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Warum habe ich so viel Zeug? Warum? warum?

Jetzt habe ich alles im Haus zusammengesammelt und gezählt. Und es ist eine totale Katastrophe. Nie im Leben kann ich das alles in zwei Wochen tragen. Eher in zwei Jahren.

Wie kann man nur so viele Jeans haben? Und T-Shirts? Und alte Strickjacken, die ich schon vergessen hatte?

Das Gute dabei ist, dass ich einen Whistles-Mantel gefunden habe, den ich total vergessen hatte und der mit einem Gürtel bestimmt toll aussieht. Und eine Röhrenjeans von True Religion, die noch in der Plastiktüte war und unter einem Stapel von Lancome-Geschenksets lag.

Nicht so gut ist, dass da ungefähr achtzehn graue T-Shirts sind, alle oll und ausgeleiert. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, irgendwelche davon gekauft zu haben. Und ein paar echt peinliche Billigkäufe. Und das Schlimmste ist, dass Luke Jess erzählt hatte, ich würde eine Kleiderzählung machen, und sie auf der Stelle beschlossen hatte, mir zu helfen. Somit konnte ich leider nicht umsetzen, was ich vorhatte, nämlich alle Sachen, die ich nicht leiden kann, in einen Plastiksack zu stopfen und heimlich aus dem Haus zu schaffen.

Jess war gnadenlos. Sie hat mich gezwungen, eine Liste von allen meinen Sachen anzulegen, und ich durfte nichts unberücksichtigt lassen. Nicht die unvorteilhaften Hot Pants, nicht die grauenvolle, kastanienbraune Lederweste (was habe ich mir dabei bloß gedacht?), nicht mal die ganzen alten Werbe-T-Shirts und Schuhe, die ich von Zeitschriften umsonst bekommen habe. Und da war ich noch nicht mal bei den komischen indischen Kleidern angekommen, die ich auf unserer Hochzeitsreise gekauft habe.

Wenn ich diese dunkelbraune Lederweste dreimal in der Öffentlichkeit anziehen muss, sterbe ich.

Mürrisch blicke ich an mir herab. Ich stecke in einem von Zillionen ungetragener weißer T-Shirts, mit einer schwarzen Hose und einer Weste über einer langen Strickjacke. Auf diese Weise versuche ich zu überleben - indem ich jeden Tag so viele Schichten wie möglich übereinander trage und sie so hinter mich bringe. Trotzdem muss ich nach Jess‘ Berechnung bis zum 23. Oktober nicht mehr shoppen gehen. Und wir haben erst Januar. Ich könnte heulen. Blöde, blöde Banken.

Insgeheim hatte ich gehofft, diese ganze Finanzkrise wäre eine von diesen kurzen Angelegenheiten, die kommen und gehen, und alle sagen: »Haha, schön bescheuert von uns, dass wir so einen Aufstand wegen nichts gemacht haben! Wie damals, als es hieß, ein entlaufener Tiger sei in Oxshott unterwegs, und alle hysterisch wurden, und dann stellte sich raus, dass es nur irgend eine Katze war.«

Aber niemand sagt: »Haha, schön blöd von uns. Es steht noch immer in allen Zeitungen, und alle machen sich Sorgen. Heute Morgen hat Mum ihren Toast betont auffällig ohne Marmelade gegessen und Dad die ganze Zeit verächtliche Blicke zugeworfen. Ich habe Trübsal geblasen und versucht, die Christian-Dior-Anzeige auf der Rückseite von Dads Zeitung zu ignorieren. Selbst Minnie war bedrückt.

Und als ich zur Arbeit komme, ist alles sogar noch deprimierender. Ich leite die Personal-Shopping-Abteilung bei The Look, was ein Kaufhaus an der Oxford Street ist. Anfangs lief es nicht allzu gut, aber in letzter Zeit brummt der Laden. Wir hatten haufenweise Events und eine tolle Medienresonanz, und die Gewinne gehen rauf, sodass wir sogar alle einen Bonus bekommen haben!

