17. Kapitel

Bei all seinen interstellaren Aufträgen hatte Den Dhur im Laufe der Jahre eine Vielzahl merkwürdiger Dinge zu Gesicht bekommen. Soweit er sich entsinnen konnte, hatte er allerdings noch nie einen Droiden gesehen, der allein in einer Cantina saß.

Als er aus der sirupartigen Mittagshitze hereinkam, brauchten seine Augen selbst mithilfe der Kontaktlinsen mehrere Sekunden, um sich an die veränderten Lichtverhältnisse anzupassen. Als sich sein Blickfeld klärte, sah er, dass die Bar größtenteils verwaist war. Leemoth, der Duros-Amphibienspezialist, saß in einer der hinteren Ecken und labte sich an einem Krug Fromischen Bier, an der Theke saßen zwei Klon-Sergeants, und an einem der näher stehenden Tische hatte der neue Protokolldroide I-Fünf Platz genommen.

Das ist etwas, das man nicht jeden Tag sieht, dachte Den. Zuerst und vor allem saßen Droiden eigentlich nie. Die meisten der eher humanoiden Modelle waren zwar zu dieser Körperhaltung fähig, doch da sie niemals müde wurden, gab es für sie keinen wirklichen Anlass dazu. Trotzdem saß I-Fünf da, wenn auch ein wenig steif. Seine Fotorezeptoren waren auf die Plastiform-Tischplatte gerichtet. Und obgleich sich auf der Metallmaske seines Gesichts kein bestimmter Ausdruck zeigte, hatte Den den ausgeprägten Eindruck, dass den Droiden ein Gefühl der Melancholie umgab.

Aus einem Impuls heraus zog er einen Stuhl heran, setzte sich gegenüber von I-Fünf hin und hob einen mittlerweile sehr geübten Finger in Richtung des Barmanns der Cantina. »Wir bekommen hier nicht allzu viele Droiden zu Gesicht«, sagte er zu seinem Gegenüber.

»Bei diesen Preisen überrascht mich das nicht.«

Dens Augenbrauen schössen in die Höhe. Das war mal etwas Ungewöhnliches - ein Droide mit Sinn für Humor. Der Barmann brachte dem Reporter seinen Drink - johrianischen Whiskey. Den nippte daran und musterte I-Fünf interessiert.

»Ich habe gehört, dass du Padawan Offee im OP zur Hand gegangen bist.«

»Stimmt. Das war ... eine echte Erfahrung.«

Den nahm noch einen Schluck. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich das sage, aber du wirkst recht... ungewöhnlich für einen Droiden. Wie kommt es, dass man dich hierher abberufen hat?«

Zuerst schien es, als würde der Droide darauf nicht antworten. Dann sagte er: »>Ich lasse mich von den Winden von Baum und Zeit dahintragen, gleich einem Planetesimal, das ewiglich zwischen Sonnen umhertrudelt. <«

Jetzt war Den schockiert. »Kai Konnik«, sagte er. »Sternenufer. Gewinner des Galaxis-Preises für den besten Roman des letzten Jahres, falls ich mich nicht...«

»Vor zwei Jahren«, korrigierte I-Fünf ihn.

Den starrte ihn an. »Für einen Droiden besitzt du ein interessantes Wissen über Literatur.«

»Eigentlich nicht. Meine Speichermodule sind mit über zweihunderttausend Romanen, Holostücken, Gedichten und...«

»Ich habe nicht über gespeicherte Daten gesprochen«, unterbrach ihn Den. »Die meisten Protokolldroiden verfügen über die Kapazität, so viele Informationen zu speichern, und wenn man sie darum bittet, aus einem bestimmten Werk zu zitieren, haben die meisten Droiden ebenso leicht Zugriff darauf wie du. Aber«, fuhr er fort und lehnte sich vor, »ich habe bislang noch nie zuvor irgendeinen Droiden getroffen, der das Material metaphorisch verwenden konnte. Doch genau das hast du getan.«

Ein weiterer Moment des Schweigens, dann stieß der Droide etwas aus, das bemerkenswert nach einem menschlichen Seufzen klang. »Zuweilen wünschte ich, ich wäre ein Lebewesen auf Kohlenstoffbasis«, sagte er. »Die Vorstellung, sich berauschen zu können, ist verlockend.«

»Es hat seine Vorteile«, entgegnete Den, als er einen weiteren Schluck nahm. »Würdest du mir erzählen, was du hier drin treibst?«

Wieder schien I-Fünf anfangs abgeneigt zu sprechen. Dann sagte er: »Nostalgie.«

Den wartete. Er war in die Cantina gekommen, um zu sehen, ob er noch mehr Dreck über Filba ausgraben konnte, aber bis jetzt war das hier interessanter. Wäre I-Fünf kein Droide gewesen, hätte Den ihn mit Drinks abgefüllt, um ihm die Zunge zu lockern. Allerdings hatte es den Anschein, als wäre hier bloß wenig Lockerungsarbeit vonnöten. Offensichtlich wollte der Droide jemandem sein »Herz« ausschütten.

»Ich habe viel Zeit in Etablissements wie diesem hier verbracht«, fuhr I-Fünf fort. »An Orten wie der Taverne zum Grünen Glühstein und dem Gasthaus Taurücken im Zi-Kree-Sektor auf...«

»Coruscant«, brachte Den den Satz für ihn zu Ende. »Ich kenne beide Läden gut. Ein hässlicher Teil der Stadt. Man nennt ihn den Roten Korridor.« Er leerte seinen Drink und signalisierte dem Wirt, ihm einen neuen zu bringen. »Ich habe dort viele gute Hinweise für Storys gefunden.« Er schaute I-Fünf einen Moment lang schweigend an. »In den meisten Lokalen sind Droiden nicht gern gesehen. Irgendein alter Aberglaube, nehme ich an. Ich bin überrascht, dass dein Herr dich dorthin mitnehmen durfte.«

»Lorn Pavan war nicht mein Herr«, sagte der Droide. »Er war mein Freund.«

Die Muskeln in Dens Stirn begannen allmählich, sich von der strapaziösen Anstrengung des Stirnrunzelns zu verkrampfen. »Dein Freund?«

»Wir waren »Geschäftspartnern Wir haben mit Unterwelt-Informationen gehandelt, Sabacc-Wetten angenommen, manchmal eher nebensächliche Regierungsdaten vermittelt - solche Dinge. Nicht unbedingt das aufregende Leben, das man in den Holodramen sieht, aber zumindest bat es einem gelegentlich das eine oder andere angenehme Prickeln verschafft.«

»Sieh an!«, kommentierte Den. Als der Droide nicht fortfuhr, sagte er: »Nun, wie dir sicherlich nicht entgangen ist, bist du jetzt weit weg von der großen Stadt. Warum bist du...?«

Er brach ab, als er bemerkte, wie I-Fünf seine Aufmerksamkeit abrupt von ihm zu einer Gruppe von Chirurgen verlagerte, die gerade hereingekommen waren. Darunter war auch Zan Yant, der seine Quetarra bei sich trug. Den nahm an, dass es später, wenn sich die Cantina noch ein bisschen mehr gefüllt hatte, Musik geben würde. So lief das Ganze für gewöhnlich ab. Er hatte nichts dagegen, denn größtenteils gefielen ihm die Musikstücke, die Yant zum Besten gab - auch wenn die Kompositionen, die der Talusianer von

seinem Heimatplaneten spielte, für ihn wie zwei Sandkatzen in einem Sack klangen.

Der Droide hingegen wirkte ein bisschen ... nervös. Ich könnte schwören, dass er mit seiner Metallvisage trotz allem irgendwie Emotionen ausdrückt, dachte Den. Die Vorstellung war überraschend, aber andererseits auch nicht mehr als der Gedanke, dass ein Droide die Gefühle besaß, die nötig waren, um solche Ausdrücke hervorzubringen.

Dens zweiter Drink wurde vor ihm hingestellt, und er hob ihn nachdenklich. »Also, was hat dich dazu veranlasst, deine Siebensachen zusammenzupacken und einer so einträglichen Existenz den Rücken zu kehren?«

I-Fünf antwortete: »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Lorn und ich wurden von einem ...« Er schien seine Worte mit Bedacht zu wählen. »... Attentäter verfolgt.«

»Von einem Zabrak«, sagte Den beiläufig. Diesmal musterte er das Gesicht des Droiden aufmerksam. Seine Fotorezeptoren wurden nicht größer, aber sie wurden heller, was irgendwie nicht minder überraschend war. Das ist es, dachte er. Die Augen sind die ausdrucksstärksten Sinnesorgane in den meisten humanoiden Gesichtern. Schon geringste Bewegungen sorgen dafür, dass man etliche verschiedene Bedeutungen hineininterpretieren kann. Irgendwie erzielt I-Fünf dasselbe Resultat, indem er die Intensität und den Winkel dieser Optiksensoren variiert.

