VIERTES BUCH – CLOE 1984
1. Kapitel
»Frida, warum ist der Frosch grün?«
»Damit ihn der Storch nicht findet«, gab die Angesprochene zur Antwort. »Ach ja, aus dem gleichen Grund sind übrigens die Moorfrösche braun.«
Der Wäschekorb war schwer, aber die alte Frau trug ihn trotzdem alleine durch den Garten zur Leine hin. »Und Vögel erkennen sich an der Gefiederfarbe des anderen Artgenossen«, fuhr sie während des Aufsteckens fort, »und die Kumquartfrucht haben die Araber rechts und links des Zambeziflusses angepflanzt, damit die aus dem Inneren des Landes geraubten Schwarzen auf der langen Seereise nach Amerika keinen Skorbut bekommen.«
Sie hielt inne und blickte mit gerunzelter Stirn auf ihre Großenkelin.
»Und damit du Bescheid weißt: Mit Sklaverei hatten wir Deutschen hier in Südwest nie etwas zu tun.«
Damals, als Cloe mit ihren drei Jahren aus dem amerikanischen Chaos heraus auf die afrikanische Farm kam, hatten es die beiden Frauen einstimmig beschlossen.
Es sollte nur die Vornamen Frida und Constanze für das kleine Mädchen geben, also keine Uroma und keine Großmutter. Denn das Bindeglied zu diesen Generationen, die Mutter, war tot. Und James, der zweite Mann von Constanze, blieb einfach James. Auf dem Behördenweg wurde ihnen Mashas Tod mitgeteilt, gleichzeitig auch der Tod eines Schwarzen, der zuletzt auf der Farm omutima in South-West-Africa gemeldet gewesen war. Letzterer wäre bei einer Schlägerei ums Leben gekommen. Die Frau wäre bei dem Unfall verbrannt, man hätte sie nur anhand des als gestohlen gemeldeten Wagens identifizieren können, und die Leiche des Schwarzen wäre gleich ins Krematorium gekommen. Sorry, aber erst dort hätte man seinen Ausweis gefunden –
Ja, natürlich, irgendwann einmal würde man Cloe die Wahrheit sagen müssen. Bis dahin aber sollte sie alles über die Heimat ihrer Mutter erfahren.
Nur, wo anfangen, wo weiterführen, wo umgehen, wo beenden – wo schweigen?
Frida und Constanze hatten es sich angewöhnt, ihre Erfahrungen mit Afrika in der Gegenwart des kleinen Mädchens laut auszusprechen.
»Schau, Cloe, Überweidung bedeutet, dass zu viele Rinder auf der Weide stehen und dadurch der gute Futterbusch mit der Wurzel von ihnen herausgerissen wird. Ganz schlimm bei Dürre.«
»Kind, so sieht die Euphorbienpflanze aus. Mach am besten einen großen Bogen um sie. Die Buschmannsleute benutzen ihre Milch als Pfeilgift. Sie blüht zwar wunderschön, ist aber sehr giftig.«
»Cloe, Aasgeier gehen nicht an ein durch Blitz verendetes Wild. Nur der Buschmann holt sich dieses Fleisch.«
»Nimm dir den Atlas und sieh nach. Oberhalb des Kunene verläuft die Karawanenstraße nach Ostafrika.«
»Wir hier in Südwest nennen die Südafrikaner Schlappohren. Aber um Himmels willen sprich mit keinem darüber. Das muss unter uns bleiben.«
»Baas und Missis ist die Bezeichnung für Herr und Herrin des Hofes«, bemerkte Frida, während sie energisch in das Huhn griff, um die Innereien herauszuziehen.
»Mit Oubass und Oumissis ist die ältere Generation gemeint. Das ist Afrikaans. Die Sprache haben uns die Südafrikaner aufgedrückt, damit sich alle Stämme hier im südlichen Afrika untereinander verständigen können«, und nach einer winzigen Pause streng: »aber eigentlich sollte erreicht werden, dass wir die Dunklen verstehen und wissen, was in ihren Köpfen vorgeht.«
Dann einmal die Mahnung: »Halte Abstand zu den Schwarzen, sie haben ein völlig anderes Denken und Fühlen als wir.«
Am Tage ihres zehnten Geburtstages fand Frida sie zusammengekauert in der Ecke ihres Zimmers. Sie hatte sich neben sie gesetzt und ihren Kopf in die Hände genommen.
»Betrachte immer die hellen Seiten der Dinge«, hatte sie geflüstert und dann den Körper der Urenkelin in den Arm genommen.
»Und wenn sie keine haben?«
»Reibe die dunklen, bis sie glänzen.«
Das war Fridas erste Lebensweisheit für Cloe. Nur für sie, und es sollten noch viele folgen. Das kleine Mädchen hatte genickt und sich an sie gekuschelt.
»Ich weiß wirklich nicht, was euch alle weg von omutima zieht. Erst Constanze, dann deine Mutter und jetzt du.«
Frida setzt missmutig ihre Brille auf.
»Wäre Masha nicht nach Amerika gegangen, wäre sie heute noch unter uns«, murmelte sie weiter und nahm sich die Zeitung zur Hand.
»Hier gibt es doch weiß Gott genug zu sehen, zu entdecken und zu tun, warum also in die Ferne gehen. Ha«, schrie sie plötzlich auf, »jetzt haben sie einen Hendrik Witbooi zum Vizepräsidenten der SWAPO gemacht.« Sie schüttelte fast ungläubig den Kopf. »Fritz hatte mal einen Arbeiter mit diesem Namen für die Farm eingestellt. Ob der das wohl ist?«
Die zweiundzwanzigjährige Cloe lachte und tanzte um die alte Frau herum.
»Ihr habt es mir versprochen«, rief sie, »wenn ich meine Prüfung als Farmer mit dem berühmten in-Anhang bestanden habe, sind Flug, Taschengeld und drei Monate alleine unter den europäischen Wilden mein Eigen. Und ich darf endlich einmal alle Witboois und Nujomas und jedes Problem auf omutima vergessen.«
Dabei wedelte sie mit der Urkunde, die man ihr gestern in Windhoek ausgehändigt hatte.
»Achtung, wo es etwas zu holen gibt, finden sich viele Menschen ein.«
Cloe schüttelte nachsichtig den Kopf. Frida musste einfach immer das letzte Wort haben. Ihre Erinnerung an geflügelten Worten besaß keine Grenzen, trotz ihrer jetzt mehr als sechsundachtzig Jahre.
»Und Ama?«, fragte Susu, die unbemerkt ins Zimmer getreten war.
Irritiert sah Cloe sie an. Dieser Druck war nicht fair. »Sie ist wild und soll es immer bleiben«, sagte sie kurz. »Und sollte sie mich wirklich in drei Monaten vergessen, ist es ihre Entscheidung.«
Sus lächelte. »Ich wollte doch nur etwas dazu beitragen, damit du hier bleibst.«
Ama, ihre Löwin.
Es war ihr fünfzehnter Geburtstag gewesen, der zwölfte auf omutima. Sie konnte sich noch so gut daran erinnern.
Frida hatte am frühen Morgen, wie üblich zu diesem Anlass, drei große Kuchen gebacken. Als Constanze sie aus ihrem Zimmer abholte und zum Frühstückstisch führte, standen Susu und ihre Urgroßmutter mit ausgebreiteten Armen vor den Geschenken. Sie roch heute noch den warmen Kuchenduft in der Kleidung von Frida während ihrer Umarmung und sah die leuchtenden gelben und roten Blumen auf dem Eingeborenensarong der schwarzen Freundin ihrer Großmütter tanzen.
Als Susu anfing zu kreischen und entsetzt auf die Küchentüre zeigte, wusste sie zuerst gar nicht, wie sie den kleinen runden Tierkopf einschätzen sollte. Neugierige Augen hatte er und vorne auf der Nase eine Blesse. Sie hörte, wie Frida erstaunt die Nase hochzog und Constanze vorsichtig um den Tisch herumging.
Es war eine junge Löwin, gerade dem Welpenalter entwachsen, die sich nun ganz durch die Tür schob und erwartungsvoll zu ihnen hinäugte.
»Sie hat Hunger«, hatte sie gesagt und war ohne Scheu auf das Tier zugegangen.
Es war das leise Lächeln auf Fridas Gesicht, was sie so ungeheuerlich empfand, und ohne, dass man es ihr extra sagte, wusste sie, dass sie heute eine von omutimas Frauen geworden war.
»Ich werde sie Ama nennen, der Name lässt sich gut im Busch rufen«, hatte sie kurz gemeint und war zum Kühlhaus gegangen, um Fleisch für die kleine Bestie zu holen.
Am Tag danach wurde Cloe von einer bewegten Frida in den Arm genommen.
»Jetzt wird alles wieder gut«, hatte die alte Frau gesagt, »die Löwinnen sind zurückgekommen. Das Band zwischen uns existiert also noch. Ich hatte solche Angst, dass es durch den Schuss – ach, lassen wir es. Setz dich, ich muss es dir erzählen. Constanze, komm dazu, du musst mir helfen, Cloe ist erwachsen geworden.«
Constanze hatte etwas verlegen gelacht und sich zu ihnen gesetzt.
»Omutima ist etwas Besonderes«, hatte Frida begonnen und erzählt, wie sie die Quelle gefunden, wie Fritz ihren Zugang frei gesprengt und wie sie mit den Schwarzen die Abmachung getroffen hatte, dass diese für alle da sein sollte. Wie sie die Löwin traf – innerlich bewegt, war von ihr jeder nicht vorhandene Krümel vom Tisch gefegt worden.
»Ich kann es so schwer in Worte fassen. Wir haben hier immer schwer gearbeitet, die gleichen Dürren, die gleichen guten Jahre mit Regen gehabt wie andere Farmen auch. Viele haben resigniert, einige sind umgekommen, aber wir auf omutima haben alles am besten überstanden, und ich behaupte, es war die Kraft dieser Tiere, die uns weitergebracht hat.«
Ihre Stimme war leiser geworden. »Cloe, ich spreche heute das erste Mal darüber. Meine Löwin war namenlos. Es war mir nicht in den Sinn gekommen, ihr einen Namen zu geben. Sie hat mir den Eingang zur Quelle gezeigt und uns dadurch den Weg zum Überleben gewiesen. Dann sah ich sie noch einmal am Pfosten zum Rinderpferch stehen. Ich wusste, es war ein Abschied, denn alles war bei uns wieder im Lot. Constanze nannte ihr Schicksal Janina. Sie wurde als verlassener Welpe gefunden, und wir haben sie großgezogen. Sie hat deine Großmutter zu ihrer Würde zurückfinden lassen. Warum, wird dir Constanze vielleicht selber sagen.
Als Janina das letzte Mal in unserem Umschwung64 stand, hat sie uns ihren Nachwuchs gezeigt, und dann hat der Busch sie verschlungen – und irgendwann fand Masha, deine Mutter, dann Shakira –«
64 unmittelbar am Hof gelegenes Land
Cloe hatte Tränen in den Augen ihrer Großmutter gesehen und zum ersten Mal in ihrem Leben eine Verletzlichkeit an dieser harten Frau gespürt.
»Sie war übel vom Widersacher ihres Vaters zugerichtet worden. Du weißt, dass die Nachkommen von dem neuen Begleiter der Mutter getötet werden. Aber wir haben sie durchbekommen. An der Blesse hatte ich sofort gesehen, dass es wieder ein Tier aus dem Umfeld der Quelle war –«
Frida hatte ihr die Hand auf den Arm gelegt.
»Deine Mutter hat die ihr angebotene Stärke einer Löwin nicht für sich nutzen können.
Wir alle sahen die Verführung zur Schwäche neben ihr stehen, auch Shakira. Es war dieser Amerikaner. Ein Mann aus einer anderen Welt, mit anderem Denken und Fühlen, der den Sinn des Lebens darin sah, andere Menschen zu manipulieren und zu beherrschen. Wir konnten nichts machen. Ja doch, Masha hat nicht zugelassen, dass er Shakira tötete, aber ich behaupte, dass durch diesen einen Schuss ihr eigenes Unheil auf den Weg gebracht wurde. Als sie Ray nach Amerika folgte, hoffte ich so sehr, dass sie mit unseren Augen die dortige Welt betrachten und an ihr wieder erstarken würde. Und verdammt, wären wir bei ihr gewesen, sie hätte es auch geschafft.«
Bewegt hatte sich Frida eine Haarlocke aus dem Gesicht gestrichen.
»Es sind nur Löwinnen von der Quelle, die den Weg zu uns finden. Aus irgendeinem Grund, den ich nicht kenne, ist es auch nur eine aus einer Generation, die sich uns omutima-Frauen als Freundin zeigt.
Als Shakira nicht mehr wiederkam, wusste ich, dass sie den Zeitpunkt ihres Todes bestimmt hatte, so wie deine Mutter wohl auch ihren. Ich will, dass du weißt, dass wir sie nicht verurteilen. Beide, deine Mutter und ihre Löwin, lebten und beendeten ihr Leben in ihren eigenen Gesetzen. Um das eigene Leben zu beenden, bedarf es einer Stärke, die nicht jedem gegeben ist. Dass ich nie erkannt habe, dass Masha sie gehabt hat, bereitet mir heute noch Schmerzen.«
Sie schneuzte in ein Taschentuch, und ihre Augen waren verschleiert.
»Die größte Leistung deiner Mutter aber war, dich uns zu schenken.«
Wann hatte Frida jemals so lange gesprochen und so viele Einzelheiten im Detail wiedergegeben. Mühsam stand sie auf. Ein von Arbeit und Schicksalsschlägen gezeichneter Mensch.
»Cloe von Rekkingen, es sind die Weinreben, die mir mehr als alles andere am Herzen liegen. Dein Urgroßvater, der erste Besitzer von omutima, hat sie gepflanzt, ich habe sie gepflegt und ihren Wuchs überwacht. Deine Großmutter hat sie von mir übernommen, und deine Mutter wäre die Nächste gewesen, die auf sie Acht gegeben hätte. Masha gibt es heute nicht mehr. Aber diese Stöcke brauchen jemanden, der sich um sie kümmert, wenn Constanze und ich nicht mehr sind. Du weißt, dass wir dich lieben. Dass wir dich brauchen. Und nun auch, was wir von dir erwarten.«
Was wir von dir erwarten.
