Wenn’s ganz schnell gehen muss
Die Entspannungs-Notbremse: Entfliehen Sie stressigen Situationen mit Übungen, die nur wenige Minuten dauern.
Versetzen Sie sich in die folgende Situation: Sie nehmen an einer Besprechung teil, in der unter anderem ein Projekt diskutiert wird, für das Sie verantwortlich sind. Bei diesem Vorhaben ist nicht alles nach Plan gelaufen. Sie wollen die Hintergründe darstellen. Aber schon nach wenigen Augenblicken sehen Sie sich bösartigen Attacken ausgesetzt. Sie haben kaum die Möglichkeit, einen Satz zu beenden. Man unterbricht und beschimpft Sie. Hämische Bemerkungen und persönliche Verunglimpfungen kommen hinzu. Sie spüren, wie Zorn und Hilflosigkeit in Ihnen aufsteigen. Sie merken aber auch, wie Ihnen das klare Denken abhanden kommt. Ihnen gehen die Argumente aus. Die Gedanken drehen sich wirr im Kreis. Ihre sonst gerühmte Schlagfertigkeit ist weg. Sie möchten schreien oder um sich schlagen oder in einem Mauseloch verschwinden oder alles gleichzeitig.
Was können Sie in einem solch schrecklichen Moment tun?
Erproben Sie die hier vorgestellten Maßnahmen. Ihre Besonderheit liegt darin, dass Sie sie in solchen oder ähnlichen Akutsituationen einsetzen können. Sie wirken auch dann, wenn es um Sie herum und in Ihnen drunter und drüber geht. Die eine oder andere Technik sollten Sie vorher trainieren. Andere können Sie ab sofort in Ihrem Alltag testen.
Spürsinn
Merkwürdigerweise bezieht sich unser hoch entwickelter Spürsinn fast ausschließlich auf die anderen, auf unser Umfeld. Was antworten wir aber auf die Frage: »Und was spürst du von dir?« Ehrlich gesagt, eigentlich wenig. Gut, wenn wir Schmerzen haben, an den Zähnen oder im Magen, das spüren wir schon. Aber sonst?
Wer gelernt hat, in sich hineinzuspüren, seine Ohren nach innen zu richten, der erfährt nicht nur viel über sich, über sein aktuelles Befinden und über sich anbahnende Probleme. Er kann dadurch auch zu sich selbst finden, zur Ruhe kommen, Gelassenheit entwickeln, Zuversicht und Lebensfreude aufbauen. »Spürsinn« beweist, dass sich Entspannung auch ohne komplizierte Übungen erreichen lässt.
So wird’s gemacht
- Setzen Sie sich bequem auf einen Stuhl.
- Ziehen Sie die Schultern nach oben, lassen Sie sie fallen, und schließen Sie die Augen. Atmen Sie tief ein und betont aus.
- Lenken Sie Ihre Wahrnehmung in Ihren Leib und spüren Sie, wie sich dort eine leichte Wärme ausbreitet.
- Stellen Sie sich ein Gefühl von Schwere und Wärme zunächst in der rechten, dann in der linken Hand vor.
- Lassen Sie auch in Ihrem rechten Fuß ein Gefühl von angenehmer Wärme entstehen. Anschließend ist der linke Fuß dran.
- Wenn Sie jetzt die Kopfhaut und das Gesicht erfühlen, bemerken Sie, wie sich dieser Bereich auf angenehme Weise entspannt.
- Achten Sie im nächsten Schritt auf Ihren Nacken, die Schultern und den Rücken und spüren Sie, wie sich auch in dieser Körperregion ein angenehmes Gefühl von Gelöstheit und Wärme ausbreitet.
- Beenden Sie die Übung, indem Sie Ihre Hände zu Fäusten ballen, die Arme kräftig recken und strecken und die Augen vorsichtig öffnen.
Christiaan-Barnard-Schnellentspannung
Stress beginnt im Kopf. Sie deuten eine Situation zunächst nur als auffällig, gleich darauf als fragwürdig und im nächsten Augenblick als bedrohlich. Aus der Frage wird eine Vermutung. Sie wächst sich rasch zur Befürchtung aus. Es dauert nicht mehr lange und Sie sind absolut sicher: man hat was gegen Sie, man lehnt Sie ab, man will Ihnen schaden.