Er war so darauf bedacht herauszufinden, wie der Droide Gefühle zeigte, dass er beinahe I-Fünfs Erwiderung verpasste. »Stöbere ich ohne Erlaubnis in Ihren Datenbanken herum?«

»Tut mir leid, Reporterinstinkt. Es war offenkundig, dass dir etwas zu schaffen gemacht hat, als du Yant reinkommen sahst, und da ich davon ausgehe, dass du kein Musikhasser bist...«

»Herzlichen Glückwunsch! Der Attentäter war ein irido- nianischer Zabrak - ausgesprochen tödlich. Ein Nahkampfmeister mit genügend Geschick, dass Phow Ji verglichen damit wie ein betrunkener Jawa wirkt. Er besaß... auch noch andere Fähigkeiten.«

Den nickte. »Ich verstehe. Yant stammt von Talus, falls das irgendeinen Unterschied macht.«

Darauf reagierte I-Fünf nicht. »Dieser Attentäter hat uns einen wertvollen Gegenstand gestohlen und ist von Coruscant in den Orbit geflohen. Lorn und ich waren ihm auf den Fersen, und dann ... Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich auf einem Spiceschmuggelfrachter gedient habe.«

»Irgendwelche Theorien dazu?«

»Ich denke, dass Lorn mich deaktiviert hat, um mich nicht in Gefahr zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Ganze für ihn zu etwas sehr Persönlichem entwickelt, müssen Sie wissen. Jemand, der ihm sehr wichtig war, hat sich geopfert, um uns zu retten, und ...«

»Klingt nach einer großartigen Geschichte«, meinte Den. »Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen, um darüber zu berichten.«

»Vertrauen Sie mir... Seien Sie froh, dass Sie es nicht waren. Dieser Attentäter war...« I-Fünf zögerte und schüttelte dann den Kopf - eine weitere verstörend menschliche Geste.

»Von der Schwarzen Sonne?«

»Schlimmer. Viel schlimmer. Abgesehen davon«, sagte er sanft, »was ist schon eine Geschichte ohne Ende?«

»Jede Geschichte hat ein Ende.«

»Diese hier nicht - nicht für mich. Ich weiß nicht, was aus Lorn geworden ist. Ich vermute, dass er tot ist, aber das lässt sich unmöglich mit Sicherheit sagen. Ich habe versucht, das herauszufinden, doch das alles ist bereits vor mehr als zehn Jahren passiert, und die Möglichkeiten, Nachforschungen anzustellen, sind für Droiden begrenzt - selbst für Droiden, die wissen, wie man Pyromauern und andere Computersicherheitsmaßnahmen knackt. Die ganze Sache scheint von ganz hoch oben vertuscht worden zu sein.«

»Jetzt machst du mich aber neugierig«, sagte Den. »Nichts geht über eine gute Verschwörungsstory, auch wenn die für gewöhnlich besser laufen, wenn nicht gerade Krieg herrscht. Ich werde sehen, was ich ausgraben kann.«

»Wenn Sie diesbezüglich zu tief graben, kann es sein, dass am Ende Sie derjenige sind, der begraben wird«, meinte der Droide düster. »Da mein Gedächtnis gelöscht wurde, habe ich keine Ahnung, wie ich entkommen bin. Alles, was ich weiß, ist, dass ich mich im einen Moment auf dem Raumhafen von Coruscant befand und im nächsten helfe ich dabei, die Glitzerstim-Sucht der Leute in den Kernsystemen zu befriedigen ... Natürlich ist das alles subjektiv. Meinem internen Chrono zufolge war ich etwa zwölf Standardwochen lang deaktiviert. Nach dem zu urteilen, was ich anschließend in Erfahrung bringen konnte, war ich Teil irgendeiner Art von Tauschgeschäft. Ich habe sechs Jahre lang den Kesselflug gemacht. Dann wurden die Schiffe der Schmuggler von einer Solarpatrouille des lokalen Systems aufgebracht. Ich wurde konfisziert und bei einer Auktion an einen Handelskapitän verkauft - wozu, weiß ich nicht genau. In meinen Datenbanken gibt es immer noch große Lücken, über die ich keine Rechenschaft ablegen kann - Lücken von mehreren Jahren, um genau zu sein.

Als sich der Krieg auszubreiten begann, beschlagnahmte die Republik so viele Droiden, wie sie konnte, um zu verhindern, dass sie den Separatisten in die Hände fallen. Als der Befehl kam, arbeitete ich als Haushaltsdroide für eine Adelsfamilie auf Naboo. Meine Programmierung wurde um eine medizinische Ausbildung erweitert, und jetzt sitze ich hier in diesem ... pittoresken... Etablissement und erzähle Ihnen meine Lebensgeschichte.« Er zögerte. »Ich wünschte wirklich, ich könnte mich betrinken.«

»Vielleicht hast du Glück, dass du das nicht kannst. Wenn du dich jedem gegenüber, dem du bislang begegnet bist, so verhalten hast«, meinte Den, »dann ist es ein Wunder, dass du noch nicht neu programmiert wurdest. Die meisten Leute haben wenig Geduld mit aufsässigen Droiden.«

»Was Sie nicht sagen! Nein, bis jetzt habe ich meinen sprühenden Geist und meine überschäumende Persönlichkeit beharrlich im Zaum gehalten, da können Sie ganz beruhigt sein. Ich muss allerdings sagen, dass ich dabei ziemlich einsam war.«

»Und warum erzählst du mir das alles? Liegt das bloß an meinem vertrauenswürdigen Gesicht?«

»Ich bin der Scharade überdrüssig«, entgegnete I-Fünf. »Ich bin es leid, den Menschen und ihresgleichen die demütige kleine Maschine vorzuspielen - besonders, nachdem ich Zeuge der brutalen Folgen der Unfähigkeit oder des Widerwillens organischer, empfindungsfähiger Wesen geworden bin zu koexistieren. Je mehr ich von diesem ganzen Massaker sehe, desto mehr gelange ich zu der Überzeugung, dass selbst ein CZ-Drei-Wartungsdroide bessere Arbeit beim Führen der Republik leisten würde.«

Den konnte sein Grinsen nicht unterdrücken. »Das ist Volksverhetzung, weißt du?«

»Wer hetzt hier? Ich?« Die Fotorezeptoren des Droiden strahlten Unschuld aus. »Ich bin bloß ein einfacher Droide, gebaut, um zu dienen.« Er seufzte wieder. »Vielleicht muss nur mein Abscheudämpfer mal wieder aufgeladen werden.«

»Oder vielleicht solltest du dich einfach betrinken.«

»Das auch.«

»Natürlich müsstest du dazu organischer Natur sein.«

I-Fünf zuckte tatsächlich mit den Schultern. »Der Erbauer bewahre mich davor!« Er stand auf. »Entschuldigen Sie mich, ich habe Pflichten, denen ich nachkommen muss. Zum Großteil davon gehört, Verbände zu wechseln und Hypospray zu verabreichen. Absolut erfüllende Aufgaben für ein Geschöpf mit meinen Fähigkeiten, muss ich sagen. Vielleicht sollte ich die neunundneunzig Prozent meines Denkprozessors, die nicht durch meine Tätigkeiten beansprucht werden, darauf verwenden, Chuns Reduktionale Unendlichkeitstheorie zu lösen ... oder eine Lichtoper zu komponieren.«

Den verfolgte, wie I-Fünf die Cantina verließ. Einige Sekunden später fing Zan Yant an zu spielen, eine langsame, gefühlvolle Melodie, die die perfekte Begleitmusik für Dens gedankenversunkene Stimmung zu sein schien.

Ein Droide, der von seinem empfindungsfähigen Besitzer als gleichwertig erachtet worden war? Den hatte schon zuvor von so etwas gehört, aber da entstammte es lediglich dem Reich der Fiktion. Dass ein Droide tatsächlich emanzipiert war, wenn auch nur informell, war schon einigermaßen revolutionär. Er fragte sich, warum die Vorstellung ihn dennoch nicht mehr überraschte.

Nichtsdestotrotz schien das ein guter Grund zu sein, sich noch einen weiteren Drink zu genehmigen.

 






18. Kapitel

Wann immer er einige Minuten Zeit hatte, um etwas von dem verkrusteten Schweiß, den Sporen und dem Dreck loszuwerden, mit dem Drongar so großzügig aufwartete, genehmigte sich Jos für gewöhnlich eine Schalldusche, was schneller und wirkungsvoller war, als sich mit Chemifutsch oder Wasser zu waschen. Man trat ein, trat auf den Fußschalter, und der Schmutz wurde durch Vibration entfernt - ohne Wenn und Aber. Zumindest diese grundlegende Technologie funktionierte auf der Basis ... meistens.

Heute jedoch stand er unter dem pulsierenden Strahl einer fließenden Brause, und das Wasser, das aus einer tiefliegenden Grundwasserschicht hochgepumpt und gefiltert wurde, war kalt. Kalt genug, dass man Frostbeulen bekam, kalt genug, dass einem das Atmen mehr als üblich schwerfiel.

Allerdings war das Wasser nicht kalt genug, um seine Gedanken abzukühlen - und das Problem mit Tolk. Tolk, der sein Interesse an ihr mit Sicherheit nicht entgangen war und die sich offensichtlich entschlossen hatte, sich einen Spaß daraus zu machen.

