5. KAPITEL

“Ah, James. Freut mich, dich zu sehen. Es war schön gestern Abend, nicht?”

Poppy versuchte sich ihre Verblüffung nicht anmerken zu lassen, als die japanische Dolmetscherin an ihren Stand kam und James’ Hand berührte. Dabei sah sie ihn mit einem vielsagenden Ausdruck in den Augen an. James hatte Poppy gerade gesagt, dass er einige Dokumente zum Übersetzen für sie hatte.

Er tut so, als wäre ich gar nicht da, dachte sie, als er sich lächelnd an die Japanerin wandte und vertraulich den Kopf neigte.

Poppy war fast mit dem Frühstück fertig gewesen, als er sich zu ihr an den Tisch gesetzt und Kaffee bestellt hatte, ohne ihr zu erklären, warum er nicht im Zimmer geschlafen hatte.

“Sehr schön”, hörte sie ihn nun sagen.

Poppy hätte schwören können, dass er den Blick ein wenig zu lange auf dem Körper der Japanerin ruhen ließ, während diese ihn kokett anlächelte und schließlich verkündete, sie müsse nun zu ihren Kollegen zurückkehren. Anschließend beugte sie sich noch einmal zu ihm vor und meinte provokativ: “Ich habe heute Nachmittag ein bisschen Zeit. Du sagtest doch, du hättest einen Wagen gemietet …”

Poppy wartete darauf, dass James in seinem gewohnt schroffen Tonfall entgegnete, er sei zu beschäftigt, doch stattdessen erklärte er: “Ja, ich habe einen Wagen. Wann bist du denn fertig?”

Sobald die Japanerin außer Hörweite war, bemerkte Poppy: “Ich dachte, wir seien hier, um zu arbeiten. Ich für meinen Teil …”

“Was ist los?”, unterbrach er sie. “Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?”

“Warum sollte ich eifersüchtig sein? Von mir aus kann sie dich haben. Du hast vermutlich auch die Nacht mit ihr verbracht, stimmt’s?”

“Und selbst wenn”, erwiderte er unverbindlich, “geht dich das wohl nichts an, oder?”

Aus irgendeinem unerklärlichen Grund ärgerte sie sich maßlos über sein Verhalten und fühlte sich sogar gedemütigt, weil er sich offenbar über sie lustig machte.

“Und ob es mich etwas angeht!”, entgegnete sie heftig. “Du denkst dir vielleicht nichts dabei, von Bett zu Bett zu hüpfen. Vielleicht bist du sogar stolz darauf, so eine Art Sexprotz zu sein … Aber ich denke an meine Gesundheit und gehe nicht mit jedem Mann ins Bett.”

“Ach tatsächlich?”, hakte er trügerisch ruhig nach. “Komisch, ich hatte nicht den Eindruck, dass du vorgestern Nacht besonders vorsichtig warst.”

Poppy warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

“Ja, weil …”, begann sie, doch James ließ sie nicht ausreden.

“Weil du dir einreden wolltest, ich sei Chris”, beendete er den Satz für sie. “Aber ich habe eine Überraschung für dich, Poppy. Chris ist nicht der Heilige, für den du ihn hältst, und wenn es darum ginge, wer von uns beiden mit mehr Frauen geschlafen hat, hätte er sicher mehr Abenteuer zu verbuchen. Wenn du also Angst um deine Gesundheit hast, wie du es nennst, würdest du bei ihm bestimmt ein größeres Risiko eingehen als bei mir.”

“Das glaube ich dir nicht”, entgegnete sie aufgebracht. “Chris hat nie … Er würde niemals … Er ist nicht wie du”, sagte sie schließlich ausdruckslos. “Er würde nie mit einer Frau schlafen, wenn es ihm nur um Sex ginge.”

“Das habe ich auch nicht behauptet”, stellte James klar. “Ich habe lediglich gesagt, dass er vermutlich mit mehr Frauen geschlafen hat als ich. Und zu deiner Information, Poppy: Ich schlafe nicht mit einer Frau, wenn es mir nur um Sex geht.”

