16

Warum musste er es erwähnen? Warum?

Und Suze hat recht. Eins von diesen Bildern von Tarkie ist absolut unschicklich.

Ich habe Danny etwa zwanzig Nachrichten hinterlassen, die immer bissiger wurden, bis er gestern Abend endlich anrief, als ich Minnie gerade in der Wanne hatte und er auf dem Anrufbeantworter den Versuch einer Rechtfertigung hinterließ. Der hat echt Nerven.

»Becky. Okay. Hör zu. Der Typ hat total seine Kompetenzen überschritten. Ich hatte es ihm inoffiziell erzählt! Wir haben nach dem Interview noch ein bisschen geplaudert! Und eigentlich macht es doch auch nichts. Kein Mensch liest Style Central. Jedenfalls keiner von Lukes Bekannten.«

Fairerweise muss man sagen, dass das stimmt. Und das ist mein einziger Trost: Style Central hat nur ungefähr fünfhundert Leser. Ich meine, die sind alle cool und wichtig und einflussreich in Mode und Design, aber entscheidend ist, dass sie Luke nicht kennen.

Am nächsten Morgen habe ich mich gleich mit dem Redakteur in Verbindung gesetzt und ihn angefleht, mir die Adresse sämtlicher Abonnenten zu geben, und schließlich willigte er ein, eine E-Mail weiterzuleiten, in der ich sie bat, nichts zu verraten. Inzwischen sind zwei Wochen vergangen, und noch scheint nichts durchgesickert zu sein. Ich glaube, wir haben die Katastrophe verhindert. Aber entspannen kann ich mich trotzdem nicht.

Offen gesagt, stehe ich insgesamt ganz schön unter Strom. Ich schlafe nicht gut, und meine Haare sehen schrecklich aus. In gewisser Hinsicht habe ich die Party besser im Griff als vorher, denn ich habe alles gebucht, woran ich vorher nicht gedacht hatte, zum Beispiel Heizgeräte und Klos und Fußböden.

Aber alles kostet dermaßen viel Geld. Meine Kreditkarten geben langsam nichts mehr her, und es wird mir ein bisschen unheimlich. Gestern hatte ich ein eher unangenehmes Gespräch mit dieser Frau von Dixilux (ich muss besser aufpassen, wenn ich ans Telefon gehe), die wissen wollte, wieso sich meine Überweisung verzögert, und kein bisschen Mitgefühl für meine kürzlich durchgeführte Not-Wurzelbehandlung zeigte.

Mir war gar nicht bewusst gewesen ... Ich meine, ich hatte ja nicht geahnt ...

Wie dem auch sei. Heute ist der große Tag. Ich werde reinmarschieren, in meinem smartesten Kostüm eines zukünftigen Vorstandsmitglieds mit Killer Heels. Trevor ist aus dem Urlaub zurück, und um elf habe ich einen Termin bei ihm. Ich werde ihn um die Prämie für die Mitarbeiterin des Jahres bitten, plus eine Lohnerhöhung. Zahlbar sofort.

Als ich bei der Arbeit ankomme, ist mir ganz zitterig zumute. Ich habe noch nie um mehr Gehalt gebeten. Aber Luke meint, es sei völlig normal und angemessen. Er sagt, er hat Respekt vor Menschen, die ihren Wert richtig einschätzen. Und ich schätze meinen Wert auf präzise 7.200 mehr ein, als ich momentan bekomme. (Das ist der Betrag, den ich für die Party brauche. Vielleicht bitte ich vorsorglich gleich um acht.)

Ich werde keinen Aufstand machen. Ich werde einfach energisch auftreten und gleich auf den Punkt kommen. Ich werde sagen: »Ich habe die Marktlage sondiert und ausgerechnet, dass eine Einkaufsbegleiterin von meinem Kaliber achttausend Pfund mehr wert ist. Die ich gern heute als Vorschuss hätte wenn möglich.«

Oder noch besser ... sagen wir: zehn. Das ist eine hübsche, runde Summe.