Das Wasser trommelte gegen seinen Kopf, um eisige Tropfen und Rinnsale in seine Ohren und Augen zu schicken, doch es war nicht kalt genug, um die Erinnerung an das aus seinen allzu aufgeheizten Gedanken zu verdrängen, was just an diesem Morgen passiert war ...

Er hatte den Umkleideraum betreten, um seinen Operationskittel zu wechseln. Der, den er angehabt hatte, war von einer Ader durchweicht gewesen, die mitten bei einer Venentransplantation geplatzt war. Der Raum war geschlechtsneutral, doch es gab eine BESETZT-Anzeige an der Tür, um zu verhindern, dass die Leute beim Umkleiden überrascht wurden. Jos hatte mit der Handfläche den Türschalter betätigt und war lebhaft in den Raum marschiert, nachdem er festgestellt hatte, dass die BESETZT-Diode dunkel war.

Und da war Tolk, die ihre eigene Kleidung halb gewechselt hatte - was bedeutete, dass sie nicht ganz bekleidet gewesen war, oder, um es anders auszudrücken, größtenteils nackt... entblößt... Was für ein herrlicher Anblick!

Als Chirurg hatte Jos in seiner Laufbahn schon jede Menge Fleisch gesehen, männliches, weibliches und anderes. Das gehörte einfach zum Job - man hegte keine freundschaftlichen Gedanken für jemanden, dessen Leber man gerade herausschnitt. Aber einen Raum zu betreten und deine erst kürzlich wirklich zur Kenntnis genommene und ausgesprochen hübsche Assistentin nahezu nackt vor dir zu sehen war eine vollkommen andere Angelegenheit.

Selbst das wäre nicht so schlimm gewesen - nun, in Ordnung, das Ganze war eigentlich überhaupt nicht schlimm, es war bloß verdammt peinlich -, da er bloß eine oder vielleicht zwei oder drei Sekunden lang mit vor Überraschung schlaff herabhängendem Unterkiefer dagestanden und sie angeglotzt hatte, bevor er sich mit blutrotem Antlitz umdrehte und sagte: »Ups, tut mir leid!«

Was ihn jedoch noch eine Sekunde länger verharren und sie weiter anstarren ließ, war Tolks Gesichtsausdruck. Das und alles Übrige an ihr.

Sie lächelte. Langsam, lässig, unzweifelhaft. »Hi, Jos! Habe Ich vergessen, die Diode einzuschalten? Wie unachtsam von mir.«

Jos schaffte es, rauszugehen und die Tür zu schließen, doch der Anblick von Tolks größtenteils nackter Gestalt hatte sich in seine Erinnerung eingebrannt - für immer, dessen war er sich ziemlich sicher. Doch dieses Lächeln ... oh, dieses Lächeln war fast zu viel für ihn gewesen. Als er später daran dachte - mindestens zwei Dutzend Mal im Laufe des Tages, als sie zusammen arbeiteten -, fragte er sich in einem fort: Hatte sie tatsächlich vergessen, die Diode einzuschalten?

Selbst wenn das Wasser am kältesten war, konnte es diese frage nicht fortwaschen.

»Du bist schon die halbe Nacht da drin, Jos! Wie sauber willst du noch werden?«

Das war eine sehr gute Frage.

 

Den Dhur, der an einem Tisch im Speisesaal saß, haute ordentlich rein. Das hatte im Grunde nichts damit zu tun, was er aß. Er genoss einfach den Geschmack seiner unmittelbar bevorstehenden kalten Rache, da er Filba, diesem Hutt-Gezücht ohne jede Kinderstube, bald - jetzt schon sehr, sehr bald - die Quittung für seine Machenschaften präsentieren würde. Gerade hatte er von einem unglücklichen Corporal einen weiteren Stein für den Haufen in die Hand bekommen, unter dem er den Hutt begraben würde, und in Kürze würde er Filba genauso verscharren wie ein Kampfhund einen alten Knochen.

Der Gedanke entlockte ihm ein Lächeln. Man legte sich nicht mit der Presse an, auf keinen Fall, niemals, ganz besonders dann nicht, wenn man so schief - sprich: so korrupt - wie die Backenzähne eines Rancors war. Praktisch jeder hatte etwas zu verbergen, etwas, von dem er nicht wollte, dass es in den abendlichen Holonachrichten breitgetreten wurde, aber wenn man ein Dieb war, war das Ganze noch schlimmer, viel schlimmer.

Und er hatte die Leiche in Filbas Keller gefunden.

Man würde den Hutt in seine Einzelteile zerlegen, ihn zum Trocknen in den heißen Sonnenschein hinaushängen, und das war's dann. Den gluckste amüsiert vor sich hin und wandte sich mit seinem Besteck voller Gusto dem Essen vor sich zu. Vergeltung war das perfekte Gewürz fürs Abendessen.

Natürlich war das, was als Abendessen durchging und wie es zubereitet wurde, etwas, woran man sich gewöhnen musste, wenn man zu ungewöhnlichen Planeten reiste. Eines der ersten Dinge, die Den als junger Reporter erkannt hatte, war, dass man rasch sehr hungrig und sehr durstig wurde, wenn man nicht lernte, die lokale Flora und Fauna zu essen und zu trinken, während man bei der Militärberichterstattung von einer Welt zur anderen hüpfte. An Bord eines interstellaren Truppentransporters war der Platz knapp und wurde für gewöhnlich nicht für exotische Nahrungsmittel vergeudet. Er hatte gehört, dass die Klontruppen auch mit einfacher Verpflegung dauerhaft zufrieden waren, aber selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, konnten sie angesichts der Vielzahl verschiedener Spezies in den Streitkräften und Flottenverbänden der Republik kaum damit anfangen, die Leibspeisen von jedermann vorrätig zu haben. Besonders deshalb nicht, weil die Offiziere auch in dieser Hinsicht wie üblich bevorzugt behandelt wurden.

Die Soldaten im Feldeinsatz bekamen BRs - Bereitschaftsrationen bei denen es sich um wiederverwerteten Brei mit lebenswichtigen Nährstoffen für jede Spezies handelte. Normalerweise variierte die Farbe von eitrig gelb bis faulig grün und Konsistenz und Geschmack von altem Stiefelplastoid bis hin zu etwas, das selbst einen Neimoidianer zum Würgen bringen würde. Angesichts dessen war das Erste, was Armeeköche im Allgemeinen taten, wenn sie auf einen neuen Planeten kamen, Furiere zu bestimmen, die alles suchten und herbrachten, was genießbar sein konnte. Den war auf einigen Welten gewesen, auf denen nicht allzu viel vor Ort Produziertes oder Wild zu finden war, und eine strikte Diät aus BR-Mahlzeiten zog eine ganze Menge dürrer Truppler nach sich. Bei diesen Einsätzen hatte er selbst ein bisschen Gewicht verloren.

Glücklicherweise war eins der wenigen positiven Dinge, die sich über Drongar sagen ließen, dass es hier jede Menge gab, das man fangen, einsammeln, anzapfen oder ausgraben konnte, und obwohl er schon besser gegessen hatte, war die Flehr-Kantine nicht so schlecht, wie sie hätte sein können. Den hatte eine Portion der hiesigen Landgarnele bestellt, einer handgroßen Kreatur, die - mit Kräutern und Gewürzen gekocht - überraschenderweise wie Fledermausfalke schmeckte, wenn auch etwas kräftiger. Dazu wurde eine hellorangefarbene, pürierte Pflanzenwurzel gereicht, die von sämiger Konsistenz war und einen netten Zimtgeschmack besaß. Wenn man das alles mit etwas von dem hier produzierten Bier hinunterspülte ... Nun, er hatte schon wesentlich schlechter gegessen. Bis endlich jemand einen Apparat erfand, der in der Lage war, aus Basiszutaten sekundenschnell eine Mahlzeit zu zaubern, so wie den, den die Abenteurer in diesen futuristischen Holodramen ständig benutzten, würde Militäressen stets eine riskante Angelegenheit sein.

Abgesehen davon wäre es angesichts dessen, wie er sich heute fühlte, sogar erträglich gewesen, eine BR zu verzehren. Aller Zynismus beiseite, es dauerte lange, bis eine gute Story einem Reporter das Gefühl gab, seinen Gehaltsscheck wert zu sein - so bescheiden der auch ausfiel...

