnen ...
Den Dhur ging dorthin, wo er auch sonst hinging, um Lösungen für seine Probleme zu finden - in die Cantina. Doch auch, als er dort im Halbdunkel saß und die feuchte, träge Luft spürte, die von den Zirkulatoren widerwillig aufgewirbelt wurde, um sich wie warmes Öl über ihn zu ergießen, nippte er kaum an seinem Drink. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um seine Wahrnehmung oder seinen Verstand einlullen zu lassen - sofern er so was denn besaß.
Filba war Geschichte, genauso wie Dens Story. Niemand wollte einen Enthüllungsbericht über einen toten Hutt am Ende der Galaxis lesen. Die Massen wollten ihr Brot und ihre Spiele. Ein ruchloser Verbrecher, der entlarvt, festgenommen und bestraft wurde - das war gutes Material, das war das, was Nachrichtendiscs verkaufte. Aber Filba, der an Herzversagen verreckte oder sogar von einem alten Feind vergiftet wurde, bevor er der Gerechtigkeit zugeführt werden konnte? Das war nicht das, was die Nachrichtenleser wollten, nicht im Geringsten.
Wie er vermutet hatte, war Bleyd in die Gaunereien verwickelt gewesen, welche auch immer Filba getrieben haben mochte. Das war eine großartige Story - aber eine, von der er nicht riskieren konnte, sie einzureichen, bevor er mindestens fünfzig Parsecs von hier entfernt war, da die Feindschaft wütender, korrupter und brutaler Admiräle für gewöhnlich schlecht für die Gesundheit war. Verkompliziert wurde die Sache jedoch dadurch, dass der Admiral wusste, dass irgendjemand gesehen und gehört hatte, was passiert war, unmittelbar bevor Filba in den urzeitlichen Schlamm zurückbefördert worden war, aus dem er einst hervorkroch. Der Admiral hatte ihn nicht vergiftet - ausgehend von Bleyds Reaktion war Den sich ziemlich sicher, was das betraf. Nicht, dass das eine große Rolle spielte, da Schwarzmarktgeschäfte in Kriegszeiten grundsätzlich als Hochverrat betrachtet und mit dem Tode bestraft wurden. Selbst wenn Den sämtliche Gefallen einforderte, die höhere Stellen ihm noch schuldeten - was nicht der Fall war -, würde im besten Falle seine Karriere ruiniert werden, solange er sich zum Zeitpunkt der Publikmachung noch im selben Sektor wie Bleyd befand. Im schlimmsten Fall würde er in aller Stille exekutiert und ins All hinausgeschossen werden.
Das Erste, was er getan hatte, nachdem er Zeuge geworden war, wie Bleyd die Mondmotte zerquetscht hatte, war, die Empfangseinheit in einem Müllschlucker zu entsorgen, der das Gerät zu Matsch verarbeitete und es zusammen mit der übrigen Abwasserbrühe in den Sumpf pumpte. Er hatte die Notwendigkeit dazu verflucht - die Einheit war nicht billig gewesen -, aber das Ganze war sein Leben nicht wert. Abgesehen davon war das Ding ohne die Kamera ohnehin nichts weiter als ein Flimsibeschwerer, solange er hier war.
Die Aufzeichnungen der Kamera, die Disc von der Größe seines kleinen Fingernagels, klebte jetzt hinter einer Wandklemme im südlichen Saniraum, bloß eine Handbreit über dem Katalysatortank - keine Stelle, wo irgendjemand zufällig darauf stoßen würde, und selbst wenn die Disc durch irgendein Wunder gefunden wurde, würde man sie nicht mit ihm in Verbindung bringen. Er brauchte die Aufnahme, um seine Geschichte zu bestätigen, aber er konnte nicht gebrauchen, dass Bleyd darauf stieß und ihn erschießen ließ. Solange er seinen Mund hielt, sollte er halbwegs sicher sein. Bleyd konnte nicht wissen, wer sie beobachtet hatte, und der Admiral würde mit Sicherheit keine Nachforschungen in die Wege leiten, die seine eigene Komplizenschaft bei Filbas Schmuggelaktivitäten ans Licht bringen könnte.
Das einzige Problem war, dass Den aus diesem Grund noch eine Weile hier auf dem beschaulichen Drongar festsitzen würde. Wenn er jetzt plötzlich von heute auf morgen übereilt die Biege machte, würde das mit Sicherheit den unbarmherzigen Blick des Argwohns auf ihn lenken. Falls Bleyd nach dem Bediener der Kamera suchte - und das war so sicher, dass ihm die Erste Bank von Coruscant für eine Wette darauf einen Kredit gewährt hätte -, dann würde jeder, der versuchte, diese Lazarettstation kurzfristig zu verlassen, vermutlich einem Hirnscan unterzogen werden, und ein Reporter müsste dabei mit Sicherheit eine strengere Überprüfung über sich ergehen lassen als die meisten anderen. Den hatte nicht das geringste Verlangen, von einem hochrangigen Offizier von innen nach außen gekehrt zu werden, da er genau wusste, dass sein Leben auf dem Spiel stand, wenn seine Verbrechen ans Licht kamen.
Zu schade ... Das Ganze war eine großartige Story, viel besser, als wäre Filba allein darin verstrickt gewesen. Der Pöbel liebte es zu sehen, wie die Mächtigen in den Schmutz gezogen wurden, und ein diebischer Flottenadmiral war ganz genau das, womit man einen Nova-Preis gewann, wenn man es richtig anstellte. Bedauernswerte Soldaten auf dem Schlachtfeld, die starben, weil wegen eines korrupten Admirals, der sich selbst die Taschen voll machte, keine Arzneimittel oder medizinische Ausrüstung zur Verfügung standen? Ach, das würde den wimmelnden Massen gefallen! Sie würden nach Bleyds auf einer Energiepike aufgespießtem Kopf schreien.
Aber wenn er zu früh handelte, bestand die Möglichkeit, dass er als Dünger enden würde - und wenn es eins gab, das dieser Planet nicht brauchte, dann war das noch mehr Düngemittel. Ganz zu schweigen davon, dass er davon so gar nichts hielt.
