2. KAPITEL

Es war ausgesprochen empörend.

Marcus John Ellis, siebter Earl of Stockhaven, hatte auf eine solche Gelegenheit zwölf lange Jahre gewartet. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich ausgerechnet hier im Fleet-Gefängnis ergeben würde.

Marcus war geübt darin, mit dem Unvorhergesehen umzugehen. Acht Jahre Dienst in der Marine Seiner Majestät, ehe er den Titel von einem entfernten Cousin erbte, hatten ihm eine reiche und vielgestaltige Lebenserfahrung gegeben. Dies hier jedoch war etwas, das er niemals hätte vorhersehen können.

“Sie kommen zwölf Jahre zu spät, mein Schatz”, sagte er spöttisch. Bei dem beiläufigen Gebrauch des Kosewortes, das einst so viel bedeutet hatte, röteten sich ihre Wangen, stellte er beiläufig fest.

“Die Kirche war bereit, der Bräutigam war da, das Einzige, was fehlte, war die Braut – wenn Sie sich erinnern.”

Er beobachtete Isabella nachdenklich. Sie sah fast aus wie damals und war doch herzzerreißend anders als die siebzehnjährige Debütantin, die ihm am Altar den Laufpass gegeben hatte. In den modrigen Verliesen dieses Gefängnisses schien sie hoffnungslos fehl am Platze. Es machte keinen Unterschied, dass sie versucht hatte, sich mit ihrem schwarzen Umhang und ihren zweckmäßigen Stiefeln nahezu unkenntlich zu machen. Sie war, und das fiel sofort ins Auge, erheblich sauberer als alle anderen, die in den letzten drei Monaten ihren Fuß in seine Zelle gesetzt hatten. An ihr hing kein strenger Schweiß- oder Tabakgeruch, stattdessen duftete sie zart nach Jasmin. Er erinnerte sich an diesen Duft auf ihrer Haut und in ihrem Haar. Und er erinnerte sich daran, wie er ihr einmal gesagt hatte, ihr Haar lasse ihn an einen Herbstwald denken, mit Gold- und Kupfertönen und rötlichen Nuancen des Herbstlaubs durchzogen. Bei dem Gedanken daran musste er schlucken. Die Bilder, die nun vor seinem inneren Auge standen, erregten ihn genauso wie vor zwölf Jahren: Isabella in seinen Armen, seine Hände dunkel auf ihrer zarten, weißen Haut, ihr lustvolles Stöhnen bei jeder Berührung, voll rasenden Verlangens, das alles um sie herum vergessen ließ außer der glühenden, brennenden Sehnsucht zwischen ihnen. Er hatte sie ungestüm genommen, ohne ihre Jungfräulichkeit zu beachten; und ihre Erwiderung war ungezügelte Leidenschaft gewesen. Dann später in dem anheimelnden Dunkel der Gartenlaube …

“Ich hätte nicht so zügellos sein dürfen …”, hatte sie voll ungläubigem Staunen gesagt, noch ganz überwältigt von der Lust, die sie miteinander geteilt hatten. Er hatte ihren erhitzten Körper nahe an sich gezogen und sie mit Demut und glücklichem Entzücken geküsst.

“Du bist wunderbar, und ich werde dich immer lieben.”

Es waren sentimentale, jungenhafte Worte gewesen, und das Band zwischen ihnen war in dem Augenblick jäh zerrissen worden, als sie ihn am Altar hatte stehen lassen, um einen anderen zu heiraten. Aber wie er sich widerwillig eingestehen musste, hatte in all den Jahren, seit er Isabella zuletzt gesehen hatte, keine Frau sich mit ihr messen können.

Sie hatten sich so oft wie möglich in den Gärten von Salterton Hall getroffen. Die Heimlichkeit hatte ihrem Zusammensein eine gewisse Spannung verliehen, die manchmal fast nicht mehr zu ertragen war. Marcus glühte vor immer stärker werdendem Verlangen, sie zu besitzen. Jeder Kuss war wie ein Brandzeichen auf ihrer Haut, das ihn jedes Mal aufs Neue entflammte. Im kühlen Dunkel der Gartenlaube zog er sie fest an sich und entkleidete sie fieberhaft. Seine Küsse waren von wilder Glut, und auch ihre Vereinigung hatte das Feuer nur noch weiter angefacht. Das Gewirr von Gefühlen, die sie in ihm auslöste, hatte ihm fast den Verstand geraubt.

Marcus blinzelte, um diese Erinnerungen zu verscheuchen und seine wilde Fantasie zu zügeln. Bei solchen Bildern konnte man keinen klaren Gedanken fassen. Aber es war kein Wunder, dass er selbst jetzt Verlangen spürte. Er hatte lange keine Frau gehabt; die Huren, die im Fleet-Gefängnis ihrem Gewerbe nachgingen, hatten kein Interesse an ihm. Außerdem würde diese Frau selbst einen Heiligen in Versuchung bringen.