Er schaute auf und sah, wie Zan Yant mit einem Tablett in den Händen die Servierreihe verließ. Den erregte die Aufmerksamkeit des Zabrak und winkte ihn zu sich herüber. »Hey, ist das Fleekaal?«, fragte er, als er den Teller des anderen Mannes sah. »Habe gar nicht auf der Speisekarte gesehen, dass es den hier gibt.«

»Nein, das ist Ringelwurm, eine hiesige Riesenwurmgattung, in Rotfruchtsaft geschwenkt und mit frittierten Feuerschnaken garniert.«

»Ah, klingt... lecker.«

»Nun, es ist nicht gerade wie im Manarai auf Coruscant«, meinte der Chirurg, »aber mit Sicherheit besser als die BRs.«

Dhur musterte Zan Yant zweifelnd. »Sie haben im Manarai gegessen?«

»Ich wurde nicht auf dieser Schlammkugel geboren, Freund Dhur. Einer meiner Ausbilder war Professor für Musik an der Universität von Coruscant. Hin und wieder habe ich ihn dort besucht.«

»Ein teures Plätzchen für einen Studenten.«

»Meine Familie ist... angenehm wohlsituiert«, sagte Yant, schnitt ein großes Stück Wurm ab und schob es sich in den Mund. »Ah! Dieser charbodianische Koch versteht sein Handwerk wirklich. Möchten Sie einen Happen?«

»Nein, danke. Ich bin mit meinem Essen vollauf zufrieden.« Den musterte den Chirurgen neugierig. Ein reicher

Mediziner und ein talentierter Musiker - nicht unbedingt die Art von Person, die man im galaktischen Hinterland anzutreffen erwartete. Warum war es ihm oder seiner Familie nicht gelungen, dafür zu sorgen, dass Yant vom Militärdienst freigestellt wurde? Reichtum und Macht hatten ihre Privilegien, das wusste jeder. War es möglich, dass Yant sich freiwillig gemeldet hatte? Falls dem so war, hätte das Dens Respekt für ihn merklich gesteigert.

Bevor er das Thema weiterverfolgen konnte, fragte Yant: »Und wie läuft Ihr Kreuzzug, die Öffentlichkeit informiert zu halten?«

»Gut.« Den lächelte. »Und bald noch besser.«

»Soso. Eine heiße Story?«

»Ja, in der Tat. Ich kann jetzt noch nicht darüber reden - noch will ich den Kreel nicht aus dem Käfig lassen, wenn Sie verstehen -, aber ich bin sehr zufrieden damit. Ich erwarte, dass die Sache in gewissen Bereichen für ordentlich Wirbel sorgen wird.«

»Das ist gut, nehme ich an.« Yant nahm einen weiteren großen Mundvoll Wurm, kaute, schluckte und lächelte. »Ganz und gar nicht schlecht.« Er hielt kurz inne, ehe er sagte: »Ich würde Sie gern etwas fragen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Die anderen Mediziner und ich hier sind eingezogen worden. Ginge es nach uns, wären wir ein Dutzend Parsecs von Drongar entfernt, ganz gleich in welcher Richtung. Sie hingegen sind Zivilist. Sie müssten nicht hier draußen sein - Sie könnten von einem zivilisierten Planeten berichten, bis zu Ihren Wangenlappen in relativer Bequemlichkeit und Sicherheit. Also, weshalb sind Sie hier? Warum fühlen Sie sich zu dieser Arbeit berufen?«

Das hatte er nicht erwartet. Diese spezielle Frage hatte ihm schon seit Jahren niemand mehr gestellt. Natürlich gab es darauf Standardantworten - davon hatte jeder Reporter ein paar in petto. Das Abenteuer, die Chance, dort zu sein, wo die Action war, das Verlangen, der Öffentlichkeit zu dienen. Vielleicht glaubten sie sogar tatsächlich daran - einst, vor langer Zeit, hatte er es jedenfalls getan.

Und jetzt?

Mit einem Mal ertappte Den sich dabei, dass er die Wahrheit sagte, obwohl er das eigentlich gar nicht wollte. »Kriege bringen große Geschichten hervor, Doc. Hier geht es um die allerwichtigsten Dinge: um Leben, Tod, Ehre, Liebe ... Das ist das wahre Leben, die Goldader, die Feuerprobe. Wenn man Leute dabei beobachtet, die knietief in dieser Art von Hölle stecken, die versuchen, dort rauszukommen, die versuchen, einander da rauszuhelfen, dann sieht man, aus welchem Zeug sie wirklich geschnitzt sind. Hören Sie, wenn man einen Lokalpolitiker nach einer öffentlichen Sitzung interviewt, spinnt er Wortnetze wie ein gebildeter Spinnwurm: Alles glänzt und strahlt, ohne dass echte Substanz dahintersteckt. Sicher, er arbeitet, um seinen Job zu behalten - vielleicht arbeitet er sogar für das öffentliche Wohl und all das, es sind schon seltsamere Dinge passiert -, aber er steht unter keinem konkreten Druck, sodass er Zeit hat, sich seine Lügen in aller Ruhe zurechtzulegen und dafür zu sorgen, dass sie sauber und ordentlich rüberkommen. Aber wenn man mit einem Kommandanten spricht, dessen Einheit gerade in blutige Stücke geballert wurde, ohne Hoffnung auf Rettung und ohne dass der Feindbeschuss nachlässt? Der wird einem die Dinge so sagen, wie er sie sieht, ganz egal, wie die Konsequenzen aussehen. Krieg ist hässlich, mein Freund, hässlich, schmerzhaft und grausam - aber er reißt die Fassade ein, er streift den Schleier beiseite, er zerrt die Wahrheit ans Licht - und nur darum geht es.«

Zan nickte und kaute nachdenklich einen weiteren Bissen von seinem Abendessen. »Aber Sie sehen so viel Tod. Ganz zu schweigen davon, dass Sie selbst umkommen könnten.«

Den zuckte die Schultern. »Wenn man eine Rojofieber- Epidemie miterlebt, sieht man jede Menge Leichen. Und man kann genauso gut von irgendeinem hitzköpfigen Bengel über den Haufen gefahren werden, der zum ersten Mal mit seinem Landgleiter in die Stadt flitzt. Wenn du an der Reihe bist, dann trittst du ab - ganz gleich, wo du gerade bist, nicht wahr?«

Zan lachte leise. »Stimmt. Ganz egal, wo man sich befindet, letztlich steht man immer ganz vorn in der Reihe.«

Den gluckste ebenfalls, und einige Minuten lang schwiegen die beiden und genossen den Rest ihrer Mahlzeit. Schließlich trank der Sullustaner sein restliches Bier, rülpste und lehnte sich zurück. »Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen«, sagte er. »Vor langer Zeit erhielt ich den Auftrag, über einen kleinen Buschkrieg gegen Aufständische auf irgendeinem abgelegenen Planeten inmitten des Gordischen Sektors zu berichten. Ich hing beim Ausgang der Basis herum - einer vorfabrizierten Sammelstation, bei der die Soldaten, die nach Hause ausgeschifft wurden, für den Transport hoch in den Orbit fertig gemacht wurden. Wir waren weit hinter der Front, einen Tagesritt auf einem verkrüppelten Bantha von jeglichem Geballer entfernt, so sicher wie in Mutters Schoß - oder in der Krippe, im Beutel oder worin auch immer. Ich spreche also mit diesem menschlichen Grünschnabel. Groß, ich reichte ihm nicht mal bis zur Brust, obwohl er wirklich noch sehr jung war. Wie sich herausstellt, hat er wegen seines Alters gelogen, um zur Armee gehen zu können, er ist also gerade mal sechzehn Standardjahre alt, und nach dem Willen des Schöpfers hatte er seinen Pflichtdienst inmitten einiger sehr hitziger Gefechte ohne einen einzigen Kratzer überlebt. Siebzig Prozent seiner Einheit wurden schwärzer verkohlt als Karbonit, aber er atmet noch und ist auf dem Weg nach Hause. Bloß ein Kind. Ein Kind, das jetzt über den Krieg Bescheid weiß. Ich lasse also meine Daumenkamera laufen, nehme den Jungen auf, fange ein wenig grundlegendes >Was für ein Gefühl ist es, nach Hause zurückzukehren?< - Zeug für die Zuschauer ein, und mit einem Mal - Braa-zusch! - eröffnet jemand mit einem Impulskarabiner das Feuer, schwenkt das Ding einfach hin und her wie einen Hochdruckschlauch und mäht die Soldaten nieder, links, rechts und direkt vor sich. Einer der Aufständischen, der sich heimlich in die Truppe geschmuggelt hat, bei einem Selbstmordattentat. Die Typen von der Militärsicherheit kommen angerannt, aber sie sind nicht schnell genug da. Der Schütze kommt geradewegs auf uns zu, er sieht mich, und ich kann sehen, dass er mich sieht, und ich weiß, dass mir gleich der Datenchip gezogen werden wird. Alle brüllen mir zu: >Lauf weg!< Machen die Witze? Ich bin so vollkommen entsetzt, dass ich nicht einmal atmen kann, ganz zu schweigen von Weglaufen. Aber dann stellt sich dieser Junge, der nicht einmal bewaffnet ist, ganz entschlossen vor mich. Er bekommt den Schuss in den Bauch, der eigentlich für meinen Kopf bestimmt war, und stürzt zu Boden. Genau in diesem Moment geht dem Karabiner des Schützen die Energie aus, die Sicherheitstypen eröffnen das Feuer auf ihn, und das war's dann. Ich hocke mich neben diesem armen Menschenjungen hin, und ich sehe, dass er nicht durchkommen wird. Also frage ich ihn: >Warum hast du das getan?< Und der Junge sagt: >Sie sind so klein.<«

Yant hörte auf zu kauen und sah Den verwirrt an.

»Ich denke, dass er wusste, dass ich ein Erwachsener war, verstandsmäßig«, fuhr Den fort. »Doch in diesem Augenblick, in dem Gefahr drohte, setzte er kleinen Wuchs mit Jugend gleich. Er sprang vor mich, weil Menschen das nun einmal so machen - sie beschützen ihre Kinder. Ich habe ihm dafür gedankt, bevor er starb.« Den hielt inne. »Wissen Sie, was er gesagt hat?«

Yant schüttelte den Kopf.