Und was sind schon zehntausend Pfund unter Freunden? The Look ist ein riesiges Kaufhaus, das ungeheure Umsätze macht. Die können ohne Weiteres zehntausend Pfund für eine wertvolle Mitarbeiterin und potentielle Vorstandssprecherin aufbringen. Ich meine, Elinor hat in fünf Minuten weit mehr als zehntausend Pfund in meiner Abteilung gelassen. Was ich vielleicht erwähnen werde, falls es unvermutet zäh werden sollte.

Als ich auf der Rolltreppe stehe, summt mein BlackBerry mit zwei neuen Nachrichten. Endlich melden sich die Beleuchtungsfirma und die Security-Leute zurück. Nacheinander lese ich beide Kostenvoranschläge, und als ich fertig bin, ist mir so schummerig, dass ich beinah stolpere, als ich am oberen Ende der Treppe ankomme. Beide wollen vierstellige Beträge, die mit einer »4« anfangen, wobei die Hälfte sofort zahlbar wäre, aufgrund der späten Buchung.

Also, kurzer Überschlag: Alles in allem brauche ich jetzt ... Okay. Keine Panik. Es ist ganz einfach. Um diese Party vernünftig auszurichten, brauche ich ... fünfzehn Riesen. Fünfzehn Riesen? Will ich meinen Chef ernstlich um fünfzehntausend Pfund bitten? Allen Ernstes?

Ich möchte hysterisch loslachen oder - besser noch - weglaufen. Aber ich kann nicht. Das ist meine einzige Chance. Ich muss optimistisch bleiben. Ich muss daran glauben, dass ich fünfzehntausend Pfund mehr wert bin. Jawohl. Bin ich.

Als ich in unsere Abteilung komme, tauche ich in einen der Umkleideräume ab, schließe die Tür hinter mir zu, hole dreimal tief Luft und betrachte mich im Spiegel.

»Trevor«, sage ich so zuversichtlich wie möglich. »Ich habe die Marktlage sondiert und ausgerechnet, dass eine Einkaufsbegleiterin von meinem Kaliber fünfzehntausend Pfund mehr wert ist. Die ich gern heute als Vorschuss hätte - wenn es geht. Scheck oder Bargeld wäre gut.«

Das war schon ganz ordentlich. Abgesehen von der zitternden Stimme. Und dem Schlucken, als ich zu »fünfzehntausend« kam.

Vielleicht sollte ich mit zehntausend anfangen. Und dann sagen: ›Eigentlich meinte ich fünfzehn‹, wenn er schon dabei ist, den Scheck auszustellen.

Nein. Keine gute Idee.

Mir wird ganz flau im Magen. Das ist der Moment, in dem ich wünschte, ich könnte mit Danny tauschen. Er muss nie jemanden um Geld bitten. Im Grunde tut er, als gäbe es kein Geld.

»Becky.« Jasmine klopft an die Tür. »Deine Kundin ist da.« Okay. Ich werde einfach improvisieren. Oder hoffen, dass mir jemand einen richtig, richtig guten Tipp gibt.

Positiv bleibt zu vermerken, dass es ein wirklich guter Morgen ist. Als ich mir um halb elf einen Kaffee hole, ist der Laden voll. Jasmine und ich haben beide einen Termin nach dem anderen, und dazu schneien noch ein paar unangemeldete Kundinnen herein. Unsere Stammkundschaft darf die hübschen Umkleideräume benutzen, selbst wenn sie keinen Beratungstermin gebucht hat. Da gibt es eine Cappuccino-Maschine und Sofas und eine Schale Süßigkeiten, und man fühlt sich einfach wohl. Ein paar meiner Kundinnen kommen sogar einfach auf einen Plausch hierher.

Als ich mich umsehe und den vertrauten Geräuschen von Bügeln und Reißverschlüssen und Geplauder und Gelächter lausche, bin ich unwillkürlich stolz. Der Laden mag zu kämpfen haben, aber meine Abteilung brummt.