Oft sind es geringfügige Anlässe, die eine solche Gedankenkette in Gang setzen:
- Ein Fahrgast in der U-Bahn schaut Sie merkwürdig an.
- Eine Kollegin geht grußlos an Ihnen vorbei.
- Der Chef lehnt Ihren Verbesserungsvorschlag ab.
- Ihr Partner/Ihre Partnerin ist immer noch nicht zu Hause.
- Ein Freund gratuliert nicht zum Geburtstag.
Die Schnellentspannung, die dem bekannten Herzchirurgen Christiaan Barnard zugeschrieben wird, unterbricht dieses negative Denkmuster und sorgt für eine rasche Entspannung.
So wird’s gemacht
- Wenn Sie merken, dass sich negative Gedanken in Ihnen auszubreiten beginnen, sagen Sie zu sich selbst ein klares und deutliches »Halt«.
- Atmen Sie langsam ein, atmen Sie langsam aus. Lassen Sie dabei die Schultern fallen und entspannen Sie die Hände.
- Atmen Sie noch einmal tief ein und überzeugen Sie sich beim Ausatmen davon, dass die Zähne locker aufeinander liegen und nicht aufeinandergepresst sind.
- Machen Sie noch einige ruhige Atemzüge und beenden Sie dann die Übung.
Drei-Schritt-Selbstkontrolle
Diese Technik ist auch in der Verhaltenstherapie wegen ihrer zuverlässigen Wirkung sehr verbreitet. Sie hat das Ziel, negative Gedankenmuster rasch zu unterbrechen und Vorstellungen von Ruhe und Gelassenheit wirksam werden zu lassen.
Einerseits ähnelt sie der Christiaan-Barnard-Schnellentspannung. Andererseits unterscheidet sie sich in zwei wesentlichen Elementen von ihr. Sie verwendet eine Selbstermunterung, nämlich das Wort »Ruhe«. Außerdem gehört eine Visualisierung, also ein in neres Bild zu dieser Technik: Im dritten Schritt stellen Sie sich vor, an einem Ort zu sein, der für Sie ein Symbol für Ruhe ist. Das kann ein Sandstrand, ein Berggipfel, die helle Lichtung in einem Wald oder ein ganz anderer Platz sein.
So wird’s gemacht
- Wenn Sie merken, dass sich negative Gedanken in Ihnen auszubreiten beginnen, befehlen Sie sich ein klares und deutliches »Stopp«.
- Richten Sie dann Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung und denken Sie mit jedem Ausatmen das Wort »Ruhe«.
- Begeben Sie sich in Gedanken an Ihren Ruheort. Machen Sie es sich dort bequem und entspannen Sie sich – auch wenn es nur einige Sekunden sind.
Singen
Gehören Sie vielleicht zu den Menschen, die allen Ärger in sich hineinfressen? Haben Sie die Neigung, es allen möglichst recht zu machen? Fällt es Ihnen schwer, sich zu wehren und Ihr Recht durchzusetzen? Kommt es vor, dass Sie manchmal das Gefühl haben, man nutzt Sie aus? Sind Sie oft verspannt?
Ja, Sie wissen, Sie sollten Ihr Verhalten ändern. Aber das ist leicht gesagt und schwer getan. Deshalb biete ich Ihnen einen ersten Schritt an, den Sie sicher gehen können, der Sie entlasten und Ihnen Mut machen wird, auf diesem Weg weiterzugehen.
Das Rezept ist ganz einfach. Singen Sie. Singen Sie laut und aus vollem Herzen. Lassen Sie so Ihren Ärger raus. Lösen Sie Ihre negativen Gedanken auf. Und das Kloßgefühl im Hals gleich mit. Singen Sie die Tonleiter rauf und runter. Singen Sie Melodien, die Ihnen in der jeweiligen Situation guttun: eine herzige Schnulze, einen zackigen Marsch, ein süßes Operettenlied, einen rauchigen Blues, einen fetzigen Jazz, einen jodelnden Ländler, einen romantischen Countrysong oder ein eigenes Gemisch aus alledem.
So wird’s gemacht
- Sie haben gerade eine ärgerliche Situation hinter sich gebracht oder es steht Ihnen ein bedrohliches Ereignis bevor. Entschließen Sie sich, Ihrer Seele singend Luft zu machen.