»Er sagte: >Ist schon in Ordnung. Würden Sie meiner Mutter bitte sagen, dass ich sie liebe?<«

Beide schwiegen sie einen Moment lang. Yant fuhr sich mit einer Hand leicht über seine stummeligen Hörner und seufzte. »Das ist so traurig.«

»Das ist noch nicht alles.« Den blickte auf seine Hände und sah, dass sie ineinander verschlungen waren. Er löste die Finger und spürte, wie sie knackten.

»Der Schütze? Er war ebenfalls ein Mensch. Er war vierzehn. Ich bin nicht zu ihm gelangt, bevor er starb, aber einer der Sicherheitsleute schon. Die letzten Worte des Schützen waren: >Sagen Sie meiner Mutter, dass ich sie liebe!< Brüder im Tode, Kinder, die ihren Müttern Lebewohl sagen.«

Yant schüttelte wieder den Kopf.

»Das sind die Geschichten, die man an der Front erlebt, mein Freund. Das sind die Geschichten, von denen die Leute wissen müssen.« Den zuckte mit den Schultern. »Nicht, dass das den Krieg auch nur für eine Mikrosekunde ins Stocken bringen würde, aber zumindest wissen sie dann, dass das Ganze kein einziger großer Spaß ist - nicht, wenn sich Kinder gegenseitig umbringen und ihren Müttern darüber das Herz bricht.«

Irgendwie wirkte Filbas bevorstehender Untergang jetzt

nicht mehr ganz so strahlend und glorreich wie vorhin, als Den sich zum Essen hingesetzt hatte.

»Das tut mir leid«, sagte Yant.

»Ja«, meinte Den. »Tut es uns das nicht allen?«

 





 

19. Kapitel

Manchmal - in diesen Tagen nicht sonderlich häufig - hatte Jos das Gefühl, als könne er einen sterbenden Patienten ins Leben zurückrufen - dass er einen Schwerverletzten durch schiere Willenskraft am Leben halten könne, einfach indem er sich weigerte, dass der Tod ihn für sich beanspruchte.

Natürlich war es hilfreich, wenn der chirurgische Eingriff gut lief. Zuweilen jedoch ging irgendetwas schief, selbst wenn die Operation an sich technisch korrekt verlief und ganz gleich, wie sehr er sich bemühte, ganz gleich, wie sehr er sich auch das Gegenteil wünschte, lief die Lebenszeit eines Patienten ab.

So war es auch mit dem Klonsoldaten, der jetzt auf dem Tisch lag. Alles in allem war die Operation relativ einfach gewesen: Ein Schrapnellsplitter hatte den Herzbeutel eingeschnitten, sodass es zu einer Blutung ins Perikard mit damit einhergehender Herztamponade gekommen war. Allerdings war das Blut abgesaugt worden, sie hatten die Wunden geflickt, und eigentlich hätte das genügen sollen. Stattdessen hatte die Atmung des Soldaten ausgesetzt, das reparierte Herz hatte aufgehört zu schlagen, und sämtliche Bemühungen, den Kreislauf wieder in Gang zu bringen, waren gescheitert. Wäre Jos ein gläubiger Mann gewesen, hätte er gesagt, dass die Essenz seiner Selbst den Mann verlassen hatte.

Doch dies war der letzte Patient, und es war ihm gelungen, fünf andere zu retten, einschließlich einem, der anhaltende massive Verletzungen an drei Organsystemen erlitten hatte, die ersetzt werden mussten: eine mehrfach punktierte und deflationierte Lunge, eine rupturierte Milz und eine ernsthaft eingerissene Niere.

Warum hatte der Mann überlebt und dieser hier war gestorben? Das war vollkommen unerwartet, vollkommen unerklärlich und vollkommen frustrierend.

Er wusste, dass die Medizin keine exakte Wissenschaft war - oft wurden gewisse Dinge durch die Patienten verkompliziert. Man würde meinen, dass genetisch identische Klone mehr oder minder dieselben Reaktionen auf physischen Stress zeigen würden, doch das schien bei diesen beiden mit Sicherheit nicht der Fall gewesen zu sein.

Damals, als Jos noch ein ziemlich grüner Student an der Ärzteschule gewesen war, hatte er regelmäßig ein bamasisches Restaurant besucht, das unter seinen Kommilitonen der letzte Schrei gewesen war. Das Essen war günstig, aber gut, und die Portionen groß. Das Lokal befand sich in Gehweite des Studentenwohnkomplexes und hatte Tag und Nacht geöffnet - perfekt für Studenten. Die bamasische Küche war vielseitig, scharf und eher etwas für Kenner, doch Jos mochte sie. Am Ende einer Mahlzeit wurde jedem Gast als traditioneller kostenloser Nachtisch ein kleiner, süßer, gebackener Brotring gereicht, der etwa die Größe eines Armbands besaß. In die Leckerei eingebacken war ein Einmal-Holoprojektor mit Proteinschaltkreisen. Wenn man den Ring aufbrach, projizierte der Projektor eine bamasische Weisheit, die einige Sekunden lang schimmernd in der Luft hing, bevor sich die organischen Schaltkreise auflösten. Die Medizinstudenten, die wegen der Familienermäßigungen dazu neigten, in der Gruppe zu essen, fanden die Aphorismen amüsant. Häufig brachen sie alle die Brotringe im selben Moment auf und versuchten dann zügig die Homilien zu lesen, bevor sie vergingen. Einige davon waren echte Brüller: »Meide dunkle Gassen in schlechten Gegenden!« Oder: »Reich und unglücklich zu sein ist besser, als bloß unglücklich zu sein.« Oder: »Vorsicht vor lächelnden Politikern ...«

Eines Abends, als Jos von einer langen Reihe von Prüfungen und kniffligen Eingriffen erschöpft gewesen war, die er größtenteils rein nach Gefühl durchgeführt hatte, und sich überwältigt von Dingen fühlte, die er nie zu sehen geglaubt hatte, von denen er niemals auch nur in Erwägung gezogen hatte, dass sie Bestandteil seiner Ausbildung sein könnten, hatte er einen solchen gesüßten Brotring aufgebrochen und darin eine Botschaft gefunden, die für ihn ganz persönlich verfasst worden zu sein schien: »Schmälere deine Erwartungen, um Enttäuschungen zu vermeiden!«

Damals war ihm das wie eine seltsam nützliche, wenn auch irgendwie offensichtliche Weisheit erschienen. Wenn man nichts erwartete, war man auch nicht bekümmert, wenn nichts passierte. Er versuchte, sein Leben danach auszurichten und stellte fest, dass es half. Natürlich vergaß er manchmal, sich daran zu halten. Manchmal erwartete er, dass es ihm möglich sein würde, sie alle zu retten. Er war ein guter Chirurg, angesichts der Umstände vielleicht sogar ein großartiger Chirurg, und er rechnete nie damit, einen Patienten zu verlieren, der auch bloß die geringste Überlebenschance besaß. Wenn das dann doch geschah, war das stets ein Schock - und immer eine Enttäuschung.

Es war hart, das zuzugeben - sogar sich selbst gegenüber -, aber es gab Momente, in denen er sich selbst dabei ertappt hatte, dass er wegen der niemals endenden Parade verwundeter und sterbender Soldaten verbittert war. Es gab Momente, wenn sie einen Twi'lek mit einem nahezu abgetrennten Lekku hereinrollten oder einen Devaronianer, dem eine seiner Lebern perforiert worden war, dass ein kleiner Teil von ihm die Gelegenheit genoss, etwas anderes zu machen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte er tatsächlich das Gefühl, allein mit der schieren Masse an Granatsplittern, die er aus den Klonen rausgeholt hatte, einen Turm bauen zu können, der bis in die Stratosphäre hinaufreichte. Ganz zu schweigen davon, dass man den Turm mit ihrem Blut rot anmalen konnte.

Jos seufzte, als er sich auf den Weg zum Umkleideraum machte. Es war zu schade, dass er gerade keinen bamasischen Brotring zur Hand hatte, der ihm ein wenig Trost spendete...

 

Barriss war unterwegs zur Krankenabteilung, als sie an einem Soldaten vorbeikam, der im Gang draußen vor dem Haupt-OP stand. Er schien nichts anderes zu tun, als einfach dazustehen und die nackte Wand anzublicken.

Für das bloße Auge allein sahen sie alle gleich aus, doch für jemanden, der mit der Macht verbunden war, war dies nicht der Fall. Sie kannte diesen Klon. Er war ihr Patient gewesen.

Sie blieb stehen. »CT-neun-eins-vier«, sagte sie.

Er schaute sie an. »Ja?«

Sie konnte die Frage fühlen, die ihm in den Sinn kam, und sie lächelte. »Ihr seht vielleicht alle gleich aus, aber ihr seid nicht alle gleich. Eure Erfahrungen prägen euch ebenso wie eure Herkunft. Das entgeht der Macht nicht.«

Er nickte. Sie musterte ihn. »Sie haben keine Probleme mit Ihrem Blutdruck«, sagte sie, und das war keine Frage - sie wusste, dass dem so war.