Nein, er würde einfach weiter ausharren müssen. Er musste sich eine andere Story suchen, um seine Anwesenheit hier zu rechtfertigen. Vielleicht irgendetwas, das mit Phow Ji zu tun hatte, diesem Kämpfer, der die Söldner abgeschlachtet hatte? Zwar wäre es auch nicht sonderlich angenehm, wenn dieser Typ sauer auf ihn war, aber zumindest konnte Den dann auf etwas Schutz von denen da oben hoffen, schließlich war Ji bloß Lieutenant. Ja, das würde den Topf lange genug am Köcheln halten, bis er diesem Sumpfplaneten endlich den Rücken kehren konnte. Sobald er sich auf der anderen Seite des Kerns befand, konnte er den mächtigen Admiral Bleyd vor seinem Publikum in den Dreck ziehen.
Schwarzmarkt-Admiral bloßgestellt! Verbindung zu rätselhaftem Todesfall!
Den lächelte. Er liebte eine spannende Schlagzeile.
Er nahm einen größeren Schluck von seinem Drink. Problem erkannt, Problem gebannt! Ein weiterer Erfolg für den erstklassigen Reporter Den Dhur, der im Zuge der Klonkriege live von der Jasserak-Front für Sie berichtete ...
26. Kapitel
Während ihrer Meditationssitzungen gab es Momente, in denen sich Barriss nicht richtig konzentrieren konnte und sie vom Erleben des Moments in die Erinnerung hinüberdriftete. In früheren Jahren war sie sich nie sicher gewesen, ob das gut oder schlecht war. Dann hatte sie gelernt, die Dinge einfach so zu akzeptieren, wie sie waren. Gewiss, das war dem Ziel nicht sonderlich förderlich, einen klaren Verstand zu erlangen, aber manchmal bescherte die Vergangenheit einem Erkenntnisse, die auch für die Gegenwart von Belang waren. Deshalb ließ sie sich hin und wieder darauf ein.
So war es auch heute Nacht. Weil sie sich immer noch wegen der starken Emotionen sorgte, die sie während des Kampfs mit Phow Ji am Vorabend verspürt hatte, ließ sie sich von der unaufgefordert aufkeimenden Erinnerung davontragen - wohin auch immer die Reise gehen würde ...
Auf Coruscant war es ein sonniger, aber kühler Morgen gewesen. Bis zum nächsten Tag würde in diesem Sektor planmäßig kein Regen fallen, und auf dem Gehsteig, der zum Park führte, herrschte rege Betriebsamkeit, wenn es auch nicht zu dicht bevölkert gewesen war, als Meisterin Unduli und sie wie vorgesehen den Grüngürtel erreicht hatten. Die anderen Wesen, die ebenfalls unterwegs zu dem großen Flecken Natur gewesen waren, repräsentierten eine erstaunliche Vielzahl empfindungsfähiger Spezies: Nikto, Phindianer, Zeltroner, Wookiees, Twi'leks ... Ein faszinierender Ausblick auf die grenzenlose Vielfalt der Galaxis, die allesamt auf dem Weg zum Oa-Park waren. Auf diesem Planeten gab es eine Menge Ferrobeton und Metall - einige behaupteten: zu viel -, und hier und da waren Parks eingestreut, die für jene gedacht waren, die mehr Nähe zur Natur forderten. Der Oa-Park beherbergte innerhalb seiner Grenzen mehr als dreißig verschiedene Umgebungen, die zahlreiche andere Welten simulierten, jede mit ihrem eigenen Atmosphärengemisch, eigenem Sonnenspektrum und eigenem Gravitationsfeld. Durch Energieschranken waren sie voneinander getrennt.
An einem so strahlenden Morgen, inmitten einer lächelnden und lachenden Menge, die die facettenreiche Flora sowie die diversen Landschaften und Wasserläufe genoss, schien die Dunkle Seite für Barriss weit, weit entfernt zu sein. Doch noch während ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging und sie und ihre Meisterin im Schatten eines vierhundert Jahre alten Schwarznadelbaums mit einem Durchmesser von drei Metern und einer Höhe von zweihundert Metern standen, hatte Meisterin Unduli gelächelt und gesagt: »Die Dunkle Seite ist stets ganz nah, Padawan. Sie ist nicht weiter als einen Herzschlag, einen Lidschlag entfernt, Seite an Seite mit der hellen Seite der Macht, mit nichts weiter als einer Haaresbreite dazwischen. Die Dunkle Seite lauert darauf, die Unachtsamen in ihre Fänge zu locken, getarnt mit tausend Verkleidungen.«
Das hatte Barriss schon zuvor gehört, viele Male, und sie glaubte an das, was ihre Lehrmeisterin sagte. Doch sie hatte nie wirklich gefühlt oder genau begriffen, was das bedeutete. Soweit sie wusste, war sie von der Dunklen Seite noch nie in Versuchung geführt worden. Das sagte sie auch, während sie zu einer ruhigen Stelle gingen, wo die Gräser so angelegt waren, dass sie kurz und weich wuchsen wie ein lebendiger Teppich. »Wir werden die Begrüßung hier durchführen«, sagte ihre Meisterin.
Barriss nickte. Sie trat ein wenig zur Seite, um ihrer Meisterin Platz zu machen.
