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Es schien sich um eine Art Kommandozentrale zu handeln, in die Ryan und Jabo gelangt waren.

Und darin hatte ein Massaker stattgefunden.

Allerdings schon vor Jahren, wie es aussah.

Überall lagen Leichen. Schrecklich zugerichtete, zerfetzte Leichen.

Chinks, denen man die Arme ausgerissen hatte, denen der Brustkorb aufgefetzt war, denen die Kehle herausgebissen worden war oder denen man die Eingeweide aus dem Bauch geschnitten hatte.

Einigen war sogar der Kopf von den Schultern geschlagen worden.

Es handelte sich nicht um Drohnen, um Arbeiter aus der Fabrikstadt. Diese Chinks hatten Laborkittel getragen, die einst weiß gewesen waren. In dem roten Notlicht wirkte alles, als wäre es in Blut getränkt.

Die Leichen waren halb verwest und dann vertrocknet und mumifiziert. Dies musste mit dem klimatischen Bedingungen in der unterirdischen Station zu tun haben, denn Sauerstoff gab es hier.

Der Raum war voller Terminals, Computerkonsolen und Rechneranlagen, die aussahen wie aus einem Science-Fiction-Film der Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Die Anlagen lagen allesamt still. Kein Licht blinkte, nirgendwo summte Strom, nicht einmal das Sirren einer Kühlung war zu hören. Die Maschinerie machte den Eindruck, als wäre sie seit Jahren nicht mehr in Betrieb gewesen.

In der Mitte des Raumes stand ein rundes Podest, vergleichbar jenem Dimensionsportal, wie Ryan es schon einmal gesehen hatte. Auf einem solchen Podest waren Dai Feng und ihre Cyborg-Killer erschienen.

Dieses Portal hier war zerstört worden. Ein Teil war herausgesprengt. Die Bruchstelle war mit schwarzem Ruß überzogen.

Und noch etwas fiel Ryan auf. Auf dem Portal waren tiefe Kratzspuren zu sehen.

»Was ist hier passiert?«, murmelte er.

»Soll-Ich-Es-Für-Dich-Herausfinden?«, fragte Jabo mit seiner Roboterstimme.

Ehe Ryan eine Antwort geben konnte, stapfte Jabo an ein Terminal, drückte mit seiner verbliebenen Hand in rasender Geschwindigkeit mehrere Knöpfe und Tasten und betätigte einen Schalter. Ein Monitor in Augenhöhe wurde aktiviert. Über einen schwarzen Hintergrund huschten grün schimmernde Zahlenkolonnen, doch Jabo schien sie alle registrieren und verarbeiten zu können. Sein rotes Roboterauge leuchtete wieder stärker.

Dann sagte er, zu Ryan Erstaunen wieder mit normaler Stimme: »Offenbar gab es einen Unfall. Eines der Portale ist explodiert, und es gab einen unkontrollierten, spontanen Übergang in eine andere Realität, eine fremde Dimension. Aus dieser fremden Welt ist irgendetwas hervorgebrochen und hat diese Wesen hier umgebracht.«

Ryan überlief es eiskalt. »Das muss dieses Monster gewesen sein, das uns draußen im Stollen angegriffen hat. Eine Kreatur aus einer anderen Dimension. Der Unfall muss sich ereignet haben, kurz bevor dieser Bereich der Station aufgegeben wurde. Seitdem streift die Kreatur hier mordend umher. Aber den Wächtern scheint es egal zu sein.«

»Die Maschine weiß von dem Ungeheuer«, sagte Jabo, der sich wieder Ryan zugewandt hatte. »Die Drohnen nennen es den Lóng, den Drachen.«

Die Drohnen – das waren die Chinks, die Arbeiter in der Fabrik.

Ein heftiger Schlag, gefolgt von wildem Gebrüll, das selbst der dicke Stahl nicht dämpfen konnte. Ryan wandte sich unwillkürlich um. Das Monstrum tobte offenbar noch immer draußen vor dem Schott und versuchte es zu öffnen.

Ryan drehte sich um und sah ein weiteres Schott. Er wollte Jabo gerade darauf aufmerksam machen, als er sah, dass das Schott leicht verbogen war, wahrscheinlich von dem Beben, und an den Rändern sprudelte Wasser zu ihnen herein.

Der Gang dahinter musste überflutet sein!

Befand sich in der Nähe ein unterirdischer See, der durch das Beben übers Ufer getreten war und einen Teil der Station überflutet hatte?