- Singen Sie bekannte oder selbst erfundene Melodien. Singen Sie mit aller Leidenschaft. Achten Sie nicht auf Schönheit. Am besten, Sie singen im Stehen oder gehen dabei herum.
- Achten Sie darauf, dass Sie besonders das laute »Iiih« singen, denn das ist eine Frequenz, die fröhlich stimmt.
- Sollten Sie sich anfangs nicht trauen, einfach draufloszusingen, legen Sie eine CD auf und trällern Sie mit.
Verlangsamen
Wenn sich Menschen unter Druck fühlen, arbeitet der Organismus auf Hochtouren. Das ist verständlich, denn es gilt ja nach der ursprünglichen Stressfunktion – im nächsten Moment eine große Kraftanstrengung zu vollbringen. Die Atmung geht flach und hektisch. Manche geraten dabei sogar in Atemnot. Das Sprechtempo ist stark erhöht. Das kann so weit gehen, dass Worte verschluckt werden, dass gestammelt und gestottert wird, dass Sätze begonnen und nicht zu Ende geführt werden. Die Gesten und andere Körperbewegungen sind hastig, fahrig und oft unkontrolliert. Diese psychisch verursachte körperliche Hektik wirkt als Feedbackschleife wieder zurück auf das seelische Befinden und verstärkt die Gefühle von Stress, Unsicherheit, Angst.
Wie ganz anders verhalten sich dagegen Menschen, die entspannt und gelassen in sich ruhen! Sie sprechen langsam und bedächtig, atmen tief und gleichmäßig, bewegen sich kontrolliert, fast gemächlich. Keine überflüssigen Bewegungen, kein unkontrolliertes Hin und Her. Da ist nichts, was nicht einen Sinn hätte.
Die Technik des Verlangsamens setzt am beobachtbaren Verhalten an, an der Sprechweise, dem Sprechtempo, der gesamten Körpersprache einschließlich der Gestik und Mimik. Sie wirkt aber nicht nur an der Oberfläche, sondern führt bald zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit. Besonders das Auflösen von Denkblockaden im Prozess des Verlangsamens ist eine beeindruckende und wohltuende Erfahrung.
So wird’s gemacht
- Sobald Sie bemerken, dass Ihr Atmen, Ihre Sprache und Ihre Bewegungen sich stressbedingt beschleunigen, schalten Sie zunächst auf das verzögerte Ausatmen um (siehe → Seite 30). Tun Sie das, bis Sie spüren, wie Ihre Atmung sich beruhigt und tiefer wird. Oft reichen schon fünf bis zehn Atemzyklen.
- Verlangsamen Sie jetzt alle Ihre Verhaltensweisen und
Handlungen:
- Sprechen Sie bedächtig und deutlich.
- Gehen Sie langsam und beherrscht.
- Blättern Sie betont gemächlich in Ihren Akten.
- Denken Sie nur an ein Thema zur gleichen Zeit.
- Steuern Sie Ihr Auto behutsam durch den Verkehr.
- Genießen Sie Ihre Mahlzeiten, indem Sie jeden Bissen in Ruhe kauen.
- Achten Sie darauf, dass alles was Sie tun und sagen eine Funktion hat. Also kein Herumzupfen an Krawatte und Kragen, kein nervöses Fingertrommeln, kein zielloses Hin- und Hergehen, kein mechanisches Sortieren auf dem Schreibtisch.
- Nach einiger Zeit werden Sie bemerken, wie in Ihrem Inneren Ruhe und Gleichmut einkehren. Jetzt können Sie das erzwungene Verlangsamen beenden.
Per Fingerdruck entspannt
Diese außerordentlich wirkungsvolle Übung basiert auf der Erkenntnis, dass Druck von oder auf Fingerkuppen bestimmte Atemimpulse auslöst. Diese Signale lassen sich nutzen, um in kürzester Zeit Ruhe und Entspannung zu finden.
Sie wissen, wenn Sie angespannt und nervös sind, verändert sich auch Ihre Atmung. Sie wird flach und schnell. Wenn es Ihnen in einer solchen Situation gelänge, den Atem zu beruhigen, würden Sie auch innerlich ruhiger werden. Genau das können Sie ab sofort in allen Stressphasen tun.