»Um deine Frage zu beantworten, solltest du bedenken: Jede bewusste Entscheidung, von der kleinsten bis zur größten, erfordert, dass du eine Wahl triffst. Es zweigen immer noch andere Wege vom Pfad ab, und du musst entscheiden, welchen davon du einschlagen willst. Erinnerst du dich daran, wie wir dein Talent dafür getestet haben, mit verbundenen Augen eine Trainingsdrohne zu erspüren?«
»Natürlich.« Das gehörte zu den grundlegendsten Jedi- Fähigkeiten. Die Trainingsdrohne war ein kleiner, schwebender Droide etwa von der Größe einer Goldfrucht, der darauf programmiert war, umherzuzischen und den Schüler mit harmlosen Energieladungen zu beschießen. Mit einem Schutzhelm auf dem Kopf und runtergeklapptem Sichtschutz bestand die einzige Möglichkeit, die Position der Kugel zu bestimmen, im Einsatz der Macht. Während ein Schüler Fortschritte mit seinem Lichtschwert machte, wurde es zu einer Standardübung, die Schüsse der Drohne abzublocken. Da man nicht auf seine Ohren oder Augen zurückgreifen konnte, um das Gerät zu lokalisieren, bestand der einzige Weg, Stromschläge zu vermeiden, darin, seine Hände von der Macht leiten zu lassen.
Ihre Meisterin fuhr fort: »Und gibt es nicht Gelegenheiten, bei denen dein Einsatz der Macht nicht ganz vollkommen war und die Übungsschüsse an deinem Lichtschwert vorbeikamen?«
»Viel zu viele dieser Gelegenheiten«, gestand Barriss reumütig ein. Sie schüttelte den Kopf. »Manchmal fühlte ich mich wie ein Nadelkissen!«
»Und hattest du bei diesen Malen das Verlangen, die Drohne zu zerstören? Einfach deine Machtsinne auszustrecken und sie zu zerknüllen wie einen Fetzen Flimsi?«
Während sie sprach, begann Meisterin Unduli mit der Begrüßung der Macht, eine Kombination aus Übungs- und Meditationshaltung, die mit einer Aufwärtsbrücke anfing, ehe man sich tief niederkauerte und das Bein ganz weit nach hinten ausstreckte.
Barriss ahmte die Pose ihrer Meisterin nach. »Ich gebe zu, dass es Momente gab, in denen ich für das Trainingsgerät wenig übrig hatte, ja.«
»Und warst du im Umgang mit der Macht bewandert genug, um die Drohne zu zerstören, wenn du dich dafür entschieden hättest, das zu tun?« Meisterin Unduli erhob sich und wiederholte die Pose, um diesmal auf dem anderen Bein zu enden. Wieder tat Barriss es ihr gleich.
»Ja. Ohne Weiteres.«
»Warum hast du es dann nicht getan? Wenn das Ziel der Übung darin bestand, dich selbst davor zu schützen, Stromschläge abzubekommen, wäre das dann nicht gerechtfertigt gewesen?«
Barriss runzelte die Stirn. »Aber das war nicht das Ziel. Das Ziel war zu lernen, wie ich mein Lichtschwert mit der Macht in Einklang bringe, damit ich die Ladungen daran hindern konnte, mich zu treffen. Die Stromschläge waren schmerzhaft, haben aber keinen bleibenden Schaden hinterlassen. Wenn in einem richtigen Kampf eine voll aufgeladene Blastersalve auf mich zukommt, die ich nicht abblocken kann, besitze ich womöglich nicht die Kraft, einen Schützen, der fünfzig oder hundert Meter entfernt ist, daran zu hindern, den Abzug zu drücken.«
»Präzise. Aber wusstest du, dass einer von acht Schülern am Ende die Macht einsetzt, um die Trainingsdrohne zu zerstören, und sie das dann für gewöhnlich damit rechtfertigen, dass sie sagen, es sei wirkungsvoller, die Quelle der schädigenden Schüsse unschädlich zu machen, als sie endlos abzuwehren? Laserpose, bitte!«
Ihre Meisterin lag auf dem weichen Gras, rollte sich hoch auf Hals und Schultern und streckte den Körper himmelwärts. Die Hände ruhten zu ihren Seiten auf dem Boden.
Barriss nahm ebenfalls die Laserpose ein. »Jedenfalls kann ich sehr gut nachvollziehen, warum sie so empfinden. In gewisser Weise ergibt das logisch betrachtet sogar Sinn, besonders angesichts der Prämisse bei unserer Nahkampfausbildung, die besagt, dass reine Verteidigung einer Kombination aus Angriff und Verteidigung stets unterlegen sein wird.«
»In der Tat. Brückenpose!«
Die Hände und Füße auf dem Boden stemmte Meisterin Unduli sich in die Höhe und formte mit ihrem Körper eine hohe, runde Brücke.
»Da höre ich ein Aber mitschwingen«, sagte Barriss, während sie dem Beispiel ihrer Lehrmeisterin folgte.
