7. KAPITEL
Amy hatte Angst vor London. Hier hatte sie als Lady Wickerton gelebt, hatte Parties gegeben in dem eleganten Haus der Familie am Grosvenor Square, hatte Theater besucht, ihre Einkäufe im vornehmen West End getätigt …
Vielleicht hätte sie sich mit diesem Leben abfinden können, wenn es da nicht vorher einen Tad Starbuck gegeben hätte. Sie hatte sich bemüht, hatte darum gekämpft, ihre Ehe nicht zerbrechen zu lassen, aber irgendwann war ihr klar geworden, dass es nicht mehr weiterging.
Trotzdem jetzt wieder in dieser Stadt zu sein fiel Amy schwer. Alles war noch so frisch in ihrer Erinnerung, dass selbst die Vorfreude auf das Turnier in Wimbledon ihr nicht darüber hinweghelfen könnte. Hier war sie immer noch Lady Wickerton. Man würde ihr Fragen stellen, und sie hatte Angst vor den Antworten.
Sie musste vorsichtig sein, was sie den Reportern sagen durfte und was nicht. Trotz allem war sie es Eric schuldig, seinen Ruf zu wahren.
Sie würde Fragen über ihre Ehe und vor allem über die Scheidung einfach abblocken. Es gab dazu nichts zu sagen. Auch ein bekannter Sportler hatte Anrecht auf ein Privatleben, das nicht vor der Presse ausgebreitet werden musste. Immerhin hatte Amy Erfahrung auf diesem Gebiet aus den Jahren mit ihrem Vater. Jetzt würde es ihr zugute kommen, dass sie bei ihm gelernt hatte, sich nicht von den neugierigen Reportern ausfragen zu lassen.
Die Engländer würden sich damit begnügen müssen, über ihre Auftritte auf dem Tennisplatz zu berichten. Immerhin hatte Amy jetzt zwei große Turniere hintereinander gewonnen und würde allein dadurch schon im Rampenlicht stehen. Sie würde der Presse genügend Stoff für ihre Artikel liefern – allerdings nur für die Sportseite ihrer Zeitungen.
Wenn Fragen nach Tad kamen, würde sie denen ebenso ausweichen. Die Sache zwischen ihr und ihm war noch zu neu, zu wenig gefestigt, als dass sie darüber hätte sprechen können.
Für die wenigen Leute, die Amy sehr gut kannten, war es allerdings auch gar nicht nötig, mit ihr darüber zu sprechen. Sie sahen ihr die Veränderung ohnehin an. Ja, sie war glücklich. Glücklich und ausgeglichen, wie schon lange nicht mehr. Sie hatte beinahe vergessen, wie wunderschön es war, mit Tad zusammenzuleben. Mit ihm zu schlafen, zu reden, zu lachen – oder ganz einfach auch nur zu schweigen. In seine Arme geschmiegt an die Zimmerdecke zu schauen und zu träumen.
Lange vorbei war die Zeit, wo sie geglaubt hatte, das Leben bestehe nur aus Verpflichtungen, und es sei wichtig, Ordnung einzuhalten. Jetzt teilte sie sein Zigeunerleben, erfreute sich an seinen spontanen Einfällen und war glücklich.
»Bist du noch nicht angezogen?«
Amy wollte gerade ihre Tennisschuhe zubinden, als sie die Frage hörte. Sie schaute auf und sah Tad in der kleinen Diele vor ihrem Hotelzimmer stehen. Seine Haare hingen ihm ins Gesicht; die Stirn war gerunzelt. Ungeduldig sah er sie an.
»Doch, fast«, antwortete Amy. »Ich bin nun einmal kein Morgenmensch – und schon erst recht nicht nach nur sechs Stunden Schlaf.«
Tad lachte. »Konntest du nicht schlafen?« Geschickt griff er nach dem Schuh, den sie ihm hatte an den Kopf werfen wollen, und fing ihn auf. Dabei ließ er den Blick nicht von ihr. Ihm schienen die wenigen Stunden Schlaf überhaupt nichts ausgemacht zu haben. Er wirkte frisch und voller Energie wie immer. »Du kannst dich ja nach dem ersten Training wieder hinlegen.«
»Wie kann man nur frühmorgens schon so wach sein. Schrecklich!«
Immer noch lachend kam er auf sie zu, den Schuh noch in der Hand. »Vielleicht liegt das daran, dass ich diesen englischen Knaben gestern vom Platz gefegt habe.«
»So?« Amy zog erstaunt die Brauen hoch. »Sonst hast du keinen Grund?«
»Welchen sollte ich haben?«
»Gib mir den Schuh her, damit ich ihn dir an den Kopf werfen kann.«
»Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du ein Morgenmuffel bist?«, wollte Tad wissen. Übermut blitzte in seinen Augen.
»Und hat dir schon jemand gesagt, dass du unausstehlich bist, seit du in Paris auch noch gewonnen hast?«, gab sie geistesgegenwärtig zurück. »Du bist davon überzeugt, dass du der absolut Größte bist. Aber denk dran, noch liegen drei Grand-Slam-Turniere vor dir, die du erst einmal gewinnen musst.«
Tad hielt den Schuh so hoch über seinen Kopf, dass Amy nicht herankommen konnte. »Für dich ebenfalls.«
»Gib mir jetzt endlich meinen Schuh!«
So sehr sie sich auch reckte, sie kam einfach nicht heran. Plötzlich packte Tad sie, und ehe Amy noch protestieren konnte, hatte er sie auf das breite Bett geworfen und lag auf ihr.
