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Browning lehnte sich gegen eine der Säulen vor dem Flughafengebäude und beobachtete die Reihe der Taxifahrer, die gelangweilt auf ankommende Fahrgäste warteten. Dann hatte er seine Wahl getroffen. Er ging an den Taxen vorbei, bis er den Fahrer erreicht hatte, den er sich ausgesucht hatte. »Wie lange brauchen Sie von hier aus nach Blankenese?«

Der Fahrer wies ihn nicht darauf hin, dass andere Taxen schon länger warteten und vor ihm dran wären, Fahrgäste aufzunehmen. »Eine gute halbe Stunde.«

Browning schüttelte den Kopf. »Hundert Euro, wenn Sie es in zwanzig Minuten schaffen.«

Wortlos öffnete der Mann die Beifahrertür. »Wir haben einen Deal.«

Die Fahrt glich einem Albtraum, aber Browning war über den Punkt hinweg, an dem er sich Sorgen um sein Leben oder seine Gesundheit machte. Der Taxifahrer hielt sein Versprechen und kam mit blockierenden Reifen vor dem Zaun, der die Villa umgab, zum Stehen. Browning hatte nicht unbedingt damit gerechnet, dass er seinen Zeitplan tatsächlich einhalten könnte, aber nun sah er eine realistische Chance, ihn erfolgreich zu Ende zu bringen.

Browning gab ihm hundertfünfzig Euro. »Wenn Sie zehn Minuten warten, können Sie sich weitere hundert Euro verdienen.«

»Was muss ich dafür tun?«

»Den Rückweg in der gleichen Zeit schaffen.«

»Gebongt, Mann.«

Viel Zeit blieb Browning nicht, eigentlich war es Wahnsinn, es überhaupt zu probieren, aber wenigstens den Versuch war er sich schuldig. Wenn es schiefging, würde der Taxifahrer vergeblich auf den nächsten Hunderter warten, und er selbst wäre vermutlich tot.

Browning lief eilig die Zufahrt zur Villa hinauf, öffnete das schmiedeeiserne Tor mit seiner Fernbedienung und nutzte seinen eigenen Schlüssel, um ins Innere zu gelangen. Ein Blick auf die Garderobe reichte, um sich zu vergewissern, dass der Konsul nicht von seinen Gewohnheiten abwich. Kein Mantel, also war sein Boss, oder genauer gesagt: ehemaliger Boss noch unterwegs, aber mehr als ein paar Minuten blieben ihm nicht bis zur Rückkehr des Konsuls. Sollte der ihn bemerken, würde er Antworten über das Schicksal von Sven Klein und den Verbleib seiner Männer fordern, die Browning ihm nicht geben konnte. Leider hatte der Konsul Leibwächter nicht für notwendig gehalten, sodass Tamms ihn bereits erwartete. Eigentlich schade, dass der Idiot sie nicht in den Wald begleitet hatte. Nun würde er anders mit dem Kerl fertigwerden müssen.

Tamms stand wie angewurzelt mitten in der großen Eingangshalle und starrte Browning mit offenem Mund an. Für eine lange Diskussion hatte er keine Zeit, außerdem würden ausschweifende Erklärungen nur Misstrauen erregen. Browning sah ihn fest an. »Wir haben ein Sicherheitsleck. Kümmere dich darum, dass draußen jeder auf seinem Posten ist. Und zwar wirklich jeder.«

»Aber ich dachte –«

»Fürs Denken werde ich bezahlt. Los jetzt, oder muss ich dir auf die Sprünge helfen?«

Wie erwartet wich Tamms der drohenden Konfrontation aus. Auf seine Feigheit war Verlass. Ohne ihn weiter zu beachten, ging Browning in das Arbeitszimmer des Konsuls und schloss die Tür hinter sich. Er war sich nicht sicher gewesen, ob er überhaupt so weit kommen würde. Sehr gut.

Browning sah sich suchend um und öffnete dann eine der Schreibtischschubladen. Treffer. Dort lag das in Leder gebundene Notizbuch mit den Adressen und Kontaktdaten seiner Freunde und Geschäftspartner. Zum Durchblättern hatte er keine Zeit, und es einfach mitzunehmen wäre ein Signal, das den Konsul alarmieren und zum Verwischen sämtlicher Spuren veranlassen konnte. Browning zog sein Handy aus der Tasche und schaltete die Schreibtischlampe ein. Das Licht müsste ausreichen, und die eingebaute Kamera in seinem Mobiltelefon war nicht schlecht. Rasend schnell fotografierte er eine Seite nach der anderen und war gerade fertig, als er Stimmen vor dem Arbeitszimmer hörte. Verdammt, das hatte länger als geplant gedauert. Browning warf das Notizbuch zurück in die Schublade, riss die Terrassentür auf und schloss sie leise hinter sich. Hinter einem Busch ging er in Deckung und beobachtete die beiden Gestalten, die er im hell erleuchteten Arbeitszimmer mühelos erkennen konnte. Der Konsul und sein schmieriger Assistent. Das war knapp gewesen. Er konnte froh sein, das verdammte Notizbuch kopiert zu haben, eine Suche im Schlafzimmer nach dem Tresor schied endgültig aus.