Sein Blick war eine deutliche Warnung, es dabei bewenden zu lassen, doch Poppy war so wütend und verletzt, dass sie nicht darauf achtete.

“Bei mir hast du es aber getan”, erklärte sie.

Einen Moment lang glaubte sie, sie hätte gewonnen und James würde nichts mehr sagen. Was hätte er darauf auch antworten sollen?

Allerdings belehrte er sie eines Besseren.

“Ich … hatte … Sex … mit … dir”, erklärte er kalt, wobei er nach jedem Wort eine vielsagende Pause einlegte, “weil du mich dazu gebracht hast.”

“Das sagst du doch bloß, um mich zu bestrafen.” Ihre Lippen bebten, und sie versuchte die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.

“Nein, das tue ich nicht”, widersprach er finster. “Irgendwann kommt ein Punkt, an dem ein Mann einfach nicht mehr aufhören kann. Das ist allgemein bekannt, und ich kann es nicht leugnen. Aber lange bevor ich so weit war, hast du … Du warst diejenige, die …”

“Das hatte nichts mit dir zu tun”, unterbrach sie ihn schnell. “Ich wollte nicht dich. Ich könnte dich nie begehren.” Unvermittelt wich sie einige Schritte zurück. Plötzlich wurde ihr schwindelig, sodass sie den Eindruck hatte, alles würde sich um sie drehen. Dennoch hörte sie nicht auf James, der sie aufforderte, sich zu setzen, sondern wandte sich ab und eilte aus dem Konferenzsaal.

Wie konnte er es wagen, ihr solche Dinge an den Kopf zu werfen, wenn er wusste, dass …? Aber von ihr aus konnte er den ganzen Tag mit seiner neuen Freundin verbringen und auch die Nacht. Sie hoffte sogar, dass er es tat.

“Poppy, was ist los?”

Als Poppy in das Gesicht von Gunther blickte, der sie besorgt betrachtete, fasste sie einen spontanen Entschluss.

“Ich habe meine Meinung geändert”, erklärte sie schnell. “Falls Ihr Angebot, mir die Gegend zu zeigen, noch gilt, würde ich Sie gern begleiten.”

Gunther strahlte. “Es wird mir ein Vergnügen sein. Allerdings habe ich erst ab zwei Zeit …”

“Das passt mir gut”, versicherte sie. Bis dahin würde sie auch mit den Übersetzungen fertig sein, sodass James ihr wenigstens nicht vorwerfen konnte, sie würde ihre Arbeit vernachlässigen. Er kann mir überhaupt nichts vorwerfen, sagte sie sich und ignorierte die innere Stimme, die eindringlich warnte.

Es war fast zwölf, als James ins Zimmer kam. Poppy arbeitete gerade an den Übersetzungen, die schwieriger waren, als sie erwartet hatte. “Bist du schon fertig, Poppy?”, erkundigte er sich im Befehlston.

“Fast.” Sie hoffte, sie würde nicht feststellen, dass etwas fehlte, wenn sie die Unterlagen anschließend noch einmal durchlas. Als er ihr über die Schulter schaute und dabei die Stirn runzelte, fügte sie herausfordernd hinzu: “Falls du damit nicht zufrieden bist oder glaubst, du hättest es besser gemacht …”

“Wenn ich es besser könnte als du, würdest du nicht als Übersetzerin für uns arbeiten.” Sobald sie fertig war, nahm er die Unterlagen in die Hand, um sie zu lesen. Dabei meinte er: “Weißt du, Poppy, dass wir verwandt sind, hat keine Bedeutung für unser berufliches Verhältnis zueinander. Du behauptest immer gern, dass du den Job aufgrund deiner Qualifikationen bekommen hast und nicht aufgrund der Tatsache, dass deine Mutter Aktienanteile an der Firma besitzt. Aber es macht dir offenbar nichts aus, dir deine verwandtschaftliche Beziehung zu mir zunutze zu machen …”

“Du bist derjenige, der das tut, nicht ich”, verteidigte sie sich. “Schließlich hättest du mich nie dazu zwingen können, das Zimmer mit dir zu teilen, wenn ich nicht deine Cousine wäre.”