»Tad! Hör auf!« Lachend versuchte sie, sich gegen ihn zu wehren. »Wir kommen zu spät zum Training.«
Schnell gab er ihr noch einen Kuss. »Ja, du hast recht«, meinte er und rollte sich zur Seite.
Etwas enttäuscht setzte Amy sich auf. »Dich kann man aber schnell umstimmen«, maulte sie und brachte ihre Frisur wieder in Ordnung. Da wurde sie von starken Armen ergriffen, und seine Lippen verschlossen ihren Mund.
Für einen Moment genoss Tad seine totale Macht über sie. Amy lag in seinen Armen, überrascht von dem plötzlichen Angriff, und ihre Lippen öffneten sich seinem Kuss. Er wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis sie ihre eigenen Ansprüche anmeldete. Der Gedanke daran erregte ihn. Trotzdem zog er sich zurück. Sie hatten Zeit. Ein Leben lang.
»Bist du jetzt wach?«, fragte er lächelnd und ließ eine Hand über ihre Brust gleiten.
»Mmm …«
»Gut. Dann komm.« Tad zog sie hoch und gab ihr einen Klaps auf den Po.
»Warte nur. Das zahl ich dir heim!« Amy hatte ihr Verlangen immer noch nicht ganz unter Kontrolle, und es fiel ihr schwer, nicht dem Wunsch nachzugeben, sich wieder an ihn zu schmiegen.
Tad legte ihr einen Arm um die Schulter und führte sie zur Tür. »Du musst heute an der Rückhand arbeiten.«
Amy sah ihn von der Seite an. »Und wieso?«
»Wenn du mit etwas weniger Schwung ausholen würdest …«
»Das merk du dir einmal lieber selbst«, schoss sie zurück. »Und da wir gerade dabei sind: Deine Schnelligkeit gestern ließ auch zu wünschen übrig.«
»Ich muss mich schonen fürs Endspiel.«
Amy drückte auf den Aufzugknopf und verdrehte die Augen. »Tad, unter mangelndem Selbstbewusstsein leidest du wirklich nicht.«
Tad schmunzelte nur. Er liebte sie beinahe noch mehr, wenn sie so entspannt war – jederzeit bereit, zu lachen oder auch ein Wortduell mit ihm aufzunehmen, wobei sie ihm an Schlagfertigkeit in keiner Weise nachstand. Ob sie eigentlich wusste, dass sie noch schöner, noch verführerischer war, wenn sie ihre sonst übliche Vorsicht vergaß? »Was ist mit Frühstück?«
»Was soll damit sein?«
»Möchtest du Eier mit Schinken nach dem Training?«
»Etwas Besseres hast du nicht anzubieten?«, fragte Amy herausfordernd zurück und trat in den Aufzug.
Tad folgte ihr und sah, wie Amy einem älteren Ehepaar freundlich zulächelte, das schon im Aufzug stand. »Möchtest du vielleicht lieber da weitermachen, wo wir diese Nacht aufgehört haben?«, fragte er und lehnte sich lässig gegen die Wand. Amy sah ihn warnend an, aber er schien das gar nicht zu bemerken. »Wie, sagtest du noch, war dein Name?«
Aus den Augenwinkeln bemerkte Amy den entsetzten Blick der beiden anderen Fahrgäste. »Teufel«, murmelte sie beinahe unverständlich, nur um dann umso klarer zu fragen: »Lassen Sie denn auch wieder eine Flasche Champagner springen, Mr. Starbuck? Der war wirklich ausgezeichnet.«
»Du warst aber auch nicht schlecht, Süße.«
Als sich die Aufzugstür öffnete, konnte das Paar gar nicht schnell genug herauskommen. In der Hotelhalle sahen sie sich noch einmal um, bevor sie kopfschüttelnd durch die Drehtür verschwanden. Amy konnte kaum ihr Lachen zurückhalten, während Tad besitzergreifend einen Arm um sie legte.
Eine Stunde später waren sie beide ganz konzentriert auf ihr Training. Es war eine Umstellung, wieder auf Rasen zu spielen. Der Ball sprang ganz anders, und nun galt es, sich bis zum nächsten Spiel daran zu gewöhnen und eine gewisse Sicherheit zu erlangen.
Amy war zufrieden mit ihrer Leistung bisher. Madge servierte ihr die Bälle sehr konzentriert, variierte ihre Schläge sehr geschickt, brachte es aber trotzdem nicht fertig, Amy in Verlegenheit zu bringen. Amy spürte, dass sie in Form war, und nahm sich vor, die Tatsache einfach zu ignorieren, dass sie sich in London befand.
Sie hatte immer gern in Wimbledon gespielt. Nicht nur, weil ein Gewinn bei diesem Turnier einer inoffiziellen Weltmeisterschaft gleichkam, sondern auch, weil sie die ganze Atmosphäre mochte. Nirgendwo sonst auf der Welt wurde so viel Wert auf Tradition gelegt, nirgendwo sonst war das Publikum disziplinierter als hier. Während der Ballwechsel brauchte der Schiedsrichter kaum jemals um Ruhe zu bitten. Die Zuschauer beschränkten ihren Applaus und ihre Begeisterung von sich aus auf die Unterbrechungen nach einem Punktgewinn.
Wimbledon – das war so britisch wie die roten Doppeldeckerbusse in der City von London, wie die Wachposten mit ihren Bärenfellmützen und das Glockenspiel des Big Ben.