Jemand kam auf sein Versteck zu. Die schweren Schritte erkannte Browning sofort. Tamms! Verdammt. Den Kerl umzubringen würde sein Gewissen keine Sekunde belasten, ihm allerdings auch nicht weiterhelfen. Er presste sich enger an den Boden und hoffte, dass auf Tamms’ Unaufmerksamkeit Verlass war. Obwohl seine Lage denkbar schlecht war, musste Browning grinsen. Die vorige Begegnung mit Tamms, die er zunächst als Problem angesehen hatte, war vermutlich gar keins. Der Kerl war so darauf bedacht, vor dem Konsul gut dazustehen, dass er ihm das Aufeinandertreffen mit Browning vermutlich verschweigen würde. Sobald herauskam, dass der Polizist noch lebte und Browning und seine Männer verschwunden waren, würde Tamms wissen, dass Brownings Auftauchen in der Villa kein Höflichkeitsbesuch gewesen war.

Der Gegenstand seiner Überlegungen sah sich noch einmal um und stapfte dann davon. Browning wartete keine Minute länger, sondern sprang auf und rannte auf den Zaun zu. Noch im Laufen drückte er auf den Knopf der Fernbedienung, und die Torflügel schwangen auseinander. Der Taxifahrer sah ihn misstrauisch an, als Browning sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. Er zwang sich zu einem Grinsen. »Hundertfünfzig Euro, wenn Sie keine Fragen stellen und mich vergessen.«

»Klar, Mann. Solange der Abend nicht damit endet, dass Sie mich abmurksen, ist das die beste Fahrt, die ich jemals angenommen habe.«

Dieses Mal fiel Browning das Lächeln leichter. »Wenn ich Sie loswerden wollte, würde das Ziel kaum der Flughafen sein.«

»Stimmt auch wieder.«

Nachdem der Fahrer offenbar beruhigt war, zeigte er wieder sein Können am Lenkrad und erreichte das Ziel in neuer Rekordzeit. Damit würde Browning nicht nur noch locker den Anschlussflug in Frankfurt bekommen, sondern hatte auch noch genügend Zeit, den US-Senator im Adressbuch des Konsuls ausfindig zu machen, der in die Giftgasproduktion verstrickt war. Das war nun nicht mehr als eine reine Fleißarbeit.

Marks Stimmung hatte sich auf dem Rückweg nach Ahrensburg kontinuierlich verschlechtert, und als er in die Straße einbog, in der das Haus der SEALs lag, hatte sie ihren Tiefpunkt erreicht. Er spürte jeden Muskel und war froh, dass er den Einsatz im Wald Dirk und seinen Männern überlassen hatte. Den restlichen Abend in aller Ruhe mit Laura zu verbringen hätte ihm gefallen, stattdessen würde er um einen Bericht an seinen Vater und vor allem eine Erklärung für Sven nicht herumkommen. Dazu kam noch das unbefriedigende Gefühl, trotz wichtiger Informationen in einer Sackgasse gelandet zu sein, da er nach wie vor keine Möglichkeit sah, legal an Ehlersleben heranzukommen. Brownings Aussage wäre vor einem deutschen Gericht kaum etwas wert, da er für den Konsul gearbeitet hatte und offiziell als vorbestraft galt, auch wenn er im Prinzip damals unschuldig gewesen war. Die Chancen für einen Durchsuchungsbeschluss waren vermutlich nicht signifikant gestiegen. Aber irgendwie mussten sie an den Konsul und vor allem den Tresor im Schlafzimmer herankommen. Leider schied ein militärischer Zugriff aus.