Über das Schicksal von Nangolo wurde nicht gesprochen. Hatte nur sie das bemerkt?
Die Menschen auf omutima waren mit ihm zeit seines Lebens zusammen gewesen. Sie, Cloe, nur wenige Stunden. Die Erinnerung an seinen Tod zeichnete verschwommene Bilder, aber es war ihr immer bewusst, dass etwas Böses passiert war. Damals, Nangolo, ihrer Mutter und ihr. Wie sollte sie jemals darüber sprechen können? Und mit wem?
Am nächsten Tag waren beide Frauen mit ihr zur Quelle gegangen.
»Achte auf sie. Immer. Sie ist ein Teil unseres Erbes an dich, und es ist eine Verantwortung, die du für dich, deine Familie und die Menschen auf omutima trägst«, hatte Frida gemurmelt und die Hand vor die Augen gehalten, als sie aus der dunklen Höhle wieder zurück in das gleißende Sonnenlicht traten.
Tage später hörte sie die beiden Frauen in der Küche miteinander reden.
»Und du glaubst nicht, dass wir sie überfordern?«
Constanze war besorgt gewesen, das hatte Cloe gespürt, aber Fridas Rührbesen hatte resolut in der Schüssel geklappert.
»Sie ist nicht wie Masha, sie respektiert unser Erbe, sie wird zu uns finden.«
Cloe hatte einige Zeit gebraucht, bis die Löwin vertraut wurde.
Anders als ihre Vorgängerinnen, die verletzt oder als Tierwaisen auf die Farm kamen, war dieses Tier bereits in der Natur integriert. Zwar nahm sie mit größter Selbstverständlichkeit die Milchschale an, mit der Cloe sie lockte, aber sie verschwand dann sofort wieder im Busch.
Es war Fridas Geburtstag, als sie das erste Mal stehen blieb – und Cloe durfte sanft ihre Ohren berühren.
»Geh zur Quelle, sag ihr, dass du wiederkommst, schrei es in den Busch hinein, schrei so laut, wie du kannst, vielleicht hört Ama dich«, sagte Constanze zu Cloe am Tag vor ihrem Abflug nach Europa. Ähnliche Worte hatte sie vor Jahren zu ihrer Tochter Masha gesagt, bevor diese nach Amerika ging, sie wusste darum, und die Erinnerung tat ihr weh.
»Das ist eine gute Idee, ich wollte nämlich die Nacht draußen im Busch bleiben und von meinem Afrika Abschied nehmen, damit ich es im sündigen Europa nicht vergesse.«
Cloes Humor klang gequält, denn es schien plötzlich, dass ihre Reise nach Europa für jeden eine Kampfansage war.
Alles findet seine Kraft in der Wiederholung, sinnierte sie, als sie am späten Nachmittag auf ihrem Stein saß, von wo aus sie einen herrlichen Blick auf die Ebene vor sich hatte.
Sie hatte ihre Arme aufgestützt und betrachtete die vertraute Weite vor sich.
Eine Tierfährte durchschnitt das graugrüne Bild, schlängelte sich als heller Faden davon und verlor sich im fernen Dunst. Scheinbare und unscheinbare Bewegungen, verursacht durch Wind oder durch langsam ziehendes Wild, Schatten durch kleine zerrissene Wolken und über allem unbeirrt die Sonne. Die im Westen gelegene Hügelkette aus schwarzen Steinen flimmerte ein wenig, wie auch der weißgraue Wüstensand der Namib, der sie säumte. Die Atmosphäre war noch voller Licht und der Himmel tiefblau, und doch würde es nicht mehr lange bis zum Sonnenuntergang dauern.
Cloe strich sich nachdenklich durch die Haare.
Ja, das hier war ihre Heimat. Unvergleichbar mit jedem anderen Leben, und wären diese noch so abenteuerlich. Und trotzdem wollte sie einmal ohne omutima und ohne Großmütter sein – nur das tun, wozu sie Lust hatte.
Sie seufzte und schenkte sich ein Glas Wein ein. In der Kühltasche fand sie belegte Brote, und sofort musste sie lächeln. Diese Großmütter. Immer gegenwärtig.
Die Einsamkeit hier oben tat ihr gut. Sie hatte ihren Schlafsack aufgerollt und alles für ein Feuer vorbereitet, wenn die Dunkelheit vollkommen war.
Natürlich kannte sie die Gründe, weshalb sie weg von omutima wollte, wenigstens für eine kleine Zeit.
Nur Masha, deine Mutter, hat sie nicht erkannt.
Wäre Masha nur nie nach Amerika gegangen.
Sie ist nicht wie Masha, sie respektiert unser Erbe.
Die Wahrheit wollte sie herausfinden. Wollte herausfinden, ob ihr außerhalb von omutima die Stärke von Frida und Constanze oder die vermeintliche Schwäche ihrer Mutter in die Wiege gelegt wurde. Wollte wissen, ob sie die Ausgeglichenheit im Umgang mit Männern von Constanze geerbt hatte oder ob sie wie Masha Männer erwählen würde, die sich skrupellos der Frauen bedienten. Und – und das war das Wichtigste – sie wollte wissen, ob ihr Verantwortungsgefühl ausreichend war, omutima mit seinen Menschen und Tieren in die nächste Generation zu führen.
In dieser Nacht schlief sie nicht. Der Himmel schenkte ihr Sterne und Sternschnuppen, aber trotz allem war sie bedrückt. Warum, wusste sie nicht. Hing es mit ihrer toten Mutter zusammen? Mit der Löwin von der Quelle? Oder war es das Stück Land, das man ihr aufbürden wollte?
»Macht euch keine Gedanken, ich komme zurück. Omutima ist mehr als mein Zuhause. Es ist meine Zukunft«, sagte sie am nächsten Tag, als sie sich verabschiedete und versuchte, den stechenden Blick von Frida zu übersehen.
Cloe holte aus ihrem Rucksack Äpfel heraus, kramte in der Beintasche ihrer Shorts nach dem Klappmesser und begann, sie zu schälen.
Zufrieden betrachtete sie den Berghang vor sich, seinen schroffen Gipfel, die dunklen Tannen auf halber Höhe, die Holzhütten, die wie heruntergefallene Malzbonbons im verbrannten Grün der abschüssigen Wiesen lagen. In einigen Minuten würde die rote Eisenbahn den Tag von der Zeit her teilen. Pünktlich um zwölf Uhr achtzehn. Hören konnte man sie nicht, dafür war ihr Rastplatz zu hoch, aber es war schön anzusehen, wie sie sich am Ufer der Rhône entlangschlängelte, um dann hinter einer Biegung wieder ganz zu verschwinden.
Es war die Route von Sankt Moritz nach Zermatt.
Irgendwann würde sie auch eine Fahrkarte lösen und in diese Bahn einsteigen. Das Matterhorn wollte sie sehen, und von dem eleganten Sankt Moritzer Bergrestaurant aus in das berühmteste Skidorf der Welt blicken.
Zwei Wochen schon war sie hier im Schweizer Wallis. Sie hatte sich auf einer der vielen Höhen um Brig herum ein kleines Chalet gemietet. Oft wanderte sie, aber genauso oft lag sie auf der Wiese vor dem Haus, las oder dachte einfach nur nach.
Deutschland hatte sie nicht sonderlich interessiert.
Andere Menschen, andere Länder, das war ihr Ziel, und so war sie direkt nach der Landung von Frankfurt aus nach Paris gefahren. Die Stadt war verwirrend. Es schien ihr, als hätte sie keine Gesetze und Regeln, an denen man sich orientieren konnte. Sie besuchte einige Museen, auch Napoleons Grab, und natürlich berühmte Kirchen, die ihr allerdings sterbenslangweilig vorkamen. Das hing vielleicht mit den anderen Hunderten von Touristen zusammen, in deren Menge sie sich schrittweise bewegen musste, um auch alles mitzubekommen. Als ihr am dritten Tag die sattsam bekannte Gruppe japanischer Touristen vor dem Louvre begegnete, pfiff sie, ohne weiter nachzudenken, nach einem Taxi und ließ sich zurück in das kleine Hotel fahren.
»Nehmen Sie von Genf aus die Route Napoleon. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, um an das Meer zu kommen.« Dabei zwinkerte ihr der Student an der Rezeption zu und ließ das Logiergeld rasch in der Schublade verschwinden.
»Und Sie müssen das nächste Mal verliebt nach Paris kommen, dann ist es die schönste Stadt der Welt«, meinte er, als er ihren Seesack in das Auto hievte.
Cloe wollte sich Zeit für die Fahrt nehmen.
Die Ursprünglichkeit der Landschaft gefiel ihr, und sie bemerkte sofort, dass der Duft der Wiesen einen anderen Geruch hatte als der in Afrika zur Blütezeit. Lieblicher war er, fast wie Parfum.
Sie übernachtete in einer kleinen Pension am Rande einer Landstraße und frühstückte am Morgen mit dem Großvater des Besitzers unter einer mächtigen Linde.
»Sie Deutsche«, hatte er kurz mit Augenzwinkern in deutscher Sprache festgestellt und erzählt, wo er im zweiten Weltkrieg für Nazideutschland zwangsarbeiten musste.
Sie hatte ihm nichts von Südwestafrika erzählt. Vielleicht hätte er gar nicht gewusst, dass es so ein Land gibt.
In Marseille angekommen, hatte sie am Hafen mit Heißhunger eine Fischsuppe gegessen. Die ganze Nacht war ihr übel gewesen, und noch heute konnte sie ihre Unvorsichtigkeit nicht verstehen. In Afrika isst man nur Fisch bei Leuten, deren Küche man kennt. Das sollte eigentlich für alle Länder der Erde gelten.
Dann war sie an der Küste entlanggefahren und hatte sich ein kleines Quartier zwischen Menton und Beaulieu genommen. Nizza selbst, die große, weiße Stadt am Meer, gefiel ihr nicht so sehr. Die Menschen erschienen ihr zu schnell, zu abhängig von Routine und Äußerlichkeiten. Nur die Museen der Stadt hatte sie geliebt. Chagall besaß ein eigenes, van Dongen mit anderen zusammen, Picassos Werke durften alleine eine große Villa bewohnen, und dann gab es noch die kleine, von Matisse ausgemalte Kapelle. Am liebsten aber war ihr die altmodische Gemäldegalerie in der Altstadt gewesen.
»Das Licht der mediterranen Küste hat den europäischen Osten angelockt«, hatte der Wächter der dritten Etage bemerkt und sie auf die vielen unbekannten Künstler hingewiesen. Seine Pupillen hatten den verschwommenen Blick alter Menschen, die wenig schlafen und noch weniger reden.
»Wenn sich die russischen Länder in den langen Winter zurückzogen, kamen sie an Frankreichs sonnige Küste. Wie Zugvögel. Die meisten blieben. Weil hier das Überleben einfacher war.« Jetzt zeichneten seine Mundwinkel ein weiches Lächeln. »Und alle malten hier ihre schönsten Bilder.«
Cloe mochte den alten Mann vom ersten Augenblick an.
Monsieur Walther von der dritten Etage.
»Ich komme aus dem südlichen Afrika«, hatte sie ihm offen gesagt. »Diese Reise habe ich von meiner Familie geschenkt bekommen.«
Der alte Mann nickte. »Habt ihr da unten nicht noch die Apartheid? Na ja, jeder bekommt irgendwann etwas geschenkt – wenn er Glück hat«, und sich wieder seinem Buch zugewandt.
Bei ihrem zweiten Besuch saß er mit seinem Hocker in einer anderen Ecke. Und doch schien er sie erwartet zu haben.
»Von zweihundert Künstlern sind vielleicht zwei oder drei bekannt geworden. Der Rest, hm – wenn sie Glück hatten –, starb hier in Frankreich, wenn nicht –«, der Mann zuckte mit den Achseln.
Am Tag vor ihrer Abreise kam sie das dritte Mal. Es war später Nachmittag. Die Sonne stand schon tief, und ihre Strahlen besaßen den wunderbaren roten Ton, der ihr aus so vielen Bildern entgegenleuchtete.
»Wollen Sie mein Lieblingsbild sehen?«, hatte Monsieur Walther in die brütendheiße Stille der dritten Etage hinein gefragt und war, ohne eine Antwort abzuwarten, aufgestanden und an ihr vorbeigeschlurft. Als er in einer der dichten Reihen stehen blieb, zeigte er mit dem Finger auf ein Bild.
»Russin. Sie war erst zweiundzwanzig, aber mit mehr Chancen im Leben hätte sie Picasso überflügelt.«
Von dem Moment an, wo Cloe dieses Bild sah, seine Farben, die Schönheit der Gestaltung mit seiner sichtbaren Explosion der Gefühle, da wurde ihr bewusst, wie glücklich und erfüllt sie leben durfte. Es war keine Frage der Herkunft, erst recht keine des Geldes, es war die Gabe, die ihr mitgegeben wurde, im Einklang mit sich und der Welt zu sein – und mit einem Zuhause, das omutima hieß.
»Schwindsucht«, fuhr der Mann sachlich fort. »Sie verschenkte ihren Körper, aber nicht für Medizin, nur für Farben. Als die Männer sie sogar nicht einmal mehr für den Gegenwert einer Farbtube haben wollten, stahl sie das Rot, das Blau, das Grün, bei wem sie konnte. Und irgendwann hatte sie nur noch eine große Tube Gelb. Damit und mit den Restklecksen aus den anderen Tuben malte sie dann dieses Bild. Das war die Zeit, als ich sie kennen lernte. Und dann starb sie. Die Leiche kam zu den anderen unbekannten Zugvögeln auf den Friedhof von Beaulieu, das Bild kam hierher. Zu mir in die dritte Etage. Vor genau achtunddreißig Jahren.«
Er ging zurück und setzte sich wieder auf den Hocker.
