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Selbst Ryan Nash, der hartgesottene Ex-Navy-SEAL, erschauderte bei dem Schrei, der durch die düsteren Korridore hallte.
Es war der Todesschrei eines Menschen.
Und er hielt an, gellte durch die menschenleeren Gänge der unterirdischen Station. In den Schrei mischte sich ein gieriges Fauchen und Knurren – Laute, wie kein Tier auf der Erde sie auszustoßen vermochte, nur ein Dämon aus den Abgründen der Hölle.
Oder eine menschenfressende Bestie auf einem fremden Planeten, auf dem nichts so war, wie es sein sollte.
Ryan ahnte, dass in der Dunkelheit vor ihm irgendetwas lauerte, das voller Vernichtungswillen war. Es war ein Instinkt, den er sich in den Jahren bei den Navy SEALs zugelegt hatte. Der Instinkt, der ihm in der Vergangenheit schön öfter das Leben gerettet hatte.
Ryan ergriff das erbeutete Ultraschallgewehr. Er konnte nur hoffen, dass es ihm gegen die Bedrohung nutzen würde. Doch aus irgendeinem Grund ahnte er, dass die Waffe in diesem Fall nichts ausrichten würde.
Das grauenhafte Schreien war mittlerweile verklungen. Ryan starrte vor sich in die Dunkelheit …
… und erschrak beinahe zu Tode, als ihn etwas Kaltes, Metallisches berührte.
Es war Jabos Armstumpf in der stählernen Manschette.
Dann schälte sich Jabos hünenhafte Gestalt aus den Schatten. Er starrte Ryan an, und sein rechtes Roboterauge glühte rot in der Dunkelheit.
»Jabo!«, entfuhr es Ryan.
»Hallo, Nash …«
Jabos Stimme klang noch immer seltsam verzerrt, aber nicht mehr so abgehackt und mechanisch wie Stunden zuvor, als sie ihn von der Maschine befreit hatten.
»Kannst du dich erinnern, Jabo?«, fragte Ryan. »Weißt du, wer du bist?«
»Ja«, antwortete Jabo schwach. »Wer ich bin, weiß ich. Aber ich weiß noch immer nicht, wer du bist. Oder wie wir auf diesen verfluchten Planeten kommen.« Er verstummte, und sein Gesicht verzog sich vor Schmerz.
»Was ist?«, fragte Ryan.
»Die Maschine …«, stöhnte Jabo. »Sie ist in mir. Meine Gabe kämpft dagegen an … Und die Maschine wehrt sich gegen meine Gabe … gegen mich selbst …« Er krümmte sich im Liegen zusammen. »Wenn die Maschine siegt, werde ich … Werde ich wieder zu dem Killer, der ich gewesen bin …«
Seine Worte verwirrten Ryan. »Killer? Du warst nie ein Killer.«
»Doch, oh doch.« Jabo stöhnte. Sein schwarzes Gesicht glänzte vor Schweiß.
Ryan erinnerte ich wieder an die Bilder, die er auf dem Monitor gesehen hatte, als die Maschine in der Wächter-Fabrik in Jabos Gehirn herumgestochert hatte.
Es waren Erinnerungsfetzen von Jabo gewesen, hatte Proctor behauptet.
Jabo, wie er mit MPis auf Menschen geschossen hatte. Wie er Handgranaten warf. Wie er in einer Gefängniszelle auf einem Teppich gekniet und gebetet hatte.
Jabo war nie ein gläubiger Moslem gewesen.
Oder war der Jabo, den Ryan zu kennen glaubte, nur Tarnung?
»Wo ist mein Bart!«, hatte Jabo nach dem Erwachen in der SURVIVOR gefragt. »He, ihr Schweinehunde habt mir meinen Bart abrasiert!«
Der Jabo, den Ryan kannte, hatte niemals einen Bart getragen.
Die islamistischen Terroristen, gegen die er als Navy SEAL und später als Anführer eine Spezialeinheit gekämpft hatte, schon.
»Wo sind der Glatzkopf und die Girls?«, fragte Jabo.
»Sie sind mit den beiden Chinks los, um eine Energiequelle für die Antriebszelle des Schiffes zu finden. Sie wollen uns hier abholen, aber …«
Ryan verstummte, als ein bösartiges Grollen aus den Tiefen des Stollens vor ihnen drang, wo das flackernde Licht der wenigen Leuchtstoffröhren kaum mehr ausreichte, die Finsternis zu erhellen. Fast war es, als ging vom dem, was da in der Dunkelheit auf sie zukam, eine Welle der Finsternis aus, die das unheimliche Wesen vor sich herschob.
»… aber wir sollten lieber von hier verschwinden und woanders auf ihn warten«, vollendete Ryan den Satz.
»Scheiße, Mann«, stieß Jabo hervor, der das Geräusch ebenfalls hörte. »Was ist das?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Ryan und hob das Schallgewehr. »Ich kann nichts erkennen.«
Jabo starrte in die Finsternis des Stollens.
»Aber ich.«
Ryan blickte ihn erstaunt an – und bemerkte erst jetzt, dass Jabos Roboterauge stärker glühte als zuvor.
»Verdammt«, raunte er. »Kannst du mit dem Ding etwa sehen? Im Dunkeln?«
»Ja. Und was ich sehe, gefällt mir gar nicht.«
Wieder war das furchterregende Geräusch zu hören, das wie fernes Donnergrollen klang.
Jabo stieß hervor: »Mann, lass uns von hier verschwinden!«
Er versuchte aufzustehen und kämpfte sich halb hoch, stürzte dann aber. Sein muskelbepackter Körper klatschte ins Wasser.
Das Geräusch wurde von einem erneuten Knurren und Fauchen aus der Dunkelheit beantwortet.
Noch einmal versuchte Jabo, sich hochzukämpfen, und diesmal half ihm Ryan. Als Jabo endlich stand, klammerte er sich an Ryan fest. Einmal mehr spürte Ryan, wie schwer der schwarzhäutige Franzose war und wie eisenhart seine Muskeln. Kein Wunder, wie Nash sich erinnerte, wo Jabo in jeder freien Minute Gewichte stemmte. Zumindest in diesem Punkt stimmte seine Erinnerung offenbar mit den Fakten überein. Auch wenn der hünenhafte Schwarze bestritt, ihn jemals gekannt zu haben. Es sei denn, dass Jabos Erinnerung, was das betraf, zu demselben Ergebnis führte.
Egal. Müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Selbst Jabos Bärenkräfte würden ihnen jetzt gar nichts nützen.
Jabo sah das genauso. »Weg hier«, raunte er. Nackte Angst lag in seiner Stimme. »Nichts wie weg!«
Er drehte sich um. Von Ryan gestützt, humpelte und schwankte er in die entgegengesetzte Richtung in einen Stollen hinein, der ebenfalls in undurchdringlicher Dunkelheit lag. Doch mit seinem Roboterauge schien Jabo sehen zu können wie eine Katze in der Nacht.
Halb trug ihn Ryan, halb wurde er von dem muskelbepackten Hünen mitgeschleift.
Er warf einen Blick zurück.
Und glaubte im flackernden Licht hinter ihnen eine unförmige Kreatur zu sehen, mehr als zwei Meter groß, mit schuppiger Haut, kurzen Beinen, langen Armen, die in Krallenklauen endeten und einem unförmigen Kopf, fast so groß wie der Oberkörper, mit einem riesigen, mahlenden Maul.
Jabo hatte recht.
Nichts wie weg hier.