Poppy sah ihm an, dass er das nicht gern hörte. Sein Pech, dachte sie. Schließlich hatte er das Thema selbst angesprochen.

“Du weißt, was dein Problem ist, stimmt’s, James?” Sie drehte sich um und sah ihn finster an. “Du bist ganz versessen darauf, andere zu kontrollieren, aber mich kannst du nicht kontrollieren. Niemand kontrolliert mich.”

“Nein”, bestätigte er trocken. “Niemand kontrolliert dich, nicht einmal du selbst.”

Als James sie betrachtete, erinnerte sie sich nur zu lebhaft an eine nicht lange zurückliegende Situation, in der sie tatsächlich die Kontrolle über sich verloren hatte. Da sie spürte, wie sie errötete, wandte sie sich schnell wieder ab.

“Ich dachte, du wolltest heute mit deiner japanischen Freundin einen Ausflug machen”, meinte sie, während sie die Unterlagen zusammensuchte.

“Das habe ich auch vor.” Nachdem er einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte, nahm er Poppy die Unterlagen aus der Hand. “Bist du jetzt fertig? Ist alles dabei?”

“Ja”, erwiderte sie angespannt, denn sie merkte, dass er es eilig hatte.

“Möchten Sie noch Wein?”

Lächelnd schüttete Poppy den Kopf und legte die Hand auf ihr fast leeres Glas.

“Ich glaube, ich höre auch lieber auf”, meinte Gunther bedauernd. “Schließlich muss ich noch fahren.”

Fast zwei Stunden waren sie bei herrlichem Sonnenschein durch die Berge gefahren, bevor sie schließlich in einem Ort angehalten hatten, der so malerisch war wie eine Film- oder Theaterkulisse.

Unbefangen wie zwei Schüler, die freihatten, schlenderten sie durch die Gassen und kauften sich unterwegs ein Eis. Es war so lecker, dass Poppy verzückt die Augen schloss.

Schließlich schlug Gunther vor, nicht gleich zum Hotel zurückzukehren, sondern vorher etwas zu essen und Wein einzukaufen und am Ufer des Flusses, den sie unterwegs gesehen hatten, ein Picknick zu machen.

“Haben wir denn noch Zeit dazu?”, erkundigte sie sich zweifelnd. Da sie keine Uhr dabeihatte, wusste sie nicht, wie lange sie schon unterwegs waren.

“Die Zeit nehmen wir uns einfach”, hatte Gunther verkündet, sodass Poppy lachend nachgegeben hatte. Sie genoss es, weit weg von James zu sein und nicht ständig an die unerfreulichen Folgen der Auseinandersetzungen mit ihm denken zu müssen.

Sie hatte keine Ahnung, wie lange Gunther und sie schon am Flussufer saßen. Da die Schatten immer länger wurden, vermutete sie jedoch, dass es bereits spät war.

“Wir sollten lieber aufbrechen”, schlug sie widerstrebend vor.

“Und was ist, wenn ich mich weigere?”, neckte er sie. “Was ist, wenn ich sage, dass ich hier für immer mit Ihnen sitzen möchte?”

Selbst als sie daraufhin lachte, war der Ausdruck in ihren Augen traurig.

Der Ausflug war eine willkommene Abwechslung gewesen, aber ihr war klar, dass es ihr dadurch letztendlich nicht besser gehen würde. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass Gunther, so nett er war, keinem Vergleich mit James standhielt.