“Ihr Schatz”, sagte sie, und die deutliche Verärgerung in ihrem Ton löschte sein Verlangen aus wie ein Eimer kalten Wassers. “Das war ich doch nie, oder, Marcus? Nachdem Sie mich verloren hatten, heirateten Sie recht bald schon India. Die eine Cousine oder die andere? Es scheint, es war Ihnen ziemlich gleichgültig, welche.”

Marcus spürte heftigen Zorn hochkommen. Er hatte zwölf lange Jahre gewartet, um die Angelegenheit zwischen ihnen klarzustellen. Und nun wagte sie es, ihm einfach so die Schuld zu geben?

“Ich war nie so leichtsinnig, Sie zu verlieren”, sagte er scharf. “Sie haben mich einfach fallen lassen, nachdem Ihr Fürst ein besseres Angebot gemacht hatte …”

Isabella machte eine unwillkürliche Geste des Protests, und Marcus hielt inne. Sein Herz pochte rasend. Einen Augenblick lang glaubte er, dass sie seine Vorwürfe zurückweisen und ihm alles erklären würde. Er wartete – voll gespannter Hoffnung. Da aber wich jeder Ausdruck aus ihren Augen, und er spürte, die Gelegenheit war vorbei.

“Sie haben recht”, sagte sie schlicht. “Genau das habe ich getan. Aber das ist sehr lange her, und dieses Gerede nützt uns nichts. Es war töricht von mir anzunehmen, dass Sie bereit sein würden, mir zu helfen.”

Ihr beiläufiges Geständnis entfachte seine Wut über ihren Verrat aufs Neue. Dass sie auch noch offen zugab, so käuflich zu sein, konnte er kaum glauben. Und doch passte es zu ihrem übrigen Verhalten. Sie hatte um ihres Vorteils willen geheiratet und Marcus verschmäht, sobald sich ein aussichtsreicheres Angebot ergeben hatte. Sie hatte ihre Cousine India um ihr Erbe betrogen. Und jetzt brauchte sie wieder Geld und würde einen Handel mit derselben rücksichtslosen Gefühlskälte abschließen.

Diesmal aber schien es, als ob Marcus alle Karten in der Hand hielt. Isabella war ihm ausgeliefert.

“Setzen Sie sich”, sagte er kurz angebunden. Die Aufforderung war im Ton schärfer als beabsichtigt, und Marcus sah, wie Isabella zusammenzuckte. Sie war so angespannt wie ein wildes Tier, das im Begriff war zu fliehen. Ihre Unsicherheit zeigte sich daran, wie sie ihre Finger ineinanderkrampfte, um das Zittern nicht sichtbar werden zu lassen. Ein Anflug von Angst lag in ihren dunkelblauen Augen. Offenbar war sie in sehr großen finanziellen Schwierigkeiten.

Seine Aufforderung, sich zu setzen, hatte sie erschreckt, wohl weil sie angenommen hatte, er würde ablehnen und sie fortschicken. Marcus sah, dass sie tatsächlich gehen wollte, aber er setzte alles daran, sie zu halten. Er hatte eine ganz erstaunliche zweite Chance bekommen. Dies war die Gelegenheit zur Rache.

Es würde nicht einfach sein. Er würde sie in Sicherheit wiegen müssen, damit sie ihm vertraute. Da sie verzweifelt war, hatte er gute Aussichten auf Erfolg. Wenn man bedachte, was zwischen ihnen stand, musste sie wirklich außer sich vor Sorge sein, um auch nur in Erwägung zu ziehen, ihn um die Heirat zu bitten. Ganz offenbar war sie zu außergewöhnlichen Mitteln gezwungen. Diese Gelegenheit musste er nutzen.

Marcus wies auf den Stuhl und mäßigte seinen Ton. “Verzeihung. Nehmen Sie doch bitte Platz, Isabella.”

Sie blickte ihn erstaunt an, als er sie beim Vornamen nannte. Es schien, als ob sie im Begriff war, ihn für seine Vertraulichkeit zu rügen. Wie aufschlussreich. Nur sehr wenige Frauen wiesen Marcus Stockhaven zurück. Meist ermutigten sie ihn eher.

“Nein danke”, sagte sie bestimmt. “Ich stehe lieber.”

Er begriff sofort, dass Isabella sich ihm gegenüber im Nachteil fühlen würde, wenn sie sich setzte. Da nur ein Stuhl in der Zelle war, würde Marcus notwendigerweise stehen. Isabella fühlte sich ohnehin schon verletzbar und wollte nicht, dass Marcus die Oberhand gewann. Auf jeden Fall war sie eine Herausforderung für ihn, und sein Interesse wuchs.

“Wir könnten beide dort drüben sitzen”, schlug er vor und wies auf die Matratze in einer Ecke.

Ein Ausdruck von Geringschätzung blitzte in ihren Augen auf. “Ich glaube nicht, Sir. Ich habe nicht vor, Ihr Bett zu teilen.”