So wird’s gemacht
- Nehmen wir an, Sie geraten durch irgendeinen Anlass in Stress. Unauffällig legen Sie die Kuppen der kleinen Finger und die der Zeigefinger zu zwei Paaren gegeneinander und üben einen mittleren Druck aus.
- Mit Ihrer Aufmerksamkeit bleiben Sie in der Situation, beim Streitgespräch, Ihrer Rede oder in der Prüfung.
- Sie werden erleben, dass die flache Stressatmung nach unten in den Bauchraum wandert und Sie gleichzeitig deutlich ruhiger und gelassener werden.
- Sie brauchen den Druck nur wenige Atemzüge lang auszuüben, können dann wieder Ihre Hände für Ihre Gesten oder zum Schreiben oder wozu auch immer benützen.
- So wie diese Technik hilft, Stress zu überwinden, kann sie auch eingesetzt werden, Stress zu vermeiden. Legen Sie die Fingerkuppen zusammen, bevor Sie unruhig werden.
Notfallpunkt
Gibt es Situationen, in denen Sie das Gefühl haben, alles wächst Ihnen über den Kopf? Sie verlieren den Boden unter Ihren Füßen und gleichzeitig stürzt Ihnen die Decke auf den Kopf? Diese entsetzlichen Momente scheinen ohne Ausweg zu sein und schnurstracks ins Chaos zu führen. In ihnen fühlt man sich vollkommen hilflos. Spätestens jetzt brauchen Sie den »Notfallpunkt«, der Sie zur Ruhe bringt und Ihnen hilft, wieder die Übersicht zu gewinnen, um dann Schritt für Schritt das Nötige zu tun.
So wird’s gemacht
- Sobald Sie eine Situation als stark bedrohlich erleben, konzentrieren Sie sich auf das verzögerte Ausatmen.
- Währenddessen suchen Sie den Notfallpunkt. Sie finden ihn genau in der Mitte Ihrer Handflächen. Tut der Punkt beim Draufdrücken weh, ist das ein klarer Hinweis, dass Sie übermäßig angespannt sind.
- Drücken Sie diesen Punkt links und rechts mehrere Male, bis Sie wahrnehmen, dass Sie sich besser und klarer fühlen.
Abreaktion zur kurzfristigen Entlastung
Manche Erfahrungen laden einen so gewaltig auf, dass man fast explodieren könnte. Man spürt förmlich, wie der ganze Körper von einer enormen Spannung erfasst ist. Sie reicht von den Zehen bis zur Kopfhaut. Auch die Gefühle sind auf dem Siedepunkt angekommen, sei es Wut, Hilflosigkeit oder Angst.
Bitte tun Sie jetzt eines: Hören Sie auf, ständig nett zu sein, wirken Sie nicht permanent friedlich, lächeln Sie nicht unaufhörlich (es sei denn, Sie wollen es gezielt als Wohlfühl-Lächeln einsetzen), obwohl es in Ihnen kocht und brodelt.
Wenn Sie schon fast explodieren könnten, dann tun Sie es doch auch einmal.
- Sprechen Sie sich aus;
- weinen Sie sich aus;
- schimpfen Sie, so laut Sie können;
- schreiben Sie einen wütenden Brief und entscheiden Sie am nächsten Tag, ob Sie ihn abschicken;
- werfen Sie die blöde Akte in die Ecke;
- rennen Sie ein paar Treppen rauf und wieder runter;
- schlagen Sie mit der Faust auf den Tisch.
Dieses Abreagieren tut ungemein gut, ist allerdings völlig ungeeignet für Menschen, die
- dabei gern ihre Macht über andere ausspielen;
- cholerisch veranlagt sind;
- es nicht jederzeit an- und auch wieder abstellen können, weil
- sie die Kontrolle über sich verlieren.
So wird’s gemacht
- Wenn Sie spüren, dass Sie vor Spannung platzen könnten, dann tun Sie’s einfach. Sorgen Sie allerdings dafür, dass nicht andere Menschen darunter leiden müssen.
- Stellen Sie langfristig sicher, dass Sie künftig nur noch selten oder gar nicht mehr in solche Situationen kommen. Erlernen Sie zum Beispiel das Autogene Training oder nutzen Sie andere der hier vorgestellten sanften Techniken.
