Alexander,
letzte Nacht habe ich meine Visionen und Träume
verstanden.
Es ist alles wirklich passiert und du hast es gewusst.
Ich verstehe nur nicht wie das alles sein kann? Wie das alles nur
möglich ist?
Aber was ich nun verstehe ist, warum ich diese starken
Gefühle für dich habe. Warum ich dich jede Minute vermisse die du
nicht bei mir bist. Warum ich
von Anfang an das Gefühl hatte, dich schon immer zu
kennen.
Wir sind Seelenverwandte und waren dies schon seit wir uns
das
erste Mal vor Jahren kennengelernt haben.
Umso schwerer fällt es mir jetzt von dir für immer Abschied zu
nehmen.
Ich will dich nicht noch einmal verlieren, will nicht sehen müssen
wie
du getötet wirst, wegen mir.
Sei mir bitte nicht böse, ich muss es einfach tun. Such nicht nach
mir.
Werde mit Jenny glücklich. Sag ihr dass es mir Leid tut das ich
dich
geküsst habe und sie dabei zusehen musste.
Es tut mir leid.
In ewiger Liebe
Chrisi
Tränen bahnten sich
unaufhaltsam einen Weg an die Oberfläche. Ich hatte das Gefühl
innerlich kaputt zu gehen.
Schnell ging ich ins Gästezimmer und packte meine Sachen zusammen.
Mitten in der Bewegung erstarrte ich. Jemand war in die Wohnung
gekommen. Ich hielt die Luft an und horchte angestrengt nach
draußen. Auf Zehenspitzen schlich ich zur Türe und öffnete sie
einen Spalt. Nichts war zu hören, erleichtert atmete ich
aus.
Sorgsam legte ich den Abschiedsbrief auf das Bett. Nahm meine
Tasche und schlich zur Garage, vorsichtig öffnete ich die Türe. Es
war niemand hier außer mir.
Ob sie es hören würden wenn ich das Rolltor aufmachte? Egal, darauf
konnte ich keine Rücksicht mehr nehmen, ich musste nur schneller
als sie sein.
Auf der Suche nach dem Schalter für das Rolltor, fiel mein Blick
auf den Schlüsselkasten. Der alle Schlüssel für die Autos
beinhaltete, und er war zum Glück nicht abgeschlossen.
Wahrscheinlich gingen sie davon aus, dass niemand einen Vampir
beklaute. Ich hoffte nur dass keiner der beiden Mr. Proper deswegen
Ärger bekam.
Vor Freude, das alles perfekt lief, fing ich zu hüpfen
an.
Alexanders BMW stand direkt am Rolltor, der würde mich gut und
sicher von hier wegbringen, bis ich auf ein Taxi umsteigen konnte.
Schließlich wollte ich ihm seinen Wagen nicht klauen, sondern nur
ausleihen.
Ich schnappte mir den Schlüssel, öffnete das Tor und saß dann auch
schon im BMW. Alles in diesem Auto roch nach Alexander. Rasch
drückte ich den Knopf um den Sitz weiter nach vorne fahren zu
lassen.
Der Motor heulte beim starten auf, meine Hände zitterten.
Rückwärtsgang, mein Herz schlug mir bis zum Hals.
„Bitte Gott, lass mich nur nirgends anfahren mit diesem Sauteueren
Auto.“
Geschafft. Schalter auf Drive, wieder heulte der Motor auf, ich gab
zu viel Gas. Verdammt er war mir abgestorben. Fieberhaft saugte
sich mein Blick in den Innenspiegel fest.
Hatte mich schon jemand bemerkt? Niemand lief auf den Wagen zu. Der
Motor summte, dieses Mal ging ich die Sache mit mehr Gefühl an. Die
Kraft des BMWs drückte mich, je mehr Gas ich gab, weiter in den
Sitz.
Ich musste Campbell River auf dem schnellsten Wege verlassen. Ich
musste von Vancouver Island runter. Mein Ziel war erst einmal der
Flughafen von Vancouver, dann würde ich schon sehen wohin der
nächste Flug ging.