James … Poppy erstarrte förmlich und fragte sich, warum sie automatisch an James dachte, nur weil sie unfähig war, auf Gunthers Annäherungsversuche einzugehen. Sicher lag es an ihrer Liebe zu Chris, dass sie sich für keinen anderen Mann interessierte.

“Was ist los, Poppy?”, fragte Gunther zögernd. “Sie sehen so … so traurig aus. Wenn etwas Sie bedrückt … Falls es etwas gibt, das ich für Sie tun kann …”

“Nein. Es ist nichts”, erwiderte sie schnell.

Was würde er wohl sagen, wenn er die Wahrheit wüsste?, überlegte sie. Was würde er dann von mir denken? Oder was würden meine Freunde, meine Familie … Chris … von mir denken, wenn sie wüssten, was zwischen James und mir vorgefallen ist? Doch sie werden es nie erfahren, tröstete sie sich. Niemand wird es je erfahren.

Als sie aufstand und Gunther dabei half, die Reste des Picknicks einzusammeln, überkam sie eine solche Angst, dass ihr Herz schmerzhaft pochte.

Wie konnte so etwas bloß passieren?, fragte Poppy sich beschämt und verwirrt zugleich. Wie konnte ich ein solches Verlangen verspüren und mich ihm gegenüber so aufreizend verhalten? Als sie ihre Jacke aufhob, zitterten ihre Hände.

Wenn es doch nur eine Möglichkeit gegeben hätte, die Erinnerung an diese verhängnisvolle Nacht für immer aus ihrem Gedächtnis zu löschen – und aus James’ Gedächtnis!

Sobald sie wieder im Wagen saßen und zurückfuhren, stellte Poppy fest, dass es sogar später war, als sie vermutet hatte, denn es wurde bereits dunkel. Zum Glück hatten sie schon gegessen, denn im Hotel würden sie um diese Zeit nichts Warmes mehr bekommen.

Als Gunther schließlich auf den Parkplatz des Hotels fuhr, war es bereits nach zehn. Da er einmal falsch abgebogen war, hatte er einen Umweg von fast einer Stunde machen müssen. Poppy hoffte nur, dass James noch mit seiner japanischen Freundin beschäftigt war und ihre Abwesenheit nicht bemerkt hatte.

“Vielen Dank, es war wirklich ein schöner Nachmittag”, sagte sie schnell zu Gunther und wich von ihm zurück, als er den Arm um sie legen wollte.

Er wirkte enttäuscht, unternahm aber keine weiteren Annäherungsversuche, sondern begleitete sie ins Hotel.

Sobald sie das Foyer betraten, schaute Poppy sich ängstlich um. James war jedoch nirgends zu sehen, wie sie erleichtert feststellte.

“Ich fürchte, Sie haben jetzt das Abendessen verpasst, weil ich einen Umweg gemacht habe”, entschuldigte sich Gunther. “Aber vielleicht …”

“Ist schon gut, Gunther”, versicherte sie. “Nach unserem herrlichen Picknick hätte ich sowieso nichts mehr essen können.”

Wenn sie nun sofort in ihr Zimmer ging, duschte und sich fürs Bett fertig machte, hatte sie vielleicht Glück und würde bereits schlafen, wenn James hereinkam – falls er überhaupt vorhatte, die Nacht mit ihr zu verbringen und nicht mit …

Mit ihr? Ihr wurde plötzlich ganz heiß, als sie mit gesenktem Blick auf die Aufzüge zueilte. Natürlich hatte sie nicht gemeint, dass James die Nacht mit ihr verbrachte, sondern bei ihr im Zimmer. Was hatte er bloß mit ihr gemacht, dass er jetzt sogar ihre Gedanken kontrollierte?

Poppy trat aus dem Lift, ging den Korridor entlang und öffnete die Tür mit der Codekarte, bevor sie sie aufstieß.

“Wo zum Teufel bist du gewesen?”

Erschrocken stellte sie fest, dass James schon im Zimmer war. Sprachlos sah sie ihn an.

“Wo bist du gewesen, Poppy?”, wiederholte er.