Doch heute ist im Laden nichts los. Die Abteilung für Damenmode ist totenstill, und fast alle Termine in der Personal-Shopping-Abteilung wurden abgesagt. Es ist ein ziemlich deprimierender Anblick, eine ganze Spalte Buchungen mit dem Vermerk .« Gestrichen«

»Alle haben gesagt, sie hätten sich erkältet«, erklärt Jasmine, meine Kollegin, als ich bestürzt im Terminkalender blättere. »Man sollte meinen, sie könnten sich was Originelleres ausdenken.«

»Zum Beispiel?«

Jasmine klappert mit ihren hellgrünen Fingernägeln, die sich total mit ihren violetten Leopardenmuster-Augen beißen. (Gefärbte Kontaktlinsen sind ihr neuester Tick. Eigentlich hat sie ein blaues und ein grünes Auge und meint deshalb, sie hätte sich schon daran gewöhnt, dass die Leute sie anstarren.)

»Zum Beispiel dass sie auf Entzug gehen«, sagt sie schließlich. »Oder dass ihr kokainsüchtiger Ehemann sie zusammengeschlagen hat und sie in einem Frauenhaus untertauchen mussten. So was würde ich jedenfalls sagen.«

Gott im Himmel, Jasmine ist echt schräg. Wir könnten kaum unterschiedlicher sein, wir beide. Jasmine benimmt sich, als wäre ihr alles egal, einschließlich ihrer eigenen Kunden. Sie sagt den Leuten, dass sie scheiße aussehen, dass sie keinen Stil haben, dass sie ihre Klamotten in den Müll schmeißen sollen ... dann pfeffert sie ihnen achselzuckend irgendein Kleidungsstück hin, und sie ziehen es an und sehen dermaßen spektakulär aus, dass sie es unmöglich nicht kaufen können. Manchmal kommen sie richtig ins Schwärmen, oder sie versuchen, sie zu umarmen, aber sie verdreht nur die Augen und sagt: »Oh, bitte!«

»Oder sie könnten auch ehrlich sein.« Jasmine wirft ihr langes, blond gefärbtes Haar zurück. »Sie könnten sagen: »Ich habe kein Geld, die Scheißbank hat alles verzockt.« Bist du dir darüber im Klaren, dass der Laden hier in absehbarer Zeit zumachen wird?«, fügt sie fast fröhlich hinzu und deutet um sich. »Im Grunde ist das ganze Land geliefert. Es ist eine Riesenschweinerei. Ich ziehe wahrscheinlich nach Marokko.« Argwöhnisch mustert sie mein Hemd. »Ist das nicht von Chloe, vorletzte Saison?«

So etwas entgeht Jasmine nicht. Ich überlege, ob ich sagen soll: »Nein, das ist von einem kleinen Label, das du nicht kennst« , oder: »Ja, das ist Vintage«, als eine Stimme ängstlich sagt: »Becky?« Da ich meinen Namen höre, drehe ich mich um und staune. In der Tür steht Davina, eine meiner Stammkundinnen. Ich erkenne sie kaum wieder, im Regenmantel, mit Kopftuch und Sonnenbrille.

»Davina! Sie sind gekommen! Schön, Sie zu sehen!«

Davina ist Mitte dreißig und Ärztin am Guy‘s Hospital. Sie ist eine weltweit anerkannte Spezialistin für Augenkrankheiten und außerdem mehr oder weniger eine weltweit anerkannte Spezialistin für Prada-Schuhe, denn die hat sie schon mit achtzehn gesammelt. Heute hatte sie zwar einen Termin, um sich ein neues Abendkleid auszusuchen, aber nach meinem Kalender zu urteilen wurde er abgesagt.

»Ich sollte gar nicht hier sein.« Misstrauisch sieht sie sich um. »Ich habe meinem Mann versprochen, ich hätte abgesagt. Er macht sich ... Sorgen ums Geld.«

»Wie alle«, sage ich verständnisvoll. »Möchten Sie Ihren Mantel ablegen?«

Davina rührt sich nicht.