Nur wo zum Teufel musste ich langfahren? Die Insel war groß und ich
hatte keinen Orientierungssinn, was eine schlechte Kombi war wenn
man vorhatte abzuhauen. Mit Helen würde ich Kontakt aufnehmen wenn
ich außer Landes war. Dieser Punkt stimmte mich noch trauriger,
denn jetzt konnte ich nicht mehr die Brautjungfer meiner Schwester
sein.
Der Highway nahm kein
Ende. Wo sollte ich nur den BMW abstellen, ohne dass Alexander ihn
in seine Einzelteile zerlegt wiederfindet? Nein, hier könnte ich
ihn überall abstellen, schließlich sind wir nicht in New
York.
Eine Abfahrt. Der BMW rollte gerade die Abfahrt hinaus als
plötzlich das Autotelefon zu klingeln begann. Vor Schreck verriss
ich das Lenkrad, mit den Reifen kam ich auf das Bankett. Ich
bremste, automatisch riss ich das Lenkrad wieder zur Straße hin.
Alles in diesem Auto fing zu piepsen an, dann war der Motor aus.
Ich trat nun die Bremse voll durch. Schwitzend und schnell atmend
stand ich nun halb in der Wiese und halb auf dem Seitenstreifen.
Das Telefon klingelte noch zweimal dann verstummte es.
Blödes Telefon. Nach und nach beruhigte sich mein Herzschlag
wieder. Noch immer starrte ich das Telefon an, sanft strich ich mit
den Fingern darüber.
„Alexander.“ Dieser Gedanke setzte ein warmes Gefühl in mir frei,
gleichzeitig schmerzte er auch. Alexanders Stimme wenigstens noch
einmal hören zu können, das wäre schön gewesen.
Nein. Heftig schüttelte ich meinen Kopf hin und her um diesen
Gedanken wieder zu verdrängen.
Alexander spürte immer
noch Chrisis Körper an sich, als sie ihn so unvorbereitet umarmt
hatte. Seine Gedanken kreisten nur noch um diesen Moment. Wie gerne
hätte er sie ebenfalls fest an sich gedrückt und sie verführt.
Schon lange sehnte Alexander sich nach diesen Moment, Chrisi zu
spüren, sie endlich lieben zu dürfen. Der Trubel um ihn herum riss
ihn wieder aus seinen Gedanken.
Im Club ging es hoch her, die VIP’s trödelten langsam ein und
versprühten ihren „Ach ich bin so wichtig“ Charme.
Der Club füllte sich mit hochangesehenen Menschen. So etwas konnte
sich ein Clubbesitzer nur wünschen und doch war da etwas was
Alexander störte. Noch konnte er noch nicht sagen was es war. Es
war ein Gefühl, eine Vorahnung könnte man sagen, von dem er aber
immer wieder durch Erledigungen abgelenkt wurde.
Alexander hatte für den Abend ein sehr gutes Security Team
eingestellt und musste sich wenigstens in Fragen Sicherheit um
nichts kümmern.
Jenny kam auf ihn zu, „na ist alles zu deiner
Zufriedenheit?“
Alexander lächelte sie an, „ja ich denke es läuft alles wie
geschmiert. Ich hoffe nur das von den VIP’s keiner rumzickt und mir
meinen Club auf den Kopf stellt.“
„Wenn das einer versucht, dann denke ich wissen wir uns schon zu
wehren“, lachte Jenny auf und strich Alexander am Arm
entlang.
Alexander wusste wie Jenny für ihn empfand, doch er konnte die
Gefühle nicht erwidern. Auch wenn es das Beste für ihn und für
Chrisi wäre, denn welche Zukunft hatten die beiden als Paar? Er war
ein Vampir und Chrisi ein Mensch, die sich mit großer
Wahrscheinlichkeit irgendwann einmal ein Kind wünscht, was
Alexander ihr nicht geben konnte. Sie konnte altern und irgendwann
sterben, er würde für immer so bleiben wie er eben war. Und der
Gedanke Chrisi zu verwandeln, ließ ihm immer einen kalten Schauer
über den Rücken laufen.
Warum war das Schicksal damals nur so grausam zu ihm
gewesen?