“Ich … ich … Weg”, erwiderte sie mit bebender Stimme.

“Weg? Wohin?”

“Ich … Gunther … Ich war mit Gunther weg”, gestand sie stockend. “Er … er hatte für heute Nachmittag einen Wagen gemietet und wollte …”

“Erspar mir die Einzelheiten. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was er wollte”, entgegnete James wütend. “Und deinem Aussehen und der Uhrzeit nach zu urteilen, hat er es auch bekommen. Und, hast du es genossen, Poppy?”, erkundigte er sich scharf. “Hast du ihn auch angebettelt und angefleht …?”

Ehe ihr überhaupt bewusst wurde, was sie tat, hatte sie sich auf ihn gestürzt und holte aus, um ihm wieder eine Ohrfeige zu verabreichen. Mit seinen gemeinen Anschuldigungen brachte er sie zur Weißglut.

Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er nun einsehen würde, wie ungerechtfertigt seine Vorwürfe waren. Doch statt vor ihr zurückzuweichen, umfasste er blitzschnell ihre Handgelenke und drückte sie aufs Bett. Dann beugte er sich über sie, sodass sie gefangen war.

Wie gebannt betrachtete sie die dunklen Sprenkel in seinen Augen, unfähig, sich zu rühren. Wie aus weiter Ferne hörte sie James sagen: “Ich habe dich davor gewarnt, was passiert, wenn du es wieder tust, Poppy.”

Schließlich hob er ihre Hände und drückte sie über ihrem Kopf aufs Bett.

“Ich weiß, warum du das machst!”, rief sie. “Du willst mich bestrafen, weil es dich in deinem Stolz verletzt, dass ich dich nicht will.”

“Hast du das deinem deutschen Freund erzählt?”, fuhr er sie an.

“Gunther und ich haben nur den Nachmittag zusammen verbracht. Wir haben nicht … Er ist nicht …”

Erst jetzt merkte Poppy, dass der weite Rock, den sie trug, hochgerutscht war und ihre Schenkel entblößte. Sie verspannte sich unwillkürlich.

“Lass mich los”, bat sie mit bebender Stimme, als sie sah, wie verlangend James sie betrachtete. “Du willst mich doch gar nicht. Du kannst es nicht, und …”

“Wer sagt, dass ich es nicht kann?”, neckte er sie leise. “Ich bin ein Mann, und jeder Mann wird dir bestätigen, dass nichts erregender ist, als wenn eine Frau sagt, dass sie dich will, dich anfleht, sie zu befriedigen, und vor Verlangen laut stöhnt.”

“Nein!”, rief sie in Panik. “Das habe ich nicht gemeint. Das kannst du nicht machen, James. Ich will nicht, dass du …”

“Lügnerin”, meinte er leise und strich wie zum Beweis mit der freien Hand über ihren bebenden Körper.

Sobald sie seine Hand auf ihrem bloßen Oberschenkel spürte, erschauerte sie heftig. Zuerst redete sie sich ein, dass es an ihrer maßlosen Wut lag, aber noch bevor James die Hand höher gleiten ließ und unterhalb ihrer Brüste innehielt, musste sie sich eingestehen, dass sie sich selbst etwas vormachte.

“Aber ich kann dich nicht begehren …”

Dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte, wurde ihr erst klar, als James hervorstieß: “Pass bloß auf, sonst könnte ich dafür sorgen, dass du deine Worte zurücknimmst. Denn ich verspreche dir, wenn ich es tue …”

Sie bebte am ganzen Körper, als ihr klar wurde, was er damit meinte. Und zu ihrem Entsetzen schockierte diese Erkenntnis sie nicht, sondern weckte ein Bedürfnis in ihr, das sie nicht wahrhaben wollte.

“Ich will das nicht, James”, erklärte Poppy trotzig. Was sie empfand, als er langsam ihr Top aufzuknöpfen begann, strafte ihre Worte jedoch Lügen. Das Schlimmste für sie war, dass er es auch wusste.