»Ich weiß nicht«, sagt sie schließlich und klingt bedrückt.« Ich sollte nicht hier sein. Wir hatten einen Streit deswegen. Er hat mich gefragt, wozu ich ein neues Kleid brauche. Und dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, Geld aus dem Fenster zu werfen. Aber ich habe ein Forschungsstipendium vom Taylor Research Fellowship gewonnen. Meine Abteilung gibt mir zu Ehren einen Empfang.« Plötzlich fängt ihre Stimme an zu beben. »Es ist gewaltig, dieses Stipendium. Es ist eine unglaubliche Ehre. Ich habe dafür geschuftet, und ich werde nie wieder eins bekommen, und ich habe das Geld für ein Kleid. Ich habe gespart, und es ist kein Problem. Wir sind nicht mal bei der Bank of London!«

Sie klingt so aufgebracht, dass ich sie am liebsten umarmen würde. Davina nimmt nichts auf die leichte Schulter. Sie denkt über jedes Stück nach, das sie kauft, und hält sich an die gut gearbeiteten Klassiker. Wahrscheinlich freut sie sich schon seit Ewigkeiten auf dieses Kleid.

Wie gemein ihr Mann ist! Er sollte stolz auf seine Frau sein, wenn sie einen Preis bekommt.

»Wollen Sie reinkommen?«, versuche ich es noch mal. »Auf einen Kaffee?«

»Ich weiß nicht«, sagt sie wieder ganz leise. »Es ist so schwierig. Ich sollte gar nicht hier sein.«

»Sie sind aber hier«, gebe ich zurück. »Wann ist der Empfang?«

»Freitagabend.« Sie nimmt die Sonnenbrille ab, um ihre Stirn zu massieren, und starrt plötzlich an mir vorbei zur Kleiderstange in meinem Ankleideraum. Dort hängen alle Kleider, die ich letzte Woche für sie ausgesucht habe. Ich hatte Jasmine gesagt, sie sollte sie heute Morgen rauslegen.

Da hängen ein paar traumhafte Stücke. In jedem davon würde Davina toll aussehen. Ich sehe, wie das Verlangen in ihren Augen wächst.

»Sind das ... ?«

»Nur ein paar Optionen.«

»Ich kann nicht.« Verzweifelt schüttelt sie den Kopf. »Ich kann nicht in etwas Neuem auftauchen.«

»Würde Ihr Mann denn merken, dass es neu ist?«, kann ich mir nicht verkneifen. Ich sehe, wie der Gedanke in ihr arbeitet.

»Vielleicht nicht«, sagt sie schließlich. Ihre Stirn glättet sich ein wenig ... dann runzelt sie sich wieder sorgenvoll. »Aber ich kann unmöglich mit irgendwelchen Einkaufstüten nach Hause kommen. Oder mir etwas liefern lassen. Und ich kann es mir auch nicht zur Arbeit liefern lassen. Alle meine Kollegen würden darüber reden und es sehen wollen, und das würde meinem Mann zu Ohren kommen. Das ist der Nachteil, wenn man im selben Krankenhaus arbeitet.«

»Wie wollen Sie dann ein Kleid kaufen?«, sagt Jasmine barsch. »Wenn Sie es nicht mit nach Hause nehmen und auch nicht liefern lassen können?«

»Ich weiß nicht.« Davina wirkt etwas geknickt. »Ach, es ist hoffnungslos. Ich sollte gar nicht hier sein.«

»Doch, das sollten Sie!«, sage ich energisch. »So schnell geben wir nicht auf. Kommen Sie rein, trinken Sie einen Kaffee, und sehen Sie sich die Kleider an! Und ich lasse mir derweil was einfallen.“

Im seIben Moment, als Davina Philosophy di Alberta Ferretti anzieht, wissen wir es beide. Sie muss es haben. Es ist ein Etuikleid, schwarz wie dunkle Schokolade, mit einem Hauch von Chiffon, und es kostet fünfhundert Pfund und ist jeden Penny wert.