»Ich fahre morgen weiter«, sagte Cloe vorsichtig, »und wollte mich von Ihnen verabschieden. Danke, dass Sie mir dieses Bild gezeigt haben.«
»Dankbarkeit ist wie ein Schmetterling. Er schlüpft aus seiner Puppe, flattert mit den Flügeln und stirbt noch am gleichen Tag«, murmelte er und betrachtete sie kurz und jetzt ohne jedes Interesse. »Wenn Sie sich eines Tages entschließen sollten, die Höhepunkte Ihres Lebens neu zu ordnen, würde ich mich freuen, wenn Sie sich meiner erinnern. Au revoir, Mademoiselle.« Er hob sein Buch vom Boden auf und begann wieder, darin zu lesen.
Fast wie Frida, dachte Cloe und akzeptierte seine Schrulligkeit.
Warum kam ihr hier auf dem trockenen Walliser Boden Monsieur Walther in den Sinn?
Sie kannte sofort die Antwort.
Es waren die glutroten Sonnenstrahlen, der Duft der sommerlichen Wiesen, die nachdenklich ziehenden Wolken, alles in den wunderbaren Gelbtönen, die sie in dem Bild der jungen Russin angetroffen hatte.
»Das nenne ich Glück«, sagte der Mann lachend, und sein Schatten zitterte dabei, »hier in den Bergen eine Frau, einen Apfel und ein Messer anzutreffen, und das gleichzeitig.«
Cloe lächelte.
Sie war überhaupt nicht erstaunt und reichte dem Unbekannten eine Scheibe. »Damit wir uns aber richtig verstehen, ich bin nicht Eva, nur weil ich Ihnen diese biblische Frucht anbiete.«
Der Mann nahm seinen Rucksack ab und setzte sich neben sie.
»Halbfrisch geflohen aus dem deutschen Osten, aber schon gekleidet in echten Jeans der Marke Levi Strauss. Mein Name ist Jean von Zoitzheim.«
Jetzt war Cloe verblüfft. »Das glaube ich nicht. Von Zoitzheim, das ist ein Name, der in unserer Familienbibel steht.«
»Vor oder nach dem Sündenfall?«
Cloe kniff die Augen zusammen. Das tat sie immer, wenn sie angestrengt nachdachte. Wann hatte sie die Bibel mit den kostbaren ziselierten Beschlägen zum ersten Mal in den Händen gehalten? Sie musste vielleicht so zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein, also noch bevor Ama in ihr Leben getreten war. Natürlich, sie konnte schon lange lesen und hatte Frida gefragt, wer denn den Namen von Zoitzheim gegen Fritz und Frida Zabel ausgestrichen hätte.
Frida hatte sie fast erschreckt angesehen und dann laut nach Constanze gerufen. »Es ist Zeit«, war ihr knapper Bescheid für die Tochter, und beide Frauen hatten sich hingesetzt und die Geschichte ihrer Familie, die auch die ihre war, erzählt.
»Von Zoitzheim war die erste und letzte Herrschaft, die ich hatte, drüben in Deutschland, ich sagte es bereits deiner Mutter, damals, als ich ihr die Bibel übergab.«
Leise hatte die alte Frau dabei mit den Fingern auf der Tischplatte getrommelt. »Von dieser Familie habe ich die Bibel bekommen, als ich nach Afrika auswanderte.«
»Und weil deine Mama nicht geheiratet hat, trägst du den Namen deines Großvaters, Baldur von Rekkingen«, war Constanze leise fortgefahren. »Es ist ein altes deutsches Geschlecht, und du solltest stolz darauf sein. Ich habe den Vater deines Großvaters noch in Berlin kennen gelernt.«
Als sie bei Masha angekommen waren, musste Constanze weinen, und Frida hatte für sie weiter gesprochen. »Sie hat nach ihrem Platz im Leben gesucht, aber wir wussten nicht, wie wir ihr dabei hätten helfen können.«
Nach oder vor dem Sündenfall?
Nachdrücklich stampfte die Kuh mit dem Fuß auf. Dabei schlenkerte sie mit dem Kopf, und die dicke Glocke schepperte hohl. Irritiert fuhr Masha bei diesem Geräusch aus ihren Gedanken hoch.
Es war schon seltsam, hier in der Schweiz im Jahre 1984 auf einen Mann mit dem Namen von Zoitzheim zu treffen. Ein Name, der 1914 in der Bibel ihrer Familie ausgestrichen worden war, aber dessen Vorfahren man dennoch namentlich in dieser nachlesen konnte. Sie konnte sich sogar noch an die letzte Eintragung erinnern: Konrad und Kaspar von Zoitzheim, 1896 zu Rupplin.
Wenn ich zurück bin, werde ich Frida fragen, dachte Cloe und stand auf.
Nachdenklich blickte sie den Mann an. Sollten sie ihn fragen? Jetzt? Hier?
»Mein Name ist Cloe von Rekkingen«, sagte sie. »Auch so ein alter Junker-Adel. Wir sollten unsere Familienerfahrungen einmal austauschen. Was halten Sie davon?«
Und dann lachte sie und biss in den Apfel.
2. Kapitel
»Der Gedanke ist mir nie gekommen, dass ich mich verlieben könnte. Und dann noch hier in dieser Abgeschiedenheit. Ich wollte doch nur ein Stück Apfel haben.«
Jeans Stimme klang weich und sorglos. Er wickelte eine von Cloes langen Haarsträhnen um seinen Finger, pustete dagegen und entrollte sie wieder.
»Erzähle mir von deiner heißen Heimat. Nach siebeneinhalb gemeinsamen Tagen habe ich das Recht, über die vorangegangenen zweiundzwanzig Jahre von Cloe von Rekkingen aufgeklärt zu werden. Ultima Ratio Regis, des Königs letztes Wort. Steht seit 1742 in Preußen auf jeder Kanonenkugel.«
Cloe lachte. »Sei vorsichtig, wenn ich einmal anfange, kann es leicht Tage dauern, bis ich aufhöre, von Afrika zu reden.«
»Wir wechseln uns ab«, meinte Jean, »aber du beginnst.«
»Irgendetwas?«
»Irgendetwas.«
Cloe räkelte sich auf der Wiese. »Vielleicht etwas über Geräusche. Wenn sich auf omutima in den Hüttenstrohwänden unserer Schwarzen der Wind verfängt, klingt es wie das Schwirren von Insektenflügeln. Es ist ein typisches afrikanisches Geräusch. Nirgendwo in Europa wirst du es antreffen.«
Jean dachte kurz nach. »Im Schwarzwald duftet es nach Pilzen, und wenn du ihn durchwanderst, kannst du vielleicht in der Stille des frühen Morgens ein unregelmäßiges Hämmern hören. Dann musst du mit deinen Augen die Stämme der Bäume abwandern und wirst mit etwas Glück einen Specht entdecken, der nach Insekten sucht.«
»Mhm«, meinte Cloe, »Wald, Pilzgeruch, Specht, ja doch, das ist Europa –«
Sie kreuzte ihre Beine und setzte sich im Schneidersitz vor Jean.
»Wenn ein Herero einen flachen Bastkorb mit dem Boden nach außen vor dem Eingang zu seinem Pontok stellt, bedeutet dies: Ich bin nicht zu Hause. Keine weitere Erklärung, wann oder ob er wiederkommt. Nein, er ist nicht zu Hause. Aus und Schluss.«
»Vielleicht ist der Kleiderbrauch der Mädchen meiner Heimat in Mecklenburg durch das DDR-Regime etwas verwässert worden, aber man sieht ihn heute noch, ganz besonders in den ländlichen Gebieten zu besonderen Anlässen. Hauben mit Spitzenbändern, weite bunte Röcke und weiße Blusen mit stoffüberzogenen Knöpfen. Die Burschen laufen in gewalkten Joppen aus Schafswolle, schwarzen Kniebundhosen und roten Strümpfen. Und so geht es zum Maitanz.«
»Abenteuerlich«, meinte Cloe. »Wir haben keine besondere Kleidung für Ostern, Pfingsten oder Weihnachten, und das Tanzen entfällt bei uns mit einigen Ausnahmen. Wir können die Farm nie alleine lassen. Also gehen wir einzeln zum Tanzen oder –«, wieder lachte sie, »wir lassen tanzen. Die Schwarzen sind immer für jeden Spaß zu haben!«
»In den ersten Tagen eines neuen Jahres kommen singende Kinder als verkleidete Weisen aus dem Morgenland. Mit Kreide schreiben sie die Anfangsbuchstaben von Kaspar, Melchior und Balthasar wie auch die neue Jahreszahl auf den Türsturz der Häuser.«
»Ein schöner Brauch«, sinnierte Cloe.
Sie ließ es zu, dass sich Jean hinter sie setzte und in den Arm nahm. Der Himmel war bedeckt, und so blinkten nur die Lichter unten aus dem Tal zu ihnen hoch.
»James, mein Stiefgroßvater, hat mir als Kind mit Schmetterlingen die Angst vor der Dunkelheit genommen. Er stellte auf den Verandatisch eine Lampe in eine Glasschlüssel und die wiederum in eine noch größere mit Wasser gefüllte Schüssel. Dann haben wir abgewartet, und es dauerte nicht lange, bis die schönsten geflügelten Wesen zum Licht geschwebt kamen und sich auf dem Wasser niederließen. Silbrige und hellblaue Falter, durchsichtig und zart, mit Goldstaub auf ihren Flügeln.«
»Wir haben in Deutschland hochgiebelige Ratshäuser, und an ihren Säulen stehen in Stein gehauene schwerbewaffnete Grafen und Herzöge. Klobige Brunnen mit dicken Putten lächeln uns auf jedem Marktplatz entgegen, und wenn du lange genug suchst, findest du an Häusern in mittelalterlichen Städten Erinnerungstafeln mit Namen von Kreuzrittern, die von dort aus nach Jerusalem aufbrachen. Dies im Gegensatz zu deinen filigranen Schmetterlingen.«
Jean begann sie sanft zu küssen. »Ich meine, wir sollten für die nächste Zeit gemeinsam die Welt entdecken.«
Sie packten ihre Sachen, nahmen Cloes angemietetes Auto und fuhren über den Simplonpass nach Italien. In Domodossola schlenderten sie über den Markt, kauften sich Eistüten und tranken Espresso im Vorübergehen.
»Diese Italiener, so heiter«, meinte Jean. »Drüben, in der Deutschen Demokratischen Republik, war alles grau in grau. Kannst du mir helfen, das zu vergessen? Ich möchte immer heiter bleiben. Bei der Arbeit, in der Liebe, im Leben«, er machte eine Pause, »und das am liebsten zusammen mit dir.«
Cloe sagte nichts.
»Diese Italiener, so heiter«, begann Jean zu wiederholen, »die Deutsche Demokratische Republik, grau, helfen, ich, heiter, bei der Arbeit, in der Liebe, im Leben – und das am liebsten zusammen mit dir.«
Mitten auf der Straße nahm er sie in den Arm.
»Das war gerade mit das Ehrlichste, was ich je in meinem Leben von mir gegeben habe.«
Seine Stimme war heiser, und er drückte sie. Zu fest, denn sie machte sich sofort los.
»Nach zwei Wochen Kennen?« Cloes Stimme klang spöttisch. »Frida, meine Uroma, hat es mit Sprüchen. Einmal hat sie zu mir gesagt, dass man in der Regel Nebensächlichkeiten wie Träume wegwirft, aber Wichtiges nie vergisst, und dass Wichtiges meistens in der Erinnerung Schmerzen bereitet. Also, diese gedankliche Spekulation würde doch bestens auf deine und meine Vergangenheit passen. Oder nicht?«
Sie blickte ihn sachlich an.
»Ich danke dir für dein Vertrauen, aber ich glaube nicht, dass ich für dich oder einen anderen Mann eine gute Frau abgeben könnte. Ich bin omutima-geprägt. Unsere Farm hat nur Feminas hervorgebracht, die alleine ausreiten, alleine Schecks unterzeichnen und alleine über sich entscheiden – mit und ohne Gewehr. Welcher Mann würde schon damit klarkommen wollen.
Und dann trage ich, wie meine Großmütter auch, etwas Wichtiges in meinem Herzen. Etwas, das mir immer Schmerzen bereiten wird –«
Sie schwieg abrupt. Und, Cloe von Rekkingen, ist das Fridas Stärke? Vielleicht zusammen mit der gesunden Abwehr Männern gegenüber, über die deine Mutter nicht verfügte?
Langsam gingen sie weiter, und Cloe sah, wie Jean seine Hände in der Hosentasche geballt hatte. Sie ließen den Stadtkern hinter sich und betraten den alten Friedhof. Langsam schritten sie die Mauer ab und betrachteten dabei die Inschriften der Verstorbenen auf den weißen Marmortafeln.
»Hier ist alles so für die Ewigkeit gemacht«, murmelte Cloe. »Ich weiß zwar, wo bei uns Frida ihr zweites Kind beerdigt hat, wo mein Urgrandpa liegt und dass James rechts vom Franzosen gebettet wurde, der vor vielen Jahren aus Versehen auf unserer Farm gestorben ist. Ich weiß, dass Grandpa zusammen mit anderen Kameraden in einem Grab in Swakopmund liegt –«, sie begann zu weinen, »aber ich weiß nicht und werde es wohl auch nie erfahren, wo man die Reste meiner Mutter verscharrt hat und wo sie Nangolo hingebracht haben. Auf omutima stehen nur zwei Kreuze zur Erinnerung, dass es sie beide gegeben hat.«
Sie setzte sich auf einen Baumstumpf und zog die Nase hoch. »Shame, diese Aufzählung meiner afrikanischen Familiengräber bedeutet für mich eine Wucht von Tradition. Wie sieht es mit deinen Toten aus?«
Jean setzte sich neben sie. Ruhig sagt er: »Lass uns doch einen Kompromiss schließen. Wir genießen unsere Zeit, so lange, wie es nur wir möchten. So intensiv, wie es nur wir entscheiden, so vertraut, wie es nur wir uns ehrlichen Herzens schenken können.«
Cloes Blick ging ins Leere. »Die meisten deutschen Männer meiner Heimat waren von 1939 bis 1946 interniert. Die Frauen mussten die Farmen alleine, nur mithilfe der Schwarzen, bewirtschaften. Eine alte Ordnung zerfiel, eine neue wurde errichtet. Und in dieser bekamen die Frauen harte Augen. Auch auf omutima.«
»Darf ich dir sagen, dass ich das verstehe?«
»Baie mooi, das ist gut«, flüsterte Cloe. »Das sagen die Eingeborenen auch, wenn sie die Heuschrecken fangen, töten und in der heißen Sonne trocknen. Dann mahlen sie sie noch und mischen das Pulver ihrer Kost bei. Baie mooi, du Mister Jean von Zoitzheim.«
Eine neue Vertrautheit beflügelte sie. Sie beschlossen, durch Italien zu fahren.