»Und ich sehe, dass du weiter vom Boden weg sein könntest.«
Barriss lächelte und stemmte sich höher, um eine durchgedrücktere Brücke zu bilden. Ihre Meisterin fuhr fort: »Zu vielen Lektionen, die ein Jedi in der Ausbildung lernen muss - und Jedi lernen immer dazu, ganz gleich, ob nun Pa- dawan, Ritter oder Meister -, gehört, dass man bestimmen muss, worin das wahre Ziel einer Lektion besteht. Gewiss erinnerst du dich noch an die Schwebeübung und die Bäckerei.«
»Als könnte ich das jemals vergessen.«
»Die Drohne zu zerstören ist an sich nicht notwendigerweise die falsche Wahl. Wenn man hinreichend Geschick entwickelt hat, die Übungsschüsse abzublocken und durch Logik und mit einem ruhigen Verstand zu dieser Entscheidung gelangt, dann kann man den Einsatz der Macht rechtfertigen, um die Quelle der Angriffe auszuschalten. Einige der talentierteren Schüler tun genau das. Aber wenn man es aus Zorn, Schmerz, Furcht oder irgendeinem anderen Gefühl heraus tut, dem du die Kontrolle über dich überlassen hast, dann forderst du die Dunkle Seite geradezu heraus. Wenn du einfach akzeptierst, dass der Zweck die Mittel heiligt, ohne gewissenhaft darüber nachzudenken und zu bestimmen, ob dem tatsächlich so ist, bist du der heimtückischen Energie erlegen. Selbst wenn du alles andere aus dieser Unterhaltung vergisst, Barriss, behalte Folgendes stets im Gedächtnis: Die Macht will benutzt werden. Man muss ihr gegenüber ständig wachsam sein, da sie einen andernfalls verführt und verdirbt. Im einen Moment zerquetschst du ein lästiges Trainingsgerät, im nächsten lähmst du die Lunge von jemandem, der dich beleidigt, und erwürgst ihn. Du tust es, weil du es kannst. Das Ganze wird zum Selbstzweck. Als Jedi wandelst du stets auf diesem schmalen Grat. Ein einziger Fehltritt, und du kannst der Dunklen Seite anheimfallen. Das ist schon vielen passiert, und es ist immer eine Tragödie. Genau wie bei einem Suchtmittel ist es zu einfach zu sagen: >Ich tue es bloß dieses eine Mal.< So funktioniert das nicht. Das Einzige, was zwischen dir und der Dunklen Seite steht, sind dein eigener Wille und deine Disziplin. Wenn du dich deinem Zorn oder deiner Furcht, deiner Missgunst oder deinem Hass hingibst, wird dich die Dunkle Seite vereinnahmen. Wenn das passiert«, warnte Meisterin Unduli, »wirst du damit zu einem Feind all dessen, wofür die Jedi stehen - und zu einem Feind aller Jedi, die dem rechten Pfad folgen. Wippenpose bitte!«
Barriss bewegte sich, um die gewünschte Haltung einzunehmen. Sie sagte: »Und habt Ihr der Dunklen Seite jemals nachgegeben, Meisterin?«
Einige Sekunden lang herrschte Schweigen. Dann: »Ja, in einem Augenblick der Schwäche und des Leids habe ich das getan. Das hat es mir ermöglicht zu überleben, während ich andernfalls womöglich umgekommen wäre, aber diese eine Kostprobe hat genügt, dass mir klar geworden ist, dass ich das niemals wieder würde tun können. Es mag eine Zeit kommen, wenn du ebenfalls diese Erfahrung machen wirst, Harriss. Ich hoffe nicht, aber falls es je dazu kommen solle, musst du die Versuchung erkennen und ihr widerstehen!«
»Wird sie sich böse anfühlen?«
Meisterin Unduli verharrte mitten in ihrer Streckübung. Sie musterte Barriss mit so etwas wie großer Traurigkeit in ihren Augen. »Oh, nein. Sie wird sich besser anfühlen als alles, was du jemals zuvor erlebt hast, besser, als du je geglaubt hättest, dass sich irgendetwas anfühlen kann. Sie wird sich stärkend anfühlen, erfüllend, befriedigend, und am schlimmsten von allem, sie wird sich richtig anfühlen. Darin liegt die wahre Gefahr.«
Jetzt, auf einem Planeten viele Parsecs von Coruscant entlernt, in einer Flehr-Sanitätseinrichtung, kamen Barriss Meisterin Undulis Worte von jenem sonnigen, kühlen Morgen mit neuerlicher Klarheit ins Gedächtnis, und vielleicht verstand sie sie jetzt sogar besser als früher. Sie war versucht gewesen, Phow Ji zu vernichten. Er war keine echte Gefahr für sie gewesen, außer für ihren Stolz, und sie hätte ihr Handeln beinahe damit gerechtfertigt, dass sie sich eingeredet hatte, dass sein Angriff eine Bedrohung für die Ehre des Jedi-Ordens gewesen sei. Selbstverständlich wäre das eine Lüge gewesen - Jis Angriff bedrohte den Jedi-Orden genauso wenig wie sie persönlich. Aber wie dicht sie doch davor gewesen war, das als ihre rationale Begründung dafür zu gebrauchen, ein Leben zu nehmen!
Ihr wurde auf sehr reale Weise klar, dass sie Phow Ji zu Dank verpflichtet war. Ironischerweise war seine Gegenwart in ihrem Leben hier lehrreich, eine Gelegenheit für sie zu lernen, wie man der Versuchung der Dunklen Seite widerstand. Wenn alle Dinge einen Sinn hatten - wenn sich die Galaxis, wie die grundlegenden Glaubenssätze des Jedi-Kodex behaupteten, tatsächlich so entfaltete, wie sie es sollte -, dann hatte Phow Ji sein Schicksal genauso zu erfüllen wie sie das ihre.
Barriss nahm einen tiefen Atemzug, atmete langsam aus. Meisterin Unduli hatte recht gehabt - sie wandelte wahrhaftig auf einem schmalen Grat, den man zu jeder Zeit im Auge behalten musste. Es war kein einfacher Weg, aber derjenige, den einzuschlagen man sie von Geburt an gelehrt hatte. Versagen war inakzeptabel, undenkbar. Ihr Lebensziel bestand darin, eine Jedi-Ritterin zu werden.
Ohne die Jedi war sie nichts.
Jos wartete, bis der nachmittägliche Regenguss zu einem Tröpfeln abgeklungen war, bevor er sich auf den Weg zum Müllcontainer machte, um seinen und Zans Abfall wegzuwerfen. Unglücklicherweise waren diesem Dienst nicht genügend Wartungsdroiden zugewiesen, sodass er seinen Müll entweder selbst zu den Containern raustrug oder ihr Wohnquartier rasch damit vollgestopft war. Er und Zan hatten beim Sabacc-Spielen stets eine Nebenwette darum laufen, wer die Hausarbeit erledigen musste, und obwohl Jos beim letzten Mal am Ende der große Credits-Gewinner gewesen war, hatte er die Müllwette mit Zan verloren, sodass er sich die ganze Woche über mit dieser lästigen Aufgabe herumplagen musste. Manchmal schien es, als sei das Einzige, was Zan und er taten, herumzusitzen und Müll zu produzieren - der Plastifolienbeutel, den er trug, musste fünf Kilo wiegen und war kaum groß genug, dass er den Reißverschluss zumachen konnte.