Jetzt muss ich mir also überlegen, wie wir es machen wollen. Und bis sie wieder angezogen ist und das Sandwich aufgegessen hat, das ich ihr bestellt habe, weiß ich auch wie. Hiermit führen wir einen neuen, ganz besonderen Shopping Service bei The Look ein, den SIP (Shop In Private). Bis zum Mittag habe ich alle Arrangements für Davina getroffen und mir zusätzlich ein paar Neuerungen einfallen lassen. Ich habe sogar eine kurze E-Mail zum Thema SIP verschickt, die anfangt mit: »Haben Sie ein schlechtes Gewissen, weil Sie in diesen schweren Zeiten einkaufen gehen? Brauchen Sie mehr Diskretion?«

Ich will nicht prahlen, aber ich bin ziemlich stolz auf meine Ideen. Die Kundinnen können in die Personal-Shopping-Abteilung kommen, sich neue Sachen aussuchen und dann unter folgenden, diskreten Lieferoptionen wählen:

  1. Die Ware wird bei uns auf Standby gehalten und zu einem passenden Zeitpunkt (wenn niemand zu Hause ist) per Fahrradkurier zugestellt.
  2. Die Sachen werden in einem Pappkarton mit der Aufschrift »Druckerpapier« oder »Hygieneartikel« geliefert.
  3. Eine Mitarbeiterin (ich oder Jasmine) gibt sich als Freundin aus, die sie zu Hause besucht und die Sachen als »abgelegte Kleidung« deklariert.
  4. Eine Mitarbeiterin (ich oder Jasmine) gibt sich als Putzfrau aus und versteckt die Kleider bei Ihnen zu Hause an einem vorher vereinbarten Ort.
  5. Für ein größeres Entgelt bauen Mitarbeiterinnen von The Look (ich und Jasmine) an einem mit Ihnen abgesprochenen Ort einen »Wohltätigkeitsstand« auf, an dem die Kundin im Beisein ihres Ehemannes oder Partners Kleidung zu einem äußerst günstigen Preis »erwerben« kann.

* Diese Option dürfte sich vermutlich besonders für Gruppen eignen.

Davina hat sich für die »Druckerpapier«-Option entschieden. Als sie ging, leuchteten ihre Augen vor Begeisterung, und sie nahm mich fest in die Arme, sagte, sie würde mir Fotos von dem Empfang schicken, und ich hätte ihr absolut den Tag gerettet. Nun, sie hat es verdient. Sie sieht in diesem Kleid fantastisch aus, und diese Feier wird sie nie vergessen. Als ich mich auf den Weg zu meinem Lunch mit Bonnie mache, bin ich eigentlich ganz zufrieden mit mir.

Hin und wieder kommen mir allerdings gewisse Zweifel, weil ich den ›Shop In Private‹-Plan mit keinem meiner Bosse abgesprochen habe. Etwa dem Geschäftsführer oder dem Marketing-Chef. Streng genommen hätte ich mir eine neue Initiative wie diese genehmigen lassen sollen, bevor ich sie öffentlich mache. Aber das Problem ist, dass sie Männer sind. Die würden es nie verstehen. Vermutlich würden sie nur unsinnige Einwände äußern, und uns würde die Zeit weglaufen, und wir würden alle unsere Kundinnen verlieren.

Also tue ich das Richtige. Ja. Da bin ich mir ganz sicher.

Ich treffe mich mit Bonnie in einem Restaurant in der Nähe von Brandon Communications, und als ich eintreffe, sitzt sie schon an einem Tisch, das personifizierte Understatement im beigefarbenen Tweedkleid mit Lackpumps.

Wenn ich Bonnie bisher getroffen habe, schien sie mir immer zurückhaltend und mustergültig, fast übermenschlich. Inzwischen jedoch weiß ich, dass sie etwas verbirgt - denn ich habe es gesehen. Bei der letzten Weihnachtsfeier von Brandon Communications habe ich sie zufällig beobachtet, als wir alle auf der Tanzfläche waren und wie wild bei ›Dancing Queen‹ mitgesungen haben. Bonnie saß allein an einem Tisch, und als ich hinsah, hat sie sich heimlich eine der übrig gebliebenen Haselnussschokoladen genommen, die noch auf den Tellern lagen. Dann noch eine. Sie ging um den ganzen Tisch herum, bediente sich diskret bei der Schokolade, wobei sie das Papier fein säuberlich faltete und es in ihre Abendtasche steckte. Ich habe es niemandem erzählt, nicht mal Luke, denn irgendetwas sagte mir, sie wäre entsetzt, wenn sie feststellen müsste, dass man sie beobachtet hat. Und aufziehen dürfte man sie damit schon gar nicht.