“Diesmal nicht.” Marcus ließ seinen Blick wieder über Isabella gleiten. Er bemühte sich um einen Ton ohne Bitterkeit. “Dieses Mal wollen Sie nur meinen Namen oder, besser gesagt, meinen Decknamen. Anonymität dürfte Ihren Absichten genauso entgegenkommen wie meinen. Ich vermute, dass Sie sich meinen Gefängnisaufenthalt aufgrund von Schulden zunutze machen wollen?”

Er hielt inne. Ein leichtes Neigen des Kopfes war ihre einzige Antwort.

“Also ja.” Er dachte nach. “Sie haben Schulden, und zwar eine beträchtliche Summe.”

Etwas wie Verärgerung blitzte kurz in ihren Augen auf. Dann aber nickte sie wieder.

“Ihr Plan ist es, einen Schuldner zu heiraten, der bereit ist, auch noch Ihre Verpflichtungen zu übernehmen. Ihre Gläubiger haben keinerlei Aussicht, ihr Geld zurückzuerhalten. In der Zwischenzeit schmachtet Ihr Gatte auf unabsehbare Zeit hier im Gefängnis, während es Ihnen freisteht zu tun, was auch immer Sie wollen. Ist das richtig beschrieben?”

“Ganz genau.” Hinsichtlich der Selbstbeherrschung war sie ihm gewachsen. Aber er war sicher, dass sie hinter der Fassade längst nicht so kühl war, wie sie sich gab. Er stieß ein kurzes ungläubiges Lachen aus. Sie würde sich wohl nie ändern. Ihr war es schon immer nur um Geld gegangen, und so würde es bleiben.

“Sie sind ganz sicher abgebrüht genug, das durchzuziehen, Madam.”

“Danke”, erwiderte sie mit dem freundlichsten Lächeln.

Eine kurze angespannte Pause trat ein. Sie hob die Augenbrauen.

“Also? Nehmen Sie meinen Vorschlag an?”

Angesichts dieser Dreistigkeit musste Marcus gegen ein Lachen ankämpfen. Er war versucht, seinen vorgeschobenen Widerstand aufzugeben, denn sie war dabei, direkt in seine Falle zu laufen. Doch um herauszufinden, was er wissen wollte, musste er jetzt seinen Vorteil nutzen.

“Verzeihen Sie”, sagte er mit einem Lächeln, “aber ich muss bestimmte Dinge wissen, ehe ich erwäge, Ihnen den Schutz meines Namens zu gewähren.”

Sie sah ihn etwas geringschätzig an. “Ich habe wohl Ihre Lage falsch eingeschätzt, Sir. Sind Sie in einer Position, freier wählen zu können als ich?”

Unendlich viel freier, dachte Marcus für sich, sagte aber nichts. Isabella sollte das natürlich nicht erfahren.

Sie hatte selbstverständlich angenommen, dass er im Gefängnis saß, weil er Schulden hatte. Alle Anzeichen sprachen dafür, aber in Wirklichkeit war es ganz anders. Und da sie ihn nicht ausdrücklich gefragt hatte, würde er ihr auch nichts sagen.

“Wie hoch sind Ihre Schulden?”, fragte Marcus. Er zog den Stuhl zu sich heran, setzte sich umgekehrt darauf und umfasste die Lehne. Dann sah er Isabella prüfend an.

Sie streckte stolz das Kinn vor. An ihrem Gesichtsausdruck sah er, wie unangenehm ihr die ganze Situation doch war. Sie korrigierte ihn sofort.

“Ich habe keine eigenen Schulden”, sagte sie spitz. “Mein verstorbener Mann ließ in meinem Namen Schulden in Höhe von zwanzigtausend Pfund auflaufen. Ich war im Ausland und ahnte davon nichts. Erst nach meiner Rückkehr entdeckte ich das ganze Ausmaß.” Sie hielt inne und biss sich auf die Unterlippe, um ihre offensichtliche Verärgerung zu beherrschen. Marcus lächelte über ihren schnippischen Ton. Sie war also wütend über Fürst Ernest Di Cassilis, der sie in eine solch unglückliche Lage gebracht hatte. Stolz, schön und bankrott. Eine grässliche Kombination.

“Wie ärgerlich für Sie, da doch Fürst Ernest einmal ein so reicher Mann war”, sagte er in leutseligem Ton. “Ein solches Unglück kann die Pläne eines jeden zunichte machen.”

Isabella blitzte ihn wütend an. Sie begriff sehr wohl, was er ihr damit sagen wollte: Dass sie ihn hatte sitzen lassen, weil er arm war, dass sie Ernest seines Titels und seines Geldes wegen geheiratet hatte, dass alles, was ihr widerfuhr, aufgrund ausgleichender Gerechtigkeit geschah.

“Wie Sie sagen.” Ihr Ton war hingegen ausdruckslos. “Es ist sehr bedauerlich.”

Marcus musste ihre Gelassenheit bewundern. Sie hatte die Tür vor ihm zugeschlagen und ihm das Vergnügen verwehrt, sie herauszufordern.