Er wich den größeren Pfützen und dem tieferen Matsch aus und schaffte es zum Container, ohne durchnässt, von einem Blitz getroffen oder von mörderischen Kampfdroiden der Separatisten attackiert zu werden. Der Sensor am Container ließ die Einwurfluke aufgleiten. Er stopfte den Beutel in den Wiederverwerter und lauschte dem oszillierenden Energiesummen und dem Knirschen, als der Müll zu kleinen Stückchen zerkleinert und dann von den Reaktoren in Sekundenschelle zu öliger Asche verbrannt wurde. Dem Vorgang haftete etwas eigentümlich Befriedigendes an, auch wenn es mit Sicherheit nicht allzu verlockend war, dem regelmäßig beizuwohnen.
Ein weiterer aufregender Moment im Leben von Jos Vondar, dem erstklassigen Republik-Chirurgen ...
Er drehte sich um und stieß beinahe gegen einen Klon- truppler, der mit mehreren Beuteln voller Abfall beim Container eintraf. Der Soldat murmelte eine respektvolle Entschuldigung. Jos nahm sie zur Kenntnis und schickte sich an zu gehen, blieb dann jedoch abrupt stehen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er diesen Klon kannte. Wenn er hinter die Jango-Fett-Schablone schaute, war da etwas an den Augen, an dem Gesicht... Er konnte sich zwar irren, aber er war sich ziemlich sicher, dass es sich um CT-914 handelte, den Soldaten, der die Frage losgetreten hatte, die neulich gedroht hatte, Jos zu überwältigen.
»Hallo Neun-eins-vier«, sagte Jos.
»Hallo Captain Vondar.«
»Auch Mülldienst, was?«
»Das ist wohl nicht zu leugnen, Sir.« Er fing an, den geweiteten Schlund des Containers mit den Beuteln zu füttern.
Zuerst ein Droide, dachte Jos, und nun ein Klon, der Witze reißt. Momentan hält sich wohl jeder für einen Komiker.
Einen Moment lang stand er einfach da, außerstande, sich irgendetwas einfallen zu lassen, das er sagen konnte - was ihm nur sehr selten passierte. Schließlich sagte er: »Ich würde Ihnen gern eine Frage stellen.«
CT-914 drängte weiterhin die Beutel in den Container, der knirschte und summte, während er den Müll verschlang.
»Was empfinden Sie wegen des Todes von CT-neun-eins- fünf?«
Neun-eins-vier stieß den letzten der Müllbeutel in den Trichter. Er sah Jos an. »Der Verlust eines ausgebildeten Soldaten ist... bedauerlich.« Seine Worte waren genauso steif wie seine Haltung.
Jos wusste, dass CT-914 nicht näher auf dieses Thema eingehen wollte, aber er preschte trotzdem weiter vor. Er musste es wissen. »Nein, ich spreche nicht von seinem Wert für die Republik. Ich möchte wissen, wie Sie sich deswegen fühlen, Sie persönlich.«
CT-914 stand eine, wie es schien, lange Zeit schweigend da. »Wäre ich ein Zivilist«, sagte er schließlich, »auf natürlichem Wege zur Welt gekommen und nicht im Aufzuchttank geboren, könnte ich Ihnen sagen, dass Sie das nichts angeht... Sir. Aber da ich dazu verpflichtet bin, meinen vorgesetzten Offizieren zu gehorchen, lautet die Antwort auf Ihre Frage, dass mich - persönlich - der Tod von Neun- eins-fünf geschmerzt hat. Wir sind alle vom selben Fleisch und derselben Herkunft, wir besitzen alle dieselben grundlegenden Fertigkeiten, aber er war mein Waffenbruder. Ich kannte ihn mein ganzes Leben lang. Wir haben zusammen gekämpft, wir haben zusammen gegessen und unsere Freizeit miteinander verbracht wie Brüder. Ich vermisse ihn. Ich gehe davon aus, dass ich ihn vermissen werde, bis ich sterbe. Beantwortet das Ihre Frage, Sir? Ich muss noch mehr Müll einsammeln.«
Jos schluckte. Mit einem Mal war seine Kehle wie ausgetrocknet. »Ja, das beantwortet sie. Vielen Dank!«
»Ich tue nur meine Pflicht, Doktor. Nichts zu danken.«
CT-914 drehte sich um und ging davon, und Jos schaute zu, wie er sich entfernte, außerstande, sich zu rühren. In seinem Verstand wurde die winzige Stimme, die er allmählich zu hassen begann, wieder lauter und sagte: Mittlerweile solltest du doch eigentlich wissen, dass du besser daran tätest, keine Fragen zu stellen, auf die du eigentlich gar keine Antwort haben willst.
Aber wirklich. Wenn sie alle so waren wie CT-914, dann waren Klone mental wesentlich vielschichtiger, als Jos gedacht hatte. Sie hatten Gefühle, ein Innenleben, vielleicht sogar Träume und Sehnsüchte, die über die Kunst des Krieges hinausgingen. Das veränderte die Dinge auf eine Art und Weise, über die Jos nicht nachdenken wollte.
Verdammt!
27. Kapitel
Obwohl das Vorgehen ungewöhnlich war, fand Admiral Bleyd hinreichend Gründe dafür, seine Abreise von Flehr Sieben einige Tage aufzuschieben. Als einen Grund führte er seine Überzeugung an, dass die Angelegenheit mit dem ermordeten Hutt eingehender untersucht werden musste und dass er bestrebt war, die Sicherheit seiner Leute zu gewährleisten. Auf jeden mit mehr als einer Handvoll funktionstüchtiger Gehirnzellen mochte das wie eine Ausrede wirken, aber das spielte keine Rolle - er war der Admiral, und niemand würde seine Entscheidungen in Frage stellen.
Sein wahrer Grund dafür hierzubleiben, war selbstverständlich der, dass er denjenigen finden wollte, der es gewagt hatte, ihn zu beschatten. Wer auch immer es war, er würde bald erfahren, wie gefährlich es sein konnte, einem Raubtier hinterherzuspionieren.