»Nein. Ich fühle mich gut... körperlich.«

»Und warum sind Sie dann hier?«

Sie fühlte eher, als dass sie sah, wie Jos Vondar hinter ihr aus dem OP kam, war sich darüber im Klaren, dass er zuhörte.

»Ich habe gestern dabei geholfen, einen anderen Truppler hierherzutransportieren. CT-neun-eins-fünf.«

»Aha, und wie macht er sich?«

»Das weiß ich nicht. Er wird noch operiert.«

Jos kam zu ihnen herüber. »Neun-eins-fünf? Er, ähm, hat's nicht geschafft.«

Die Woge der Trauer, die von CT-914 ausging und über Barriss hinwegspülte, war plötzlich und stark. Doch wenn man sein Gesicht betrachtete, war kaum zu erkennen, dass er diese tiefsitzende, emotionale Seite besaß. Er sagte: »Beklagenswert. Er war ...« Er zögerte, bloß einen oder zwei Herzschläge lang. »... ein guter Soldat. Der Verlust von jemandem, der so gut ausgebildet war, ist... bedauerlich.«

Barriss bemerkte, dass Jos selbst ohne die Macht entweder im Tonfall von CT-914S Stimme oder in seiner Körpersprache, so subtil beides auch sein mochte, irgendetwas ausmachte. Er sagte: »Sie kannten ihn?«

»Er wurde unmittelbar nach mir in Dienst gestellt. Wir wurden zusammen ausgebildet, wir wurden zusammen hierher versetzt, wir gehörten zur selben Kohorte.« CT-914 zögerte erneut. »Er ... Ich habe ihn als meinen Bruder betrachtet.«

Jos runzelte die Stirn. »In gewisser Weise seid ihr alle Brüder.«

»Stimmt.« Der Klonkrieger nahm Haltung an. »Vielen Dank für Ihre Bemühungen, ihn zu retten, Doktor! Ich kehre jetzt zu meiner Einheit zurück.«

Er wandte sich um und marschierte mit ausladenden Schritten davon. Barriss und Jos sahen zu, wie er davonging. »Wenn ich es nicht besser wüsste«, meinte Jos, »würde ich sagen, dass er aufgewühlt war.«

»Und wie kommt es, dass Sie das besser wissen? Wären Sie etwa nicht aufgewühlt, wenn es Ihr Bruder gewesen wäre?«

Halb rechnete sie damit, dass er darauf mit einer Witzelei antworten würde - das war unter Umständen wie diesen seine Standardreaktion. Allerdings tat er das nicht. Stattdessen runzelte er die Stirn. »Er ist ein Klon, Barriss. Diese Art von Gefühlen wurde ihnen weggezüchtet.«

»Wer hat Ihnen denn das erzählt? Stimmt, sie sind standardisiert, ausgebildet und abgehärtet, aber sie sind keine geistlosen Maschinen. Sie bestehen aus demselben Fleisch und demselben Geist wie Sie und ich, Jos. Sie bluten, wenn man sie schneidet, sie leben und sterben, und sie betrauern den Verlust eines Bruders. CT-neun-eins-vier leidet emotional. Das verbirgt er zwar ziemlich gut, aber vor der Macht kann man solche Dinge nicht verbergen.«

Jos sah aus, als hätte sie ihm gerade ins Gesicht geschlagen. »Aber ... aber ...«

»Die Klone werden für den Kampf gezüchtet, Jos. Dafür wurden sie entworfen, und das akzeptieren sie, ohne Fragen zu stellen. Gäbe es den Krieg nicht, würden sie nicht existieren. Ein hartes Leben als Soldat ist besser als überhaupt kein Leben. Aber Sie haben es ja selbst gespürt, sogar ohne die Macht«, sagte sie, jetzt mit sanfterer Stimme. »Ganz gleich, wie stoisch er sich auch geben wollte, er konnte es nicht verbergen. Neun-eins-vier trauert. Er leidet unter dem Verlust seines Kameraden. Seines Bruders.« Jos stand sprachlos da. Sie fühlte, wie Emotionen von ihm ausgingen, wie sie es auch bei CT-914 getan hatten. »Das ist Ihnen noch nie zuvor in den Sinn gekommen, oder?«

»Ich ... es ... natürlich, ich ...« Er gab es auf. Nein, das war ihm nicht in den Sinn gekommen, nicht so jedenfalls. Das konnte sie sehen.

Wie blind jene doch waren, die die Macht nicht kannten. Wie bedauerlich für sie.

»Chirurgen sind berüchtigt für diesen gefühlskalten Umgang mit ihren Patienten«, meinte sie. »Sie neigen dazu, sich Verletzungen anzusehen und sie zu behandeln, ohne sich Gedanken über den ganzen Patienten zu machen, selbst wenn es sich um >richtige< Leute handelt. Die meisten betrachten Klone als nichts weiter als Blasterfutter. Warum sollte das bei Ihnen anders sein?«

Jos schüttelte den Kopf. Noch immer blubberte Verwirrung in seinen Gedanken. Sie fühlte sich schlecht wegen ihm. Einer der Nachteile der Fähigkeit, die Macht zu nutzen, war, dass man zuweilen Dinge erfuhr, mit denen man nicht rechnete, Dinge, die man nicht richtig verstand, ganz zu schweigen davon, dass man imstande gewesen wäre, irgendetwas deswegen zu unternehmen. Wieder und wieder hatte Barriss festgestellt, dass Macht Wissen mit sich brachte und dass das ein ausgesprochen zweifelhafter Segen war.

»Es tut mir leid, Jos. Ich hatte nicht die Absicht...«

»Nein, nein, ist schon gut. Wir sehen uns später.« Er schenkte ihr ein offenkundig aufgesetztes Lächeln und ging davon. Er wirkte, als hätte sich gerade das Gewicht des ganzen Planeten auf seine Schultern gelegt.

 

Jos ging durch das Lager. Eine klamme, unheilvolle Bö und der unversehens bewölkte Himmel kühlten den schwülen Nachmittag ein wenig ab, als - große Überraschung - ein weiteres Gewitter aufzog. Nach all den Monaten hier war er mittlerweile ziemlich gut darin, diese Dinge zu beurteilen. Er wusste, dass ihm zwei, vielleicht drei Minuten blieben, bevor der Himmel seine Schleusen öffnen würde.

»Jos«, fragte Tolk, »sind Sie in Ordnung?«

Sie war plötzlich aufgetaucht und ging nun neben ihm her. Er war so mit seinem neuen und plötzlich beunruhigenden Wissen beschäftigt gewesen, dass er sie nicht einmal bemerkt hatte.

»Ich? Mir geht's gut.«

»Nein, tut es nicht. Vergessen Sie nicht, wer ich bin. Was ist los?«

Er schüttelte den Kopf. »Mir wurde bloß eine Augenbinde abgenommen, von der ich nicht einmal wusste, dass ich sie trage. Wegen etwas, das ich als selbstverständlich betrachtet habe, über das ich bislang nie wirklich nachgedacht hatte. Ich ... komme mir ziemlich dämlich vor.«

»Nun, ist das bei Ihnen so ungewöhnlich?«

Er schaute sie an, sah ihr Lächeln und wusste ihren Versuch zu schätzen, ihn aufzumuntern. Er brachte selbst ein kleines Lächeln zustande. »Ich wette, bei den Waffenübungen in der Grundausbildung wurden Sie als >Scharfschütze< eingestuft.«

»Eigentlich habe ich es mit dem Impulsgewehr bis zum >Meister< gebracht, bloß beim Handfeuerblaster musste ich mich mit >Scharfschütze< zufriedengeben.«

»Typisch! Ich war in beiden Disziplinen >Einfacher Schütze«, was bedeutet, dass ich die Bordwand eines Sternenzerstörers nicht mal dann treffen würde, wenn ich drinnen säße.«

»Möchten Sie darüber reden?«

Er blieb stehen. Der Regen war jetzt fast da. Sie legte ihre I land auf seine Schulter, und, oh ja, er wollte darüber reden. Später - wenn sie einander festhielten, sich küssten und er glücklicher wäre als je zuvor, seit man ihn zwangsverpflichtet hatte. Dann würde er darüber reden. Dann würde sie Schwierigkeiten haben, ihn zum Schweigen zu bringen.

Aber jetzt...

»Eigentlich nicht, nein«, meinte er. Die tröstliche Berührung ihrer Hand an seiner Schulter war beinahe hypnotisch.

Dann brach das Gewitter los. Dicke, fette Regentropfen, zuerst nur wenige, pladderten zu Boden - und dann folgte der Wolkenbruch. Sie standen im Regen beisammen, ohne sich zu rühren.






 

20. Kapitel

Jos hatte gehofft, dass Klo Merit etwas Licht auf sein neu gewonnenes, unbehagliches Wissen über Klone werfen würde, doch bislang wirbelte der Mentalheiler eher Schlamm vom trüben Grund seines Bewusstseins auf, als Klarheit hineinzupumpen.