Eine Frau winkte ihm von der anderen Straßenseite zu. Mit einem Lächeln, dem sie hoffentlich nicht ansah, wie gezwungen es war, winkte Mark zurück, hielt aber nicht an. Eigentlich mochte er Alex’ Freundin, die Staatsanwältin Natascha Berg, und genoss die hitzigen Debatten mit ihr, wenn ihre gegensätzlichen Rechtsauffassungen kollidierten, aber er war nicht in der Stimmung für Small Talk. Gedankenverloren ließ er den Audi neben Dirks BMW ausrollen und starrte auf die Haustür. Der Anblick der Staatsanwältin hatte ihn auf eine Idee gebracht. Zumindest für Natascha hätte sein Wort durchaus Gewicht. Ein grober Plan nahm Form an.

Sven riss die Haustür auf und kam auf ihn zugestürmt. Seufzend stieg er aus.

»Das wurde auch Zeit. Wo warst du?«

»Wir reden, wenn ich geduscht habe.«

»Vergiss es, Mark. Ich will Antworten, und zwar jetzt. Was hast du mit Browning gemacht?«

»Ein Bier getrunken.« Sven starrte ihn fassungslos an. Mark konnte es ihm nicht verdenken. »Verdammt, es tut mir leid, Sven. Du hast jedes Recht der Welt auf eine Erklärung, aber gib mir ein paar Minuten.«

Svens Nicken kam mechanisch. Mark legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Entschuldige, Sven, das war daneben.«

Nach einer heißen Dusche und einer Anleihe bei Jakes Klamotten fühlte Mark sich besser. Bedauernd entschied er sich gegen ein weiteres Bier und für ein Glas Cola zu einem Stück der noch warmen Pizza. Den Teller und das Glas in einer Hand balancierend blieb er in der Wohnzimmertür stehen und sah sich suchend um. Das Zimmer war mit der Essecke und der Couchgarnitur für seine Männer zu einer Mischung aus Großraumbüro und Aufenthaltsraum geworden. Während Dirk es sich in einem Sessel bequem gemacht hatte und konzentriert an seinem Notebook arbeitete, lag Pat entspannt auf der Couch und las in einem Taschenbuch. Mark grinste, als er den Titel erkannte. Matthew Reilly mit seinen wilden Geschichten. Anscheinend reichten dem Iren ihre eigenen Einsätze nicht. Daniel war mit einem Computerspiel beschäftigt, und so wie er auf die Maus hämmerte, eskalierte gerade ein virtueller Kampf.

Sven beschränkte sich auf stumme, aber durchdringende Blicke. Mark stellte Teller und Glas auf dem Tisch ab und setzte sich auf die Lehne des Sofas. Die Pizza hatte mehr Ähnlichkeit mit einer Knetmasse als einem knusprigen italienischen Teigfladen. »Was ist denn das? Liegt das schon seit drei Wochen in der Küche?«

»Nein, Pat hat das Zeug in der Mikrowelle aufgewärmt.«

»Großartige Idee.« Selbst die Salami hatte jeden Geschmack verloren und klebte an seinem Gaumen.

Fox nahm weder Rücksicht auf seine abweisende Miene noch auf den Kampf mit der Pizza. Der Senior Chief baute sich vor ihm auf und sah aus seinen zwei Metern grimmig auf ihn herab. »Habe ich die Erlaubnis, frei zu sprechen, Sir?«

Mark spülte die zähe Masse in seinem Mund mit einem Schluck Cola herunter. »Seit wann fragst du um Erlaubnis?«

Fox lehnte sich ihm gegenüber gegen den Tisch »Ist es dir lieber, wenn wir unter vier Augen reden?«

»Die Frage kommt ein bisschen spät, oder? Außerdem schulde ich, wenn überhaupt, Sven eine Erklärung, aber bestimmt nicht dir.«

»Ich denke, dass es für die Stimmung im Team besser ist, wenn jeder weiß, worum es geht, Captain.«

»Zu dem Ergebnis bin ich auch schon gekommen, Senior Chief. Sonst noch was, Fox?«

Fox ignorierte die deutliche Warnung. »Yes, Sir. Mein Job ist es, zwischen Offizieren und Unteroffizieren zu vermitteln. Bisher war das bei uns nie ein Problem, aber mir, oder genauer gesagt: uns passt es nicht, dass du dir jede Verantwortung alleine auflädst und uns ausschließt. Ich habe das gleiche Recht wie du, meine Streifen zu riskieren. Hast du vergessen, dass der Junge damals auch meinen Hintern gerettet hat?«

Mark stellte die Cola weg und griff stirnrunzelnd nach Jakes Bierflasche. Sein empörtes Luftholen ignorierte er. »Bist du fertig, Fox?«

»Aye, Sir.«

»Dann ist es wohl Zeit für ein wenig Nachhilfe. Ich treffe die Entscheidungen, und ich trage die Verantwortung. Das heißt auch, dass ich meinen Kopf hinhalte, wenn etwas schiefgeht. Das ist mein Job, meine Aufgabe im Team. Ist das klar?«