“Wenn Fürst Ernest dazu neigte, Ihren Namen zu missbrauchen, dann wäre es vielleicht vorteilhaft gewesen, ihn genauer zu beobachten”, sagte er.

Zu seiner Überraschung erschien ein Funken von Belustigung auf ihrem Gesicht.

“Ich wollte überhaupt nicht in Ernests Nähe sein, Sir. Ich ließ ihn sogar so oft wie möglich unbeachtet. Niemand mochte ihn, und ich war keine Ausnahme. Ich musste sogar die Diener bestechen, damit sie überhaupt zur Beerdigung mitgingen und Trauer heuchelten.”

Marcus’ Interesse wuchs unwillkürlich. Als er Isabella kennenlernte, war er von ihrem augenscheinlichen Liebreiz sehr angetan gewesen. Ihr Verrat war für ihn ein zutiefst erschreckendes Erlebnis. Damals war ihm klar geworden, dass sie eine Abenteurerin war. Sie hatte ihren verlockenden Körper und ihr hübsches Gesicht eingesetzt, um einen reichen und ausschweifenden Fürsten in die Falle laufen zu lassen. Jetzt und hier benutzte sie eine andere Art von Bestechung, um einen anderen in eine Zweckheirat zu locken. Zorn stieg in ihm hoch. Er wollte, dass sie ihre Schuld zugab. Sie war hochmütig und moralisch verdorben und bereit, sich für schnöden Gewinn zu verkaufen. Marcus war aber kein grüner Junge mehr, der sich betören ließ.

Er sah sie fragend an. “Es hat sich also letztlich nicht gelohnt?”

Ihre Blicke trafen sich.

Es hat sich nie gelohnt.

Isabella äußerte diese Worte nicht laut, aber einen beunruhigenden Augenblick lang war Marcus sicher, ihre Gedanken lesen zu können.

“Ich kann den Zweck Ihrer unverschämten Fragen nicht erkennen”, sagte sie knapp. “Über meine Ehe will ich nicht sprechen.”

Marcus hob missbilligend die Augenbrauen. “Sie glauben also nicht, dass Sie mir eine Erklärung schulden?”

Sie antwortete mit Geringschätzung in ihrem Blick. “Welche Bedeutung hat das nach zwölf Jahren noch?”

Er hätte sie durchschütteln mögen. Natürlich war es noch von Bedeutung! Sie hatte ihn all seiner jugendlichen Träume und Hoffnungen beraubt, sie unter ihren zierlichen Schuhen zertreten. Und sie hatte es so beiläufig getan, als ob es völlig unwichtig gewesen wäre. Als sie sich trafen, hatte er die Freuden der körperlichen Liebe durchaus gekannt. Doch niemals zuvor war er richtig verliebt gewesen, und so hatte er seine Liebe zu Isabella voll blindem Vertrauen in die Zukunft gelebt. Diese jugendliche Unbekümmertheit war es, die sie ihm so plötzlich genommen hatte, ohne sich darum zu kümmern, was sie ihm damit antat. Sie schuldete ihm etwas.

Er dachte an India, seine Frau. Sie war Isabellas Cousine gewesen. Er wusste genau, dass er sie aus den falschen Gründen geheiratet hatte, weil er nach etwas hatte greifen wollen, das Isabella ihm versprochen hatte. Eine vergebliche Hoffnung. Und auch India hatte unter ihrer Cousine gelitten. Später hatte Marcus entdeckt, dass Isabella in ihrem Streben nach Reichtum und gesellschaftlicher Stellung ihre Familie gegeneinander aufgehetzt und sich ausschließlich von ihrer Gier hatte leiten lassen.

Jetzt war die Zeit gekommen, um die Schuld einzufordern, aber Marcus musste den günstigsten Zeitpunkt abwarten. Seine Verärgerung wuchs mit jedem Wort, er bemühte sich dennoch, einen kühlen Kopf zu behalten. Kühl geplante Rache war allemal besser als eine unüberlegte Vergeltung. Er würde ihren Vorschlag annehmen, und dann wäre sie in seiner Gewalt statt andersherum – und sie ahnte es nicht einmal!

Es gab immer noch einiges, was er wissen musste. Je genauer er ihre Pläne kannte, desto leichter würde es sein, sie zu vereiteln.

Er zuckte die Achseln. “Vielleicht haben Sie recht: Was zwischen uns war, ist jetzt ohne Belang. Schließlich ist dies eine geschäftliche Angelegenheit. Erläutern Sie mir bitte, wie Sie sich unsere Vereinbarung vorstellen.”

Isabella warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, als könne sie nicht glauben, dass er so leicht kapitulieren würde. Aber dann gab sie ihre Vorbehalte auf. Offenbar war ihr so sehr an dieser rettenden Hochzeit gelegen, dass sie zu Zugeständnissen bereit war.