»Becky«, begrüßt sie mich mit ihrer tiefen, wohlklingenden Stimme. »Wie schön, Sie zu sehen. Ich habe uns etwas Mineralwasser bestellt ... «

»Prima!« Ich strahle sie an. »Und vielen Dank, dass Sie mir helfen wollen.«

»Oh, das macht doch keine Umstände. Lassen Sie mich Ihnen kurz zeigen, was ich bisher gemacht habe.«

Sie holt eine Plastikmappe hervor und fängt an, verteilt bedrucktes Papier auf dem Tisch. »Gäste ... Kontakte ... spezielle Verpflegungswünsche ... «

Staunend glotze ich die Seiten an. Luke hat recht, Bonnie ist unglaublich. Sie hat eine vollständige Gästeliste aus Lukes geschäftlichen und privaten Adressbüchern zusammengestellt, komplett mit Adressen und Telefonnummern und einem kleinen Absatz dazu, wer die jeweilige Person ist.

»Alle in der Firma haben den Abend des 7. April geblockt«, fährt sie fort. »Ich habe Garry ins Vertrauen gezogen, und wir haben uns eine Schulung für die gesamte Firma ausgedacht. Hier, sehen Sie ... «

Sprachlos betrachte ich das Blatt Papier, das sie mir hinhält. Es ist der Ablaufplan für eine »Schulung aller Mitarbeiter bei Brandon Communications«, von 17:00 Uhr bis in den späten Abend, mit »Drinks« und »Gruppenaktivitäten« und »Diskussionskreisen«. Es sieht so echt aus! Sogar der Name von dem Laden, wo das alles stattfinden soll, ist unten vermerkt.

»Das ist großartig«, sage ich schließlich. »Absolut fantastisch. Bonnie, vielen, vielen Dank ... «

»Nun, es bedeutet, dass Sie vorerst noch niemandem in der Firma die Wahrheit sagen müssen.« Sie schenkt mir ein kleines Lächeln. »So etwas behält man lieber so lange wie möglich für sich.«

»Absolut.« Leidenschaftlich gebe ich ihr recht. »Je weniger Leute in das Geheimnis eingeweiht sind, desto besser. Ich habe eine Liste der Personen angelegt, die Bescheid wissen, und halte den Daumen drauf.«

»Sie scheinen die Sache gut im Griff zu haben.« Sie lächelt ermutigend. »Und wie laufen die Partyvorbereitungen selbst?«

»Kein Problem«, sage ich sofort. »Ich meine ... ich habe noch nicht so ganz alles fertig ... «

»Haben Sie schon mal daran gedacht, einen Partyplaner zu engagieren?«, fragt Bonnie freundlich. »Oder so einen Concierge Service? Es gibt da einen ganz bestimmten, den mehrere meiner Arbeitgeber genutzt haben. Er nennt sich The Service. Sehr effizient. Kann ich nur empfehlen.«

Sie zückt einen Notizblock und schreibt mir eine Nummer auf. »Diese Leute würden Ihnen bestimmt helfen, was Organisation, Lieferanten, Personal und dergleichen angeht. Aber das ist nur ein Vorschlag.«

»Danke!« Ich nehme den Zettel und stecke ihn in meine Handtasche. Das ist vielleicht gar keine schlechte Idee. Ich meine, nicht dass ich Hilfe bräuchte. Nur falls es irgendwo mal brennt.

Der Kellner kommt, und wir bestellen beide Salat. Dann schenkt er uns Wasser nach. Als Bonnie gewissenhaft trinkt, mustere ich sie unwillkürlich voller Neugier. Wenn man es recht bedenkt, ist sie die andere Frau in Lukes Leben. (Nicht Camilla Parker-Bowles-mäßig. Definitiv nicht. Ich werde nicht wieder in die Falle tappen und denken, Luke hätte eine Affäre, und Privatdetektive anheuern und mich wegen nichts und wieder nichts fertigmachen.)

»Möchten Sie etwas Wein, Becky?«, sagt Bonnie plötzlich. »Ich muss ja leider wieder zur Arbeit. .. « Bedauernd lächelt sie mich an.