Jasmine verpackt einen Stapel Paul-Smith-Hemden, und beim Eintippen in die Kasse sieht sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Guck mal, was ich aus dem Internet habe.« Sie holt einen Plastikkittel hervor, auf dem BUEROMATERIAL.COM steht. »Den trage ich, wenn ich Ware ausliefere. Da stellt keiner blöde Fragen.«

»WOW«, sage ich beeindruckt. »Gut durchdacht.«

»Als Botin nenne ich mich Gwen.« Sie nickt. »Ich hab voll die zweite Identität laufen. Gwen raucht nicht. Und ihr Sternzeichen ist Fische.«

»Äh ... super!« Manchmal bin ich etwas in Sorge, dass Jasmine die ganze Mantel-und-Degen-Geschichte etwas zu weit treibt. »Hi, Louise!«

Jasmines Kundin ist bei der Kasse angekommen. Es ist Louise Sullivan, die drei Kinder und ihren eigenen Internet Lebensmittelversand hat und unablässig darüber nachdenkt, sich den Bauch wegoperieren zu lassen, was absurd ist. Sie sieht toll aus. Es ist nicht ihre Schuld, dass ihr Mann kein Taktgefühl besitzt und gern derbe Witze reißt.

»Wollen Sie Ihre Sachen gleich mitnehmen, oder möchten Sie, dass wir sie diskret anliefern?«, fragt Jasmine, als sie Louises Karte durch das Lesegerät zieht.

»Vielleicht könnte ich eine Tüte jetzt mitnehmen«, sagt Louise und kaut auf ihrer Lippe. „Aber nicht mehr als eine.«

»Kein Problem.« Jasmine nickt professionell. »Also ... liefern wir den Rest in einem Druckerpapierkarton?«

»Eigentlich ... « Louise greift in ihre Einkaufstüte. »Ich habe mir selbst was mitgebracht. Einen flachen Karton mit dem Aufdruck »Olivenöl aus Ligurien«

»Das gefallt mir.« Ich sehe, dass Jasmine Louise plötzlich mit anderen Augen sieht. »Dann also Olivenöl.« Sie nimmt den Karton. »Morgen Abend?«

»Wer von Ihnen ist Becky?«, bellt eine Männerstimme, und wir zucken alle zusammen. Es kommen nicht oft Männer in diese Etage, aber ein Kerl mit Lederjacke und fleischigem Gesicht marschiert auf uns zu. Er hält einen Karton in der Hand, auf dem »Druckerpapier«, steht, und macht ein finsteres Gesicht.

Plötzlich habe ich so ein ungutes Gefühl. Ich hoffe wirklich, dass das nur ein Druckerpapierkarton ist.

»Ich!«, sage ich beschwingt, während Jasmine den Olivenölkarton unter den Tresen schiebt und Louise sich eilig verkrümelt. »Was kann ich für Sie tun?«

»Was zum Teufel geht hier vor sich?« Er fuchtelt mit dem Karton vor mir herum. »Was ist das?«

»Äh ... ein Karton? Möchten Sie einen Termin bei einer Einkaufsberaterin, Sir«, füge ich eilig hinzu. »Die Herrenbekleidung ist eigentlich im zweiten Stock ... «

»Ich brauche keine Herrenbekleidung«, sagt er wütend. »Ich brauche eine Erklärung!«

Er knallt den Karton auf den Tresen und nimmt den Deckel ab. Jasmine und ich, wir sehen uns an. Es ist das Preen-Kleid, das ich Ariane Raynor letzte Woche verkauft habe. Oh, Gott, das muss Arianes Mann sein. Der angeblich früher mal Rockstar war, aber schon seit Jahren keinen Hit mehr hatte. Der das Aupair angebaggert hat und sich die Schamhaare bei Desperate Housewives trimmt. (Wir plaudern ziemlich viel, Ariane und ich.)

»Shop in Private.« Er zieht ein Blatt Papier aus der Tasche und liest mit lauter, sarkastischer Stimme vor. »Lassen Sie sich die Kleider diskret in einem Pappkarton mit der Aufschrift ›Druckerpapier‹ oder ›Hygieneartikel‹ liefern.«

Scheiße.

»Sie war wohl shoppen, ja?« Er knallt mir den Zettel hin. »Wie viel hat sie ausgegeben?«

Mein Handy piept, und ich sehe, dass Jasmine nickend darauf deutet. Verstohlen klicke ich die Nachricht an und sehe, dass sie von ihr ist.

Ariane ist wegen ihrer Änderung hier!!!! Ich habe sie in Raum 3 gebracht, als Du mit Victoria beschäftigt warst. Soll ich sie warnen?