Als sie in Genua ankamen, war die Stadt noch wie im Abendlicht gebadet, aber man sah schon die dunklen Schatten der Apenninen herangleiten. Das Hotelzimmer am Rande der Altstadt war preiswert. Als sie es betraten, wussten sie, warum. Abgewohnt war es, und an den Schrägen stieß man sich den Kopf. Aber es hatte zwei Fenster, die den kleinen Raum nach dem Öffnen sofort mit frischer Luft füllten. Verzückt betrachtete Cloe über die Häuserdächer hinweg die mächtige Wasserrinne, die langsam von Schiffen durchschwommen wurde. Wohin mag die Reise des Einzelnen gehen? Kamen die Menschen wieder, oder blieben sie in der Ferne? Hatten sie ein Zuhause? Eine Familie? Sie wartete, bis das erste Schiff das Tor zum offenen Meer passierte, dann ging sie zum anderen Fenster. Das gelbe Weizenfeld wogte ein ganz klein wenig, und die Mauern des schiefen Gehöftes waren von Maulbeerbäumen und einer wild gewachsenen Dattelpalme gerahmt.
»Es ist so gegensätzlich schön hier«, sagte sie zu Jean und folgte ihm die Treppe hinunter.
Es roch nach Hafen und getaner Arbeit. Ab und zu torkelte eine Fledermaus über ihre Köpfe hinweg, verlor sich wieder in die Dunkelheit. Die Laternen der Taverne glänzten wie kleine Monde und schaukelten im Abendwind. Es war die Zeit der sorglos Liebenden.
»Manchmal möchte man für einen Menschen die Sterne vom Himmel herunterholen«, flüsterte Jean und legte ihr seine Jacke über ihre Schultern.
»Ich nehme jeden Stern an, der mir geschenkt wird«, lächelte Cloe, lehnte sich zurück und breitete weit die Arme aus.
Sie war glücklicher als je zuvor in ihrem Leben – und omutima weiter weg als je zuvor.
Als sie wach wurde, ging sie leise zum Fenster und stieß die Schlagläden auf. Aber schon stand Jean hinter ihr, umschlang sie mit seinen Armen.
»Diese italienischen Betten können nicht verheimlichen, dass –«
»– schau nach draußen«, unterbrach ihn Cloe mit zärtlicher Stimme, »schau auf all diese Farben. Ich möchte sie dir heute schenken, damit das Grau deiner Vergangenheit keine Bedeutung mehr für dich hat.«
»Es ist mehr als ein Geschenk, dieser Anblick ist ein Gedicht«, murmelte er, »die weiße Stadt, der blaue Himmel, das Grün der Bäume, gelb und rot die Blumen –«
Er hielt sie mit etwas Abstand von sich. »Kleine wunderschöne Afrikanerin, wir werden uns jeden Tag etwas schenken. Ich dir, du mir. Es darf nichts mit Geld zu tun haben, und jedes Geschenk sollte nur uns gehören.«
Später wanderten sie Hand in Hand durch die prächtigen eleganten Straßen dieser alten Stadt am Meer, bewunderten die Anmut der schlanken Zypressen und die in allen Farben blühenden Oleanderbüsche in den sorgsam gepflegten Gärten. Sie blickten auf schneeweiße Balustraden, die stolze Villen umrandeten, und konnten sich an den unzähligen feuerroten Geranien nicht sattsehen.
»Das ist Goethes Italien«, sagte Jean begeistert. »Es stimmt, was er geschrieben hat. Nirgendwo ist das Licht so golden, so durchsichtig klar, nirgendwo die Konturen so zum Greifen nahe wie hier in dem Land, wo die Zitronen blühen.«
Aufgeregt wickelte er sich eine Haarsträhne um einen Finger, strich sie zurück und griff wieder nach Cloes Hand. Es war eine Bewegung, die sie an ihm mochte. Verliebt schaute sie ihn an.
Überall roch es nach Blumen, manchmal auch nach Öl, gebratenem Fisch und Knoblauch. Es waren Düfte, die widersprüchlich waren, wie die Gespräche, die bruchstückweise an ihre Ohren gelangten.
Der Gesang des Mannes erreichte sie in einer engen Gasse. Voll und versöhnlich, dann wieder grollend tief. Nicht gut, nicht schön, manchmal mit Pausen, aber es war die Lebendigkeit und die Vitalität, die das improvisierte Lied so außergewöhnlich machten. Jean legte den Finger auf den Mund und zog Cloe abseits von der Gasse in die offene Türe eines Hauses. Von dort aus konnten sie in eine Küche sehen. Es war ein Koch, der sang und dabei hingebungsvoll in einem Topf rührte.
»Mein heutiges Geschenk an dich. Ein singender italienischer Koch bei der Spaghetti-Zubereitung. Sag mir sofort, dass du mich liebst.«
»Ich liebe dich.«
Jean küsste sie und zog sie zurück auf die Straße.
Der nächste Tag war leicht bewölkt. Der nächtliche Regen hatte die Wärme zwischen den Häusern abgeschwächt und die Gassen rein gewaschen. Cloe zupfte Jean am Hemd. »Riechst du es?«, fragte sie. »Der Duft kommt nicht von den Blumen. Es ist Parfum, und es gehört zu der Frau vor uns.«
Sie gingen ihr nach, von einem Geschäft zum nächsten. Auch in das Café, setzten sich neben sie, tranken wie sie einen Espresso, standen mit ihr auf, folgten ihr. Die Frau blieb stehen. »Was wollen Sie von mir?«, fragte sie misstrauisch.
»Nichts, glauben Sie es mir, bitte«, Cloe lachte sie glücklich an, »es ist der wunderbare Duft Ihres Parfums, den ich meinem Geliebten heute schenken wollte.« Und zu Jean gewandt: »Sag mir sofort, dass du mich liebst.«
»Ich liebe dich.«
»Es soll der tollste Friedhof im Mittelmeerraum sein«, meinte Jean und blätterte im Buch. »In welchem Grab möchtest du liegen?«
»Beim Bäcker«, antwortete Cloe. »Nirgendwo sonst.«
Jean lachte.
»Sie haben einen guter Geschmack, verehrte Afrikanerin, dieses Grab wird in jeder Stadtbeschreibung erwähnt. Tatort Genua. Die Frau kommt in die Backstube und findet ihren Mann tot vor.«
Er zog sie weiter zum nächsten Monument.
»Und du?«, fragte Cloe.
»Mich zieht es zur Sängerin mit der Schwindsucht.«
»Was hast du eigentlich für einen Beruf?« Cloe war überrascht, dass ihr diese Frage bisher noch nicht eingefallen war.
»Mediziner«, entgegnete Jean knapp. »Fertig. Mit Doktortitel und ab sofort einsatzbereit, wo auch immer.«
»O«, sagte sie nach einer Weile, »auch bei Rindern, Löwen, Dürren und Aids?«
Jean zog die Stirn kraus. »Natürlich, warum nicht?«
Sie waren das letzte Auto, das die Fähre in Messina mitnahm.
Als sie auf den sizilianischen Boden fuhren, meinte Jean: »Normalerweise sollten wir aussteigen und die Erde küssen. Die Mauren haben das früher von den Ungläubigen verlangt, willst du?«
Hinter einer Biegung hielt er an und griff nach der Karte.
Cloe lachte und verschwand hinter einem Stein, um sich zu erleichtern.
»Wir könnten auch Goethes sizilianische Reisen nachfahren«, rief ihr Jean hinterher.
»Wir können es auch sein lassen und nur das betrachten, was wir mögen.«
Wind war aufgekommen, und Cloe wickelte beim Zurückkommen den Pullover enger um ihre Schultern. Sie hakte sich bei Jean ein. »Du deutsches pedantisches Wissenswunder, ich möchte lieber Zeit haben und mir den Luxus erlauben, sie lustvoll zu verbrauchen. Nur einmal in meinem Leben. Hilfst du mir dabei?«
Jetzt lachte Jean. »Du redest wie eine alte Frau von einhundertzweiundzwanzig Jahren, die davon hunderteinundzwanzig mit einem Tragebalken auf den Schultern herumgelaufen ist.«
Vor dem antiken Theater in Syracus gerieten sie in eine flirrende Menschenmenge, die sich aus Japanern, Amerikanern und Holländer zusammensetzte.
»Menge belastet mich immer«, meinte Jean.
»Mich auch«, sagte Cloe.
Sie liefen zurück zum Auto und fuhren weiter.
Am Rande eines Kornfeldes machten sie im Schatten eines kleinen Heiligenhäuschens Rast und fütterten die herrenlosen Hunde, die sich schnell um sie scharten.
»Grandma und Oldma würden sie sofort abschießen.«
Cloe scheuchte einen Hund von sich, der ihr gierig ein Stück Brot aus der Hand geschnappt hatte. »Sie bringen in der Natur nur Unruhe, hetzen das Wild und reißen es. Nicht gut für das Gleichgewicht.«
»Gibt es denn keinen Pa, Grandpa und Oldpa, die vielleicht dafür zuständig wären?«, fragte Jean.
Cloe sah in prüfend an. »Ich sagte dir doch bereits, in meiner Familie sind die Frauen anders.«
»Okay«, sagte Jean leichthin, »reden wir eben von meiner. Meine Großmutter hat die besten Weihnachtsplätzchen der Welt gebacken. Und mein Vater konnte jedes Fahrrad reparieren.«
Cloe hielt einer alten Hündin mit spitzen Fingern einen Wurstzipfel hin. Sie sagte nichts darauf.
In der Dämmerung erreichten sie einen Ort abseits der Landstraße.
»Ein kleines Hotel, eine kleine Trattoria, ein großer Teller Spaghetti und ein noch größeres Glas Rotwein. So könnte ich mir den heutigen Abend vorstellen«, meinte Jean und fuhr langsam auf den Ortskern zu.
»Halt«, rief Cloe, »so halt doch an. Siehst du sie denn nicht?«, sie flüsterte, »genauso schöpfen sie Wasser, genauso.«
Entgeistert betrachtete Jean die vier lebensgroßen Löwen aus Bronze, die in gestreckter Haltung ihre mächtigen Vorderpranken auf dem kreisrunden Brunnenrand liegen hatten, und ihre geöffneten Mäuler dem Wasser zustreckten.
»Wenn sie geschöpft haben, drehen sie sich sofort um und verschwinden im Busch.«
Cloes Stimme klang sehnsüchtig. »Ob sich Ama noch an mich erinnert?«
»Wer ist Ama?« Jean zog seine Stirn kraus. Wieder einmal.
Staunend betrachtete Cloe die barocken Kirchen und Paläste Palermos.
Anders als sonst irgendwo schien es hier das Normalste zu sein, die Gegenwart in der Vergangenheit zu leben.
»So schau«, rief sie einmal aufgeregt und wies auf die beiden Mammutbäume hin, deren mächtige Kronen einer Restaurantterrasse Schatten vor der gleißenden Mittelmeersonne gaben. »Und ich dachte, nur wir in Afrika haben solche Bäume.«
Jean parkte das Auto am Anfang einer Gasse. Kopfschüttelnd bemerkte Cloe, dass der Himmel mit Arbeitshosen und Kinderhemden auf Wäscheleinen verdeckt war.
»Schnell, meinte er, »wir können den Wagen wegen der notorischen Diebe hier nicht lange alleine lassen. Aber ich will dir doch mein Geschenk von heute zeigen.«
Mit einem kurzen Blick in den Stadtführer lief er mit ihr um einige Ecken und dann auf einen größeren Platz zu. Seine Augen suchten die Häuserfront ab. Er schüttelte den Kopf und zog Cloe weiter. Dann ein triumphierender Schrei. Er hatte gefunden, was er suchte. Vorsichtig führte er Cloes Kopf nach oben.
Die arabische Kuppel schmiegte sich in aller Selbstverständlichkeit an einen christlichen Glockenturm, und der lehnte sich wie zufällig an einen katalanischen Palast. Alle drei Bauwerke lagen in ihrer Entstehung jeweils mehr als dreihundert Jahre auseinander, aber es war die Phantasie des Orients neben der byzantinischen Strenge des Klerus und dem gefälligen Reichtum eines Herrschenden, die es zu einem Kunstwerk im Gesamten machte.
»Wunderschön«, sagte Cloe andächtig, »das gibt es bei uns in ganz Afrika nicht«, und es war das Höchste an Kompliment, das ihr im Moment einfiel.
»Ich habe genau diese Bauanlage in meiner Studienzeit in einem Buch gefunden und mir geschworen, einmal stehst du davor«, sagte Jean und nahm Cloe in den Arm.
Diesmal glich ihre Unterkunft einem Palast.
Aus der Badewanne heraus beobachtete Cloe Tauben, die auf kunstvoll verschnörkelten Dachspitzen und efeubehangenen Mauerresten zu Hause waren. Sie gehören zu Italien wie das kleine Erdmännchen zu Südwest, dachte sie und platschte übermütig mit den Händen über den Badeschaum.
Jean hüllte sie in ein großes Badetuch und trug sie zum Bett.
Cloe kicherte über den weichen und melancholischen Blick des sizilianischen Landedelmannes, der in einem Portrait verewigt über dem zierlichen Schreibtisch hing, auch über die feine Klingelschnur neben dem Bett, um vielleicht Hotelbedienstete zu benachrichtigen – es ist die europäische Kultur, sie ist so völlig anders als unsere, erkannte sie plötzlich und erwiderte leidenschaftlich die Küsse von Jean.
Die langen Fenster, die bis auf den Boden gingen, ließen sie immer geöffnet, so dass die Luft das Zimmer durchziehen konnte.