Amy erinnerte sich daran, wie Tad ihr einmal erzählt hatte, dass er sich als kleiner Junge vor dem Fernseher vorgenommen habe, wenigstens einmal in seinem Leben Wimbledon zu gewinnen. Viermal hatte er es bisher geschafft, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als diesmal mit ihm zusammen den traditionellen Tanz am Abend nach dem Herrenendspiel zu eröffnen. Dazu allerdings musste Amy erst einmal den Titel bei den Damen gewinnen, und bis dahin war noch ein weiter Weg.
Amy stand hinter der Grundlinie und machte keine Anstalten, ihren Aufschlag auszuführen.
»Sollen wir Schluss machen?«, rief Madge über den Platz.
»Hm …« Aus ihren Gedanken gerissen sah Amy hinüber zu ihrer Partnerin, die breitbeinig dastand, die Hände in die Hüften gestützt. »Oh, entschuldige bitte, Madge. Ich glaube, ich habe gerade ein wenig geträumt.«
»Komm, wir machen Schluss«, meinte Madge und ging hinüber zur Bank, wo ihre Sachen lagen. »Ich brauch dich wohl gar nicht erst zu fragen, ob du glücklich bist«, sagte sie, als Amy neben ihr stand und den Schläger einpackte. »Man sieht es dir an der Nasenspitze an.«
»Wirklich?«
»Meinst du, ich wäre blind?«, fragte Madge lächelnd zurück. »Ich freue mich für dich – für euch beide. Ihr passt wirklich sehr gut zusammen, das habe ich ja immer schon gesagt. Wollt ihr das offiziell bekannt geben?«
»Ich … Nein, wir wollen es ganz langsam angehen lassen.« Amy vermied es, ihrer Partnerin in die Augen zu sehen, als sie das sagte. »Was ist schon eine Hochzeit? Nicht mehr als ein Stück Papier.«
Madge warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Das kannst du anderen erzählen, Amy, die dich nicht so gut kennen wie ich. Es mag Menschen geben, die so denken, aber zu denen hast du noch nie gehört.« Sie hob eine Hand und wehrte ab, als Amy sie unterbrechen wollte. »Warum hast du sonst drei Jahre lang eine unglückliche Ehe aufrechterhalten? Weil für dich die Ehe ein Versprechen ist, und weil du deine Versprechen einhältst.«
»Ich habe schon einmal versagt …«
»Ach, nur du?«, unterbrach Madge sie sofort. »Du kannst mir nicht erzählen, dass nur du die Schuld daran trägst, dass die Ehe nicht gehalten hat. Und jetzt willst du dein Glück verspielen, nur weil du einmal einen Fehler gemacht hast?«
»Ich bin ja glücklich«, versicherte Amy ihr und legte eine Hand auf die Schulter ihrer Freundin. »Tad ist alles, was ich jemals gewollt habe, Madge. Ich will ihn nicht verlieren.«
Überrascht zog Madge die Brauen hoch. »Aber Amy, du hast ihn damals verlassen – nicht umgekehrt.«
»Ich bin ihm nur zuvorgekommen.«
»Amy, ich verstehe nicht …«
»Lass nur, Madge, das ist alles lange her und spielt überhaupt keine Rolle mehr. Wir fangen wieder ganz von vorn an. Ich weiß, welche Fehler ich gemacht habe, und ich werde mich hüten, sie noch einmal zu wiederholen. Es gab Zeiten in meinem Leben, da habe ich gedacht, ich sei wichtiger als das hier.« Sie nahm einen Tennisball in die Hand und warf ihn hoch. Dann fing sie ihn wieder auf und sah nachdenklich darauf. »Wichtiger als alles andere. Selbst seine Familie habe ich als Rivalen angesehen. Ich war sogar eifersüchtig auf seine Tennis-Leidenschaft. Heute weiß ich, dass das sehr albern war.«
»Seltsam.« Madge schüttelte den Kopf. »Und ich habe früher immer gedacht, dass an erster Stelle die Arbeit des Professors stehe. Nachher stellte sich heraus, dass für ihn meine Arbeit auf dem Tennisplatz am wichtigsten war. Und heute wissen wir, dass beides nicht stimmte.«
Lächelnd nahm Amy ihre Tasche über die Schulter. »Tad wird niemals vergessen, dass Tennis ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist. Vielleicht ist das auch gut so. Wenn man seine Herkunft nicht kennt, dann kann man auch das Feuer nicht verstehen, das er ins Spiel bringt.«
Sie kennt ihn in manchen Belangen so gut, dachte Madge, aber in anderen wiederum überhaupt nicht. »Und was bringt dann die Kälte in dein Spiel?«
»Angst.« Amy hatte geantwortet, wie sie es sonst nie tat – spontan und unüberlegt. Jetzt hätte sie das Wort am liebsten wieder zurückgenommen. Sie zuckte mit den Schultern und zwang sich zu einem Lächeln. »Ja, Angst.« Mit der Tasche auf der Schulter setzte sie sich in Bewegung. »Ein Glück, dass du kein Reporter bist!«
Der Kies knirschte unter ihr. Selbst mit geschlossenen Augen hätte Amy gewusst, wo sie war. Auch dieser Kies war typisch für die Anlage in Wimbledon. »Erinnere mich daran, dass ich dir irgendwann einmal erzähle, was mir fünf Minuten vor einem Spiel durch den Kopf geht.«
Amy schlief tief. Die Vorhänge waren vorgezogen und ließen nur wenig von der strahlenden Nachmittagssonne in das Zimmer dringen. Sie trug nur einen Slip und ein etwas längeres T-Shirt. Tad wollte sie später wecken, und dann wollten sie durch die Stadt bummeln. Morgen mussten beide spielen, so durfte es abends nicht zu spät werden.