»Aye, Sir.«

»Gut, dann sind wir uns ja einig. Was stellst du dir eigentlich vor? Hätte ich Stimmzettel verteilen sollen, damit die Mehrheit entscheidet, was mit Browning geschieht?«

»Nein, Sir, aber –«

»Kein ›Aber‹. Du redest von Zusammenarbeit zwischen Offizieren und Unteroffizieren? Gut, dann verrate mir, wie viele Captains sich vor ihrem Team für eine Entscheidung rechtfertigen würden, Huntington?«

»Sir, Captain … Sorry, Mac, das meinte ich nicht …«

Zufrieden sah Mark, wie Fox dunkelrot anlief. Sven hatte sich erstaunlich lange zurückgehalten. Nun schob er seinen Stuhl so heftig zurück, dass er umgefallen wäre, wenn Daniel ihn nicht schnell festgehalten hätte. »Seid ihr endlich fertig? Offensichtlich weiß jeder außer Dirk und mir, wer dieser Browning ist.«

Mark schüttelte den Kopf. »Nein, nur Fox und Jake, die anderen waren damals noch nicht dabei.« Vergeblich suchte er nach den richtigen Worten.

»Rede endlich«, forderte Sven.

Mit einem lautstarken Stöhnen klappte Dirk sein Notebook zu. »Mann, Sven, du hast ihm Browning überlassen, jetzt lebe auch damit. Was gibt’s denn da nicht zu verstehen? Dieser Browning hat den SEALs, als er noch Marine war, irgendwann mal aus der Klemme geholfen, das ist doch klar.«

Mark lachte leise. Typisch Dirk, er brachte die Sache ganz trocken auf den Punkt. »Dirk hat recht. Vor fast sechs Jahren war ich Lieutenant und hatte meinen ersten Einsatz als Teamchef. Die ganze Mission drohte in einer Katastrophe zu enden. Die nachrichtendienstlichen Informationen waren falsch, die Gegner in der Überzahl, die Örtlichkeiten stimmten nicht mit unseren Karten überein, und wir saßen in der Falle, kamen keinen Meter vor, keinen zurück. Sobald uns die Munition ausgegangen wäre, hätten sie uns erwischt. Jake hatte einen Querschläger abbekommen, war bewusstlos und brauchte dringend medizinische Versorgung. Luftunterstützung fiel aus, und die einzige mögliche Verstärkung bestand aus einem Zug Marines, der sich in der Nähe aufhielt. Dessen kommandierender Offizier hielt sich in sicherer Entfernung auf und pfiff seine Leute zurück. Er wollte keine eigenen Verluste riskieren. Wir bekamen über Funk mit, wie der Gunny des Zuges den Befehl ignorierte, angeblich weil er wegen Störgeräuschen nichts verstehen konnte. Er hat uns geholfen. Es war ein höllischer Kampf, aber am Ende haben wir es geschafft, weil irgendjemand genug Mut hatte, uns einen Hubschrauber zu schicken. Alleine hätten wir nie lange genug durchgehalten.«

Mark schmunzelte, als er daran zurückdachte, wie er und Brownie sich angebrüllt hatten, wer nach ihren Männern als Letztes an Bord des verdammten Hubschraubers ging. Irgendwann lagen sie nebeneinander nach Atem ringend auf dem Boden des Black Hawk, während Fox sie fertigmachte. Zunächst hatten sie die Predigt stumm über sich ergehen lassen, dann hatte sich die Anspannung in Lachen aufgelöst. Eine solche gemeinsame Erfahrung verband, wie er heute festgestellt hatte.

Wesentlich ruhiger als zuvor setzte sich Sven wieder auf einen Stuhl. »Der Marine, das war Browning?«

»Ja, aber das war noch nicht alles. Brownies Vorgesetzter ahnte, dass sein Gunny den Befehl zum Rückzug absichtlich ignoriert hatte. Er konnte ihm zwar nichts nachweisen, aber das Verhältnis der beiden wurde noch schlechter. Es eskalierte einen Tag später, als der Offizier einen der verletzten Marines schikanierte. Brownie stellte sich schützend vor seinen Mann, ließ sich zu einem tätlichen Angriff auf den Lieutenant hinreißen und sagte ihm vor versammelter Mannschaft, was für ein unfähiges und feiges Arschloch er wäre. Es kam zu einer Gerichtsverhandlung, und trotz seiner Verdienste wurde er zu zwei Jahren Militärgefängnis verurteilt. Logisch, der Richter gehörte dem Offizierskorps an, und der Lieutenant hatte beste Verbindungen. Selbst der Einsatz für mein Team wurde ihm als Befehlsverweigerung ausgelegt. Ich habe alles Mögliche versucht, um ihm zu helfen, hatte aber als Navy-SEAL gegen das Marinekorps keine Chance.«

»Und was hast du heute getan?« Svens Miene verriet Mark, dass er die Antwort bereits kannte, sie aber von ihm hören wollte.