Das werde ich auf omutima ändern, dachte Cloe. Auch die verblichenen Vorhänge müssen weg, dafür werde ich die Wände weiß streichen. Und Bilder aufhängen, die alle Farben haben.
In den Gängen der Herberge roch sie Lavendel und Veilchenwurzeln. Es erinnerte sie an Francesca, die eine kleine Pension im Damaraland unterhielt. Mama und sie waren befreundet und besuchten sich ab und zu. Sie war Italienerin und pflanzte in kleinen Töpfen diese beiden Gewürze an, deren Schoten sie später in Tüllsäckchen hüllte und zwischen die Wäsche legte.
Es sind oft nur Gerüche, die es ermöglichen, dass eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart entsteht, kam es Cloe in den Sinn und ließ es zu, dass Jean ihre Hand nahm, um sie über die Straße zu führen.
Stück für Stück und in aller Langsamkeit erkundeten beide diesen Teil Italiens, schritten über Mosaike, die mehr als ein Jahrtausend alt waren, schlenderten durch Gassen, schmal und dunkel in porösem Stein gehauen, bestiegen Kirchtürme mittelalterlicher Gotteshäuser, suchten und fanden verwunschene Winkel, die sie ihrer Phantasie hinzufügten.
»Ich habe ein Schatzkästchen«, sagte einmal Cloe, als sie in der unendlichen Weite von Sand, Sonne und Wasser am Strand lagen, sich anschauten, sich berührten. »Ziemlich klein und schon ziemlich voll. Nur für mein letztes Stündchen gedacht!«
Sie lachte und strich zärtlich über Jeans Gesicht.
»Für alle Dinge, woran es sich zu erinnern lohnt.«
»Du bist die schönste Afrikanerin mit den schönsten Beinen, dem schönsten Hintern und den schönsten Haaren, mit der ich jemals auf Sizilien zusammen gewesen bin«, flüsterte Jean und robbte noch näher an sie heran.
Palermo lag im dichten Nebel, und der Wind roch nicht gut.
»Doch, ich will schon die mumifizierten Leichen sehen.«
Jean gab zwei Kindern Geld und ermahnte sie, auf das Auto aufzupassen.
Cloe legte sich ein Taschentuch vor den Mund. Irgendwie ekelte sie sich vor den Hunderten von geschrumpften Leichen, die in alten Spitzengewändern in den Gewölben hingen, lagen oder standen. Letzteres mit Haken an ihren Nacken, so dass Arme und Beine taumelten, als wäre der gesamte Mensch ein eben Hingerichteter in Sachen Gerechtigkeit.
Sie mochte die ganze Atmosphäre nicht. Die Katakomben waren kalt, düster, und die Präsenz des Todes bedrückte sie. Für die Gelassenheit der Jahrhunderte hatte sie nichts übrig. Sie wollte in Wärme und Gegenwart leben. Ihr war leicht übel, als sie die Gemäuer mit den kleinen ausgetrockneten Menschen verließen.
Wortlos schlenderten sie zum Meer hinunter. Sie knabberte an ihren Fingernägeln. Das tat sie immer, wenn sie nervös war. Jean zeigte auf ein Café. Die stahlblauen Leinenkissen auf den Stühlen versöhnten sie etwas.
»Entschuldigung, dass ich keine Begeisterung für deine Leichen zeigen konnte.«
Unruhig rührte Cloe mit dem Löffel in der Tasse herum.
»Ich habe den Mord an Nangolo, drüben in Amerika, miterleben müssen«, sagte sie plötzlich. »Nicht an seinem Blut sah ich, dass er tot war. Es waren seine gebrochenen Augen und die Qual darin, dass er mich nicht mehr schützen konnte.«
Sie griff nach einem Stück Zucker und zerrieb es zwischen den Fingern.
»Ich habe gesehen, wie die Männer Mülltonnen über ihn ausschütteten. Die Erniedrigung sollte total sein. Die Ratten sollten in der Nacht den Rest besorgen.«
Angestrengt starrte sie in die Ferne und flüsterte: »Was sie wohl auch getan haben.«
Dann blickte sie ihn an, runzelte die Stirn. »Nangolo war der farbige Halbbruder meiner Mutter. Ein Kuckuckskind, wie man so sagt. Mein Großvater konnte die Finger nicht von Großmamas bester Freundin lassen. Und die war schwarz.«
Warum erzähle ich das alles, fragte sie sich. Es geht ihn doch gar nichts an. Es ist meine Geschichte. Und die meiner Familie.
»Und?«, fragte Jean.
»Mit drei Jahren weiß man nicht, dass es eine gestörte Psyche geben kann. Meine war von innen her so durchlöchert wie der riesige Termitenhügel, der rechts auf der pad nach Okahandja steht. Meine Familie in Afrika hat mit mir viel Mühe gehabt –«
Gleichmütig wippten die Uferwellen vor ihnen gegen das Gemäuer des Cafégartens, und kleine Schaumkronen begleiteten ihr Spiel.
»Das tut mir leid«, murmelte Jean. »Ich habe meine beiden Eltern im Gefängnis verloren. Vor fünf Jahren. An Grippe, hat man mir gesagt, aber jeder wusste, dass bei der Stasi65 gefoltert wurde. Sie waren Intellektuelle, und solche Untertanen wollte und konnte der DDR-Staat nicht akzeptieren. Nach ihren Tod bin ich geflüchtet.«
65 Staatssicherheit
Cloe presste die Lippen aufeinander.
Es war das Wort flüchten, das sie blitzähnlich in die dunklen verdreckten Straßen im Neonlicht zurückführte, ihr Menschenbeine zeigte, die schnell und langsam gingen, stehen blieben, lachend Fragen stellten und vielleicht eine Geldmünze in die Blechdose warfen weitergingen oder zurückkamen. Ihr eine Frau mit wirren roten Haaren zeigte, bei der sie oft abgegeben wurde, und die sie dann mit einem Spielzeug neben einen Hund auf den Boden setzte. Und alleine ließ. Noch heute fühlte sie ihre verwaschenen, aufgerillten Finger an sich, noch heute ordnete sie Zigarettenqualm und angebrannte Zwiebeln nur diesem Menschen zu.
Aber noch mehr erinnerte sie sich an einen Tag in Los Angeles. Mehr heißer Wind als üblich fegte durch die Straßen, stärker als sonst war die Sonne verdunkelt, mehr Sand als gewöhnlich wurde aufgewirbelt und gegen Fenster- und Türrahmen gedrückt. Eine Person, sie war dunkel gekleidet und roch nach Pfefferminz, stand mit ihnen vor der Haustüre dieser rothaarigen Frau, dann kauerte sich die Mutter vor ihr nieder. Schnell und laut redete sie auf sie ein. Sie verstand nichts, aber sie roch förmlich ihre Verzweiflung – und dann wurde ihre Hand in die des fremden Menschen mit dem Pfefferminzgeruch gelegt, und in der letzten fahrigen Umarmung ihrer Mutter spürte sie die Ungeheuerlichkeit eines endgültigen Abschieds.
»Wir Afrikaner flüchten nicht.«
Schärfer, als sie wollte, kam diese Feststellung. Plötzlich hörte sie das Hüsteln des Leoparden, das Bellen des Zebras, hörte den Ruf des Pfefferfressers, das verhaltene Lautgeben der kleinen Klippdachse und den Schrei des afrikanischen Adlers. War es omutima, das sie rief?
»Ich sollte langsam daran denken, wieder nach Hause zu fahren«, sagte Cloe mühsam und schob die Kaffeetasse so ungestüm von sich, dass der Löffel scheppernd auf den Boden fiel.
In der Nacht weinte sie in seinen Armen.
Drei Tage später nahmen sie in Zürich voneinander Abschied.
»Lass mich verschiedene Dinge regeln, dann könnte ich in der nächsten Woche bei dir sein«, sagte Jean leise.
»Nein.«
Cloe nahm ihr Ticket aus der Tasche und ging zum Ausgang. Sie winkte noch einmal, drehte sich aber nicht mehr um.
Die beiden Großmütter und omutima – das war eine Welt.
Der Mann aus Europa – das war die andere.
Beide würden nie zueinander passen.
3. Kapitel
Frida fegte in die Küche, und empört klackte der Gehstock auf den Fliesen.
»Drei Kühe von einer einzigen Kobra gebissen«, schnaubte die Sechsundachtzigjährige. Ihre magere Gestalt schien nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen, und ihre Haut schimmerte im Halbdunkel des Raumes wie dunkles Pergament. Nachdrücklich energisch stampfte sie noch einmal mit der Krücke auf.
»Ist so etwas möglich? Und das muss uns passieren.«
Sie riss sich die Stiefel von den Füßen und schob sie an die Wand. Dann erst schaute sie auf.
»Du?«
Ungläubiger konnte keine Frage gestellt werden.
»Geht es Grandma und dir gut? Sus auch? Habt ihr Ama gesehen?«
Cloe stellte ihren Seesack mit Nachdruck auf den Küchenboden. Bewegt bohrte sie ihren Kopf an die Schulter ihrer Großmutter.
»Warum bist du so aufgeregt?«, fragte alte Frau und tätschelte ihr leicht den Rücken. »Hier läuft doch alles seinen Gang. Gewöhn dich an unseren neuen Namen Namibia, und sei nicht mehr ganz so freundlich zu den Schlappohren, sie bekriegen zwar nach wie vor die SWAPO an allen Grenzen unseres Landes, aber ich meine, es ist nur noch eine Sache der Zeit, bis wir von der Welt abgesegnete neue Herren bekommen.«
Sie schob sie ein wenig von sich. »Und wie geht es dir, mein Kleines? Hat dir Europa das gegeben, wonach du gesucht hast?«
»Hm, ja doch –«
Frida sah sie scharf an. »Kleinigkeiten bleiben Kleinigkeiten, spiele mit ihnen oder ignoriere sie. Nur Wichtiges bleibt wichtig, und das alleine sollte die Handlungen eines intelligenten Menschen bestimmen.«
»Oldma, darf denn eine omutima-Frau nicht auch einmal einen schwachen Moment haben?«
Cloes Stimme klang gequält.
Frida zuckte mit den Schultern, aber dann betrachtete sie überrascht ihre Großenkelin. Mit ihren knorrigen Finger drehte sie kurz ihr Gesicht, um ihr dann sanft über die Wangen zu streichen. »Du bist schwanger, nicht wahr?«
Cloe sagte nichts.
»Willst du gehen, oder bleibst du hier?«
Sachlich kam die Frage von der alten Frau.
»Darf ich mir einen eigenen Pontok bauen?«
»Du willst bleiben.« Frida lächelte. »Das und das andere ist gut für omutima, verdammt gut. Nein, Ama habe ich nicht gesehen. Aber sie wird wissen, dass du zurück bist.«
Resolut nahm sie sich ihre Schürze vom Haken und legte sie an. Die Vorderseite war dunkel eingefärbt. Es war die Stelle, an der sie sich immer die Hände abwischte –
Cloe sah, dass sie glücklich war.
Der Niederschlag Anfang des Jahres war gut gewesen, und die Dämme führten jetzt im Oktober noch reichlich Wasser. Obwohl sehr bald die große Hitze einsetzen würde, konnten die vorhandenen Reserven beim sparsamen Gebrauch für Mensch und Tier ausreichend sein.
»Wir bekommen das zweite gute Regenjahr«, knurrte Frida zufrieden, »Milane sind da, sie nisten am letzten Posten.«
»Gut für omutima«, sagte Cloe lächelnd in ihre Richtung. Sie nahm sich den Schlüssel des Farmwagens vom Brett.
»Bitte fahr nicht alleine. Nimm dir einen Jungen mit.«
Constanze kam mit einem Salat in der Hand aus dem Gemüsegarten. Sie runzelte die Stirne. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sich ihre Gestalt in den Jahren gerundet, weshalb sie mit Vorliebe die alten englischen Jeanshemden ihres verstorbenen Mannes lose über der Farmerhose trug. Die jetzt schneeweißen Haare trug sie nach wie vor hinten zu einem Knoten gebunden, aber trotz ihrer fast siebzig Jahre ging sie rasch und aufrecht.
Liebevoll betrachtete sie ihre Enkelin. »Oder soll ich mitkommen?«
Cloe schüttelte den Kopf. »Nein, nein, lasst mich mal alleine.«
Die Fürsorge ihrer Großmütter ging ihr etwas auf die Nerven. Sie war doch nicht krank, nur weil der Babybauch schon sichtbar war.
Sie wollte einen Platz für das Haus, ihr Haus, finden. Und das alleine.
Um sie zu beruhigen, nahm sie aber den schwarzen Jungen mit, wie auch den Korb mit Wasser und Obst.
Als Frida ihr die Frage nach der Schwangerschaft stellte, war sie zuerst entsetzt gewesen. Sie hatte es nicht gewusst. Ein Kind. Und keinen Vater – wie sollte das gut sein.
Am ersten Abend wollte sie von Jean sprechen, aber sie wusste nicht, wie sie den beiden alten Frauen erklären sollte, dass sie von einem zum anderen Moment mit einem fremden Mann durch die Lande gezogen war. In aller Selbstverständlichkeit. Wie eine Marketenderin. Und dann war da noch die Sache mit seinem Namen.
»Der Urenkel von Gustchen Kampe wäre noch zu haben«, hatte Frida sachlich gemeint, als sie am nächsten Tag am Mittagstisch saßen. »Sie war meine erste Freundin hier in Südwest und –«
»– nein«, unterbrach Constanze sie, »ich habe ihn neulich in Windhoek gesehen, der hat ja schon jetzt eine Glatze, ist viel zu dick und außerdem schon um die Fünfzig.«
Sie lachten.
»Und was ist dem Jüngsten aus der Familie von Plottnitz?«
»Shame, ein guter Reiter, aber –«
»Muss ich denn unbedingt einen Mann haben?«, hatte Cloe vorsichtig gefragt.
»Willst du uns nicht von dem Mann erzählen, den du in Europa getroffen hast?«, war Constanzes sanfter Vorwurf gewesen.
»Doch, wenn ich die richtigen Worte gefunden habe.«
Und dabei war es geblieben.