Ein Klopfen an der Zimmertür weckte sie auf. Amy setzte sich und strich sich mit beiden Händen durch das Haar. Sicher hatte Tad seinen Schlüssel vergessen. Seufzend stand sie auf und ging zur Tür. Die Augen noch halb zu, griff Amy zur Klinke und öffnete.
»Eric!« Mit einem Schlag war sie hellwach.
»Amy.« Er nickte nur und ging an ihr vorbei ins Zimmer. »Habe ich dich aufgeweckt?«
»Ja, ich hatte mich hingelegt.« Völlig verwirrt schloss Amy die Tür wieder. Er sieht noch genauso aus, schoss es ihr durch den Kopf. Aber warum auch nicht! Eric war nicht der Mann, der Veränderungen liebte. Groß und schlank, wirkte er mit seinem kurzen Haarschnitt und dem gerade durchgedrückten Rücken wie ein Offizier.
Als er sich ihr wieder zuwandte, blickte sie in seine Augen. Sie waren blau in einem blassen Gesicht, intelligent und kalt. Seine schmalen Lippen konnten sich zu einem Strich zusammenziehen, wenn er wütend war. Amy kannte das nur zu gut. Als er noch um sie geworben hatte, war er charmant und freundlich gewesen, aber das hatte sich nachher schnell geändert.
Amy schob die Gedanken beiseite. Er war nicht mehr ihr Mann. Sie straffte die Schultern und dachte daran, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun hatte. Es war vorbei. Endgültig!
»Ich habe nicht damit gerechnet, dich zu sehen, Eric.«
»Wirklich nicht?« Er lächelte. »Hast du gedacht, ich würde dir noch nicht einmal guten Tag sagen, wenn du schon in der Stadt bist? Du bist schlanker geworden, Amy.«
»Das macht das Training.« Sie wies auf einen Sessel. »Setz dich bitte. Ich hole dir einen Drink.«
Während sie zu der Bar ging, sagte Amy sich, dass sie ihm nichts mehr schuldig war. Sie war geschieden, und es musste doch möglich sein, sich auch nach einer Scheidung noch wie zivilisierte Menschen zu benehmen.
»Geht es dir gut?« Sie schenkte Whisky in zwei Gläser, gab für ihn Eiswürfel hinein und für sich selbst Selterswasser.
»Ja, danke. Und dir?«
»Auch. Und deine Familie?«
»Der geht es ebenfalls gut.« Er nahm das Glas und sah sie über den Rand hinweg an, als er es zum Mund führte. »Was macht dein Vater?« Er sah den Schmerz in ihrem Gesicht und war zufrieden.
»Soviel ich weiß, geht es ihm auch gut.« Amy hatte sich jetzt wieder in der Gewalt.
»Hat er dir immer noch nicht verziehen, dass du deine Karriere aufgegeben hattest?«
Sie sah ihn an, und ihr Blick war vollkommen ausdruckslos. »Ich bin sicher, dass du die Antwort kennst, Eric.«
Er zog vorsichtig die Bügelfalte seiner Hose gerade, bevor er ein Bein über das andere legte. »Nun, ich dachte, nachdem du jetzt wieder spielst …«
Amy drehte ihr Glas zwischen den Händen, trank aber nicht. »Er will trotzdem nichts mehr von mir wissen«, sagte sie leise. »Du siehst also, ich zahle immer noch, Eric.« Sie sah ihn an. »Befriedigt dich das?«
Er blieb ganz ruhig und nahm noch einen Schluck. »Du hattest die Wahl, meine Liebe. Deine Karriere für meinen Namen.«
»Für dein Schweigen«, verbesserte Amy ihn. »Deinen Namen hatte ich ja bereits.«
»Und das Kind eines anderen Mannes in deinem Bauch.«
Amy musste das Glas abstellen. Sie spürte, wie ihre Finger zitterten. »Ich habe das Kind verloren. Meinst du nicht, das reicht? Bist du hierher gekommen, um mich daran zu erinnern?«
»Ich bin gekommen …«, Eric lehnte sich in den Sessel zurück, »um zu sehen, wie es meiner Exfrau geht. Auf dem Tennisplatz hast du sehr viel Erfolg, wie ich gehört habe.« Er ließ seinen Blick durch den Raum gehen. »Und wie ich sehe, hast du keine Zeit verloren, mit deinem früheren Geliebten wieder etwas anzufangen.«
»Ich habe einen Fehler gemacht, als ich ihn verlassen habe, Eric«, sagte Amy mit fester Stimme. »Ich glaube, das siehst du mittlerweile auch ein. Es tut mir leid.«
Er warf ihr einen eisigen Blick zu. »Du hast einen Fehler gemacht, als du mir seinen Bastard unterschieben wolltest.«
Wütend sprang Amy auf. Sie musste ihre Finger ineinander verschränken, sonst hätte er gesehen, wie ihre Hände zitterten. »Ich habe dich nie angelogen, Eric. Und bei Gott, ich werde mich nie wieder bei dir entschuldigen.«
Eric schien immer noch die Ruhe selbst zu sein. Er führte sein Glas zum Mund, und seine Hand zitterte nicht. »Weiß er es mittlerweile?«
Für eine Sekunde weiteten sich Amys Augen vor Schreck. Eric hatte genug gesehen. »Also nicht. Wie interessant.«
»Eric, ich habe mein Wort gehalten.« Ihre Stimme klang wieder fester. »Solange ich deine Frau war, habe ich alles getan, was du von mir verlangt hast.«
Er nickte zustimmend. »Aber du bist nicht mehr meine Frau.«
»Wir haben uns beide zur Scheidung entschlossen. Vergiss das nicht! Weil wir eingesehen hatten, dass unsere Ehe für uns beide nicht mehr tragbar war.«
»Warum sagst du es ihm nicht? Hast du Angst vor ihm? Wenn ich mich recht erinnere, ist er sehr unbeherrscht, mit einem ungezügelten, primitiven Temperament.« Um seine Mundwinkel spielte ein sadistisches Lächeln. »Hast du Angst, er schlägt dich?«