“Die sogenannte Ehe zwischen uns würde nur eine vorübergehende Maßnahme sein, bis ich aus dem gegenwärtigen finanziellen Engpass heraus bin”, sagte sie kühl. “Wenn ich dann mein Haus verkauft und mein Erbe flüssig gemacht habe, wird die Schuld zurückgezahlt, und unsere Verbindung wird aufgelöst.”

Er runzelte die Stirn. “Können Sie in dem Fall nicht einfach abwarten, bis Sie das Geld zur Verfügung haben? Das wäre sicher einfacher, als eine Eheschließung vorzunehmen, die Sie gar nicht wollen.”

Isabella schüttelte den Kopf, während er noch sprach. “Die Regelung von Erblässen braucht Zeit, und die habe ich nicht. Aber binnen Kurzem werde ich frei sein von den Schulden und auch von der Ehe.”

Eine Pause trat ein. Marcus fühlte sich in seinem Stolz verletzt, weil er nach Gebrauch sozusagen wie ein altes Kleidungsstück abgelegt werden sollte. Gleichwohl hatte er ebenso unlautere Motive wie Isabella.

“Ich mag den Gedanken nicht, trotz einer Eheschließung nach Lust und Laune herumgeschubst zu werden”, sagte er mit Bedacht und fügte hinzu: “Es ist entwürdigend.”

Diesmal lächelte sie mit echtem Mitgefühl. “Nun wissen Sie, wie eine Frau sich fühlt”, sagte sie sanft.

Touché! Ihre unverblümten Worte jagten ihm einen Schauer über die Haut. So war es mit Isabella schon immer gewesen. Eher forderte sie ihn heraus, als dass sie ihn beschwichtigte, wie dies die meisten Frauen taten. Sie war unberechenbar und aufregend gewesen, und die Spannung zwischen ihnen hatte sein Verlangen befeuert, sie zu nehmen und zu besitzen. Er war völlig vernarrt in sie gewesen. In jenem letzten Frühling in Salterton, ehe Isabella nach London zurückkehrte, versprachen sie sich in den Gärten feierlich die Treue. Ohne zu zögern, hatte er ihr einen Antrag gemacht, und sie hatte ihn angenommen. Er sagte zu, ihr baldmöglichst in die Stadt nachzureisen, um bei ihrem Vater um ihre Hand anzuhalten. Marcus machte sich keine Sorgen über seine Zukunftsaussichten. Er war jemand, der jede Gelegenheit nutzte und neue suchte. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass er einer Frau nichts zu bieten hatte.

Lord Standish hatte seine Werbung mit einem auffallenden Mangel an Begeisterung angenommen. Wenn Marcus glaubte, dass er gesellschaftliche Aussichten hatte, so war sein zukünftiger Schwiegervater nicht so leicht davon zu überzeugen. Marcus hingegen ließ sich nicht abschrecken. Als er in der Kirche wartete, war er hoffnungsvoll geblieben bis zum letzten Augenblick – selbst als niemand von den Gästen der Braut erschien. Die Zeit verrann, und Isabella traf nicht ein. Selbst ganz zum Schluss konnte Marcus noch nicht glauben, dass sie ihn wirklich hatte sitzen lassen. Nach der geplatzten Trauung eilte er zu ihrem Elternhaus, aber dort wurde ihm an der Tür bedeutet, dass er gehen solle. Er schwor sich, er würde niemals glauben, dass sie sich wirklich so unerhört verhalten hatte, solange er die Ablehnung nicht aus ihrem eigenen Mund gehört hatte. Aber er hatte nie eine Erklärung von ihr bekommen.

Sie hatte nie wieder mit ihm gesprochen.

Die Gesellschaft war mit ihrem Urteil schnell bei der Hand gewesen. Als die abwesende Braut gleich am nächsten Tag Fürst Ernest Di Cassilis mit einer Sondergenehmigung und in aller Stille heiratete, schlug dieser Skandal hohe Wellen. Ernest nahm seine gerade angetraute Frau mit nach Cassilis, und Marcus kehrte überstürzt zur Marine zurück. Ihm war klar, dass er sich unbedingt beschäftigen musste. Und so jagte er statt der Frauen die Franzosen. Für seine unerschrockene Tapferkeit erhielt er Belobigungen seiner Vorgesetzten, und bald beschloss er, nie wieder an Land zu leben. Erst als er unerwartet den Titel von seinem kinderlosen Cousin erbte, fühlte er sich zu einer ganz andersartigen Verantwortung berufen. Nur widerstrebend übernahm er den Besitz und ging nach London. Und auf einem Ball lernte er dann Isabellas Cousine, India Southern, kennen …

Aber an diese Zeit wollte er jetzt nicht denken. Während seiner Ehe mit India hatte Isabellas Geist jeden seiner Schritte verfolgt. Marcus hatte sie nie vergessen können und vermochte auch jetzt nicht die starken Gefühle zu verscheuchen, die durch das erneute Zusammentreffen in ihm aufloderten. Er spürte dieselbe Anziehungskraft wie früher. Sie sahen einander an, und die Luft zwischen ihnen knisterte von den Funken der alten Leidenschaft.