Alexander machte sich auf den Weg in das Lager um noch eine Kiste
Champagner zu holen. Als er die Kiste gerade hochheben wollte, fiel
es ihm wie Schuppen von den Augen. Das seltsame Gefühl in seiner
Magengegend konnte nur eines bedeuten. Alexander richtete sich auf,
jeder Muskel in seinem Körper war angespannt. Sein Blick richtete
sich auf die Verbindungstüre zur Wohnung.
„Chrisi was hast du getan?“ Sagte Alexander zu sich selbst und
machte sich mit Vampirgeschwindigkeit auf den Weg in die
Wohnung.
„Chrisi? Bist du da?“ Rief Alexander laut. Er wollte es nicht
glauben.
Sie war nirgends zu finden, nicht im Wohnzimmer, nicht in der
Küche. Was war mit dem Gästezimmer?
Ohne Anzuklopfen stürmte er in das Gästezimmer und sofort nahm er
Chrisis Duft wahr. Doch sie war dort nicht aufzufinden.
Alexanders Blick blieb auf dem Zettel, der auf dem Bett lag,
haften.
„Nein, nein! Bitte Gott lass es nicht das sein für das ich es
halte!“
Alexanders Hände zitterten als er den Brief nahm und ihn
las.
„Nein, nein, nein, nein, das kann doch nicht wahr sein. Warum
spricht sie nie vorher mit mir, bevor sie solchen Unsinn
macht?“
Vor Wut, schlug Alexander mit dem Fuß gegen das Bett. Das dadurch
einen halben Meter in die Höhe gehoben und das schwere Holz
beschädigt wurde.
Die Hoffnung keimte in Alexander auf, das Chrisi noch nicht weit
weg sein konnte. Eilig machte er sich auf den Weg zur Garage, in
der diese jäh zerschlagen wurde.
„Sie hat meinen BMW geklaut! Sie hat ihn sich einfach
genommen!“
Ihm war bewusst dass es ihm nicht um den Wagen ging, sondern darum
das sie somit die Möglichkeit hatte, heute Nacht noch die Insel zu
verlassen. Und das konnte er auf keinen Fall zulassen. Nicht so,
und nicht mit der Gefahr die hinter ihr her war.
Im Geiste konzentrierte sich Alexander nun voll und ganz auf Chrisi
und fand sie auch. Es ging ihr gut, das beruhigte ihn
etwas.
Das Autotelefon, vielleicht ging sie ja ran? Alexander zog sein
Mobilphon aus seiner Hosentasche und wählte in einer für Menschen
nicht sichtbaren Geschwindigkeit, die Nummer des Telefons in seinem
BMW.
Doch im gleichen Augenblick als es am anderen Ende zu klingeln
begann, zuckte Alexander vor Schreck zusammen. Er spürte ihre
Panik.
„ Verdammt er hatte
meinen Brief zu früh gefunden.“ Flüsterte ich vor mich hin. Ja so
fängt es an, mit Selbstgesprächen.
Ich musste weiter, doch beim Versuch das Auto zu starten, hörte ich
nicht das Summen sondern nur ein komisches Geräusch des Motors, was
nichts Gutes verheißen ließ. Warum wollte diese blöde Karre nicht
mehr anspringen? Mit den Händen schlug ich vor Wut auf das Lenkrad.
Als mein Blick auf die Tankanzeige traf, sie zeigte nichts mehr an.
Ich bin so bescheuert, wenn man schon einen Fluchtwagen klaut,
sollte man vorher sicher gehen dass der Tank voll ist.
Was sollte ich nun tun? Ich konnte weit und breit keine Lichter
einer Stadt oder eines Hauses entdecken. Wenn ich alleine durch die
Wildnis gehe, würde ich mit Sicherheit von dem nächstbesten Bären
gefressen.
Ein Taxi rufen. Wäre eine tolle Idee wenn ich nur wüsste wo ich
bin. Ich konnte dem Taxifahrer schlecht sagen das ich in der
Abfahrt nach Nirgendwo stand.
Mein Kopf fühlte sich schwer an, ich legte ihn auf das Lenkrad. Das
waren vermutlich die Nachwirkungen von gestern.
Jemand klopfte an die Scheibe der Fahrertür, vor Schreck blieb mir
fast das Herz stehen. Kreidebleich sah ich durch die Scheibe
hinaus. Von einer Taschenlampe wurde ich geblendet. Schützend hielt
ich meine Hand vor meine Augen.