Amy brachte es fertig, zu lachen. »Nein«, sagte sie. »Das zeigt nur, dass du Tad Starbuck überhaupt nicht kennst.«
»Du bist dir ja sehr sicher. Aber wovor hast du dann Angst?«
Amy ließ ihre Hände sinken und sah ihn an. »Er würde es mir nicht verzeihen, Eric. Ich habe das Kind verloren und meinen Vater, ja, sogar beinahe mein Selbstvertrauen. Aber ich werde niemals dieses Schuldgefühl verlieren. Aber was habe ich dir angetan? Nichts – außer deinen Stolz verletzt. Und meinst du nicht, dafür hätte ich mittlerweile genug gebüßt?«
»Vielleicht … vielleicht auch nicht.« Er stellte das Glas ab und stand auf. »Die gerechte Strafe für dich wird wohl sein, dass du dir nie ganz sicher sein kannst, ob alles vorüber ist. Von mir kannst du keine Versprechungen erwarten, Amy.«
»Ich habe dich falsch eingeschätzt, Eric«, sagte sie ganz ruhig. »Wie konnte ich nur jemals glauben, du seist ein Gentleman – freundlich und fair?«
»Ich bin nur für Gerechtigkeit.«
»Rache hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann dir nicht verbieten, das so zu sehen. Das ist deine Sache.«
Nein, sie würde ihm nicht die Genugtuung geben, jetzt auf die Knie zu fallen, ihn zu bitten, anzuflehen. »Wenn das alles war, was du mir hast sagen wollen, dann gehst du jetzt wohl besser. Ich glaube nicht, dass wir noch etwas zu besprechen haben.«
»Ich bin dabei.« Er drehte sich wieder zu ihr um und sah sie mit einem kalten Lächeln an. »Schlaf ruhig weiter, meine Liebe. Ich finde schon die Tür.« Eric drückte die Klinke herunter, öffnete die Tür – und stand Tad gegenüber. Besser hätte er sich seinen Abgang gar nicht wünschen können.
Tad sah dieses kalte Lächeln, dann blickte er in den Raum hinein. Amy stand mitten im Zimmer, bewegungslos. Irrte er sich, oder stand wirklich Angst in ihrem Gesicht? Aber wovor sollte sie Angst haben? Dann erst sah Tad, dass sie kaum etwas anhatte. Ihre Haare waren zerzaust, das zerknitterte T-Shirt ließ viel zu viel von ihrem Körper sehen. Zorn stieg in ihm hoch.
Er blickte wieder auf Eric. »Verschwinden Sie, aber schnell.«
»Ich bin gerade dabei«, antwortete der ganz ruhig und überlegen. Dann allerdings beeilte er sich doch, die Tür von außen zu schließen. Noch einmal traf ihn ein wütender Blick aus Tads Augen. Mit diesem Zorn musste Amy jetzt allein fertig werden. Das allein war es schon wert gewesen, diesen Besuch bei seiner Exfrau zu machen.
Amy stand immer noch an derselben Stelle. Es war ihr, als wäre schon eine Ewigkeit vergangen, seit Eric die Tür geschlossen hatte, und immer noch starrte Tad sie nur an, sprach kein Wort.
»Was, zum Teufel, hat der hier gewollt?«
»Er ist nur vorbeigekommen, um mir guten Tag zu sagen und um … um mir Glück zu wünschen.«
»Reizend!« Mit wenigen Schritten war er bei ihr und fasste an den Saum ihres T-Shirts. »Empfängst du Besucher immer so? Oder ist das bei Exmännern üblich?«
»Tad, bitte!«
»Bitte was?« Im Unterbewusstsein war Tad sich klar darüber, dass er falsch reagierte, dass er zuerst einmal ihr Gelegenheit geben musste, die Sache zu erklären. Aber so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, Ruhe zu bewahren. »Wäre es nicht besser gewesen, ihr hättet euch irgendwo anders getroffen? Etwas stickig hier drin, findest du nicht?«
Sein Sarkasmus tat Amy weh, aber sie wusste auch, dass sie dem nicht wirkungsvoll begegnen konnte, solange sie so viel zu verbergen hatte. »Tad, du weißt ganz genau, dass zwischen Eric und mir nichts mehr ist. Du weißt …«
»Was zum Teufel weiß ich?«, unterbrach er sie. »Du bist doch diejenige, die auf nichts eine Antwort geben will. Und dann komme ich ins Zimmer und finde dich mit dem Kerl, der damals der Grund war, warum du mich verlassen hast.«
»Ich wusste nicht, dass er hierher kommen würde. Wenn er angerufen hätte, dann hätte ich ihm gesagt, er solle wegbleiben.«
»Aber du hast ihn hereingelassen.« Tad griff nach ihren Schultern und schüttelte sie. »Warum?«
Amy wehrte sich nicht. »Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen?«
»Ja, verdammt noch mal!«
»Aber ich habe es nicht getan.« Jetzt war auch ihre Geduld erschöpft. »Ich habe ihn hereingelassen und ihm sogar einen Drink angeboten. Wenn du das falsch deutest, dann ist das deine Sache.«
»Wollte er dich zurückholen?« Tads Griff lockerte sich nicht. »Ist er darum gekommen?«
»Was spielt das für eine Rolle?« Wütend trommelte sie mit beiden Fäusten gegen seine Brust. »Ich will ihn aber nicht zurückhaben.«
»Okay, dann erzähl mir jetzt endlich, warum du ihn geheiratet hast.« Wieder versuchte sie, ihm zu entkommen, aber er hielt sie eisern fest. »Ich habe ein Recht darauf, das zu erfahren, Amy. Und ich will es jetzt erfahren.«
»Weil ich dachte, er wäre der Richtige für mich«, schrie sie ihn an, während in ihren Augen Tränen brannten.