Momentan schien die Hoffnung auf Klarheit, auf Durch blick, vergebens zu sein.

»Also, worüber reden wir hier genau, wenn Sie >Fachkenntnis< sagen?«

Merit sagte: »Nun, man kann eine Menge darüber erfahren, wie viel jemand weiß, indem man ihm einfach zuhört. Sehen Sie diesen Ring?« Er hielt seine Hand so hoch, dass Jos einen Blick darauf werfen konnte. Das Schmuckstück bestand aus einem tiefgoldenen Metallring, in den ein daumennagelgroßer Stein eingelassen war. Der Stein funkelte im Schein der Deckenbeleuchtung von Merits Büro, blitzte in einer Art umlaufendem Muster in mehreren Farben - in Rot-, Blau-, Grün- und Gelbtönen -, als Merit seine Hand bewegte. Der Anblick war ziemlich beeindruckend.

Jos nickte. »Sehr hübsch. So eine Art Feuerstein?«

 

Merit lächelte. »Ja, und Ihre Frage verrät Sie als jemanden, der ein wenig darüber weiß, aber nicht allzu viel. Sie erkennen, dass es sich um einen Feuerstein handelt, doch das streift das Thema bloß oberflächlich.«

Jos zuckte mit den Schultern. »Ich bin Chirurg. Wenn Sie etwas über Nierensteine wissen wollen, bin ich genau Ihr Mann.«

»Jemand, der nicht das Geringste über Edelsteine weiß, würde sagen: >Sehr hübsch ... Was für eine Art Stein ist das?< Jemand, der etwas mehr darüber weiß, wird die Sache so kommentieren, wie Sie es getan haben, und eine Person mit einem etwas umfassenderen Wissen könnte sagen: >Ist das ein gallianischer Feuerstein oder ein rathalayischer?< Sie wissen, dass es zwischen diesen beiden Varianten einen Unterschied gibt und dass es sich vermutlich um eine von beiden handelt. Also, ein richtiger Fachmann würde sich meinen Ring ansehen und sagen: >Ah, ein schwarzer gallianischer Feuerstein, sehr hübsch! Ist der aus Kristall- oder Felsgestein?< Weil er diese Spezifika allein dadurch erkennt, dass er sich den Stein ansieht - dass es sich um einen Feuerstein handelt, dass er von Gall stammt, dass es ein schwarzer ist. Doch aufgrund der Art und Weise, wie der Stein in den Ring eingelassen ist, kann er die Rückseite nicht sehen, was bedeutet, dass er die Herkunftsart nicht bestimmen kann. Hierbei handelt es sich übrigens um ein Stück aus Felsgestein, was die Art des Gesteins bezeichnet, in dem Feuersteine manchmal gefunden werden, und der Begriff schwarz bezieht sich auf die Hintergrundfarben, vor denen die Farbblitze aufleuchten.«

Jos schüttelte den Kopf. »Jetzt weiß ich wirklich alles über Edelsteine.«

Merit lächelte breit. »Nein, tun Sie nicht. Sie könnten einen echten nicht von einer Fälschung unterschieden, und abgesehen von dem, was ich Ihnen gerade erzählt habe, wissen Sie auch sonst nicht das Mindeste darüber. Wie wertvoll ist dieser Stein, was denken Sie?«

»Selbst wenn Sie ihn im Jasserak-Sumpf gefunden hätten, könnte ich ihn mir trotzdem nicht leisten.«

»Er ist mehr wert als ein blau-weißer Diamant derselben Größe. Und wissen Sie von dem Fluch?«

»Dem >Fluch<?«

»Ja. Angeblich sollen Feuersteine Unglück bringen. Aber das war ein Schwindel, der von Diamantenhändlern in Umlauf gebracht wurde, denen Feuersteinverkäufer Geschäftseinbußen beschert haben. Das Einzige, was einen daran unglücklich macht, ist, keinen zu besitzen.«

Jos lächelte. »In Ordnung, ich verstehe Ihr Argument. Zumindest teilweise.«

»Dann hören Sie sich auch noch den Rest an. Sie waren kein Fachmann, was Klone betrifft, weil Sie nie versucht haben, einer zu sein. Warum sollten Sie sich auch die Mühe machen, wenn das Einzige, was für Ihre Belange von Bedeutung ist, darin besteht zu wissen, wie man sie aufschneidet und wieder zusammenflickt? Vor dem Krieg gab es nicht genügend Klone, um sich über dergleichen Gedanken zu machen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Sie kümmern sich um ihre Physiologie, nicht um ihre Psyche.«

»Das stimmt.«

»Allerdings sind Klone nicht die einzigen Lebewesen, über die Sie bislang vermutlich nicht sonderlich viel nachgedacht haben. Was ist mit Droiden?«

»Droiden? Was soll mit denen sein?«

»Betrachten Sie sie als Personen?«

»Ungefähr genauso sehr wie eine Tetrawelle. Das sind Maschinen.«

»Aber sie denken. Sie interagieren. Sie funktionieren.«

Jos schaute perplex drein. »Okay, aber ...«

»Lassen Sie sich einfach mal für einen Moment auf diese Diskussion ein«, fuhr Klo fort. »Ganz schlicht um der Argumentation willen: Sind Sie je einem Droiden begegnet, der Besorgnis oder Furcht ausgedrückt hat oder, sagen wir, einen Sinn für Humor besaß? Der ... sich seiner selbst be- wusst zu sein schien?«

Jos schwieg. Ja, hatte er. Sofort kam ihm I-Fünf in den Sinn. »Aber sie fühlen keinen Schmerz. Sie können sich nicht fortpflanzen ...«

»Gibt es nicht auch Personen mit neuropathischen Störungen, die keinen Schmerz empfinden? Und wer beaufsichtigt das Montageband in einer Droidenfabrik, die noch mehr Droiden baut?«

Jos lachte. »Einen Droiden kann man ein- und ausschalten, auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, ohne dass er auch nur mit seinem Fotosensor blinzelt. Natürlich«, fügte er hinzu, »kann man das mit mir ebenfalls machen, aber bloß nach einer Vierzehn-Stunden-Schicht.«

»Ich will j a nicht sagen, dass sie genauso sind wie Sie und ich. Aber wenn Sie innehalten und darüber nachdenken, werden Sie zu dem Schluss gelangen, dass ein Konstrukt, das sich seiner selbst bewusst ist, das eine emotionale Programmierung und eine Aufgabe besitzt, nicht einfach bloß ein Dummboter ist, der die Nähte des neuesten Landgleiters verschweißt.«

»Sie sind mir keine große Hilfe. Ich versuche immer noch, die Vorstellung in den Kopf zu bekommen, dass Klone ganz normale Leute sind, und jetzt wollen Sie, dass ich mich mit Droiden auseinandersetze!«

»Das Leben ist nicht einfach, Jos. Sobald man anfängt, Zellen zu Gewebe und Gewebe zu Systemen zu gruppieren, geht die Komplexitätsstufe in Zehnerpotenzen nach oben. Ich kann Ihnen keine einfachen Antworten geben - über gewisse Dinge müssen Sie sich schon selbst klar werden.«

»Was auch immer die Republik Ihnen bezahlt, es ist zu viel.«

Merit zuckte mit den Schultern, eine fließende und geschmeidige Geste. »So funktioniert die Galaxis nun einmal. Das ist nicht meine Idee gewesen. Sobald ich hier erst einmal bei allem das Sagen habe, bringe ich das in Ordnung. Bis dahin müssen wir uns damit abfinden, wie es ist.«

Jos seufzte. Wenn man Antworten wollte, waren noch mehr Fragen keine große Hilfe.

Merit schaute auf sein Chrono und erhob sich. »Unsere Sitzung ist vorbei - und ich glaube, jetzt ist es Zeit für unsere wöchentliche Partie Sabacc, oder nicht?«

»Ich erhöhe«, sagte Den. Er warf einen Zehn-Credit-Chip auf den Tisch. Das Sperrfeld verhinderte, dass der Chip zu sehr aufsprang oder davonrollte.

»Ich gehe mit«, meinte Jos, »und erhöhe um weitere zwei.« Noch zwei Chips prasselten auf den anwachsenden Haufen.

Den warf einen Blick in seine Karten und dann auf die anderen Spieler, die um den Tisch in der Cantina herumsaßen, während alle ihre Einsätze machten. Abgesehen von ihm und Captain Vondar waren da noch fünf andere: Captain Yant, Barriss Offee, der Mentalheiler Klo Merit, Tolk le Trene und I-Fünf. Bei keinem konnte Den einen Hinweis darauf ausmachen, was für ein Blatt sie in Händen hielten. Die vier organischen Lebewesen stellten alle unverbindliche Mienen zur Schau, und obgleich der Droide imstande war, subtile Ausdrücke zu erzeugen, hatte er offensichtlich ebenso wenig ein Problem damit, sie im Zaum zu halten.