Ich nicke Jasmine unauffällig zu und drehe mich wieder zu Arianes Mann um. »Mister ... «

»Raynor.«

»Mister Raynor, dazu darf ich mich leider nicht äußern«, sage ich sanft. »Ich muss die Privatsphäre meiner Kundinnen respektieren. Vielleicht könnten Sie zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen?«

»Jasmine?«, höre ich Arianes unverkennbare Stimme aus einem der Umkleideräume. »Könnten Sie sich den Saum mal ansehen? Denn ich glaube nicht, dass ... « Ihre Stimme reißt urplötzlich ab, als würde ihr jemand den Mund zuhalten - aber es ist zu spät. Man sieht ihrem Mann an, dass er sie erkannt hat.

»Ist das Ariane?« Er sieht aus, als könnte er es nicht fassen. »Geht sie schon wieder shoppen?«

Nein, tut sie nicht, du Blödmann, möchte ich am liebsten sagen. Sie lässt sich ein Kleid ändern, dass sie vor zwei Jahren gekauft hat. Und außerdem -was ist mit der Bang&Olufsen-Anlage, die du unbedingt in eurem Landhaus einbauen musstest? Die hat Trillionen mehr gekostet als ein Kleid.

Stattdessen aber lächle ich zuckersüß und sage: »Unsere Kundentermine sind vertraulich. Und wenn das alles ist ... «

»Nein, ist es nicht!« Er fängt an zu brüllen. »Ariane, du kommst sofort da raus!«

»Sir, würden Sie bitte aufhören, hier herumzuschreien?«, sage ich ganz ruhig, während ich nach meinem Handy greife und Jasmine simse: Arianes Mann kocht. Lass sie hinten raus.

»Ariane, ich weiß, dass du da drinnen bist!« ruft er drohend. »Ich weiß, dass du mich belogen hast!« Er steuert auf den Eingang zu, aber ich verstelle ihm den Weg.

»Ich fürchte, ich kann Sie hier nicht reinlassen.« Ich lächle. »Nur Kundinnen dürfen in den Personal-Shopping-Bereich. Das werden Sie sicher verstehen.«

»Verstehen?« Seine Wut wendet sich gegen mich. »Ich will Ihnen sagen, was ich verstehe. Ihr Hexen steckt alle unter einer Decke. Von wegen Druckerpapier.« Er schlägt mit der Faust auf den Karton. »Einsperren sollte man euch, alle, wie ihr da seid!«

Unwillkürlich zucke ich zurück. Seine blauen Augen sind blutunterlaufen, und plötzlich frage ich mich, ob er wohl trinkt.

»Es ist nur eine diskrete Verpackungsoption.« Ich bemühe mich um eine ruhige Stimme. »Nicht jede Frau möchte in diesen Zeiten ein Designer-Label zur Schau stellen.«

»Kann ich mir vorstellen.« Er mustert mich wütend. »Jedenfalls nicht vor ihrem Trottel von Ehemann. Sind wir hier bei ›Wer kann seinen Mann am besten foppen?‹«

Ich bin so aufgebracht, dass ich laut stöhne.

»Die meisten meiner Klientinnen haben ihr eigenes Einkommen«, erkläre ich und zwinge mich, höflich zu bleiben. »Und ich denke, es ist ihre Sache, wofür sie es ausgeben, oder wie sehen Sie das? Soweit ich weiß, läuft Arianes Möbelgeschäft momentan sehr gut, oder?«

Den kleinen Stich kann ich mir nicht verkneifen. Ich weiß, dass ihr Erfolg ihn unter Druck setzt. Sie sagt es jedes Mal, wenn sie kommt. Und dann sagt sie, dass sie ihn verlassen will. Und am Ende unserer Sitzung weint sie dann und sagt, dass sie ihn wirklich liebt.

Ehrlich. Shoppen ist besser als jede Therapie. Es kostet dasselbe, aber man kriegt noch ein Kleid obendrauf.

»Ariane!« Er will sich an mir vorbeidrängen.