»Und, war er das?« Tad griff nach ihren Handgelenken und umklammerte sie.
»Nein!« Sie kämpfte gegen seine Hände an, aber er war stärker. »Nein, es war furchtbar. Und ich habe dafür auf eine Art bezahlt, von der du keine Ahnung hast. Nicht einen Tag lang war ich glücklich. So, bist du jetzt zufrieden?«
Plötzlich tat sie etwas, was er nie zuvor bei ihr erlebt hatte. Amy weinte. Sein Griff lockerte sich, als er die Tränen über ihre Wangen rollen sah. Noch niemals hatte Tad sie so verzweifelt gesehen.
Amy entwand sich seinem Griff und warf sich über das breite Bett. Viel hatte nicht mehr gefehlt, dann hätte sie ihm von dem Baby erzählt. Jetzt war sie froh, dass die aufsteigenden Tränen ihr die Kehle zugeschnürt hatten.
Tad stand da und starrte auf sie hinab. Er hörte ihr Schluchzen und war hilflos. Das war eine Reaktion, die er nicht erwartet hatte, und er wusste nicht, was er tun sollte. Er fühlte sich im Recht, wenn er Erklärungen von ihr verlangte, und solange Amy darauf wütend reagierte, stand Wut gegen Wut. Aber gegen diese Verzweiflung war er machtlos.
Tad hatte Tränen bei seiner Schwester erlebt – ja, auch bei seiner Mutter. Aber in solchen Fällen hatte seine breite Schulter genügt, an der sie sich ausweinen konnten, und dann war alles wieder gut gewesen. Bei Amy war das anders. Das waren bittere, verzweifelte Tränen, deren Grund er nicht kannte.
Immer noch brannten ihm die Fragen auf der Zunge, und auch sein Zorn war noch nicht vollständig verraucht. Aber was war das alles gegen dieses Schluchzen, das da vom Bett zu ihm drang? Amy benutzte ihre Tränen nicht als Waffe. Sie war machtlos dagegen – so machtlos, dass ihr ganzer Körper wie in einem Krampf geschüttelt wurde.
Langsam ging Tad auf das Bett zu. Als er sie berührte, zuckte sie zusammen und rückte weg. Ohne ein Wort zu sagen, legte Tad sich neben sie. Sie versuchte, ihm auszuweichen, aber er nahm sie in die Arme und ließ sie nicht wieder los, sosehr sie sich auch wehrte. Seine Umarmung war stark und doch zärtlich. Nach einer Weile gab Amy ihren Widerstand auf.
»Ich lass dich nicht allein«, murmelte er.
Es war schon beinahe dunkel, als ihr Körper endlich zur Ruhe kam. Die Tränen waren versiegt, schwach und elend lag Amy in Tads Armen. Sie spürte seinen Herzschlag an ihrer Brust, und dieses stetige, gleichbleibende Geräusch beruhigte sie.
Beinahe hätte sie es ihm gesagt. Dieser Gedanke ging Amy nicht aus dem Kopf. Ich habe dein Baby verloren. Würde Tad sie auch dann noch so zärtlich halten, wenn sie diesen Satz ausgesprochen hätte?
Wieder kam die Frage in ihr auf, die sie sich schon unzählige Male gestellt hatte. Sollte sie es ihm überhaupt jemals sagen? Welchen Sinn hatte es, wenn sie ihm Schmerzen zufügte für etwas, das so lange zurücklag? Und der Schmerz würde kommen, nachdem der erste Zorn sich gelegt hatte. Da war sich Amy ganz sicher. Er würde diesem Baby nachtrauern und doch nichts mehr ändern können. Hatte das Sinn?
Und wie sollte sie ihm die Sache mit Eric erklären, ohne alte Wunden wieder aufzureißen? Damals hatte Tad sie nicht mehr gewollt, das hatte Jess ihr unmissverständlich gesagt. Aber Eric hatte gewollt. Aus verletztem Stolz hatte sie sich ihm zugewandt, das war Amy heute ganz klar. Und ihr Pflichtbewusstsein war dann fast drei Jahre lang stärker gewesen als ihr Wunsch, diese Ehe zu beenden. Vielleicht, wenn sie damals nach dem Unfall nicht so schwach gewesen wäre … Ja, vielleicht hätte sie Eric dann niemals ein solches Versprechen gegeben.
Sie konnte sich noch so gut an den Tag erinnern: Sie hatten sich gestritten, laute Stimmen, dann der Sturz. Alles um sie herum war dunkel geworden. Das Baby … Tads Baby!
Als sie wieder zu Bewusstsein gekommen war, hatte ihr erster Gedanke dem Baby gegolten. Noch bevor sie die Augen wieder geöffnet hatte, glitt ihre Hand zu ihrem Bauch.