Ryan wollte Jabo fragen, doch er sah, dass dieser wieder Tasten und Schalter betätigte.

»Was hast du vor?«, fragte Ryan.

»Muss-Die-Wächter-Informieren«, kam die Antwort, diesmal wieder in dem mechanischen Tonfall einer Automatenstimme. »Brauche-Anweisungen.«

Ryan riss das Gewehr hoch. »Nein! Weg da, sonst erschieße ich dich!«

Aber er wusste, dass er es niemals fertigbringen würde, auf seinen besten Freund zu schießen. Er wollte Jabo nicht verlieren.

Nicht wie damals Tom …

Aber war Jabo der Jacques d’Abo, den er kannte? Oder war alles nur vorgespielt gewesen? Hatte der Feind ihm, dem Ex-Navy-SEAL, eine Laus in den Pelz gesetzt? Einen Schläfer im SURVIVOR-Projekt …?

Warum behauptete Jabo, sich nicht an ihn erinnern zu können? Und die anderen auch?

Vor allem Maria …

Auf einmal war er da – der unbeschreibliche Zorn in Ryan! Das Gefühl, wieder allein zu sein. Dass man ihn verraten hatte.

Jabo war nicht sein Freund, er war ein …

Bevor sich der Gedanke in seinem Kopf bilden konnte, flammte erneut ein Monitor auf. Diesmal zeigte er keine Schrift, sondern ein Bild. Eine Gestalt auf einem goldenen Thron, in dessen Armlehnen verschiedene Instrumente eingelassen waren. Das Gesicht des Thronenden war unter einer Kapuze verborgen und lag im Schatten. Der Hintergrund war in einen hellen Schein getaucht.

»Der-Friedensstifter«, sagte Jabo.

Unvermittelt leuchtete ein weiterer Monitor auf, der kaum größer war als ein Schuhkarton.

Er zeigte ein Gesicht.

»Proctor!«, entfuhr es Ryan.

»Der-Friedensstifter«, wiederholte Jabo.

In diesem Moment erscholl vor dem Schott wieder das urwelthafte Gebrüll der Monstrums. Es krachte, als die Bestie sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die massive Eisentür warf. Funken sprühten. Metall kreischte, und beide Monitore implodierten in grellen Lichtblitzen.

Wieder warf der Lóng sich mit aller Kraft gegen das Schott. Diesmal brach ein Stück aus dem Rahmen.

Auch das Schott auf der anderen Seite knirschte in seinen Verankerungen. Allerdings nicht unter dem Gewicht eines Ungeheuers, sondern unter dem Ansturm des Wassers, das nun durch die schmalen Öffnungen in den Kontrollraum spritzte. Der Druck hinter den Schotts musste gewaltig sein. Ryan fragte sich, welches von beiden zuerst nachgeben würde.

Im nächsten Moment trat Jabo auf ihn zu. Sein Roboterauge leuchtete bedrohlich, als er mit blecherner Stimme sagte: »Du-Trägst-Die-Krankheit-In-Dir. Du-Musst-Vernichtet-Werden.«

Wieder riss Ryan das Gewehr hoch, brachte es aber nicht fertig, abzudrücken.

Jabo verhielt, blieb stehen, schwankte. Sein Roboterauge erlosch. »Ryan«, keuchte er, nun wieder mit seiner eigenen Stimme. »Erschieß mich. Ich werde den Kampf gegen die Maschine verlieren. Ich bin nicht mehr ich selbst. Diese verfluchte Maschine übernimmt die Kontrolle. In Gottes Namen, erschieß mich, sonst werde ich dich …« Das Auge flammte wieder rot auf, die Stimme wurde wieder blechern. »Ich-Werde-Dich-Töten.«

Dann brach er zusammen und schlug der Länge nach hin in das knöchelhohe Wasser.

Gleichzeitig flog eines der Schotts aus dem Rahmen, segelte durch den Raum und zerschmetterte einen der altertümlich wirkenden Rechner.

Es war das Schott, hinter dem der Lóng gewütet hatte. Mit dröhnenden Schritten und ohrenbetäubendem Gebrüll stampfte das Ungeheuer auf Ryan zu.

Ryan richtete die Waffe auf das Monstrum, obwohl er wusste, dass es nutzlos war.

In diesem Moment wurde auch das zweite Schott aufgesprengt, und die Wassermassen ergossen sich mit mörderischer Wucht in das Kontrollzentrum der Toten.

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