Dabei hatte Marcus gar nicht vorgehabt, alte Erinnerungen aufleben zu lassen. Viel lieber wollte er herausfinden, was Isabella mit dieser Zweckheirat beabsichtigte. Wichtig war auch zu wissen, ob es vielleicht störende Liebhaber gab, die seine Pläne vereiteln könnten. Die Tatsache, dass Isabella ohne Begleitung in das Fleet-Gefängnis gekommen war, ließ vermuten, dass sie gegenwärtig keinen Liebhaber hatte, aber Marcus musste sich Gewissheit verschaffen.

Er wandte sich von Isabella ab und gab sich gleichgültig.

“Ich verstehe nicht, warum Sie ausgerechnet eine Fleet-Heirat wollen”, sagte er mit etwas heiserer Stimme, die trotz aller Mühe seine innere Bewegung verriet. “Es gibt doch sicher ein Dutzend reiche und angesehene Männer, die bei Ihnen Schlange stehen, Isabella? Zwanzigtausend Pfund sind für einen wohlhabenden Mann nicht allzu viel, besonders wenn er dabei noch eine schöne Frau gewinnt.”

Sie schien dies nicht als Kompliment zu nehmen. Marcus war darüber etwas verwundert, denn man hatte ihr sicher schon oft gesagt, dass sie eine Schönheit war. Fürstinnen sagte man dies oft, selbst wenn es nicht stimmte.

“Es gibt keinen, den ich heiraten möchte”, erwiderte sie mit Bestimmtheit und fügte hinzu: “Und niemanden, der mich würde heiraten wollen.”

Sie hielt ihren Kopf gesenkt und mied seinen Blick. Marcus hatte den Eindruck, dass sie wirklich betrübt war. Er wartete und beobachtete sie dabei.

“Ich habe … das heißt, mein Ruf …” Sie sah plötzlich auf, und ihr Blick schien sich ihm direkt ins Herz zu bohren.

“Sie haben es vielleicht nicht gehört, aber mein Ruf ist ruiniert”, fuhr sie mit einer Schlichtheit fort, die ihn an das Mädchen erinnerte, das sie einmal gewesen war. “Niemand in angesehener Stellung wird mich noch heiraten.”

Marcus kniff die Augen zusammen. Er hatte die Geschichten alle gehört. Er wusste, dass ihr Name unwiderruflich besudelt war. Fürst Ernest Di Cassilis war als der Verlorene Fürst bekannt gewesen. Seine vielfältigen Ausschweifungen waren geradezu legendär. Es war unvermeidlich, dass dieser Ruf auf seine Frau abfärbte.

Wieder ließ Marcus seinen Blick über Isabella gleiten, wobei er jede Einzelheit wahrnahm. Unter dem Schatten ihrer Kapuze waren ihre großen, blauen und klaren Augen direkt auf ihn gerichtet. Obwohl sie nun keine Debütantin mehr war, strahlte ihr Gesicht immer noch jugendliche Unschuld aus. Es schien ihm gänzlich unmöglich, sie als eine Frau mit einem endgültig zerstörten Ruf zu sehen.

Einen Augenblick lang empfand er ein grimmiges Vergnügen an ihrem Schicksal. War es Rache oder Bitterkeit oder sogar das Gefühl der Gerechtigkeit? Jedenfalls wünschte er sich unwillkürlich, dass sie unglücklich sein und für ihren Verrat an ihm leiden sollte. Und doch war ganz tief in ihm ein kleiner Funken Mitleid. Du bist ein Narr, sagte er sich. Isabella war eine Hexe, und so verfluchte er diese Gefühlsanwandlung.

“Schlagen Sie Ihre Kapuze zurück”, sagte er unvermittelt.

Isabella rührte sich nicht. Offenbar war sie mehr daran gewöhnt, Befehle zu geben als sie zu erhalten. Aber dann kam sie der Aufforderung nach und schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück.

Der Eindruck der Tugendhaftigkeit wurde verstärkt, als Marcus sie richtig sehen konnte. Ihr Gesicht war in der Jugend sehr hübsch gewesen, aber mit den Jahren zur Schönheit gereift. Ihr glattes und feines Haar leuchtete wie dunkles Gold. Es wurde zusammengehalten durch ein einfaches blaues Band. Dichte schwarze Wimpern legten sich auf ihre Wangen. In den Konturen ihres Gesichts fand sich sowohl Schönheit als auch Entschlossenheit. Bei genauerem Hinsehen erkannte Marcus, dass eher innere Stärke von ihren Zügen ausging. Etwas oder jemand hatte ihr Leid zugefügt, und sie hatte gelernt, es auszuhalten, und war daran gewachsen. Darin hatte Marcus selbst Erfahrung. Einen Augenblick lang spürte er eine seltsame Mischung aus Neugier, Schutzbereitschaft und Unmut darüber, dass irgendjemand ihr wehgetan hatte. Die Liebe, die er einst für sie empfunden hatte, war tief verwurzelt gewesen und schwer zu vergessen.