Wahrnehmungslenkung in Akutsituationen
Phasen übergroßer Anspannung und Belastung bringen es mit sich, dass die Aufmerksamkeit vollständig auf den Stressauslöser gerichtet ist. Alles andere wird ausgeblendet und kaum noch wahrgenommen. Im alten Stressreaktionsmuster war dies auch sehr sinnvoll. Dort ging es allein darum, die heraufziehende Gefahr zu meistern, per Kampf oder Flucht. Das Bewusstsein musste sich deshalb allein auf die Bedrohung und ihre Beseitigung konzentrieren und durfte sich durch nichts und niemand davon ablenken lassen.
In heutigen Stress-Situationen kann diese eingeschränkte Wahrnehmung problematisch sein. Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Versammlung und leisten einen Diskussionsbeitrag. Während Sie reden, entdecken Sie plötzlich, wie einer der Zuhörer ein ziemlich hämisches Grinsen aufsetzt. Sie deuten das als bösartigen Kommentar zu Ihren Ausführungen. Das verunsichert Sie. Sie spüren, wie sich Schweißperlen auf Ihrer Stirn bilden. Hoffentlich merkt das keiner, befürchten Sie. Je mehr und länger Sie sich mit dem Stressor und Ihrer Reaktion befassen, umso weniger aufmerksam sind Sie bei Ihrem Vortrag. Sie geraten ins Stottern, verlieren die Übersicht. Ihr Redebeitrag endet kläglich.
Wahrnehmungslenkung als Technik zur Schnellentspannung heißt in diesem Zusammenhang, seine Aufmerksamkeit von dem, was einen stört und belastet, abzuziehen. Gleichzeitig konzentrieren Sie sich auf neutrale Vorgänge oder Wahrnehmungen, die Ihren Diskussionsbeitrag nicht stören. Diese Technik können Sie in allen Situationen einsetzen, in denen von Ihnen eine hohe Leistung erwartet wird, zum Beispiel
- Vortrag halten,
- Streitgespräch führen,
- kompliziertes Gerät bedienen,
- sportlichen Wettkampf bestreiten.
So wird’s gemacht
- Sie erkennen die Gefahr, dass Ihre Aufmerksamkeit durch einen Stressfaktor abgelenkt werden könnte.
- Achten Sie zunächst darauf, dass Ihre Körpersprache und Sprechweise der Situation und Aufgabenstellung angemessen bleiben.
- Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment auf neutrale Wahrnehmungen des eigenen Körpers (zum Beispiel das Gesäß, die Zehen eines Fußes, den Rücken) oder der Umgebung. Pendeln Sie mit Ihrer Konzentration zwischen diesen Wahrnehmungen und der eigentlichen Situation. Bei den Ruhe-Wahrnehmungen bleiben Sie nicht länger als zwischen zwei und fünf Sekunden.
- Den Stressfaktor übersehen Sie, zumindest so lange, bis Sie Ihre aktuelle Unsicherheit überwunden haben.
Glückseliger Blick in die Zukunft
Von einem Reiter lernte ich, dass er, wenn er mit seinem Pferd auf ein Hindernis zureitet, über diese Hürde hinweg und in den Raum dahinter schauen muss, wenn er es überwinden will. Starrt er auf das Hindernis, dann bleibt das Pferd davor stehen, bricht aus oder läuft in die Barriere hinein.
Fixiert man das Hindernis – was dies auch im Alltag sein mag –, kann dies bewirken, dass man sich auf das Problem konzentriert, sich die Schwierigkeit ausmalt, Angst aufbaut, ans Scheitern denkt. Die Kräfte werden blockiert.
Die Augen über die Hürde zu lenken bedeutet dagegen, dass man das Ziel in den Blick nimmt, den Erfolg gedanklich im voraus erlebt, ein Stück Vorfreude genießt. Dies macht Mut und setzt große Kräfte frei.
Der glückselige Blick in die Zukunft
- blendet die angstmachende Gegenwart aus,
- mobilisiert geistig-seelische Ressourcen,
- aktiviert körperliche Selbstheilungskräfte,
- baut Zuversicht und Selbstvertrauen auf.
Deshalb kann dieses Verfahren sehr nützlich sein, zum Beispiel
- bei Flugangst
- vor oder während eines schwierigen Gesprächs,
- vor oder während einer Verhandlung,
- vor oder während einer Prüfung,
- vor einer komplizierten Operation,
- immer dann, wenn einem angst und bange ist.