»Das Baby.« Als sie die schweren Augenlider hob, sah sie Eric neben dem Bett.
»Tot.«
Nie in ihrem Leben würde sie diesen Schmerz vergessen. Sie hatte die Augen wieder geschlossen. »Nein, nein«, hatte sie immer wieder gemurmelt. »Mein Baby, Tads Baby …«
»Hör mir zu, Amy.« Erics Stimme klang kalt und überlegt. Drei Tage lang hatte er darauf gewartet, dass Amy aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachen würde. Sie hatte viel Blut verloren bei der Fehlgeburt, und die Ärzte hatten ihn auf das Schlimmste vorbereitet. Aber sie durfte nicht sterben. Sie würde bezahlen für das, was sie ihm angetan hatte.
Als Eric sie kennengelernt und umworben hatte, war er sich sicher, sie zu lieben. Aber jetzt hatten sich seine Gefühle für Amy gewandelt. Sie grenzten an Hass. Diese Frau hatte es nicht verdient, mit ihm verheiratet zu sein. Sie hatte einen Narren aus ihm gemacht – aus ihm, Lord Wickerton! Und dafür würde sie büßen.
»Mein Baby …«
»Das Baby ist tot«, sagte er noch einmal brutal. Dann griff er nach ihrer Hand. »Sieh mich an, Amy.« Erst als sie seiner Aufforderung folgte, sprach er weiter. »Du bist hier in einer Privatklinik. Und der Grund, warum du hier bist, wird niemals an die Öffentlichkeit dringen. Allerdings nur dann, wenn du tust, was ich dir sage.«
»Eric …« Amy hatte gar nicht richtig zugehört. Mit beiden Händen hielt sie seine Hand fest. »Eric, ist es wirklich wahr? Kann es nicht sein, dass die Ärzte sich geirrt haben?«
»Du hattest eine Fehlgeburt. Die Diener im Haus sind verschwiegen. Und allen anderen habe ich gesagt, dass wir für einige Tage verreist sind.«
»Ich verstehe nicht …« Sie ließ seine Hand los und presste ihre Fingerspitzen auf den Bauch. »Der Sturz … Ich bin die Treppe hinuntergestürzt. Aber …«
»Ein Unfall«, unterbrach Eric sie, und es klang so, als wäre gar nichts dabei, ein Baby zu verlieren.
Amy schlug beide Hände vors Gesicht. »Tad, Tad …« murmelte sie immer wieder.
»Du bist meine Frau«, sagte Eric kalt. »Und das bleibt auch so, bis ich dich nicht mehr will.« Amy nahm die Hände vom Gesicht und sah ihn verständnislos an. »Oder soll ich deinen Liebhaber anrufen und ihm sagen, dass du mich geheiratet hast, während du ein Kind von ihm im Bauch hattest?«
»Nein.« Amys Antwort war nur ein Flüstern. Tad! Wie sehr sie sich nach ihm sehnte. Aber er war für sie genauso verloren wie sein Kind, das sie getragen hatte.
»Gut, dann wirst du tun, was ich dir sage«, hörte sie wieder Erics Stimme. »Du wirst dich sofort vom professionellen Tennis zurückziehen. Ich will nicht, dass die Presse Vermutungen über dich und deinen Geliebten anstellt und dabei meinen guten Namen durch den Schmutz zieht. Du wirst dich benehmen, wie es einer Lady Wickerton ansteht. Ich werde dich nicht anrühren«, fuhr er fort, ohne auch nur einmal seine Stimme zu heben. »Jegliche körperliche Anziehungskraft, die du auf mich ausgeübt hast, ist verschwunden. Du wirst genau das tun, was ich von dir verlange – oder dein Geliebter wird von mir erfahren, was für ein mieses Spiel du getrieben hast. Ist das klar?«
Was spielte das jetzt noch für eine Rolle? War sie nicht bereits so gut wie tot – tot wie ihr Baby? »Ja, ich werde tun, was du von mir verlangst. Und jetzt lass mich bitte allein.«
»Wie du willst.« Eric stand auf. »Wenn es dir wieder besser geht, werden wir eine offizielle Nachricht an die Presse geben, dass du dich vom Tennissport zurückziehst. Als Grund wirst du angeben, dass du keine Zeit mehr für diesen Sport hast, weil du deinen Mann nicht allein lassen willst, und weil du in deiner Position genügend andere Pflichten hast.«
»Geh jetzt bitte, Eric.«
»Gibst du mir dein Wort darauf?«, meinte er abschließend.
Sie sah ihn lange an, dann schloss sie die Augen und nickte. »Ja, Eric, ich gebe dir mein Wort darauf.«
Und sie hatte ihr Wort gehalten. Sie hatte zusehen müssen, mit welcher Genugtuung Eric zur Kenntnis nahm, dass ihr Vater sich von ihr abgewandt hatte. Sie hatte über seine diskreten, aber immer häufigeren Affären hinweggesehen und war im Laufe der Zeit immer schwermütiger geworden.
Es hatte sehr lange gedauert, bis Amys Lebensgeister wenigstens teilweise wieder erwachten. Abgeschnitten von ihrem bisherigen Leben, ohne alte Freunde und Bekannte, die sie hätte um Rat fragen können, ohne den Beistand ihres Vaters, hatte es lange Zeit so ausgesehen, als hätte Eric sie für immer in der Hand.