Aber jetzt verwünschte Marcus diese Gedanken, und er verwünschte auch Isabella. Denn er war im Begriff, in dem Augenblick weich zu werden, in dem er rücksichtslos sein musste.

Isabella hob spöttisch fragend eine dunkle Augenbraue. Sofort wurde ihm klar, dass er sie die ganze Zeit angestarrt hatte. Er verspürte den Wunsch, sie zu küssen. Nicht nur das, er wollte mehr.

“Nun?”, fragte sie spitz.

Marcus dachte wehmütig darüber nach, dass sie volle rote Lippen hatte – zum Küssen wie geschaffen –, aber dass ihre Zunge messerscharf war.

Er schüttelte den Kopf.

“Ich kann nicht glauben, dass Sie keine Angebote erhalten würden”, sagte er nachdenklich. “Sie übertreiben sicher.”

“Nein”, gab sie knapp zurück und presste die Lippen aufeinander. Es war offensichtlich, dass sie zu diesem Thema nichts mehr zu sagen hatte.

Marcus tat einen tiefen Atemzug. Er könnte sie jetzt fortschicken. In dem Falle wäre sie vernichtet und würde ihrerseits im Schuldgefängnis schmachten. Beinah wünschte er sich, das zu erleben. Es wäre ausgleichende Gerechtigkeit.

Andererseits könnte er sie heiraten und damit eine andere und viel befriedigendere Form von Vergeltung üben.

Das Hinhalten setzte Isabella sichtlich zu. Marcus empfand Befriedigung darüber, dass sie ihre Ungeduld kaum zügeln konnte. Er musste bei ihr bis an die Grenze der Belastbarkeit gehen, sodass sie sein mögliches Angebot sofort begierig annehmen würde.

Isabella ging hinüber zum Tisch und nahm das Buch auf. Sie hielt den Rücken zum Licht, um den Titel zu lesen. “Theoretische Schiffsarchitektur”, las sie laut und fügte hinzu: “Es muss ja auch theoretisch sein, da man mir sagte, dass Sie aller Wahrscheinlichkeit nach den Rest Ihres Lebens hier verbringen werden, Sir.”

Marcus hob eine Augenbraue.

“Also?”, sagte er. “Was wollen Sie damit sagen?”

Sie blitzte ihn mit ihren blauen Augen an. “Ich will damit sagen, dass Sie nach Aussage des Kerkermeisters hohe Schulden haben, mehr als Sie jemals werden zurückzahlen können. Ihre Familie und Freunde sind offenbar nicht gewillt, Ihnen zu helfen. Oder vielleicht …”, sie legte das Buch zurück und fuhr fort, “wissen sie nicht einmal, dass Sie hier sind? Ich vermute, dass Sie deshalb den Namen John Ellis benutzen, als Trostpflaster für Ihren Stolz. Außerdem verhindern Sie damit, dass Ihre Schmach im Ton bekannt wird. Sie wollen natürlich nicht, dass ich irgendjemandem Ihren wahren Aufenthalt mitteile …”

Marcus musste innerlich über ihren Erpressungsversuch lachen. Es schien, dass Isabella vor nichts Halt machte, um ihre Ziele zu erreichen. Aber es gab ein Problem. Sie war mit einigem Glück ziemlich nahe an die Wahrheit herangekommen, hatte indes die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Es war wirklich so, dass niemand von seinem Aufenthalt im Fleet-Gefängnis wusste. Und es stimmte auch, dass niemand es erfahren durfte. Nur saß er nicht wegen Schulden hier ein, sondern war mit einer geheimen Ermittlung betraut. Daher konnte er Isabella nicht gestatten, jedermann zu erzählen, zu welchen Schlussfolgerungen sie gekommen war.

Auf jeden Fall würde er das Spiel nicht nach ihren, sondern nach seinen Regeln machen.

“Sie wollen mich also dazu überreden, meine Meinung zu ändern? Und zwar dadurch, dass Sie meinen Aufenthaltsort geheim halten, wenn ich Sie heirate?” Er hob eine Augenbraue. “Das scheint mir ein ungleicher Handel zu sein, selbst mit der Aussicht auf Bücher, besseres Essen und Wein, um die bittere Pille zu versüßen.”

Sie schloss die Finger fest um ihr Retikül. Doch ihr Zittern konnte sie nicht verbergen. Es war seltsam, wie ihn das aus der Fassung brachte. Er spürte ihre Verzweiflung, wollte aber kein Mitleid mit ihr empfinden.

Es war ihm gleichgültig, was aus ihr wurde. Er würde und konnte nicht darüber nachdenken.

Isabella beobachtete ihn und versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten.

“Sie sind nicht gerade in einer starken Position, um eine Vereinbarung auszuhandeln, oder, Sir?”

“Sie aber auch nicht”, konterte er rasch. “Wie lange würden Sie in einem Loch wie diesem überleben, Isabella? Denn Sie werden mit Sicherheit hier enden, wenn Sie Ihre Schulden nicht bezahlen können.”