„Hallo? Alles in Ordnung bei ihnen?“ Fragte eine männliche
Stimme.
Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Nur ein kleines Stück
lies ich die Scheibe runterfahren.
„Würden sie bitte ihre Taschenlampe in eine andere Richtung halten?
Sie blenden mich.“
„Oh ja, natürlich. Entschuldigung.“
Der Mann war nicht Alexander. Ich hatte sie aber schon
gehört.
Das Licht schwenkte weg. Meine Augen brauchten eine paar Sekunden
bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Zuerst sah ich ein freundliches Lächeln, dann den Sheriffhut und
darunter blitzten ein paar gefährliche Augen hervor. Über die auch
das Lächeln nicht hinwegtäuschen konnten.
„Ms Mc Kenzie was machen sie hier draußen? Ist ihr Wagen
stehengeblieben?“
Eiskalt lief es mir den Rücken runter. Was sollte ich machen? Er
war der Feind. Am besten ich tat so als ob ich nichts von der
Werwolf Sache wüsste.
„Ja, dummerweise habe ich vergessen zu tanken. Alexander hatte mir
noch gesagt dass der Tank fast leer ist. Sie haben nicht Zufällig
einen Kanister mit Benzin dabei?“
„Nein tut mir Leid, damit kann ich ihnen nicht dienen. Sind sie
alleine unterwegs Ms Mc Kenzie?“
In seiner Stimme lag etwas lauerndes, Thomson sah sich suchend
um.
„Nein, nein ich bin nicht alleine unterwegs Sheriff Thomson, mein
zukünftiger Schwager ist mit mir unterwegs. Er hat sich auf den Weg
zur nächsten Tankstelle gemacht, er müsste bald wieder da sein“,
bluffte ich.
„Wie lange ist er denn schon weg?“
Thomson war in eine duckende Stellung gegangen, sein Blick
durchbohrte die Dunkelheit.
„Ach ungefähr eine Stunde.“
Thomson fixierte nun mich, „sie sind alleine hier, nicht wahr Ms Mc
Kenzie?“
„Wie kommen sie darauf Sheriff?“
„Ich weiß das ihr zukünftiger Schwager immer noch in Campbell River
ist und sie von Anfang an alleine in dem Wagen von Roven
sind.“
Thomsons Lächeln war jetzt alles andere als freundlich. Meine Hand
wanderte zur Türverriegelung. Doch bevor ich sie erreichen konnte,
riss Thomson die Türe auf, packte mich am Kragen meiner Jacke,
löste den Sicherheitsgurt zog mich aus dem BMW und warf mich auf
den Boden.
Hart schlug ich auf, sofort dröhnte es in meinem Kopf wieder. Ich
hatte das Gefühl als müsste er gleich explodieren. Das letzte was
ich wahrnahm waren zwei glühende Augen und das Klingeln des
Autotelefons.
Ich saß im Wagen von Thomson als ich wieder zu mir kam. In einem
Höllentempo fuhr er einen Feldweg entlang. In meinem Kopf pochte es
wie verrückt, was durch die Schlaglöcher nicht leichter wurde. Wenn
das so weiter ging, dann war ich zu meinem dreißigsten Geburtstag
geisteskrank durch ständige Schläge auf den Kopf. Noch nie in
meinem Leben war ich in kurzer Zeit dermaßen oft Bewusstlos
gewesen. Wenn das keine Folgen für mein Gehirn nach sich zieht
würde es mich wundern. Ich versuchte mir an die pochende Stelle an
meinem Hinterkopf zu fassen, was aber durch Handschellen an meinen
Handgelenken erschwert wurde.
„Thomson was soll das? Wo bringen sie mich hin?“ schrie ich ihn
an.
„Aahh Ms Mc Kenzie, ich hoffe sie haben gut geschlafen?“ Sagte er
in einem spöttischen Ton.
„Warum haben sie mir Handschellen verpasst? Was werfen sie mir vor?