Sie stellten ein Kommandomodul für ihn auf, nicht viel mehr als eine Kuppel mit einigen einfachen Möbeln und Kommunikationsgerät, aber es genügte. Für jemanden wie ihn, der viele Male auf Planeten gejagt hatte, wo man bloß auf dem kalten, harten Boden schlafen konnte, war eine Formschaumpritsche mehr, als er brauchte.
Am Morgen nach Filbas Tod war Bleyd unterwegs, um sich zu einem Transporter zu begeben, mit dem der Kommandant seiner militärischen Sicherheitseinheit eingeflogen wurde, der die Suche nach Filbas Mörder leiten sollte. Der Mann war spät dran, und Bleyd hoffte, dass er einen guten Grund dafür hatte - um seiner selbst willen. Als er mit großen Schritten durch das Lager marschierte und der Matsch von den beinahe fortwährenden Unwettern an seinen Stiefeln klebte, bemerkte er einen der Schweigsamen, der in seine Richtung trieb. Selbst ungeachtet der widerwärtigen Hitze und der Luftfeuchtigkeit hatte die Gestalt ihre Kapuze übergestreift - das Gesicht war in den Schatten verborgen. In den verschiedenen Flehrs auf diesem Planeten tummelten sich einige Angehörige dieses speziellen Ordens, die allen, die es nötig hatten, ihre Hilfe anboten, wofür auch immer das gut sein mochte. Der Schweigsame würde dicht an ihm vorbeikommen, auch wenn ihre Wege sich nicht ganz kreuzen würden.
Als die Gestalt näher kam, bemerkte Bleyd einen bestimmten Geruch, der von ihr ausging. Dieser Geruch war nicht angenehm - tatsächlich hatte er ein berauschendes, fast gewürzblumenartiges Aroma, das selbst den grässlichen Gestank des nahe gelegenen Sumpfes übertünchte. Auf Anhieb fiel ihm keine Spezies ein, die diesen speziellen Geruch besaß. Er speicherte die Sache im Geiste ab, um sich später damit zu befassen, als der Schweigsame ihn passierte. Im Augenblick hatte er wichtigere Dinge im Sinn.
Der Leiter der Sicherheitseinheit war Colonel Kohn Doil, ein vunakianischer Mensch mit einem Muster ritueller Narben auf der Stirn, den Wangen und dem haarlosen Kopf. Die geometrischen Kringel und Konfigurationen der hervortretenden Narben, die die gesellschaftliche Stellung signalisierten, waren erstaunlich verschachtelt. Bleyd wusste, dass Doil während der Skarifizierungszeremonie keinen Schmerzhemmer benutzt hatte. Das war einer der Gründe dafür, dass er den Mann angeheuert hatte. Ein Einheitskommandant mit einer hohen Schmerzschwelle war keine schlechte Kombination.
Doil stieg aus dem Transporter, salutierte und entschuldigte sich für seine verspätete Ankunft. »Unmittelbar vor meiner planmäßigen Abreise wurde das Hauptlager von einem Wirbelsturm erfasst. Der Sturm hat den Transporter auf dem Startfeld ebenso zerlegt wie einen beträchtlichen Teil der Vorratsbauten und der Truppenbaracken.«
»Auf diesem verlassenen Planeten besteht kein Anlass, sich wegen des Wetters zu entschuldigen, Colonel. Aber lassen Sie uns nicht noch mehr Zeit vergeuden! Ich weiß, dass Sie bereits mit den Fakten des Falles vertraut sind, und aus dem Autopsiebericht geht hervor, dass Gift verwendet wurde. Da ich jedoch selbst zugegen war, als der Hutt starb, dachte ich, es wäre gut, Sie persönlich auf den neuesten Stand zu bringen.«
»Ich weiß das zu schätzen, Admiral«, entgegnete Doil, als sie durch das Lager zurückgingen. »Darf ich mir erlauben zu fragen, wie es dazu gekommen ist? Dass Sie zufällig gerade dort waren, meine ich?«
»Mir waren gewisse Gerüchte über Filba zu Ohren gekommen, die ich beunruhigend fand. Ich vermutete, dass er möglicherweise für eine Schwarzmarktoperation verantwortlich sein könnte und vielleicht sogar für die Zerstörung des Bota-Transporters vor nicht allzu langer Zeit. Kurz gesagt, fürchtete ich, er sei entweder ein krimineller Privatunternehmer oder ein Separatistenspion.«
»Aha! Dann denken Sie also, es war Selbstmord? Aus Angst davor, gefasst zu werden und in Ungnade zu fallen?«
Bleyd wollte nicht zu begierig scheinen, dem Colonel diese Hypothese zu unterbreiten. Doil war ein erfahrener Sicherheits-offizier, und es wäre besser, wenn er selbst zu dieser Schlussfolgerung gelangte. »Möglich natürlich. Ebenso gut könnte es aber auch sein, dass der Hutt einen Komplizen hatte, der mitbekommen hat, dass wir seinen Partner verdächtigen, und beschlossen hat, ihn auszuschalten. Hutts sind nicht unbedingt für ihre Tapferkeit unter Druck bekannt.«
Doil sagte: »Sir, Hutts sind unter keinen Umständen, ganz gleich welcher Art, für ihre Tapferkeit bekannt. Allerdings wäre es höchst ungewöhnlich, in einer Lazaretteinheit mitten im Nirgendwo auf einen Spion zu stoßen, ganz zu schweigen von zweien.«
Bleyd zuckte die Schultern. »Ganz Ihrer Meinung. Allerdings halte ich es für besser, sämtliche Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.«
»Ja, Sir.«
»Ich nehme an, dass Sie Ihr Quartier beziehen möchten, bevor Sie mit Ihrer Untersuchung beginnen. Ich werde noch einige Tage hierbleiben, um Ihnen auf jede nur erdenkliche Art behilflich zu sein. Scheuen Sie sich nicht, sich bei Bedarf jederzeit an mich zu wenden!«
»Sir!« Doil salutierte, ehe er sich auf den Weg machte, um Vaetes zu suchen und sich um seine neue Unterkunft zu kümmern.