Langsam schob sich der Geländewagen durch den Busch. Die kleine Anhöhe unmittelbar hinter dem Farmhaus stieg leicht an. Aufmerksam blickte sich Cloe um. Der Strauch hier müsste gefällt werden, dachte sie, dann kann die Steinformation bestehen bleiben, und ich kann drumherum fahren. Der Hügel war dicht bewachsen, aber sie nahm eine ausgetretene Tierfährte und gelangte so problemlos auf die Plattform. Zwei Affen stoben auseinander und rannten aufgeregt bellend davon.
»Missis, hier der Affenberg«, meinte der schwarze Junge und sprang vom Wagen.
»Ja, ich weiß«, meinte Cloe langsam und betrachtete verzückt den wildgewachsenen Cissusbaum vor sich, »sie dürfen ja bleiben. Alles soll so bleiben.«
Sie holte sich einen Ansitzstuhl von der Laderampe und stellte ihn an den vernarbten Stamm. Aufmerksam ließ sie ihre Blicke über den Platz gleiten. Das Farmhaus lag unterhalb und fast in Rufnähe. Das war gut. Das von Buschmannshaar gesäumte Felsgestein links von ihr glitzerte in der Sonne. Leichter Wind hielt seine hellen Grasspitzen in Bewegung und ließ sie wie endlose Wellen erscheinen. Das war beruhigend. Die Erde des Bodens war tiefrot, und zusammen mit dem Blau des Himmels und dem Fahlgrün der Natur waren es die Farben, die sie an ihrer Heimat so liebte. Aber das Eindruckvollste an diesem Platz war die Stille. Cloe spürte, wie Frieden sie erfüllte, mehr als in den ganzen letzten Wochen, seit sie wieder auf omutima war.
»Hier werden wir leben können«, sagte sie laut und legte beschützend ihre Hände über die kleinen winzigen Stöße, die innerlich gegen ihren Leib pochten.
Cloe nahm einen Stein, eine lange Schnur und zog damit drei Kreise in verschiedenen Größen. Zwischen ihnen Geraden mit unterschiedlichen Öffnungen.
Die schwarzen Bauarbeiter standen neugierig um sie herum, sagten nichts, aber dann kratzte sich einer von ihnen am Kopf, setzte seine Kappe auf und meinte: »Missis, kein Problem, wie bei meiner Familie.«
Er pfiff zweimal kurz, und die Männer setzten sich zur Arbeit in Bewegung.
Wie selbstverständlich passten sich die drei Rundbauten der Natur an. Zwischen ihnen verliefen breite Gänge, so dass alle Räume miteinander verbunden waren.
Es war das Haussystem einer onganda66, wie man sie im Norden des Landes antraf. Cloe hatte es sich instinktiv aus ihrem Gedächtnis hervorholt. Einmal war sie mit Constanze dort oben gewesen, um einen Farmjungen abzuholen, der sich ein Bein gebrochen hatte. Während Constanze die Formalitäten mit dem Dorfältesten regelte, war sie umhergegangen und hatte sich alles angeschaut. Zuerst verstand sie nicht, weshalb die bienenkorbähnlichen Hütten dieser Dorfgemeinschaft kreisförmig angelegt waren. Aber dann sah sie die mittige Feuerstelle und begriff, dass sich das tägliche Leben der Dorfbewohner nach getaner Arbeit ausschließlich in der Gemeinschaft abspielte. Die Wärme des Feuers war für alle da, wie auch der Inhalt des großen Eisentopfes, der darüber hing.
66 Eingeborenendorf
Cloe musste lächeln, als sie die nach hinten hinausgehenden und mit Fellen verhängten Öffnungen sah. Doch ein ganz klein wenig Intimität, hatte sie gedacht, und einer jungen Frau zugelächelt, die mit verschlafenem Gesicht aus ihrer Hütte kam. Sie war nackt und bezaubernd in ihrer Natürlichkeit. Es lag etwas Geordnetes über diesem Dorf, die Luft roch gut, und keine Zeit drängte.
Instinktiv strich sich Cloe über ihren Bauch. Luft zum Atmen, Natur und Freiheit, genau das wollte sie für sich und ihr Kind.
Aber über Jean hatte sie mit Frida und Constanze immer noch nicht gesprochen.
Und auch Ama hatte sich ihr nicht gezeigt.
In Windhoek fand sie bei Wecke & Voigts Vorhangstoff. Weiße Baumwolle mit übergroßen Zitronen. Er kam aus Südafrika, wie auch die weißen Gartenstühle, deren Polster sie nachträglich mit blauem Leinen überzog. Es hatte ihr in einem Café so gut gefallen, damals in Palermo, damals mit Jean –
Die Farben in den Bildern der jungen Russin lagen tief in ihrer Erinnerung, und sie besorgte sich Leinwand und Farbtuben, Pinsel und Terpentin. Sie wollte nur versuchen, diese widerzugeben, ohne jede Gegenstände. Rot, orange, gelb –
Die Farben des Sonnenuntergangs sprengten fast das Leinen. Plötzlich nahm ihr einer der Schwarzen den Pinsel aus der Hand. »Darf ich, Missis?«, fragte er und malte mit wenigen Strichen den blühenden Cissusbaum mitten in die Glut hinein und daneben die Konturen einer Frau, die verträumt zur Seite blickte.
»Wunderbar«, flüsterte Cloe. »Das hier ist das Abendbild. Kannst du mir auch den Morgen malen? Im gleichen Motiv?«
Die Luft des Morgens war klar.
Nur leuchteten jetzt die Blätter des Cissus in allen Blau- und Grüntönen aus dem Bild. Auch der Himmel, auch seine Grenze zur Erde – auch das Kleid der Frau, die aber diesmal die Hand über den Augen hielt, um Ausschau zu halten.
Tu ich das denn, fragte sich Cloe verwirrt und hängte beide Bilder im Livingroom auf.
Regelmäßig fuhren Constanze und sie zum alten Hausarzt der Familie nach Swakopmund.
»Es verläuft alles normal, wie ich meine«, hatte der betagte Mann das letzte Mal gesagt, »aber ich empfehle dir, den Kollegen in der Medi-Clinik in Windhoek zu konsultieren. Er kann auch ein Zimmer für die Niederkunft reservieren.«
»Wenn doch alles normal verläuft, warum soll ich nach Windhoek?« Cloe saß zufrieden im Auto. »Du und Frida und auch Sus wisst doch, was zu tun ist, wenn ein Kind auf die Welt kommt.«
Und damit war die Sache für sie erledigt.
»Bitte, fahr doch noch schnell bei Susan vorbei. Ich möchte für das Kinderzimmer noch ein Motiv ihrer kleinen Tochter haben.«
Cloe hatte die bekannte Künstlerin durch Zufall in der Buchhandlung von Wietersheim kennengelernt, als sie nach deutschen Neuerscheinungen schaute und die hübsche Frau neben ihr die englischen Buchtitel durchging.
Susan Mitchinsen, Tochter eines Engländers und einer Französin, war schon vor Jahren nach Afrika gekommen und geblieben. Für ihre Bilder hatte sie eine alte afrikanische Kunstform entdeckt. Sie schnitzte die Konturen ihrer Motive in Linoleum und walzte sie dann mit schwarzer Farbe auf dickem Büttenpapier aus.
Ihr Haus lag an der Stadtgrenze von Swakopmund, schon ein wenig in den Ausläufern der mächtigen Sanddünen. Vorsichtig fuhr Constanze an die Hausmauer heran. Die Luft war schwer und feucht vom Morgennebel, und da die Straße nicht gepflastert war, gruben sich die Räder bereits leicht in den Boden ein.
Susan stand sofort an der Tür und umarmte die beiden Frauen herzlich.
»Come in«, meinte sie und zerrte das kleine halbschwarze Mädchen von ihrem Malerkittel weg. Cloe beneidete sie um ihre unabhängige Einstellung zur Apartheid, die nach wie vor von Südafrika aus diktiert wurde.
Eine schwarze Maid servierte im kühlen Innenhof Tee.
»Ich habe von meiner letzten Schwangerschaft noch drei wunderschöne Kaftane«, sagte Susan, »rot-, blau- und grüngemustert. Sie müssten dir stehen. Allerdings, wenn ich wieder dran sein sollte –«, sie rollte bei den Worten mit den Augen.
Cloe lachte.
»Natürlich, danke.«, Sie griff in die Tasche. »Selbstgebackenes Brot, selbstgemachte Marmelade, Rauchfleisch vom Kudu. Omutima lässt grüßen. Und jetzt möchte ich deine letzten Werke sehen.«
»Like Christmas«, meinte die Malerin fröhlich und nahm die Dinge an sich, »geh durch ins Atelier, ich will nur alles schnell in den Kühlschrank legen.«
Interessiert betrachtete Cloe die fertigen wie auch die anskizzierten Bilder. Sie glaubte sicher zu sein, dass es einen neuen Mann im Leben ihrer Freundin gab.
Mit sanftem Lächeln betrat der dunkelhäutige Hüne mit Susan im Arm den Innenhof. Ihre Verliebtheit war nicht zu übersehen.
Cloe starrte das Paar an.
Als sie in Genua am Fenster stand, hatte Jean auch seinen Arm um sie gelegt.
Kleine wunderschöne Afrikanerin –
Sie stand abrupt auf und drängte Constanze zum Gehen.
Am Tag vor Silvester zog Cloe aus dem Farmgebäude hoch in ihr eigenes Haus.
Es war mehr als ein Umzug. Sie hatte jetzt ihr eigenes Leben. Auf omutima.
Frida wusste es und auch Constanze. »Morgen bei dir oben?«, fragten sie.
Cloe und ihr Bauch nickten.
Aber am späten Nachmittag kam Frida noch einmal in ihrem klapprigen Landrover hoch. »Ich muss bei Tageslicht sehen, wie unsere Heimat von hier aussieht – und natürlich wie du sie für dich geschaffen hast«, sagte sie und stellte sich mit dem Rücken zur Mauer, die erst am Morgen fertiggestellt worden war.
Aufmerksam schaute sie sich um. Unterschiedlich geschichtete Felsblöcke dort, sandiges Geröll, aus dem ein stark verzweigter Weißdorn wuchs, weiter hinten, eine leicht gewölbte Felsplatte vor der Stufe zur Rundterrasse, der gestutzte Cissusbaum in der Mitte der Hoffläche – und in aller Selbstverständlichkeit eingefügt die drei weiß getünchten Rundbauten.
Die alte Frau nickte zufrieden. Sie griff nach Cloes Hand.
»Mach etwas aus deinem Leben, Kind. Die wichtigen Jahre gehen so schnell vorbei. Man merkt gar nicht, wie man altert. Denn es geht langsam und kaum merkbar. Die Haut wird dünner, die Augen schlechter, und das Herz pocht ab und zu merkwürdig. Jeden Tag hat man sich zu arrangieren. Ein Unding ist nur, dass die Seele nicht altert. Sie hat Sehnsüchte, sie kann hassen, und dabei will sie doch nur lieben. Das kann vielleicht die Strafe für alle Dinge sein, die man verkehrt gemacht hat im Leben –«
Sie zog die Nase hoch. »Ich meine ja nur, dass der Vater deines Kindes das Recht haben sollte zu erfahren, dass –«
»Wir reden morgen Abend darüber«, sagte Cloe sanft, »morgen habe ich die richtigen Worte.«
Langsam zog die afrikanische Nacht auf. Mit ihr der Mond, dessen Licht die Natur sofort zu unruhigen Schattenspielen zwang. Leichter Wind kam auf, und die Kerzen flackerten. Cloe hatte den Terrassentisch aus der Erinnerung heraus so gedeckt, wie sie es in der Schweiz und Italien angetroffen hatte. Die Zweige der Makalanipalme stießen raschelnd gegen die Hausmauer, und der Duft ihrer Früchte lag in der Luft.
Einträchtig saßen die drei Frauen in den letzten Stunden des Jahres zusammen.
»Ich habe Jean beim Apfelschälen kennen gelernt. Genauer, auf einer Wiese im Schweizer Kanton Wallis.«
Ruhig blickte Cloe die beiden alten Frauen über den Tisch hinweg an.
»Und ich habe mich sofort in ihn verliebt. Er ist groß, blond, hat blaue Augen und ist Doktor der Medizin. Seine Eltern sind tot, und wo er jetzt ist, weiß ich nicht. Wir haben uns auf dem Airport in Zürich verabschiedet. Ich wollte wieder nach omutima zurück. Das ist fast alles, was sich über meinen Fehltritt sagen lässt.«
»Bezieht sich das Wort fast auf seinen vollen Namen, oder sollten wir sonst noch etwas über ihn wissen?« Constanze war irritiert.
Sie griff in die Tasche und holte ein Buch heraus.
»Trotzdem oder vielleicht deshalb ist es heute der richtige Zeitpunkt. Du hast dich für omutima entschieden, also musst du auch unsere Geschichte weiterführen.«
Mit Nachdruck schob sie die Familienbibel Cloe hin.
»Frida hat sie aus Deutschland mitgebracht, ich habe sie damals bei meiner Heirat übernommen –«, sie räusperte sich ein wenig, »Masha hätte sie nach ihrer Rückkehr aus Amerika bekommen sollen – und nun bist du an der Reihe.«
Erwartungsvoll sahen die beiden Großmütter Cloe an.
»Ach ja«, fuhr Constanze fort, »und in der nächsten Woche werde ich nach Windhoek zum Anwalt fahren und dir die Farm mit allen Rechten und Pflichten überschreiben, so wie sie mir meine Mutter vor Jahren überschrieben hat. Kind, du bist die vierte Generation auf omutima, und dein Kind wird die fünfte sein. Ein schöner Gedanke.«
Cloe stand auf, ging einige Schritte hin und her und streckte ihren Rücken, wie es schwangere Frauen taten.
»Ich bekomme Zwillinge, Jungen. Man hat es mir vorgestern in der Klinik gesagt. Meine Überraschung für euch. Also wird die Tradition der omutima-Frauen vielleicht mit mir zu Ende gehen, ich meine, wenn ich meine Weigerung nicht aufgebe, zwecks Töchtergeburten den Urenkel von Gustchen zu heiraten oder andere Heiratskandidaten«, fügte sie lächelnd hinzu.