Erst als der Schmerz über den Verlust des Babys, der sie so lange betäubt hatte, etwas nachließ, konnte sie wieder klar denken. Sie musste von diesem Mann weg, oder ihr ganzes weiteres Leben wäre zerstört. Immer deutlicher sah Amy, dass es keinen anderen Ausweg gab.
Sie wusste, dass für Eric Wickerton nichts wichtiger war als sein guter Ruf und der seiner Familie. Nur hier lag eine Chance für Amy, dass er in eine Scheidung einwilligte. Sie wusste von seinen zahlreichen Affären mit anderen Frauen – er wusste von Tads Baby, das sie getragen hatte, als sie ihn heiratete. Das war die Grundlage für ein Abkommen, an dessen Ende die Scheidung stand.
Und jetzt war Eric zurückgekommen. Vielleicht liegt es daran, dass er mir meinen Erfolg auf dem Tennisplatz nicht gönnt, überlegte Amy. Trotzdem glaubte sie nicht, dass er seinen Teil der Vereinbarung brechen würde. Schon allein deshalb nicht, weil er sie mit seinem Wissen immer noch in der Hand hatte. Und diesen Vorteil würde er gewiss nicht aufgeben.
Sollte sie ihm den Wind aus den Segeln nehmen und Tad doch alles erzählen? Amy dachte wieder zurück an Tads Gesichtsausdruck, als er Eric an der Tür begegnet war. Nein, Tad würde ihr nicht verzeihen. Vielleicht später einmal, wenn ihre Beziehung zueinander sich gefestigt hatte – vielleicht würde sie es ihm dann sagen.
Amy atmete so ruhig und gleichmäßig, dass man hätte meinen können, sie schliefe. Aber Tad wusste, dass sie wach war und nachdachte.
Welche Geheimnisse hielt sie vor ihm verborgen? Und wie lange würde es noch dauern, bis sie endlich bereit war, darüber zu sprechen? Er wollte sie drängen, wollte fragen, aber sie schien so verletzbar und schutzbedürftig, dass er es nicht fertig brachte. Wenn er jetzt versuchte, ihr Antworten zu entlocken, dann würde er vermutlich genau das Gegenteil erreichen. Amy würde sich zurückziehen in ihr Schneckenhaus, und dann konnte er gar nicht mehr an sie herankommen.
»Besser?«, fragte Tad leise.
Sie seufzte, und dann spürte er an der Bewegung ihres Kopfes an seiner Brust, dass sie nickte.
Etwas gab es, das sie bereinigen konnte und das vielleicht auch schon helfen würde, die Atmosphäre zwischen ihnen wieder zu verbessern. »Tad, er bedeutet mir überhaupt nichts mehr. Glaubst du mir das?«
Als er mit der Antwort zögerte, fasste sie noch einmal nach. »Bitte, glaub mir. Ich empfinde überhaupt nichts mehr für Eric – noch nicht einmal Hass. Unsere Ehe war ein Fehler, von Anfang an.«
»Aber warum …«
»Es hat immer nur dich gegeben«, unterbrach Amy ihn. »Nur dich, Tad.« Sie küsste ihn, hielt seinen Kopf zwischen den Händen und bedeckte sein ganzes Gesicht mit Küssen. »Es ist, als hätte ich in den Jahren gar nicht richtig gelebt.« Wieder fanden ihre Lippen seinen Mund. »Ich brauche dich, Tad. Nur dich!«
Die Erregung packte sie beide so schnell, dass keine Zeit mehr blieb für Fragen. Amys Hände zerrten an seinen Sachen. Sie konnte es nicht erwarten, seinen nackten Körper zu spüren, sich an ihn zu pressen und die schlimmen Gedanken zu vergessen.
Mit einer Wildheit, wie er sie bei ihr noch nicht erlebt hatte, übernahm sie es, seine Erregung zu steigern. Ihre Hände waren in Bewegung, ihre Lippen berührten immer wieder seinen Körper und hinterließen heiße Spuren auf seiner Haut.
Sie ließ sich keine Zeit, ihn mit zärtlichem, sanftem Spiel zu verwöhnen. Ihre Bewegungen waren leidenschaftlich, ihre Haut bald schweißnass.
Tad spürte, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis er die Kontrolle über seinen Körper verlor. Sie rollten auf dem Bett hin und her. Er riss ihr das T-Shirt vom Körper, und keiner von beiden hörte, wie der Stoff bei dieser ungestümen Bewegung zerriss.
»Amy, jetzt. Bitte.« Seine Stimme klang rau.
»Nein, nein.« Sie lachte, und dieser Klang steigerte sein Begehren noch. Sie spürte, wie sehr sich ihr Körper nach Erfüllung sehnte. Trotzdem zögerte Amy es noch hinaus. Seine Hände glitten über ihren Körper, und sie bog sich ihnen entgegen.
Zu ihm gehörte sie, zu dem einzigen Mann, der ein solches Feuer in ihr entfachen konnte. Zu ihm würde sie immer gehören. Alle Gedanken an früher waren verbannt. Es gab nur noch den Augenblick. Dieses halbdunkle Zimmer, sein starker Körper auf ihrem.
Diesmal protestierte sie nicht, als Tad mit beiden Händen ihre Hüften umfasste und sie festhielt. Sie legte ihren Kopf zurück, ihre Augen waren geschlossen, und sie bog sich ihm entgegen, als er zu ihr kam. Sie wusste nicht mehr, ob sie sein Stöhnen hörte oder ihr eigenes, als sie beide dem Höhepunkt zustrebten und sich aneinander festklammerten, als wollten sie sich nie mehr loslassen.