Es wurde gesagt, dass Sabacc ebenso sehr ein GeschickIichkeits- wie ein Glücksspiel war, und es fiel Den nicht schwer, das zu glauben, besonders bei dieser Spielerschar. Die Chancen waren nicht unbedingt gleichmäßig verteilt: Von den sieben Spielern waren drei ausgesprochen bewandert darin, andere zu deuten. Er war sich ziemlich sicher, dass die Padawanschülerin nicht auf die Macht zurückgreifen würde, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, doch was das anging, war er bei Tolk und Merit nicht so überzeugt. Der Mentalheiler war vielleicht imstande, Gefühle in den anderen zu erspüren, die ihren emotionalen Zustand verrieten, und so einen Vorteil zu erlangen, doch Tolk würde diesbezüglich mehr Schwierigkeiten haben. Obwohl diese Gruppe nicht unbedingt dasselbe Maß an Können besaß wie eine Bande Trickspieler, die das Kronenkasino Coruscant ausnehmen wollen, beherrschten sie alle - einschließlich Den - die Kunst des »Sabacc-Gesichts« ziemlich gut - jener vollkommen emotionslosen Miene, die nicht einmal durch das Zucken eines Augenlids die geringsten Hinweise preisgab, ganz gleich welcher Art. Nicht einmal eine Lorrdianerin vermochte die Körpersprache anderer zu deuten, wenn der in- frage kommende Körper gänzlich unkommunikativ war.

»Niemand will sehen? Klasse!«, sagte Yant. »Ich nehme zwei.« Barriss, die neue Geberin, reichte ihm seine Karten.

Aus den Hyperschall-Lautsprechern drang die Stimme von einem von Filbas Untergebenen, der eine Durchsage machte. Die konzentrierten Schallstrahlen sorgten dafür, dass es den Anschein hatte, als würde er zu jedem einzelnen Individuum persönlich sprechen. »Achtung!«, sagte die Stimme zögerlich. Offensichtlich las der Sprecher eine ihm unvertraute Meldung vor. »Um, äh, null-sechshundert wird die planmäßig angesetzte Inspektion durch Admiral Bleyd stattfinden. Stellen wir sicher, dass wir ihm einen herzlichen Empfang bereiten!«

»Ah, ja«, sagte Jos. »Der Besuch von ganz oben. Ich denke, ich fange schon mal an zu salutieren, damit ich mir nachher das Gedränge erspare.«

Eine neue Runde begann, diesmal machte I-Fünf zuerst seinen Einsatz. Den hatte den Droiden mit einigem Interesse beim Spielen beobachtet. I-Fünfs Denkprozessor war zweifellos imstande, alle oder nahezu alle der Myriaden Kombinationen zu erreichen, die bei dem Sechsundsiebzig-Chip-Kartendeck möglich waren, aber nicht einmal der fortschrittlichste synaptische Netzprozessor konnte die zufällige Reihenfolge vorhersehen, in der die Karten gemischt und ausgeteilt wurden. Trotzdem war der Droide ein hervorragender Spieler, ruhig und gelassen. »Erhöhe um drei«, verkündete er.

Jos hob eine Augenbraue. »Vielleicht liegt das ja bloß an der Hitze«, sagte er, »aber ich könnte schwören, dass deine Durastahlhülle gerade anfängt zu schwitzen.«

»Das muss an einem undichten Schmierölverteiler liegen«, entgegnete I-Fünf ungerührt. »Allerdings sollte ich anmerken, dass mein Geruchssensor einen schwachen Hauch von Angstpheromonen mit Ihrer genetischen Signatur registriert, Captain Vondar.«

»Wie kommt es, dass du dich so gut aufs Kartenspielen verstehst, I-Fünf?«, fragte Den den Droiden.

»Mein Partner hat es mir beigebracht«, entgegnete der Droide. »Er besaß das Talent, ein Spiel fast immer mit mehr Credits zu beenden, als mit denen er eingestiegen ist. Er hatte mehr Narrenreihen als eine Irrenhausschwester.«

»Betrachtest du dich selbst als empfindungsfähiges, organisches Wesen wie einen Menschen?«, fragte Jos unvermittelt.

»Bloß, wenn ich besonders niedergeschlagen bin«, entgegnete der Droide.

Jos zog ein schiefes Gesicht. Bevor er darauf etwas erwidern konnte, fuhr I-Fünf fort: »In Anbetracht dessen, was ich über organische Lebewesen und die Menschen im Besonderen weiß, muss ich allerdings annehmen, dass Ihre Frage ernst gemeint ist, Captain Vondar. Ich kann darauf nur antworten, dass ich aufgrund eines kognitiven Moduls, das dem der meisten Droiden meiner Kategorie überlegen ist, sowie mangels eines Kreativitätsdämpfers bis zu einem gewissen Grad tatsächlich empfindungsfähiger als der Großteil meiner Kollegen bin. Qualifiziere ich mich damit als >lebendes< Wesen? Ich schätze, das hängt vom Auge des Betrachters ab. Allerdings vertreten die meisten Philosophen den Standpunkt, dass man diese Frage letzten Endes allein schon dadurch beantwortet hat, dass man imstande ist, sie sich zu stellen.«

Den sah, wie der Captain und der Mentalheiler einen raschen Blick wechselten, sah, wie Letzterer ein wenig lächelte. Hier ging definitiv irgendetwas unter der Oberfläche vor.

»In den zwölf Jahren, in denen ich wie der legendäre Roon-Komet kreuz und quer durch diese Galaxis geschossen bin«, fuhr I-Fünf fort, »habe ich eine Vielzahl interessanter Persönlichkeiten kennengelernt. Einige davon waren Droiden. Ich habe nach wie vor Erinnerungslücken, die mit einer Art Trauma zu tun zu haben scheinen, das ich nicht lange nach dem Verlassen von Coruscant erlitten habe. Meine Selbstreparatursysteme arbeiten daran, diese Lücken zu füllen, setzen die fehlenden Daten anhand interner Hologramme zusammen, doch meine internen Logikschaltkreise erlauben keine Synapsenverbindungen, um mit weniger als fünfundsiebzig Prozent Gewissheit weiterzumachen.«

Den warf Jos einen Blick zu. Er war an der Reihe, doch der Chirurg schien tief in Gedanken versunken, ohne zu bemerken, dass er dran war.

»Jos«, flüsterte Barriss nach einem Moment sanft.

Jos schaute auf. »Ich will sehen«, sagte er.

Alle zeigten ihr Blatt. Den gluckste, als er volle dreiundzwanzig Punkte ablegte. »Ein sauberer Sabacc!«, meinte er grinsend und griff nach den beiden Pötten. »Sehet her und schluchzt, Ladys und...«

Jos legte seine Karten hin. Den und die anderen Spieler starrten sie ungläubig an. Es war eine Narrenreihe: die Bildkarte plus eine Schwert Zwei und eine Kolben Drei.

»Gut gespielt!«, beglückwünschte ihn Tolk.

»Danke«, sagte Jos, während er die Credits einstrich. Allerdings hatte Den, der die Miene des Chirurgen betrachtete, den deutlichen Eindruck, dass Captain Vondar sein Gewinn in diesem Augenblick nicht gleichgültiger hätte sein können.

 





 

   21. Kapitel

Die Nacht war warm - natürlich. Flatterstecher, Feuerschnaken und andere glücklose Insekten flogen vorbei und schwirrten gegen die Elektrozäune, um die Lagerbeleuchtung und das bisschen blassen Sternenglanz, der es schaffte, den größtenteils bewölkten Himmel zu durchdringen, um kleine blaue Flackerlichter zu bereichern. Die beiden Monde von Drongar waren nicht einmal groß genug, dass man ihre Scheiben ausmachen konnte, sodass der Sumpf ohne die Flehr-Lichter nun ausgesprochen dunkel gewesen wäre - genau wie die gesamte Nachtseite des Planeten. An einem regnerischen Abend stammte die einzige Helligkeit von Sumpffäulnisgasen, Blitzen und dem unregelmäßigen Glühen der Feuerschnaken. In jeder Hinsicht ein unangenehmer Ort. Nun, nein, um ehrlich zu sein, bestand die feindliche Mannschaft eigentlich aus ziemlich anständigen Wesen.

Der Spion wusste, dass man dazu neigte, sich mit den Leuten zu identifizieren, unter denen man sich befand, wenn man arbeitete. Es war möglich, dass irgendwann ein Moment kam, dass man seine eigentliche Aufgabe vergaß und anfing, jene, die man eigentlich beobachten oder schädigen sollte, als echte Freunde zu betrachten. Das nannte man »sich unters Volk mischen«. Viele Agenten und Spione hatten das getan, in Kriegs- und in Friedenszeiten. Das konnte nur allzu leicht passieren. Die Feinde waren keine gesichtslosen Maschinen oder amoralische Monster, die jeden Morgen mit dem brennenden Verlangen aufstanden, loszuwüten und Böses zu tun. Nein, die meisten von ihnen waren genau wie alle anderen - sie hatten Hoffnungen, Ängste, Familien, und sie glaubten, die richtigen Dinge aus den richtigen Gründen zu tun.

Es war schwer, solche Leute zu verteufeln.

Um auf Nummer sicher zu gehen, musste man das einem Haufen junger Truppler allerdings genau so verkaufen. Man konnte sie indoktrinieren, ihnen die feindlichen Soldaten als wahnsinnige Fanatiker vor Augen führen, die nichts lieber wollten, als