Dann tat sie etwas Seltsames. Vorsichtig kauerte sie sich vor Frida hin und legte ihre Hand auf die ihre.
»Der Vater meiner Kinder heißt Jean von Zoitzheim. Er kommt aus dem Osten Deutschlands. Mehr weiß ich nicht. Als ich mich von ihm trennte, wusste ich noch nicht, dass ich schwanger war. Oldma, warum steht dieser Name ausgestrichen in unserer Bibel?«
Es war Fridas Aufschrei und ihr schreckverzerrtes Gesicht, das Constanze in Panik aufspringen ließ. Sie eilte zu ihrer Mutter und richtete sie auf.
»Was ist, Mutter?«, schrie sie.
»Du weißt nicht, wie schwer die Last ist, die du nicht trägst«, keuchte die alte Frau, »ich habe die meine getragen, mein ganzes Leben lang.«
Tränen rannen ihr über das Gesicht. Sie krallte sich am Arm ihrer Tochter fest.
»Wird Zeit weggelassen, wird sie gefunden. Wie konnte ich annehmen, dass der Herr im Himmel jemals mein Tun vergessen würde.«
»Frida, hast du mir etwas zu sagen?« Cloe zitterte am ganzen Leib.
Die Alte starrte Tochter und Urenkelin an. »Könnt ihr die Wahrheit vertragen? Könnt ihr das wirklich? Dann werde ich sie euch sagen –«
4. Kapitel
Ein Reiter muss ab der Haustüre dreißig Minuten in der Geraden galoppieren, um die Grenze meines Besitzes zu erreichen.
Cloe saß breitbeinig auf einem Hocker in der Küche und schälte Kartoffeln. Sie fühlte jetzt bei jeder Gelegenheit, wie sich die Kinder in ihrem Leib regten. Seit gestern hatte sie sich den Argumenten der beiden alten Frauen gebeugt und wieder ihr Mädchenzimmer auf der Farm bezogen. Zwillinge! Gott im Himmel! Und dann oben im Haus alleine!
Und du, Magd, kommst augenblicklich in mein Büro.
Fridas Beichte am Silvesterabend war besonders für Constanze ein Schock gewesen.
Ich hätte ihn umgebracht oder zumindest angeschossen, dachte Cloe sachlich.
Ich möchte dir etwas mitgeben, das dich dein ganzes Leben begleiten soll.
Hätte Frida nicht die Bibel bekommen, wäre dieser Teil omutimas nie herausgekommen. Also haben Jean und sie die gleichen Vorfahren. Jean stammte von Konrad ab, sie von dessen Vater. Und was war mit Kaspar geschehen?
Und sie erwartete Zwillinge, männliche. Ein Vermächtnis dieser Familie. Einer von ihnen versetzte ihr einen Stoß, und sie ließ das Kartoffelmesser fallen. War es Kaspar oder Konrad? Und tat sie recht, ihnen die Namen ihrer Vorfahren zu geben? Schon jetzt, wenn auch erst in Gedanken? Sie sollte ihre Großmütter fragen.
Frida betrat die Küche, und Cloe stand schwerfällig auf.
»Weißt du eigentlich, dass man von dieser Türe aus bis hin zum äußersten Posten mit dem Auto mehr als fünfunddreißig Minuten benötigt?«, fragte sie lächelnd ihre Großmutter. »Also hast du doch in deinem Leben mehr erreicht als dieser Mensch, dem alles nur vererbt wurde.«
Frida schwieg zu ihren Worten.
»Ich möchte sagen, dass ich stolz bin, solch wunderbare Großmütter zu haben«, sagte Cloe leise.
Es begann zu regnen. Feiner Märzniederschlag, der eben gerade auf dem Küchendach zu hören war. Cloe lauschte nach oben. »Du hattest recht. Kommen Milane im Dezember und nisten, gibt es eine gute Regenzeit.«
Constanze lief über den Hof. Sie trug den Schlapphut ihres Vaters, wie immer, wenn es regnete.
»Ich bin zu alt und zu vernünftig, um meinen Vater Fritz aus dem Herzen zu reißen«, hatte sie nach Fridas Beichte gemurmelt und später in sich gekehrt die alte Frau in ihr Zimmer geleitet. Die Nacht über lag sie grübelnd wach. Siebzig Jahre konnte ihre Mutter die Wahrheit verschweigen. Sie wusste nicht, ob sie ihr grollen sollte. Was hätte es geändert, flüsterte es in ihr. Hättest du deinen Vater weniger geliebt oder ihn vielleicht Fritz genannt, vielleicht deine Mutter darum angebettelt, mit deinem richtigen Vater Kontakt aufzunehmen?
Einen Kuckuck gibt es in jeder Familie, hatte sie gesagt, als Sus mit Nangolo auf die Farm zurückkam. War sie, Constanze, jetzt auch ein Kuckuck? Wenn dir etwas passiert wäre, ich hätte es nicht überlebt, waren ihre Worte, als sie nach ihrem Malariaanfall nach omutima zurückfand. In diesen wenigen Worten hatte ihre ganze Liebe für sie gelegen. Und nur das durfte doch zählen, oder?
»Wann kommen die beiden deutschen Jäger?«, rief sie Cloe zu »und hat Boehmckers André zugesagt, sie zu führen? Du solltest vorsichtshalber noch einmal anrufen.«
Das Brummen eines Automotors übertönte Cloes Antwort. Interessiert blickten sie und Frida nach draußen. Der Toyota hielt an der Pforte. Ein Mann stieg umständlich aus und ging auf sie zu.
»Nein, das darf nicht sein«, flüsterte Cloe.
Jean von Zoitzheim setzte seine Kappe ab und fingerte in seinem Haar. »Wenn ich nicht willkommen bin, Cloe von Rekkingen, sage es jetzt und sofort.«
Frida starrte ihn aus brennenden Augen an, starrte auf die Haarlocke, die er abwartend um seinen Finger wand, starrte auf die ganze Erscheinung –
Mit einem leisen Laut sackte sie in sich zusammen.
»Ich erinnere Sie an Kaspar, nicht wahr?«
Jean fühlte den Puls der alten Frau. Constanze war vorangegangen, und er hatte die alte Frau in ihr Zimmer getragen und auf das Bett gelegt. Die Spritze begann zu wirken, und Fridas Gesichtszüge entspannten sich.
»Nachdem Cloe und ich uns getrennt hatten, habe ich mit allen noch lebenden Familienmitgliedern meiner Sippe gesprochen«, sagte er leise. »Frau Zabel, ich kenne Ihr Unglück. Aber weder Cloe noch ich können etwas dafür.«
»Ich weiß«, sagte Frida müde und drehte den Kopf zur Seite.
»Wie ist sein Leben verlaufen?«, flüsterte sie.
Jean saß auf der Bettkante und hatte Fridas Hand in die seine genommen.
»Er hat sich erschossen. Gleich, nachdem Sie abgereist waren«, sagte er ruhig. »Er wollte sich nicht mit dem Tun seines Vaters arrangieren.«
Frida nickte. »Das passt zu ihm, und trotzdem war er schwach.«
»Würden Sie uns Ihren Segen geben?«
»Fragen Sie Cloe, es ist ihre Entscheidung.«
Cloe legte den Finger auf den Mund von Jean. Ein Geräusch kam näher. Hinter der Wasserstelle knackte und raschelte es. Triumphierend stand der Leithengst in der Abendsonne. Schnell folgten ihm die Stuten und Fohlen seiner Herde. Aber plötzlich hörte das unbekümmerte Stampfen und Pusten auf. Eine Zebrastute wieherte zornig. Sie hatte Witterung der beiden Menschen in ihren Nüstern, die vor ihnen im Baumhaus saßen. Noch einmal schrie sie auf, und die Tiere stoben weg. Alle.
»Schade, sie haben von uns Wind bekommen oder die Rabauken in meinem Inneren gehört«, meinte Cloe und ließ sich von Jean aufrichten. »Früher einmal soll das hier ein dicht gewachsener Wald gewesen sein. Jetzt ist die Gegend so gelichtet, dass die roten Felsen selbst durch das Sommerlaub der Fächerakazien schimmern. Warum, weiß niemand. Aber das Nichtwissen, warum eine Veränderung stattgefunden hat, ist typisch für meine Heimat.«
Sie gingen über den Damm zurück.
»Noch eine Kuriosität von omutima«, sagte Cloe und zeigte auf einen hochgewachsenen Weißdornbusch. »Siehst du in der lichten Krone die bleichen Hölzer? Sie gehörten einem Mann, dem es gefiel, hier zu sterben –«
»– dem Franzosen«, unterbrach sie Jean.
Cloe blieb stehen und blickte ihn an. »Du hast es nicht vergessen?«
»Nicht ein Wort, das du gesagt hast.«
Einigermaßen verwirrt ging sie weiter. »Jedenfalls haben Frida und Constanze diesen Pierre auf unserem Friedhof beigesetzt, die Krücken aber in einen Weißdornbusch geworfen. Sie wurden jedes Jahr von den neuen Trieben ein Stück höher gehoben und können jetzt nahe dem Himmel besichtigt werden.« Sie lachte ein wenig gequält. »James hat eine Bank aufstellen lassen, und manchmal bei Neumond hat er Constanze untergehakt und gesagt, komm, lass uns beim toten Franzosen die Sterne betrachten.«
Nicht ein Wort, das du gesagt hast. Es schmerzte.
Jean wohnte jetzt bereits die dritte Woche auf omutima. In dem Gästebungalow der Jäger. Cloe ignorierte absichtlich seine Bemühungen, ihr behilflich zu sein, warum auch, sie kannte ihre Arbeit. Und sie wollte nicht mit ihm reden. Ihre Entscheidung war gefallen.
Omutima.
»Wer wohnt dort oben in dem Haus?«, hatte er einmal gefragt.
Es war Cloe nicht in den Sinn gekommen, ihm hierauf zu antworten, und so wurde diese Frage zu den vielen anderen unausgesprochenen Gedanken gelegt.
Der Himmel war dunkel und voller Wolken.
»Ich werde morgen wieder fahren«, sagte Jean, als er sich an den Frühstückstisch setzte.
»Wohin und warum?«, fragte Cloe. Knapper konnten keine Fragen gestellt werden.
»Hier werde ich nicht gebraucht, also werde ich mir etwas suchen. Etwas, das meinem Leben einen Sinn gibt.«
Cloes Augen standen voller Tränen.
»Ich kann dir nicht folgen. Mein Platz ist auf der Farm. Ich habe es versprochen.«
»Habe ich jemals von dir verlangt, dass du dein Leben hier aufgeben sollst?«
Jean war fast zornig.
»Ich bin um die halbe Welt gefahren, um herauszubekommen, wo dein gottverdammtes omutima liegt. Glaubst du wirklich, ich will, dass die Frau, die mir auf der Wiese im Wallis die Apfelschnitte gereicht hat, an meiner Seite zu einem angepassten Muttertier mutieren soll – wach doch endlich auf, Cloe.«
Wie eine Furie ging Cloe auf ihn los.
»Fuzek67, ich schlafe bestimmt nicht! Oder sag mir, du neunmalkluger Europäer, wie kannst oder willst du mit Wanzen und Flöhen auf den Köpfen der Schwarzen umgehen oder mit Totgeburten bei Rindern, mit deren dauernden Hufproblemen, mit der ewigen Hitze, den Motten in den Kleiderschränken, mit den Millionen Stubenfliegen, den Milliarden grüner Stinkkäfer, mit fleckiger Butter und den anderen tausend Möglichkeiten dieses Landes, die einen fertigmachen können, ließe man es zu. Himmel und Hölle noch mal, wie soll ich Achtung vor dir haben, wenn ich als eine hier Geborene alles besser im Griff habe?«
67 Slang für verdammt o.Ä.
Jean lachte laut, zog sie hoch und küsste sie auf den Mund.
»Sei nicht so gottverdammt überheblich, Cloe von Rekkingen. Drüben in Okazize stehen drei verlassene Gemäuer. Ich könnte sie pachten, wieder herrichten und eine kleine Arztpraxis einrichten. Vielleicht mit einigen wenigen Betten. Ärzte kann dieses Land immer gebrauchen. Und du kannst dich in der Zeit meiner Arbeit mit deiner fleckigen Butter beschäftigen, übrigens eine idiotische Formulierung, aber die Abende und die Nächte und alle freien Minuten könnten, verdammt, verdammt, verdammt, uns gehören.«
Sie heirateten drei Tage später in dem kleinen Gemeindebüro von Okahandja.
Eine eingefallene magere Frida am Stock und eine kleine runde Constanze mit gewölbtem Rücken waren ihre Trauzeugen. Beide Frauen hielten ihre Hände verschlungen. Ohne Worte, denn es war alles gesagt, und es gab nichts zu entschuldigen und nichts zu vergeben. Es hatte eine Vergangenheit gegeben, und die war in eine erfüllte Gegenwart hinübergeglitten.
Nachdenklich betrachtete Cloe die beiden Alten.
Ihre Zwei-Personen-Familie.
Geprägt von Entbehrungen und Verantwortung, oft genug bestraft von der gnadenlosen Sonne und der tötenden Dürre, aber immer erfüllt von der bedingungslosen Liebe zu ihrem Land, waren diese Frauen aufgezehrt und verbraucht, und doch konnte nichts dem Leuchten und Glänzen ihrer Augen etwas anhaben, nichts ihre Stärke mindern, nichts ihre innere Balance stören, denn es war omutima, das ihnen die Kraft schenkte. Die ganzen Jahre hindurch.
Würde die Farm auch ihr und Jean solch ein erfülltes Dasein schenken?
Nachdrücklich schob ihr der Bürgermeister die Urkunde zu.
Cloe bemerkte spielende Kinder im Vorgarten des Amtes. Auch einen blau schimmernden Vogel, der auf einem Ast wippte, sah, wie eine übergewichtige Farbige in einem leuchtend roten Kleid langsam über die Straße ging und sich mit einem Korb auf dem Bürgersteig niederließ.