»Halt!« Ich packe ihn beim Arm, fuchsteufelswild. »Ich sage Ihnen doch, nur Kundinnen dürfen in den ...«

»Aus dem Weg!« Er schüttelt mich ab wie eine Puppe. Okay. Jetzt geht es ums Prinzip. Niemand kommt hier rein und stürmt an mir vorbei in meine Abteilung. »Nein! Sie gehen nicht da rein!« Ich packe ihn bei den Schultern, aber er ist zu stark. »Jasmine!«, schreie ich, während ich mit ihm ringe. »Bringen Sie alle Kundinnen in Sicherheit!«

»Verdammt, lass mich da rein!«

»Das hier ist ein privater Einkaufsbereich ...« Ich keuche vor Anstrengung, ihn zurückzuhalten. »Was geht hier vor sich?« Direkt hinter mir höre ich eine tiefe Stimme und lasse los. Ich fahre herum und weiß längst, dass es Trevor ist. Gavin lauert hinter ihm und freut sich wie ein Zuschauer in einer Unterhaltungsshow. Trevor sieht mich mit grimmigem Blick an, der mir sagen soll, dass es hoffentlich einen guten Grund für das alles gibt, und achselzuckend erwidere ich den Blick, als wollte ich sagen: »Ja, gibt es.«

Als Trevor sich Mister Raynor zuwendet, verwandelt sich seine Miene plötzlich in Erstaunen. »Meine Güte! Ist das ...

Doug RaYrlor?«

Hätte ich mir denken können, dass er irgendeinen Uralt Rocker kennt, von dem kein Mensch je gehört hat.

»Yeah.« Doug Raynor plustert sich auf. »Der bin ich.«

»Mister Raynor, wir sind hocherfreut, Sie hier bei The Look zu haben.« Trevor geht voll in seinen unterwürfigen Geschäftsführer-Modus über. »Wir sind hier alle Riesenfans. Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann ...«

»Das können Sie allerdings«, fällt Doug Raynor ihm ins Wort. »Sie können mir erklären, was es hiermit auf sich hat. Sie nennen es vielleicht »diskretes Shoppen« Ich nenne es »gemeines Lügen.« Er knallt den Zettel auf den Tresen. »Und morgen rufe ich die Daily World an. Und entlarve die ganze Bande hier.«

»Was ist das?«, sagt Trevor verwundert. »Shop in Private?«

»Weiß ich davon was?«

»Das ist. .. äh ...« Plötzlich fühlt sich mein Mund ganz trocken an. »Ich wollte es noch erwähnen ... «

Ich merke, wie mir das Blut ins Gesicht steigt, während Trevor den Zettel schweigend liest. Als er schließlich aufblickt, sind seine Augen zwei schwarze Löcher der Missbilligung.

Nein. Schlimmer als Missbilligung. Er sieht aus, als wollte er mich ermorden. Gavin liest über Trevors Schulter hinweg. »Sie geben sich als Putzfrauen aus?« Er schnaubt vor Lachen. »Du meine Güte, Becky ... «

»Halten Sie das für richtig?«, stimmt Doug Raynor mit ein. »Würden Sie sagen, dass ein angesehenes Kaufhaus so was tun sollte? Das ist kriminell. Das ist arglistige Täuschung, nicht mehr und nicht weniger!«

»Gavin.« Trevor geht voll auf Schadensbegrenzung. »Seien Sie doch so nett, und begleiten Sie Mister Raynor in die Herrenabteilung, und offerieren Sie ihm einen neuen Anzug, auf Kosten des Hauses. Mister Raynor, vielleicht darf ich Ihnen danach ein Glas Champagner in der Oyster Bar anbieten, und dann könnten Sie mir Ihre Bedenken direkt vortragen?«

»Yeah.«

»Und Ihnen werde ich was erzählen, das kann ich Ihnen versprechen.« Doug Raynor ist offensichtlich hin und her gerissen, ob er bleiben und noch etwas herumschreien oder einen kostenlosen Anzug anprobieren soll, aber schließlich lässt er sich von Gavin mitschleppen. Auch Jasmine ist hinten in den Umkleideräumen verschwunden.

Zurück bleiben nur Trevor und ich - und beängstigende Stille.