Warum reagiere ich bloß so auf ihn?, fragte sie sich hilflos, während er ihr das Top abstreifte und ihre Brüste entblößte.

Schließlich neigte er den Kopf, und sie spürte seinen Atem auf der Haut. Verzweifelt versuchte sie, nicht darauf anzusprechen.

“Nein!”

Sobald er ihre Brustspitze mit Lippen und Zunge zu liebkosen begann, wälzte Poppy sich hin und her. Dabei war ihr allerdings bewusst, dass sie es nicht tat, um der süßen Folter zu entgehen. Es verstärkte vielmehr die erotische Wirkung seiner Zärtlichkeiten.

Da sie sich ganz den herrlichen Gefühlen hingab, die er mit den aufreizend langsamen Bewegungen in ihr weckte, hatte sie gar nicht gemerkt, dass er ihr auch den Rock abgestreift hatte. Erst jetzt, als sie nur noch mit dem knappen Slip bekleidet war, spürte sie den kühlen Luftzug der Klimaanlage an den Beinen.

James hielt immer noch ihre Hände über ihrem Kopf fest. Als er sich nun von ihr löste, um sein Hemd aufzuknöpfen, drehte sie sich weg. Sie wollte ihm nicht in die Augen sehen, weil allein der Gedanke daran, gleich seine nackte Haut an ihrer zu spüren, sie fast um den Verstand brachte. An der Wand hing ein großer Spiegel, und wie gebannt betrachtete sie ihr Spiegelbild, unfähig, den Blick davon zu lösen.

Bin ich das wirklich?, fragte sie sich. Ihre dunklen Haare waren zerzaust, die Lippen geschwollen, die Brustspitzen hart. Und ihre helle Haut schimmerte vor dem dunklen Untergrund. Sinnlich bog sie sich James entgegen.

Schockiert musste Poppy sich eingestehen, dass dieser Anblick sie selbst erregte. Das knappe Dreieck ihres Slips stellte eher eine Verlockung als ein Hindernis dar, und sie hatte die Beine leicht gespreizt, als ob …

“Wohin guckst du?”, hörte sie James fragen, während er sich das Hemd und die Hose auszog. Im Spiegel beobachtete sie, wie er sich zu ihr herunterbeugte. Das Lächeln, das seine Lippen umspielte, erregte sie so, dass ihr Magen sich zusammenkrampfte.

“Aha”, meinte James leise. “Du betrachtest also dich selbst, stimmt’s? Du siehst zu, während …”

“Nein.” Ihre Wangen brannten, als er lachte und dann die Hand ausstreckte, um langsam mit den Fingerspitzen über ihre Haut zu streichen. Sie erschauerte hilflos und begann zu zittern.

“Vergiss nicht, was ich gerade gesagt habe”, erinnerte er sie. “Würde es dir gefallen, wenn ich dafür sorge, dass du deine Worte zurücknimmst, Poppy?” Sein Tonfall war so sanft, dass sie ihre Bedenken vergaß. “Würdest du gern wissen, wie es ist, die Lippen eines Mannes auf deinem Körper zu spüren, während er …?”

James hatte ihr jetzt die Hand auf den Slip gelegt. Obwohl er sie nicht streichelte, reichte allein die Berührung, um ihren Puls zu beschleunigen. Poppy war sicher, dass er spürte, wie heftig sie erbebte.

Er war nun nackt, und sein sonnengebräunter Körper bildete einen starken Kontrast zu ihrem.

Der Drang, ihn zu berühren, war so unwiderstehlich, dass sie es schließlich tat. Dabei zitterte ihre Hand.

Verblüfft bemerkte Poppy, wie James daraufhin heftig erschauerte. Als sie ihm in die Augen sah, die dunkel vor Verlangen waren, ging ihr Atem schneller.