So wird’s gemacht
- Sie stehen vor oder in einer belastenden Situation. Klären Sie, was Ihnen Schönes und Positives widerfahren wird, wenn Sie diese Situation gemeistert haben werden. Stellen Sie sich dieses so lebendig und anschaulich wie möglich vor. Genießen Sie, was Sie erwarten wird.
- Falls Sie sich auf das Ereignis vorbereiten können (Prüfung, Flugreise usw.), dann nehmen Sie sich dafür täglich drei Minuten Zeit.
Anti-Angst-Atmung
Wenn Menschen eine starke Stressreaktion zeigen, kommt es fast immer zu einer schnellen und flachen Brustatmung, einer so genannten Hyperventilation. Die übermäßig beschleunigte Atmung erhöht den Sauerstoffpartialdruck, während der Kohlensäurepartialdruck sinkt. Die Balance zwischen Sauerstoff und Kohlendioxyd im Blut gerät aus dem Gleichgewicht. Das kann zu Unwohlsein, Schwindel und Herzklopfen führen. Dadurch wird die Angst noch mehr gesteigert und die Atemfrequenz weiter erhöht. Letztendlich kann es zu ernsten Angstanfällen und Panikzuständen kommen.
Ein einfaches und doch zuverlässiges Mittel ist die Anti-Angst-Atmung. Sie hat das Ziel, die Balance zwischen Sauerstoff und Kohlendioxyd im Blut wieder herzustellen. Diese Technik können Sie in jeder Situation für sich, aber auch für andere Menschen einsetzen, die in Panik geraten.
So wird’s gemacht
- Ihnen wird bewusst, dass Sie sehr schnell und flach atmen. Sie spüren Angst in sich aufsteigen.
- Legen Sie beide Hände gewölbt über Nase und Mund, so dass Sie beim Einatmen praktisch keine sauerstoffreiche Luft, sondern Ihre eigene Ausatmungsluft einatmen.
- Atmen Sie ein bis drei Minuten in Ihre gewölbten Hände, bis sich die Angstsignale vermindern.
- Wenn sich in der Zukunft Angst bemerkbar macht, halten Sie den Mund geschlossen und atmen langsam durch die Nase.
Ärger nach Plan
Haben Sie sich auch schon einmal maßlos geärgert? Es ging Ihnen bestimmt ziemlich schlecht. Der Ärger wollte einfach nicht nachlassen. Endlich hatten Sie ihn verdrängt. Aber schon in der Mittagspause tauchte er wieder auf und verdarb Ihnen den Appetit. Nach der Arbeit vergällte er Ihnen den Feierabend. Selbst als Sie abends müde und erschöpft im Bett lagen, meldete er sich wieder und hinderte Sie am Einschlafen. Der Ärger hatte Sie voll im Griff. Er war Ihr Boss geworden.
Warum haben Sie sich denn nicht maßvoll geärgert? Sagen wir, eine Minute lang. Und Ihren Ärger dann einfach ausgeschaltet, wie den Radioapparat, wenn Sie Ihre Ruhe brauchen.
Das funktioniert sehr zuverlässig, wenn Sie sich darauf vorbereiten. Meistens ist es doch beim Ärgern so, dass sich die Anlässe wiederholen, also bekannt sind. Nur der Zeitpunkt, zu dem sie auftreten, der ist unvorhergesehen. Plötzlich ist er da. Genau das ist das Problem. Der Überraschungseffekt löst nämlich Stress aus, der blockiert das vernünftige Denken. Wir verlieren die Kontrolle und überlassen sie dem Ärger. Der Rest ist bekannt.
Deshalb sollten Sie sich auf den Ärger vorbereiten und entscheiden, wie lange Sie sich beim nächsten Anlass triezen lassen wollen.
So wird’s gemacht
- In der Stufe für Einsteiger in die Anti-Ärger-Kunst wählen Sie ein Ärger-Ereignis aus, das sicher demnächst auftreten wird. Entscheiden Sie sich für eine mittelschwere Situation, nicht für eine lächerliche, aber auch nicht für eine kaum erträgliche. Legen Sie zwei Zeiträume für das Ärgern fest. Zum Beispiel: zwei Minuten und später am Tag noch einmal eine Minute.
- Sobald dieses Ereignis eintritt, halten Sie sich strikt an Ihren Plan. Nach wenigen Wiederholungen gelingt es Ihnen.