Als sich Bleyd auf den Rückweg zu seinem eigenen Quartier machte, ließ er sich die Situation einmal mehr durch den Kopf gehen. Er wusste, dass Filba sich nicht selbst vergiftet hatte. Der Hutt hatte geglaubt, dass Bleyd ihn beschützen könne - dass er ihn beschützen würde -, und er war ein zu großer Feigling gewesen, um einen Freitod auch bloß in
Erwägung zu ziehen. Nein, irgendwer hatte die Schnecke ermordet, und nach der Regel der einfachsten Erklärung war es am wahrscheinlichsten, dass derjenige, wer immer das getan hatte, derselbe war, der sie belauscht hatte. Aber warum? Bleyd schüttelte den Kopf. Das war eine andere Frage. Es war besser, zunächst das Wer zu bestimmen und sich dann Fragen über das Warum zu machen.
Als er die Tür zu seiner Wohneinheit öffnete, wehte ihm ein würziger, blumiger Geruch entgegen. Ohne auch nur nachzudenken, zog Bleyd seinen Blaster. »Eine Bewegung, und ich röste Sie direkt da, wo Sie stehen«, sagte er.
»Ich werde mich nicht bewegen, Admiral - auch wenn ich im Augenblick gar nicht stehe.«
Die Stimme besaß einen melodischen und amüsierten, singenden Tonfall. Bleyd schwenkte die freie Hand vor der Beleuchtungskontrolle des Raums, und das Innere der Hütte wurde in Helligkeit getaucht, um die Gestalt eines Schweigsamen zu enthüllen - offensichtlich eine Tarnung, da er dadurch, dass er gesprochen hatte, das heiligste Dogma der Geschwisterschaft gebrochen hätte. Die in Robe und Schleier gehüllte Gestalt saß auf Bleyds Pritsche, den Rücken gegen die Wand gelehnt.
Bleyd ließ den Blaster nicht sinken. »Wer sind Sie? Was machen Sie hier?«
»Darf ich?« Der andere hob seine Hände langsam zu den Seiten des Kopfes.
Bleyd nickte. »Langsam und ganz vorsichtig!«
Die Gestalt schlug die Kapuze zurück, um ihr Gesicht zu enthüllen.
Das Antlitz, das zum Vorschein kam, ähnelte keinem Wesen, das Bleyd je zuvor gesehen hatte, und er war schon mehr als einige Male in der Galaxis herumgekommen. Das
Gesicht war vage vogelartig, mit scharfen, violetten Augen, einer Nase und einem Mund, die ein kurzer Schnabel hätten sein können, und blassblauer Haut, die entweder mit extrem feinem Fell oder von Federn bedeckt war. Von dort, wo er stand, vermochte Bleyd das nicht zu sagen. Der Kopf war glatt, die Ohren flach und dicht am Schädel anliegend, und am Halsansatz zeigte sich eine Spur von dunklerem Blau. Überaus bemerkenswert, dachte der Admiral. Er hatte mit Sicherheit schon unansehnlichere Zweibeiner zu Gesicht bekommen.
Das Wesen lächelte - Bleyd nahm an, dass es männlich war -, und in dem dünnlippigen Schnabelmund waren mindestens einige spitze Zähne zu erkennen. Der Schnabel schien aus einem gummiartigen, knorpeligen Material und nicht aus Keratin zu bestehen, was die Ausdrucksmöglichkeiten des Wesens einschränkte.
Außerdem glomm in diesen Augen mehr als bloß ein Hauch drohender Gefahr. Diese Kreatur war tödlich, ganz gleich, wo sie herkam oder was sie im Schilde führte.
»Ich bin Kaird, von den Nediji.«
Nediji? Nediji... Diesen Namen hatte er schon einmal gehört ... Ach ja, jetzt erinnerte er sich. Eine vogelartige Spezies von einer weit abgelegenen Welt namens Nedij im Bereich des östlichen Spiralarms. Bleyd runzelte die Stirn. An dieser Spezies war noch irgendetwas anderes ungewöhnlich ... Aber was?
»Mir war nicht bewusst, dass die Nediji auch außerhalb ihres eigenen Systems anzutreffen sind. Ich glaube, gehört zu haben, dass solche Reisen tabu sind.«
»Ja, wenn man sich dort angemessen eingenistet hat, dann darf man nicht mehr fort«, entgegnete der Nediji. Seine melodische Stimme war so angenehm zu hören, wie sein Duft roch, doch der kalte, berechnende Ausdruck in diesen Augen war alles, was für Bleyd eine Rolle spielte. Bei den meisten Spezies konnte man die Wahrheit immer in den Augen finden.
»Allerdings gibt es einige unter uns, die aus dem einen oder anderen Grund nicht beim Schwarm bleiben können«, fuhr Kaird fort. »Wohin der Wind uns trägt, kümmert niemanden.« In diesen Worten lag kein Bedauern. Was Bleyd stattdessen heraushörte, war Belustigung.
»Nun, hier kümmert es uns sehr wohl, wenn jemand in unsere Quartiere einbricht. Klären Sie mich auf, was das zu bedeuten hat - aber zackig!« Er fuchtelte leicht mit dem Blas- ter.
Hinter ihm ertönte ein leises Klack!, als würde jemand versuchen, seine geschlossene Tür zu öffnen. Bleyd wandte seine Aufmerksamkeit einen Herzschlag lang dem Geräusch zu...
Der Nediji verschwand.
Nein, das stimmte eigentlich nicht. Das Wesen hatte sich bewegt, jedoch so schnell, dass Bleyd nicht glauben konnte, was er da sah. Im einen Moment saß der Nediji auf der Pritsche, und einen Lidschlag später stand er neben Bleyd, aus der Schusslinie des Blasters, nah genug, um ihn zu berühren.
Bleyd schickte sich an, die Waffe herumzuschwenken, hielt dann aber inne. Wenn sich dieser Bursche in einem Einer-Gravitationsfeld so flink bewegen konnte, würde es ihm niemals rechtzeitig gelingen, ihn ins Visier zu nehmen, falls er selbst eine Waffe hatte und sie benutzen wollte.