»Ich auch«, nicke ich, mit meinen Gedanken nach wie vor bei ihr.

Sie verbringt mehr Zeit mit Luke als ich. Sie weiß alles über sein Leben. Dinge, von denen er mir nie erzählt. Wahrscheinlich weiß sie sogar das ein oder andere, was interessant sein könnte.

»Und ... wie ist Luke so als Chef?«, kann ich mir nicht verkneifen. »Er ist bewundernswert.« Sie lächelt und nimmt ein Stück Brot aus dem Korb. Bewundernswert. Das ist so typisch. Diskret, verbindlich, sagt mir nichts.

»Wie bewundernswert ist er genau?«

Bonnie betrachtet mich mit merkwürdigem Blick, und plötzlich merke ich, dass ich ein bisschen übers Ziel hinausschieße. »Na, Mister Perfect ist er bestimmt nicht«, füge ich eilig hinzu. »Es muss doch etwas geben, was Sie stört.«

»Das kann ich so nicht sagen.« Sie schenkt mir noch ein verschlossenes Lächeln und nippt an ihrem Wasser. Will sie jede Frage so abwehren? Plötzlich spüre ich das Bedürfnis, hinter ihre professionelle Fassade zu blicken. Vielleicht könnte ich sie mit einer Nussschokolade ködern.

»Kommen Sie, Bonnie!«, beharre ich. »Es muss doch irgendwas geben, was Sie an Luke stört. Also, mich stört es, dass er ständig mitten im Gespräch mit seinem BlackBerry herumhantiert.«

»Ehrlich.« Bonnie gibt ein beherrschtes Lachen von sich. »Das kann ich nicht sagen.«

»Doch, können Sie!« Ich beuge mich über den Tisch. »Bonnie, ich weiß, dass Sie sich professionell verhalten möchten. Genau wie ich. Aber das hier ist inoffiziell. Wir können ehrlich miteinander sein. Ich werde dieses Restaurant nicht verlassen, bevor Sie mir nicht gesagt haben, was Sie an ihm stört.«

Bonnie ist ein wenig rot angelaufen und sieht dauernd zur Tür, als suchte sie nach einer Fluchtmöglichkeit.

»Sehen Sie«, sage ich, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. »Wir sind nun mal die beiden Frauen, die die meiste Zeit mit Luke verbringen. Wir kennen ihn besser als alle anderen. Weshalb sollten wir da nicht unsere Erfahrungen austauschen und voneinander lernen? Ich werde ihm auch bestimmt nichts davon erzählen!«, füge ich hinzu, als mir bewusst wird, dass ich das vielleicht nicht klar genug geäußert habe. »Es bleibt strikt unter uns. Ich schwöre es.«

Es folgt eine lange Pause. Ich glaube, es ist bei ihr angekommen. »Nur eine einzige Sache«, beschwätze ich sie. »Eine einzige, winzig kleine Sache ... «

Bonnie nimmt einen Schluck Wasser, als müsste sie ihre Nerven stärken. »Nun«, sagt sie schließlich. »Das mit den Geburtstagskarten ist vielleicht ein wenig frustrierend.«

»Mit den Geburtstagskarten?«

»Die Geburtstagskarten für die Mitarbeiter.« Sie blinzelt mich an. »Ich habe einen Stapel davon fürs ganze Jahr. Er soll sie unterschreiben, kommt aber nie dazu. Was verständlich ist, weil er viel zu tun hat ...«

»Ich bringe ihn dazu, sie zu unterschreiben«, sage ich entschlossen. »Überlassen Sie das nur mir.«

»Becky.« Bonnie wird kalkweiß. »Bitte nicht, das wollte ich damit nicht sagen ... «

»Keine Sorge, ich werde beruhigend auf ihn einwirken. Ich bin ganz vorsichtig.«

Bonnie macht einen besorgten Eindruck. »Ich möchte nicht, dass Sie darin verwickelt werden ... «

