Am Tag des Verbrechens habe ich mit McGill zur Mittagessenszeit die Wohnung des Opfers aufgesucht. Sie befand sich in Downtown, nicht weit vom MacArthur-Park, dem Treffpunkt der Dealer und Gangs. Eine Gegend mit einem wirklich schlechten Ruf. Unwillkürlich habe ich mich gefragt, warum der Kleine in der Nähe von Hollywood auf den Strich ging, wo hier alles, was er brauchte, direkt vor seiner Tür lag. Er hatte offenbar einen Hang zur High Society und zog es vor, in schönen Laken zu schlafen.

 

Das Apartment war in der vierten Etage eines Hauses aus Granit, ohne Aufzug, in einer öden Gasse voller Mülleimer. Feuerleitern hingen von der Fassade, einfache Klimaanlagen drehten sich an den Fenstern, eine puerto-ricanische Concierge zog an einer Zigarette und hinterließ Spuren ihres billigen Lippenstifts auf dem Filter.

 

In ihrer Kartei war vermerkt, dass Billy Greenfield in Pasadena zur Welt kam. Der Weg von Pasadena nach Downtown ist kurz. Es wäre mir lieb gewesen, wenn ich hätte glauben dürfen, er sei in einem ärmlichen Viertel im Schoß einer gewalttätigen Familie aufgewachsen. Dann wäre das Gefühl des Abstiegs in die Hölle weniger niederschmetternd gewesen. Wenn er jedoch eine glückliche Jugend gehabt hatte, warum, zum Teufel, war er dann hierhergekommen und hatte sich in die Höhle des Löwen begeben?

 

Wir haben das Apartment Nummer 42 gesucht. Die Ziffer 4 war abgefallen, nur die graue Spur des Klebstoffs war noch übrig. Wir brauchten die Tür nicht gewaltsam zu öffnen: Man hatte die Schlüssel in der Tasche seiner Jeans gefunden. Drinnen roch es nach kaltem Tabak, Sperma und schmutzigem Geschirr. McGill öffnete die Fenster, nachdem er zunächst die Vorhänge von undefinierbarer Farbe zurückgezogen hatte. Die einfallende Sonne hat einen Streifen in den Staub gezeichnet, der im Raum schwebte.

 

Es war ein schäbiges Zimmer: ein ungemachtes Bett, ein Ausguss, ein Kocher, ein Klapptisch, auf dem sich Bierflaschen türmten, ein Resopalhocker, Klamotten am Boden, ein Fernsehgerät, Videokassetten, zum größten Teil mit Pornohüllen, an die Wände gepinnte, verwaschene Poster von nackten, muskulösen jungen Männern. Die Suche nach etwas, was nicht mit dem zusammenhing, was man schon vermutete, wäre vergeblich gewesen.

 

Die Kollegen würden am Nachmittag vorbeikommen, um die Fingerabdrücke zu sichern. Wir beschränkten uns darauf, die Örtlichkeit in Augenschein zu nehmen. McGill wirkte ärgerlich. Er hatte offensichtlich gehofft, die Besichtigung würde uns wertvolle Hinweise, vielleicht eine wichtige Spur, liefern oder uns auf eine geniale Idee bringen, aber das war nicht der Fall. Hatte gehofft, der kleine Greenfield verberge ein Geheimnis, und wir könnten leicht dahinterkommen; wenn wir nur ein wenig in seinem Kalender blätterten, würde uns das direkt zu seinem Mörder führen. Aber die kleinen zwanzigjährigen Jungs haben ein ganz gewöhnliches Leben, selbst wenn es jämmerlich ist, und unwichtige Geheimnisse.

 

Immerhin hat er mit seinem an Untersuchungen gewöhnten Auge ein kleines Heft entdeckt, das am Fußende des Bettes, fast völlig verdeckt von den zerknitterten Laken, herumlag. Er hat es hervorgeholt und rasch durchgeblättert, ehe er es mir reichte. Ich habe es meinerseits durchgeblättert und in die Tasche meiner Jacke gleiten lassen. Wir würden nichts Interessanteres mehr entdecken, wir mussten uns damit abfinden.

 

Wir haben das Apartment verlassen. Während wir durch den Flur eilten, hörte man hinter einer Tür eine heftige Diskussion. Ein Paar beschimpfte sich gegenseitig auf Spanisch. Wir verlangsamten nicht einmal unsere Schritte. Die verpestete Luft der Gasse empfing uns beim Verlassen des Hauses. Die Concierge zog noch immer an einer Zigarette. Sie warf uns einen giftigen Blick zu. Wir haben sie respektvoll gegrüßt.