Aus irgendeinem Grund schockierte es sie, dass James so erregt war. Gleichzeitig steigerte es ihr Verlangen. Sie merkte jedoch nicht, dass es sich in ihren Augen spiegelte, denn sie nahm nichts anderes wahr als seine Körperwärme und seine Kraft, als er sich auf sie legte und die Lippen auf ihre presste. Erregt erwiderte sie das erotische Spiel seiner Zunge.

Irgendwann hörte sie ein leises, erregtes Stöhnen, das sie erst dann als ihres erkannte, als er sich von ihr löste und flüsterte: “Und nun sag mir noch einmal, dass du nicht mich willst, sondern meinen Bruder. Sieh hin, Poppy.” Mit einer Hand umfasste er ihr Gesicht und drehte ihren Kopf zur Seite, damit sie sich im Spiegel betrachtete – sie beide. Unbewusst hatte sie sich ihm entgegengebogen und die Beine noch weiter gespreizt.

Wieder erschauerte sie, als sie erkannte, wie sie sich an ihn presste und wie offenkundig ihre Sehnsucht nach ihm war.

“Nein … Das will ich nicht”, protestierte Poppy in Panik. “Das kann ich nicht wollen. Ich will nicht dich …”

Als sie versuchte, ihn wegzuschieben, um zu verleugnen, was James und ihr Körper ihr sagten, blitzte in seinen Augen etwas auf – Wut und ein anderes Gefühl, das sie nicht zu deuten vermochte.

“Warum tust du das?”, erkundigte sie sich heiser. “Du willst mich doch gar nicht. Du magst mich nicht einmal. Bestimmt … Was ist passiert?”, fügte sie bitter hinzu. “Hat deine japanische Freundin dich abblitzen lassen? Das ist jedenfalls nicht meine Schuld, also lass deinen Frust nicht an mir aus.”

“Warum nicht?”, entgegnete James herausfordernd. “Warum sollte ich dich nicht genauso benutzen, wie du mich benutzt hast? Und du hast mich benutzt!”

Seine grausamen Worte schockierten sie. “Das ist nicht fair. Es ist nicht wahr. Was vorgestern Nacht zwischen uns passiert ist, war ein … ein Fehler.”

“Ach ja? Diesmal wird es keine Fehler mehr geben. Schau in den Spiegel”, befahl er ihr wieder. Als sie den Kopf wegdrehen wollte, fügte er heftig hinzu: “Los, mach schon. Und sag mir, was du siehst.”

Poppy war so aufgewühlt, dass sie zitterte. Wie konnte sie ihm sagen, was sie im Spiegel sah? Es war ihr furchtbar peinlich, in Worte zu fassen, was sie empfand – die Leidenschaft, die ihren Körper so verändert hatte, dass sie ihn kaum als ihren wiedererkannte … die Leidenschaft für den Mann, der sie in den Armen hielt.

Der Mann, der sie in den Armen hielt … dieser Mann war James. Nicht Chris, sondern James. Wie konnte sie für ihn Verlangen empfinden? Sie mochte ihn ja nicht einmal, geschweige denn, dass sie ihn liebte.

Was ist bloß mit mir geschehen?, fragte sie sich hilflos, während sie ein Schluchzen unterdrückte. Und warum ist es geschehen? Warum hat mein Körper praktisch ein Eigenleben entwickelt? Warum habe ich so die Kontrolle über mich verloren?

“Vorgestern Nacht hast du mich angefleht, mit dir zu schlafen. Wenn du das heute wieder sagst, kannst du es nicht mehr zurücknehmen oder dir einreden, ich sei Chris. Diesmal wissen wir beide genau, wen du anflehst.”

Tut er mir das deswegen an?, überlegte Poppy traurig. Weil er den Gedanken nicht ertragen kann, dass eine Frau sich nach einem anderen Mann sehnt – besonders eine Frau, der er seine Abneigung so deutlich gezeigt hat? War es also eine Kombination aus verletztem Stolz, Wut und Begierde, die ihn reizte, zuerst zu kommen und der Beste zu sein?