- Nach vier Wochen maßvollem Ärgernis sind Sie zum Anti-Ärger-Könner geworden. Legen Sie jetzt fest, wie lange Sie sich beim nächsten Anlass aufregen werden, gleichgültig um was es sich handelt. Ab jetzt werden Sie sich nur noch einmal empören, zum Beispiel 60 Sekunden, um dann wieder zu Ihrer vorigen Tätigkeit und Stimmung zurückzukehren.
Entspannt und frisch mit Pfarrer Kneipp
Tipp
Kennen Sie Bad Wörishofen, die frühere Wirkungsstätte von Pfarrer Kneipp? Hier hat er seine ganzheitliche Therapie entwickelt, die immer mehr Anhänger findet. Immer wenn ich in dieser hübschen Kurstadt unterwegs bin, nutze ich die Gelegenheit zu einem kalten Armbad, einer der Kneipp’schen Wasseranwendungen. Auf die wohltuende Wirkung mögen heute viele Menschen nicht mehr verzichten.
Das kalte Armbad eignet sich besonders, wenn Sie
- sich körperlich oder geistig erschöpft fühlen
- innere Unruhe spüren,
- einen zu hohen Blutdruck haben,
- müde und abgespannt sind,
- in Ihrer Leistungsfähigkeit geschwächt sind,
- sich beruhigen und anregen, aber nicht aufregen wollen.
So wird’s gemacht
- Sie benötigen eine kleine Wanne oder ein Waschbecken, in das Sie Ihre Arme tauchen können. Füllen Sie diesen Behälter mit kaltem Wasser (um die 12 Grad Celsius).
- Tauchen Sie Ihre Arme – wenn sie kalt sind, vorher erwärmen – bis zur Mitte der Oberarme in das Wasser. Dauer: maximal 30 Sekunden. Bei starkem Kältegefühl vorher beenden.
- Streifen Sie das Wasser mit den Händen ab und trocknen Sie die Arme, indem Sie sie pendelnd bewegen.
Entspannungsbrille
Es ist nicht immer ganz einfach, den Alltag auszublenden und sich mit allen Sinnen und vollkonzentriert auf den Prozess der Entspannung einzulassen. Mit einer Entspannungsbrille gelingt das sehr viel leichter. Sie sollte aus einem weichen, anschmiegsamen Stoff bestehen und die Augen vor zu viel Licht schützen. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf natürliche Weise von außen nach innen und
- führt zu einer schnellen und tiefen Entspannung;
- ermöglicht wegen der raschen und intensiven Wirkung, auch kurze Zwischenzeiten zur Entspannung zu nutzen;
- stellt sicher, dass Entspannung auch in Akutsituationen gelingt, zum Beispiel bei Stress, Krisen, Krankheit, Konflikten;
- baut nach einiger Zeit eine Entspannungsreaktion auf, die dann ohne weitere Übung und Hilfsmittel abgerufen werden kann;
- sorgt dafür, dass Entspannung immer dann sicher gelingt, wenn sie gebraucht wird;
- schafft günstige Voraussetzungen für weitergehende Anwendungen, zum Beispiel Superlearning, Mentales Training oder Verhaltenstherapie.
Entdecken Sie weitere Möglichkeiten der Entspannungsbrille. Einige Anregungen gefällig?
- meditative Erfahrungen sammeln;
- Musik intensiv erleben und genießen;
- Pausen erholsam gestalten, auch bei langen Autofahrten;
- gut in den Mittagsschlaf kommen;
- kreative Lösungen für Aufgaben und Probleme finden.
So wird’s gemacht
- Besorgen Sie sich eine Entspannungsbrille. Geeignet kann eine Schlafbrille sein, wie man sie auf Langstreckenflügen von der Stewardess bekommt. Achten Sie auf einen angenehmen Sitz.
- Setzen Sie die Brille zu Beginn der Übung sorgfältig auf. Machen Sie daraus ein kleines, feierliches Ritual.
- Lassen Sie sich noch einige Minuten Zeit, bevor Sie mit Ihrer Übung beginnen, um in die neue Situation hineinzufinden und sich einzustimmen.
- Nun führen Sie Ihre Übung durch oder genießen ganz einfach die Dunkelheit und das angenehme Gefühl, das Ihnen die Brille schenkt.