»Ihm die zweite Chance gegeben, die unser Land und auch ich persönlich ihm schulde. Es tut mir leid, wenn ich damit unsere Freundschaft aufs Spiel gesetzt habe, aber ich stehe vor dir und meinen Vorgesetzten zu der Entscheidung«, erklärte Mark ruhig.

»Das kann ich alles verstehen, aber warum nicht gleich so? Du redest immer vom Team, aber führst dich wie ein Einzelkämpfer auf. Das nervt.«

Schweigen, vereinzeltes Hüsteln und mehr oder weniger verborgenes Grinsen folgten.

Dirk griff boshaft lächelnd nach seinem Notebook. »Da keiner widerspricht, wäre damit alles gesagt. Jake? Hast du eine Sekunde? Ich will in diese verdammte Datenbank rein und werde dauernd rausgeschmissen.«

Seufzend gestand Mark seine Niederlage ein. Als Ausgleich genehmigte er sich den Rest von Jakes Bier. »Kein Alkohol während der Arbeit«, antwortete er auf Jakes finsteren Blick.

»Und was ist mit dir?«

»E-Mails checken, eine schreiben, nicht wirklich Arbeit. Und dann mache ich Schluss.«

»Bringst du mich nach Hause?«, fragte Sven.

»Natürlich. Aber du kannst dir auch einen der Wagen ausleihen.«

»Brauche ich nicht, morgen früh hat sich das Thema erledigt, da steht ein neuer BMW vor der Tür.«

Pat sah von seinem Buch hoch. »Aber setz den nicht gleich wieder gegen einen Baum.«

»Danke, Pat, für den guten Rat. Hol uns lieber ein Jever, wir haben bereits Feierabend.«

»Kein Alkohol zu den Schmerztabletten«, meldete sich Doc, ohne den Blick vom Monitor oder die Finger von der Maus zu nehmen.

Pat hob bedauernd eine Schulter und kehrte mit einer Dose Cola und einer Flasche Bier zurück. Mark sah, wie er die Dose augenzwinkernd Sven gab, der überrascht stutzte. Obwohl sein Freund sonst nie Cola trank, nahm er sichtlich genüsslich einen Schluck. Mark ahnte, was die Dose enthielt, und wandte sich grinsend seinem Notebook zu.

Eine halbe Stunde später war er mit seinen Mails fertig. Sven schien durch die Mischung aus Tabletten und Bier kurz vorm Einschlafen zu sein. »Kommst du? Wenn du willst, kannst du auch hier schlafen.«

Gähnend stand Sven auf und reckte sich. »Nein, lass mal. Ich bin froh, wenn ich zu Hause bei Britta und Jan bin.«

Einen Augenblick fragte sich Mark, warum er dann nicht schon längst gefahren war. Aber vermutlich hatte er die Zeit und vielleicht auch ihre Gesellschaft gebraucht, um mit den Ereignissen fertigzuwerden. Besorgt sah er Sven an, der sich mit einem leisen Stöhnen auf den Beifahrersitz des Audis fallen ließ. »Geht es?«

»Ja, nur ein paar Prellungen, nichts Gravierendes.«

»Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass du mich wegen Browning fertigmachst.«

»Ich habe heute schon genug eingesteckt, da werde ich mich nicht noch mit einem SEAL anlegen.« Sven warf ihm einen Seitenblick zu. »Weißt du, manchmal beneide ich dich, und dann bin ich wieder heilfroh, dass ich nicht deinen Job habe.«

Mark zwang sich zu einem schiefen Grinsen. »An Tagen wie heute klingt ein normaler Job als Wirtschaftsprüfer für mich auch ziemlich verlockend.«

»So wie Dirk? Außerdem: Der einzig leichte Tag war gestern«, zitierte Sven den Wahlspruch der SEALs.

Mark grinste. Den Rest der Fahrt schwiegen sie. Als Sven sich langsam aus dem Wagen stemmte, hielt er ihn noch einmal zurück. »Alles in Ordnung zwischen uns?«

Sven zögerte, dann sah er ihn an. »Alles in Ordnung.«