»Sie . .. Sie sagten, Sie wollten wissen, welches Geheimnis hinter unserem Erfolg steht« presse ich hervor. »Nun, das ist es.«

Trevor sagt nichts, liest nur den Zettel noch mal durch, hält ihn mit verkrampften Fingern fest. Je länger er schweigt, desto unsicherer werde ich. Offensichtlich ist er wütend ... aber könnte er vielleicht auch ein wenig beeindruckt sein? Sagt er vielleicht gleich: »Auch im Einzelhandel gilt: Frechheit siegt?« Sagt er vielleicht, das Ganze erinnert ihn an eine dreiste Nummer, die er mal abgezogen hat, als er anfing, und ob ich gern sein spezieller Protege sein möchte?

»Becky.« Endlich hebt er den Kopf, und mein Herz schöpft Hoffnung. Seine Augen sind keine schwarzen Löcher mehr. Er wirkt ganz ruhig. Ich glaube, es ist okay. »Wollten Sie mich heute deshalb sprechen? Hatten Sie dafür den 11-Uhr-Termin ausgemacht?«

Er klingt so vernünftig, dass ich mich entspanne. »Eigentlich nicht. Ich wollte noch was anderes mit Ihnen besprechen ...«

Wieder herrscht Schweigen zwischen uns. Plötzlich frage ich mich, ob das der richtige Moment ist, von der Lohnerhöhung anzufangen. Ich meine, ja, er ist sauer wegen des Zettels, aber das wird doch sicher meine Karriere nicht gefährden, oder? Besonders nicht, wenn ich sein spezieller Protege werde.

Okay. Ich mache es.

Nur bitte ich ihn nicht um fünfzehn. Ich bitte um zehn.

Nein, zwölf.

Ich hole tief Luft und balle beide Hände zu Fäusten.

»Trevor, ich habe die Marktlage sondiert und ausgerechnet, dass eine Einkaufsberaterin von meinem Kaliber ... «

»Becky ...« Er fällt mir ins Wort, als hätte er mich gar nicht gehört. »Ihre sogenannte Initiative war ungenehmigt, unangemessen und unaufrichtig.«

Er klingt so kalt und distanziert, direkt beunruhigend. Okay, vergiss erst mal die Lohnerhöhung. Ich konzentriere mich vorerst auf das Geld für die Mitarbeiterin des Jahres. Ich meine, das kann er mir ja nicht wegnehmen, oder? Egal wie sauer er ist.

»Äh, Trevor, wissen Sie noch, wie Sie gesagt haben, dass ich Mitarbeiterin des Jahres werden soll?«, versuche ich es eilig noch einmal. »Also, ich habe mich gefragt ... «

»Mitarbeiterin des Jahres? Soll das ein Witz sein?« Seine Stimme hat so eine stählerne Schärfe, dass ich nervös einen Schritt zurückmache.

Plötzlich fallt mir auf, wie sehr er die Lippen zusammenpresst. Oh, Gott, ich habe mich geirrt. Er ist wütend. Auf diese schreckliche, stille, furchteinflößende Weise. Plötzlich sind meine Hände ganz klamm.

»Sie haben ein Verhalten an den Tag gelegt, das zum Schaden von The Look sein dürfte.« Seine Stimme klingt unerbittlich. »Sie haben mich und die Geschäftsleitung hintergangen. Sie haben den anständigen Gepflogenheiten dieses Unternehmens zuwidergehandelt und vor den Kunden eine lautstarke Auseinandersetzung provoziert. Dieses Verhalten ist zutiefst unprofessionell. Ganz zu schweigen davon, dass Sie den ganzen Laden vor Doug Raynor, einer prominenten Persönlichkeit, unmöglich gemacht haben. Meinen Sie, dass er je wieder zu uns kommt, um hier einzukaufen?«

»Ich weiß, ich hätte mir vorher die Erlaubnis holen sollen«, sage ich eilig. »Und es tut mir furchtbar leid. Aber nur deshalb waren meine Umsätze so gut! Wegen ›Shop in Private‹! Alle meine Kundinnen sind begeistert. Sie haben mir sogar geschrieben, wie begeistert sie sind. Die Abteilung brummt, alle sind glücklich, alle kaufen was ... «

Trevor hört mir überhaupt nicht zu.

»Becky, es tut mir leid, aber Sie sind ab sofort und bis auf weiteres beurlaubt.« Er sieht mich an wie einen nichtswürdigen Wurm. »Holen Sie bitte ihre Sachen, und gehen Sie!«