“Sag es noch einmal, Poppy”, forderte James sie leise auf, während er die Lippen über ihren Hals gleiten ließ. “Sag mir, dass du mich willst …”

“Nein”, beharrte sie. Sie hatte panische Angst davor, die Kontrolle über sich zu verlieren, denn sie wusste nur zu gut, dass seine Zärtlichkeiten genau das bewirkten.

Sie erschauerte immer heftiger, als er mit dem Mund eine heiße Spur auf ihrem Körper hinterließ, und versuchte sich ihm zu entwinden. Allerdings konnte sie im Spiegel sehen, dass ihre Bewegungen eher wie eine subtile Herausforderung aussahen.

Allein der Anblick seines muskulösen nackten Körpers bewirkte, dass ihr immer heißer wurde und sie James unbewusst an sich zog, statt ihn wegzustoßen.

Als sie seine heißen Lippen auf dem Bauch spürte, flehte sie ihn an, damit aufzuhören, doch er streifte ihr bereits den Slip ab. Vergeblich bemühte sie sich, nicht hinzusehen. Der Anblick seines dunklen Schopfs auf ihrer hellen Haut war so erregend, dass sie ein ums andere Mal erbebte.

“Nein, nicht … bitte nicht”, flüsterte sie, aber James hatte ihr schon eine Hand unter den Po geschoben, um sie leicht anzuheben. Mit den Lippen strich er über die Innenseite ihrer Schenkel, während er mit der anderen Hand ihre empfindsamste Stelle reizte.

Natürlich war ihr klar gewesen, was passieren würde, wie er sie bestrafen würde, weil sie ihre Gefühle für ihn geleugnet hatte. Gleichzeitig hatte sie geglaubt, gegen seine Zärtlichkeiten gewappnet zu sein. Als sie dann aber seinen Mund dort spürte, wo es am lustvollsten für sie war, und so heftig darauf reagierte, war es ein so großer Schock für sie, dass sie hilflos aufschrie. Sie meinte es nicht länger ertragen zu können und hatte Angst vor dem, was noch geschehen würde.

“James … James …”

Wie aus weiter Ferne hörte sie sich rufen, während die heißen Wellen der Lust sich in ihrem Schoß ausbreiteten. Schließlich legte James sich wieder auf sie, um erst ihre Brüste und dann ihren Mund zu küssen.

“James …”

Poppy zitterte immer noch und stellte erstaunt fest, dass sie sich nach wie vor danach sehnte, mit ihm zu schlafen.

“Sag es”, flüsterte er, den Mund an ihren Lippen. “Sag es mir, Poppy.”

“Ich will dich”, erwiderte sie hilflos. “Ich will dich … Ich will dich …”

Nun vereinigte er sich mit ihr und verfiel in einen drängenden Rhythmus, um ihr Verlangen ins Unerträgliche zu steigern.

Wieder hörte sie sich seinen Namen rufen, als sie kurz darauf den Gipfel der Ekstase erreichte – im selben Moment wie er. Glücklich schmiegte sie sich an ihn, während die Wellen der Lust langsam verebbten. Ihr Körper war schweißbedeckt, und sie fühlte sich ganz matt.

Im Spiegel betrachtete sie ihre ineinander verschlungenen Körper. Dabei merkte sie, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Was habe ich bloß getan?, fragte sie sich verzweifelt. Sie erkannte sich überhaupt nicht wieder, und das machte ihr Angst. Noch nie zuvor hatte sie sich so gefürchtet.

Als die Müdigkeit sie übermannte, ging Poppy durch den Kopf, dass sie kaum an Chris gedacht hatte, seit sie ins Zimmer gekommen war und James gesehen hatte.

Weil ich es jetzt nicht mehr ertragen kann, an Chris und meine reine Liebe zu ihm zu denken, sagte sie sich benommen, bevor sie erschöpft einschlief.