Er senkte den Blaster.
»Eine kluge Entscheidung, Admiral.«
Bleyd erhaschte einen Blick auf etwas in der Hand des Nediji, das kurz im Licht aufleuchtete, ehe das, was auch immer es war, wieder verschwand.
»In Ordnung«, meinte Bleyd. »Sie haben klargemacht, dass Sie schneller als ein Aschedämon sind. Wäre ich allerdings nicht von diesem Geräusch abgelenkt worden ...«
Kaird ging zurück zur Pritsche, ein gemächliches Schlendern, das definitiv Elemente vogelartiger Fortbewegung in sich trug. Als er die Pritsche erreichte, drehte er sich um, ließ abermals seine Zähne aufblitzen und fragte: »Meinen Sie dieses Geräusch?«
Das Klack! ertönte von Neuem. Diesmal ließ sich Bleyd nicht davon ablenken.
Kaird hielt ein kleines Gerät von der Größe seines Daumens hoch - das Ding, das einen Moment zuvor das Licht reflektiert hatte. Bleyd fiel auf, dass er gelbliche Krallen an den Fingerspitzen hatte. »Ein einfacher Klicker, der mit dieser Fernsteuerung bedient wird.«
»Schön, Sie sind also vorbereitet. Was wollen Sie?«
»Die Fortführung unseres für beide Seiten einträglichen Geschäfts, Admiral. Offensichtlich war unser letzter Abgesandter unachtsam beim Fliegen. Ich bin ein wesentlich besserer Pilot. Liegt in den Genen, wissen Sie?«
Bleyd verspürte eine schwache, aber ausgeprägte Woge der Furcht. Die Schwarze Sonne! Er hatte nicht so bald mit denen gerechnet.
»Aha«, sagte er.
»In der Tat«, erwiderte Kaird.
Wie sich herausstellte, hielt Kaird mehr als nur eine Überraschung für ihn parat. Offenbar wollte die Schwarze Sonne ihr früheres Arrangement bezüglich des Bota gar nicht ändern! Bleyd brauchte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass Mathal, der Unterhändler, den er ins Jenseits befördert hatte, anscheinend vorgehabt hatte, sich auf eigene Rechnung ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Kairds Aufgabe bestand darin, Mathals Tod zu untersuchen, was er erfolgreich getan hatte, während er als einer der Schweigsamen getarnt gewesen war, und sicherzustellen, dass der Bota-Strom konstant blieb. Angebot und Nachfrage sorgten dafür, dass der Wert der Ware nach wie vor sehr hoch war, und eine kleine Menge Material zu schmuggeln und damit einen großen Profit zu machen, war besser, als große Mengen zu einem geringeren Preis zu transportieren, was genau das war, was Bleyd schon die ganze Zeit über gewusst hatte. Mathals wirkliche Absicht war also gewesen, sich so viel Bota zu schnappen, wie er nur konnte, und dann zu fliehen, bevor seine Vorgesetzten bei der Verbrecherorganisation dahinterkamen. Wie interessant.
Bleyd wurde bewusst, dass sich die Schwarze Sonne wahrscheinlich selbst um ihren verblichenen Abgesandten gekümmert hätte, wenn man dort gewusst hätte, was er im Schilde führte. Er hatte ihnen einen Gefallen getan. Allerdings hatte er nicht vor, freiwillig damit herauszurücken, wie Mathal sein Ende gefunden hatte - das wäre Selbstmord gewesen.
Ungeachtet seiner Entschlossenheit zu vermeiden, solche kühnen Risiken einzugehen, war Bleyd schlagartig von dem Gedanken besessen, sich mit dem neuen Repräsentanten zu messen. Der Nediji war viel schneller als er - und listenreich dazu. Zweifellos war er in vielen Kampfkünsten gut geschult. Vogelartige Raubtiere hatten gewiss einen anderen Blick auf ihre Beute als jene, die am Boden brüteten. Hier war ein Widersacher, der Bleyds Mut würdig war.
Aber nein. Sollte er sterben, bevor seine Familienehre wiederhergestellt war, hätte er damit sein Lebensziel verfehlt. Ganz zu schweigen davon, diesen Palast auf Coruscant zu verlieren. Ganz gleich, wie verlockend eine derartige Auseinandersetzung auch sein mochte, er musste der Versuchung widerstehen. Was das betraf, würde er nicht weiter über den Nediji nachdenken.
Dennoch wäre es ein glorreicher Kampf...
»Ich werde noch einige Tage im Lager bleiben«, verkündete Kaird. »Ich werde weiterhin so tun, als sei ich einer der Schweigsamen, und die Ärzte und Patienten beobachten, um keinen Argwohn zu erregen, indem ich zu früh wieder abreise. Diese Sache mit dem Hutt... Ihr Werk?«
Bleyd dachte einen Moment lang über seine Antwort nach. Er brauchte keinen Abgesandten der Schwarzen Sonne, der die Nase in seine Angelegenheiten steckte, falls es nicht absolut notwendig war. Wenn der Nediji glaubte, er hätte Filba vergiftet, würde er keinen weiteren Gedanken mehr daran verschwenden. »Ja, er wurde zu gierig. Ich dachte, es sei am besten, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, bevor er Schwierigkeiten macht.«
»Weise! Wir schätzen Geschäftsbeziehungen zu umsichtigen Leuten.« Das Vogelwesen wandte sich der Tür zu. »Wir hören voneinander, Admiral. Bis dahin halten Sie sich an den ursprünglichen Plan, auf den Sie und meine Vorgesetzten sich geeinigt haben!«
»Verstanden.«
Sobald Kaird fort war, überkam Bleyd ein Gefühl der Erleichterung. Dass er den heißen Atem der Schwarzen Sonne nicht mehr länger im Rücken spürte, war eine Sorge weniger, mit der er sich auseinandersetzen musste.
Wenn er jetzt noch den Spion fand, wäre alles wieder in bester Ordnung.