Unentschlossen blickte sie zu ihren Großmüttern. Beide lächelten, mehr noch, Frida nickte ihr beruhigend zu, und Constanze zwinkerte kurz mit den Augen.
Natürlich, warum nicht?
Sie griff nach dem Füllfederhalter. Omutima war schließlich auch ihre Scholle.
Schwungvoll setzte sie ihre Unterschrift neben die ihres Mannes: Cloe von Zoitzheim, geborene von Rekkingen.
Am Nachmittag fuhr Cloe mit ihrem Mann hoch in ihr Haus.
Er war überwältigt. Fast unsicher nahm er seine Frau in den Arm. »Hättest du mir vorher dieses Haus gezeigt, ich hätte nicht gewagt, dich um deine Hand zu bitten.«
Da wusste Cloe, dass sie recht getan hatte.
»Ich freue mich auf uns«, murmelte sie und bewegte sich nicht in der Sicherheit seiner Armbeuge.
»Wieder ein Adeliger auf omutima«, tuschelte die deutsche Kolonie, »Arzt soll er sein, mal sehen, wie er mit unseren Rußkerzen klarkommt.«
Ein kalter Südwestwind wehte über das Land, als die Wehen einsetzten. Schon seit Stunden tobte am Horizont ein Unwetter, und Blitze mit verhaltenem Donner verließen den geöffneten Himmel. Mühsam hielt sich Cloe am Küchenstuhl fest.
Frida schnalzte mit Blick nach oben nach einem schwarzen Arbeiter und warf ihm den Schlüssel für das Farmauto zu.
»Mister Jean, drüben in Okazize, schnell.«
Constanze stellte Töpfe mit Wasser auf alle Herdflächen und holte die Handtücher aus der Truhe, die sie schon vor Wochen für die Entbindung vorbereitet hatte.
Auf Cloes Wunsch hin hatte man ihr Mädchenzimmer für die Entbindung hergerichtet. Alles Überflüssige wurde entfernt und das Bett in die Mitte des Raumes gestellt. Sie wollte in der Zeit des Wartens in die Ferne sehen und den Busch riechen.
Jean sprang aus dem noch fahrenden Auto, als die ersten Regentropfen fielen. »Für Windhoek ist es zu spät«, rief er aufgeregt, »also werden wir alle dir hier helfen.«
Er nahm Cloe vorsichtig in den Arm und führte sie in ihr Zimmer.
»Versuche nicht, gegen den Schmerz anzukämpfen«, murmelte er, »schreie so oft und so laut, wie du willst.«
Der Tag ging mit trommelndem Platzregen zu Ende. Er schluckte jedes Geräusch, jeden Schrei, dann kamen die heulenden Nachtwinde und am Morgen der heiße Sturm, der alles Feuchte wieder trocknete.
Die Wehen schüttelten Cloe, Schmerz schien sie in zwei Teile zu zerreißen. Sorgenvoll kühlte Constanze die Stirne der Kreißenden, und Frida versuchte, ihr Bouillon zur Stärkung einzuträufeln.
Jean wich nicht eine Sekunde von ihrer Seite.
»Halte meine Hand, beiß rein, das lenkt den Schmerz ab, konzentriere dich auf die Geburt. Einatmen, ausatmen –«
Cloe hatte das Gefühl, dass die Welt von ihr ging. »Ich schaffe es nicht«, murmelte sie, »lasst mich –«
Fridas Gesicht war über ihr. Ihre Augen leuchteten böse. »Also du willst es nicht schaffen«, fauchte sie, »und omutima?«
Der Abend zog auf. Rot und Purpur leuchtete der Himmel. Es schien, als hätte man knapp hinter dem Horizont ein Feuer gezündet. Cloe wand sich hin und her, aber die Frucht in ihr wollte sie nicht verlassen. Plötzlich saugten sich ihre Augen an einer Bewegung fest. Waren es in Schmerzen getauchte Halluzinationen, oder war dieser fahlgelbe Körper auf dem Fenstersims Wirklichkeit?
Entsetzt sprang Jean auf. »So macht doch etwas, oder gebt mir ein Gewehr«, schrie er in Richtung Frida.
»Lass«, keuchte Cloe, »es ist Ama. Jetzt weiß ich, weshalb sie sich nicht gezeigt hat. Sie hat selbst Junge.« Sie schluchzte.
»Ama, hilf –«
Die Löwin schaute zwingend in ihre Richtung. Kurz blies sie durch die Nase, so wie es Tiermütter in den ersten Lebensstunden ihrer Brut machen, zärtlich und voller Liebe, senkte den Kopf, richtete ihn wieder auf. Inmitten ihres Schmerznebels hatte Cloe das Empfinden, als sollte sie durch das Tier zu neuer Stärke gezwungen werden. Sie richtete sich auf, krallte sich am Gestänge des Bettes fest, ohne dabei die Löwin aus den Augen zu lassen.
»Ja, so ist es gut, pressen«, rief Constanze erschöpft und strich über Cloes Leib, immer und immer wieder, und unendlich langsam zog Jean etwas Sperriges und doch Weiches aus ihrem wunden Körper heraus.
Ein Schrei ertönte, ärgerlich und ungeduldig, aber er gab Cloe die Kraft, auch dem zweiten Sohn das Leben zu schenken.
Lautlos sprang die Löwin ab und wurde sofort von der Dunkelheit verschluckt.
5. Kapitel
»Wenn doch endlich der Regen käme«, seufzten die Menschen.
Bis auf einige Schauer waren die wichtigen Januar- und Februarregen so gut wie ausgeblieben, und auch im folgenden Oktober fiel kein Niederschlag. Mehr als acht Monate kein Regen im Land.
Wie überall zerbröselte auch auf omutima langsam die Erde zu Staub, der Busch knisterte vor Trockenheit, und die mageren Rinder standen mit hängenden Köpfen da. Der öde trockene Winter hatte alles Buschland braun werden lassen, und die rissigen Dämme mit ihren übergroßen Furchen lagen ausgetrocknet in der täglichen Hitze.
»Der Teer auf den Straßen schmilzt«, knurrte Frida einmal, als sie von Okahandja zurückkamen.
»Und die pad ist ein einiges Staubloch und stinkt nach dem Urin der streunenden Hunde, die noch nicht krepiert sind«, empörte sich Constanze. »Wir haben Not, ja, aber wie kann man nur Hunde aussetzen.«
Cloe musste Heu für ihre Rinder kaufen. Es kam hoch aus Südafrika, und bei jeder Lieferung wurden die Ballen teurer. Für das Wild konnte sie nichts mehr tun. Das, was nicht weitergezogen war, verendete vor Schwäche.
Ihr Herz zerriss vor Mitleid, wenn sie die Kadaver beim Abfahren der Zäune fand. Kudus, Warzenschweine, Antilopen. Omutima konnte keine Jagdgäste mehr annehmen, weil es nichts zu schießen gab. Nur die Schakale wurden dicker und dicker. Cloe hasste ihre Fresssucht, und nicht selten stand sie nachts noch einmal auf, um in die glühenden Augen zu schießen.
»Diese Dürre ist schrecklich«, seufzte Cloe und schob den eineinhalbjährigen Zwillingen abwechselnd Gemüsebrei in ihre Münder, »aber wir hatten sie oft genug in der Vergangenheit. Es gibt immer ein Ende, und daran glaube ich.«
Es waren fröhliche und unkomplizierte Kinder, die keine Arbeit machten.
Immer wenn Cloe sie betrachtete, war sie erstaunt darüber, wie verschieden sie aussahen. Kaspar – Frida hatte sie gebeten, dem Erstgeborenen diesen Namen zu geben – war dunkelhaarig und hatte braune Augen. Konrad dagegen blond wie seine Eltern, allerdings mit grünbraunen Augen.
Jean bewunderte den Optimismus ihrer Bemerkung, verzog aber trotzdem sorgenvoll sein Gesicht.
»Wie kann ich dir helfen?«
Er wusste es nicht. Auch bei ihm in der kleinen Praxis machte sich die Not bemerkbar. Konnte er im Jahr vorher mit dem Honorar der weißen Farmer Schwarze mitbehandeln, fehlte ihnen jetzt dieses Geld für den Arzt. Heukauf war wichtiger, und auch jeder Sack mühsam aufgesammelter Baumschoten durch die Schwarzen konnte nur mit Geld erworben werden.
»Wir brauchen ja nicht viel«, versuchte Cloe ihren Mann zu beruhigen.
»Der Gemüsegarten kann mit Brunnenwasser bewässert werden, und die Fleischpreise sind trotz der Massenschlachtungen noch einigermaßen intakt. Aber«, und sie schaute sich sorgenvoll um, »auf der Farm geht es natürlich rückwärts.«
»Frida gefällt mir nicht«, sagte Constanze, als sie schnaubend aus dem Wagen stieg. »Ich bin nur schnell nach oben gekommen, um – nun, vielleicht kannst du nachher noch einmal bei ihr hereinschauen.«
»Sollen die Kinder und ich mitkommen?«, fragte Jean sofort.
Constanze sah ihn scheinbar unbeteiligt an, und nur Cloe bemerkte den wehen Schimmer in ihren Augen.
»Es ist ein fast neunundachtzigjähriger Mensch. Alle wären ein wenig zu viel, morgen vielleicht.«
Als Cloe in das Zimmer ihrer Urgroßmutter trat, hatte diese die Augen geschlossen, aber ein sanftes Lächeln umspielte ihren Mund.
»Komm, letzte Tochter«, flüsterte sie Cloe zu, »hilf mir die richtigen Worte zu finden. Ich möchte Abbitte tun, bevor ich gehe.« Noch leiser sprach sie weiter. »Constanze habe ich in Abscheu empfangen, Luc aber in Leidenschaft. Aber auf alles, was mir anvertraut wurde, habe ich Acht gegeben. Und geliebt. Das ist die Wahrheit, so wahr mir Gott der Allmächtige helfe.«
Fahrig strich sie über die kleinen Falten ihrer Bettdecke.
»Düfte, Licht und Metalle, nichts anderes als ein Schwarm kleiner Schiffe, hinsegelnd zu deinen Inseln, all das soll mich erwarten68 –«
68 siehe Anhang
Es waren die letzten Worte, die sie sprach. Ohne abzulesen, nur aus der Erinnerung heraus.
Mit ihnen ließ sie den Tod an sich heran –
Zur Beerdigung auf omutima fanden sich viele Menschen ein. Freunde, Nachbarn, Geschäftsleute aus Windhoek und Swakomund. Frida Zabel war eine Institution in der deutschen Kolonie von Namibia, früher Südwestafrika.
»Friede ihrer Seele«, sagte der junge Geistliche, und als der Sarg herabgelassen wurde, begann es zu regnen.
»Typisch Frida, sie hat als Erstes, von wo auch immer, den Wasserhahn für omutima aufgedreht«, schluchzte Constanze und klammerte sich an Jean fest.
Die letzten Gäste gingen nach Mitternacht.
Cloe löschte das Außenlicht und stellte aufräumend das Geschirr zusammen. Das Geräusch kam von der Küchentür. Sie horchte angespannt und ging vorsichtig in die Richtung, gefolgt von Jean, der das Gewehr im Anschlag hatte.
Eher als ihr Mann sah sie den zusammengebrochenen Körper vor der vergitterten Türe.
»Um Himmels willen, nicht schießen, es ist Ama«, schrie sie.
Sie zogen das schwer atmende Tier auf eine Decke. »Wir müssen ihr helfen«, flüsterte sie, »es ist ein Naturgesetz, das neue Männchen rottet die Sippe des alten aus.« Sie schüttelte den Kopf. »Warum hat sich Ama dagegen gewehrt? Es sind doch die Gesetze ihrer Rasse.«
»Geht denn in Afrika auch mal eine Geschichte gut aus?«
Geschickt versetzte Jean der Löwin eine Betäubungsspritze und begann, ihre Wunden zu säubern.
»Zwei müsste ich nähen«, meinte er, »alles andere wird so heilen, aber meine Frage hätte ich gern irgendwann in den nächsten Jahren einmal von dir beantwortet«, und zog den Faden auf.
Cloe sah ihn zärtlich an. »Ich liebe dich.«
Jean lächelte sie an. »Wir müssen sie irgendwo unterbringen, wo sie nicht entweichen kann. Sie braucht einige Tage.«
Auf der Ladefläche des Geländewagens schafften sie sie runter in das Farmhaus. In ihr altes Mädchenzimmer. Cloe kauerte Stunde für Stunde bei ihr, sprach mit ihr, berührte sanft ihre Ohren, eine Liebkosung, die nur ihnen beiden gehörte, stützte ihren Kopf, damit sie die Milch saufen konnte. Als sie am Morgen des dritten Tages in das Zimmer kam, war die Fensterscheibe aufgestoßen und die Löwin verschwunden.
Cloe sah sie nur noch einmal. Im letzten Licht des Tages vor Heiligabend. Sie blieb stehen und nickte dem Tier zu. Alles würde gut gehen. Sie wussten es beide.
Ama wandte sich ab und verschwand geräuschlos im Busch.
Als die Kerzen am Baum brannten, begann es leise zu nieseln. Aber schon der nächste Tag war wieder sonnig und heiß, und die unheilvolle Totenstille lag weiter über dem Land.
Am zweiten Weihnachtstag liefen die beiden Jungen runter auf die Farm. Schon als sie das Tor erreichten, waren sie von tiefhängenden Wolken eingehüllt.
»Es wird regnen«, rief Kaspar verblüfft, »sieh doch nur den grauen Himmel.«
Konrad bückte sich und schob behutsam einen kleinen Salamander auf die Seite.
»Wenn die zurückkommen, werden es auch die Vögel tun«, sagte er bestimmt und ballte seine Fäuste in den Taschen.
Constanze tupfte sich die Tränen aus den Augen. »Irgendwie erinnert er mich an Frida«, sagte sie zu Jean, und alle lachten.
In der Silvesternacht segelte eine Schleiereule geräuschlos um das Haus auf dem Berg. Und dann kam am Morgen der Regen. Kraftvoll und sorgfältig zugleich.
Nach zwei Wochen waren die Dämme gefüllt, das Grün spross, und die wilden Tiere erinnerten sich an omutima und kamen zurück.