Er sah, wie sie erschauerte, aber sie hielt seinem Blick herausfordernd stand. “Meine Lage ist nicht so prekär wie Ihre”, erwiderte sie. “Ich kann einen anderen Heiratskandidaten finden.”

“Einen Kandidaten für Ihre Schulden”, berichtigte er sie. “Stellen Sie die Angelegenheit nicht rosiger dar als sie ist.”

Voller Zorn fragte er sich, warum sie so offensichtlich entschlossen war, sich von ihrem letzten Geld einen Ehemann zu kaufen und ihre Würde preiszugeben. Marcus konnte seine Gefühle gerade noch bändigen, aber Isabella spürte sie trotzdem.

In ihren Augen blitzte ebenfalls Zorn auf. “Gut. Wenn Sie ablehnen, werde ich mir einen anderen Schuldner kaufen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?” Sie trat einen Schritt auf ihn zu.

“Und dann werde ich jedem von Ihrer Schmach erzählen, Sir. Ein Angehöriger des Adels ist wegen seiner Schulden im Fleet-Gefängnis eingekerkert und schämt sich so sehr, dass er lieber seine wahre Identität verbirgt als dass er die Verurteilung durch die Gesellschaft akzeptiert! Ich frage mich, was die Lästermäuler daraus machen. Der Ruf ist etwas so Zerbrechliches, nicht wahr?”

Marcus fasste sie am Handgelenk und drehte sie zu sich herum. “Wenn jemand die Antwort darauf kennt, dann sind Sie es! Was würde der Ton aus einer ruinierten Fürstin machen, die versucht, einen Schuldner zu kaufen, um ihre Haut zu retten?”

Das darauf folgende Schweigen vibrierte förmlich vor Herausforderung. Unter seinen Händen konnte Marcus Isabellas rasenden Puls spüren. Ihre Haut war zart und weich, sie fühlte sich warm und verlockend an. Unwillkürlich umfasste er ihr Handgelenk fester und zog sie zu sich heran. Im nächsten Augenblick würde er sie in seinen Armen halten und ihren Mund mit Küssen bedecken.

Diesmal war es Isabella, die zurückwich und sich so aus seinem Griff befreite. “Ich sehe nicht ein, warum die Angelegenheit noch mehr Zeit in Anspruch nehmen sollte”, sagte sie ungeduldig. “Ich machte Ihnen ein geschäftliches Angebot und warte nun auf Ihre endgültige Antwort. Wenn Sie mich ablehnen, werde ich einfach den nächstbesten Mann hier aufsuchen, der zu dem Handel bereit ist.”

Das war sehr direkt. Marcus konnte sich eine gewisse Bewunderung für sie nicht verkneifen. Und er wusste, dass es ihr nicht schwerfallen würde, einen Kandidaten zu finden. Die Männer würden um das Vorrecht wetteifern, sie zu bekommen. Isabellas Schulden würden dabei keine Rolle spielen. Der Gedanke, dass sie den Heiratshandel mit irgendeinem seiner Zellengenossen abschließen könnte, ließ ihn vor Eifersucht die Zähne zusammenbeißen. Er verwünschte diese Anwandlung, die er einer Trübung seines Urteilsvermögens zuschrieb. Vielleicht war aber auch nur ein elementarer, menschlicher Trieb schuld daran.

“Sie werden unschwer einen Mann finden, wenn Sie es nicht zu genau nehmen”, stieß er hervor. “Es gibt hier genügend hoffnungslose und verzweifelte Männer.”

Endlich hatte er sie an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht. Er sah genau, wie sich ihre mühsam bewahrte Haltung in Luft auflöste.

“Ich bin genauso verzweifelt, und Sie wissen es!” Die Worte brachen nur so aus ihr heraus, und sie konnte das Zittern nicht aus ihrer Stimme verbannen. “Ich bin des Kämpfens müde.” Sie hielt inne, und Marcus sah, wie sie mit äußerster Anstrengung ihre Fassung wiederzuerlangen suchte. Sie wandte sich ab, damit er ihre Verletzbarkeit nicht sehen sollte, und presste die Hände zusammen. “Es führt alles zu nichts”, sagte sie mit fast erstickter Stimme. “Ich glaube, ich sollte gehen.”

Marcus legte seine Hand auf ihren Arm. Er würde nicht zulassen, dass sie sich einem anderen Schuldner für eine Flasche Wein gegen eine rasch unterschriebene Heiratsurkunde anbot. Wenn jemand sie heiraten würde, so wäre es nur er selbst. Und dann würde es ihm ein großes Vergnügen bereiten, den Spieß herumzudrehen und alles einzufordern, was sie ihm schuldete. Sie gehörte ihm, zumindest bis alle Schulden bezahlt waren.

Er sah Isabella an. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt und schwieg, aber vermeinte er, bis in ihr Herz sehen zu können.

“Ich werde es tun”, sagte er ruhig. “Ich werde Sie heiraten.”