»Aber ich bin darin verwickelt! Ich bin seine Frau! Und ich finde es unsäglich, dass er sich nicht die Mühe macht, die Geburtstagskarten seiner Mitarbeiter zu unterschreiben. Wissen Sie, woran es liegt?«, füge ich verschmitzt hinzu. »Es liegt daran, dass ihm sein eigener Geburtstag nichts bedeutet, und deshalb denkt er, allen anderen ginge es genauso. Es käme ihm nie in den Sinn, dass es jemandem wichtig sein könnte.«

»Ach.« Bonnie nickt langsam. »Ja. Das klingt logisch.«

»Wann ist denn der nächste Geburtstag in der Firma? Wer steht als Nächstes auf der Liste?«

»Nun, eigentlich ... « Bonnie läuft rot an. »Ich selbst habe in zwei Wochen Geburtstag ... «

»Perfekt! Ich werde dafür sorgen, dass er bis dahin alle Karten unterschrieben hat ... « Da kommt mir ein neuer Gedanke. »Und was will er Ihnen schenken? Was hat er Ihnen denn zu Weihnachten geschenkt? Etwas Hübsches, hoffe ich.«

»Selbstverständlich! Er hat mir ein wirklich hübsches Geschenk gemacht!« Bonnies fröhliche Stimme klingt ein wenig gepresst. »Dieses wundervolle Armband.«

Sie schüttelt ihren Arm, und ein goldenes Kettchen fällt unter ihrem Ärmel hervor. Sprachlos starre ich es an. Das hat Luke ihr gekauft? Ich meine, es ist kein schlechtes Armband. Aber es passt dermaßen weder zu Bonnies Farben noch zu ihrem Stil oder sonst was. Kein Wunder, dass sie es unter ihrem Ärmel versteckt. Und wahrscheinlich hat sie das Gefühl, sie müsste es jeden Tag zur Arbeit tragen, die Ärmste. Wo hat er das überhaupt her - von totalfarblosegeschenkefürdeinesekretärin.com? Wieso hat er mich denn nicht gefragt?

Langsam wird mir einiges klarer. Wir müssen uns koordinieren, Bonnie und ich. Wir müssen als Team arbeiten. »Bonnie«, sage ich nachdenklich. »Würden Sie gern was Richtiges trinken?«

»Oh, nein ... «, sagt sie.

»Nun kommen Sie schon«, locke ich sie. »Ein winzig kleines Gläschen Wein zum Mittag macht einen doch nicht gleich unprofessionell. Und ich verspreche, dass ich niemandem ein Sterbenswörtchen sage.«

»Na ja.« Bonnie gibt nach. »Vielleicht nehme ich einen kleinen Wermut auf Eis.«

Yay! Bravo, Bonnie!

Als wir unsere Salate aufgegessen haben und Kaffee schlürfen, sind wir beide schon viel entspannter. Ich habe Bonnie mit Geschichten über Lukes Yoga-Übungen auf unserer Hochzeitsreise zum Lachen gebracht, und sie hat mir von einem früheren Chef erzählt, der den Lotus-Sitz probieren wollte und in der Notaufnahme landete. (Sie war zu diskret, mir zu verraten, wer es war. Das muss ich googeln.) Vor allem aber steht nun mein Partyplan.

»Bonnie«, fange ich noch mal an, als der Kellner uns die Rechnung bringt und ich sie an mich nehme, bevor Bonnie protestieren kann. »Ich möchte nur noch einmal sagen, wie dankbar ich Ihnen bin, dass Sie mir mit der Party helfen.«

»Ehrlich, das macht mir überhaupt keine Mühe ... «

»Und mir ist noch etwas bewusst geworden. Wir können uns gegenseitig helfen!« Vor Begeisterung wird meine Stimme etwas lauter. »Wir können Synergien nutzen. Denken Sie nur, was wir erreichen können, wenn wir zusammenarbeiten! Luke muss davon nichts wissen. Es wird alles unter uns bleiben.«

Sobald ich »Unter uns bleiben« sage, sieht Bonnie aus, als sei ihr nicht ganz wohl in ihrer Haut.

»Becky, es war wirklich nett, mit Ihnen zu plaudern ... »beginnt sie. »Und ich weiß sehr wohl zu schätzen, dass Sie helfen wollen, aber ...«

»Wir bleiben in Kontakt, okay?, »unterbreche ich sie. »Speichern Sie meine Nummer. Und sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn Luke einen kleinen Schubs braucht. Ob groß oder klein. Ich will tun, was ich kann. «

Sie macht den Mund auf, um zu protestieren. Jetzt kann sie keinen Rückzieher mehr machen. »Bonnie, bitte. Brandon Communications liegt mir sehr am Herzen«, sage ich warmherzig. »Und es könnte doch sein, dass ich etwas Positives beitragen kann. Aber das kann ich nur, wenn Sie mich auf dem Laufenden halten! Anderenfalls bin ich machtlos! Luke versucht, mich zu beschützen, und merkt dabei nicht, dass er mich ausschließt. Bitte lassen Sie mich helfen!«

Bonnie sieht mich nach meiner kleinen Ansprache erstaunt an, aber es stimmt auch irgendwie - ich fühle mich von Luke ein bisschen ausgeschlossen, seit ich nicht mal als Zuschauerin an dem Arcodas-Prozess teilnehmen durfte. (Okay, es war kein Prozess. Eine Anhörung. Oder wie das heißt.)

»Nun, sagt sie schließlich.«

»So habe ich das gar nicht gesehen. Selbstverständlich will ich es Sie gern wissen lassen, falls ich der Ansicht sein sollte, dass Sie etwas ... beitragen können.«

»Prima!« Ich strahle. „Und im Gegenzug könnten Sie mir vielleicht einen kleinen Gefallen tun?«

»Natürlich.« Bonnie sieht aus, als käme sie nicht ganz mit. »Aber gern. Haben Sie etwas Bestimmtes im Sinn?«

»Ja, also, tatsächlich hätte ich da einen kleinen Wunsch.« Ich nehme einen Schluck Cappuccino. »Sie würden mir wirklich sehr helfen.«

»Hat es mit der Party zu tun?« Bonnie holt schon ihr Notizbuch hervor.

»Nein, mit der Party hat es nichts zu tun. Es ist eher allgemein.« Ich beuge mich über den Tisch. „Könnten Sie Luke sagen, dass ein Fitnessraum besser ist als ein Weinkeller«

Total verwirrt starrt Bonnie mich an.

»Verzeihung?«, sagt sie schließlich.

»Wir wollen da dieses Haus kaufen«, erkläre ich, und Luke will einen Weinkeller einrichten, aber ich möchte einen Fitnessraum. Könnten Sie ihn überreden, dass ein Fitnessraum viel besser ist?«

»Becky.« Langsam wird Bonnie unruhig. „Ich glaube wirklich nicht, dass das angemessen wäre ... «

»Bitte!«, bettle ich. »Bonnie, sind Sie sich darüber im Klaren, wie sehr Luke Ihre Meinung schätzt? Er hört immer auf Sie. Sie können ihn beeinflussen!«

Es scheint, als fehlten Bonnie die Worte. »Aber ... wie um alles in der Welt soll ich dieses Thema jemals anschneiden?«

»Ganz einfach!«, sage ich zuversichtlich. »Sie könnten so tun, als würden Sie einen Artikel darüber lesen, und dann ganz nebenbei sagen, dass Sie nie im Leben ein Haus kaufen würden, bei dem der gesamte Keller in ein Weinlager umgewandelt wurde. Und dass Sie auf jeden Fall einen Fitnessraum bevorzugen würden. Und Sie könnten außerdem sagen, dass Weinproben total überbewertet und langweilig sind«, füge ich hinzu.

»Aber Becky ... «

»Und so könnten wir uns gegenseitig richtig helfen. »Girlpower.« Ich lächle sie an, so gewinnend wie möglich. »Schwestern.«

»Nun ... ich will mein Bestes tun, ein solches Gespräch anzuschneiden«, sagt Becky schließlich. »Ich kann nichts versprechen, aber ...«

»Sie sind ein Engel! Und wenn ich irgendwas tun oder sagen soll, was Luke angeht, schreiben Sie mir eine SMS. Egal, was.« Ich biete ihr den Teller mit der Pfefferminzschokolade an. »Auf uns! Das Becky&Bonnie-Team!«