Fahren mit zu wenig Benzin im Tank?“
Thomson lachte lauthals auf, „Sie sind doch nicht verhaftet, dafür
gibt es doch keinen Grund. Es ist nur eine reine Vorsichtsmaßnahme,
damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Ehrlich gesagt, ich
hätte nie gedacht dass es so einfach werden würde. Christian wird
begeistert sein.“
Mir war klar was er mit einfach meinte, trotzdem stellte ich mich
dumm, vielleicht erfuhr ich ein paar Informationen die interessant
waren?
„Wer ist Christian? Was soll ich mit diesem Christian zu tun
haben?“ Das wusste ich nun wirklich nicht.
„Verdammt noch mal Thomson, nehmen sie mir sofort die Handschellen
ab.“
„Das sind die Nachteile wenn man Wiedergeboren ist“, spöttelte
Thomson. „Man weiß nichts mehr von dem vorherigen Leben. Na dann
will ich nicht so sein und ihnen bei einem Spaziergang ein wenig
auf die Sprünge helfen, bevor wir Christian treffen. Nicht das er
noch enttäuscht ist das sie sich nicht mehr an ihn
erinnern.“
Thomson parkte den Polizeiwagen im Wald der wie aus dem Nichts vor
uns auftauchte. Niemand würde ihn entdecken wenn er nicht wusste wo
er stand.
„Wo gehen wir hin Thomson?“
Ich wurde nervös. Ein Werwolf und ich in einem dunklen Wald, konnte
das gut für mich ausgehen? Ich denke nicht.
„Komm schon Rose, fang jetzt bloß nicht zu zicken an. Je schwerer
du es mir machst umso unschöner wird es für dich werden. Auch wenn
Christian dich lebend haben will, ein zwei kleine Wunden an dir,
das wird er mit Sicherheit verstehen wenn ich ihm sage das du
Schwierigkeiten gemacht hast.“
Das Grinsen was Thomson dabei im Gesicht hatte, bedeutete nur
dass er hoffte dass ich es ihm schwer mache. Doch den Gefallen
würde ich ihm nicht tun.
„Wer zum Teufel ist Rose?“ Lenkte ich ihn ab.
„Verdammt! Wir müssen
uns beeilen, einer dieser verdammten Werwölfe ist bei Chrisi! Sie
hat Angst und das mit Recht!“
Auch in Alexander begann sich Panik auszubreiten. Sollte Christian
dieses mal auch wieder seinen Willen bekommen? Nein das durfte
einfach nicht passieren! Das würde Alexander nicht
überleben.
Thomson zog mich an den
Handschellen haltend unsanft hinter sich durch den Wald her. Oft
stolperte ich und fiel hin. Thomson nahm darauf nur wenig
Rücksicht, was mich an meinem Traum erinnerte.
„Du hast ganz schön viele Fragen, hat dir dein Blutsauger nichts
erzählt?“
„Nein, er ist mir immer ausgewichen.“ antwortete ich
atemlos.
„Rose das bist du oder besser gesagt warst du, als wir uns zum
ersten Mal getroffen haben.
„In meinem anderen Leben?“ Unterbrach ich ihn.
„Ja. Christian wollte dich unbedingt als seine Frau, aber dafür
musste er erst Alexander, der bereits dein Verlobter war, vor
deinem Vater in Ungnade fallen lassen.“
„Alexander und ich waren verlobt?“
„Ja ihr beide ward ein Herz und eine Seele. Mir wurde immer
regelrecht schlecht davon wenn ich euch beide beobachten
musste.“
„ Wie hat Christian das gemacht, Alexander vor meinen Vater in
Ungnade fallen zu lassen?“
Keuchend versuchte ich mit Thomson Schritt zu halten.
„Christian kannte einen Vampir der ihm noch einen Gefallen schuldig
war. Der sollte Alexander bewusstlos schlagen und ihn dann mit ein
paar Frauen in sein Bett legen. Danach informierte der Vampir
deinen Vater über diese Schandtat. Alles klappte perfekt, bis auf
den Fehler, dass dieser Idiot von Vampir weibliche Vampire in
Alexanders Bett hatte hüpfen lassen. Die natürlich nichts Besseres
zu tun hatten als Alexander zu einem von ihnen zu machen. Das
erfuhr Christian aber erst, kurz nachdem er Alexander die Klippe
hinuntergestoßen hatte und du ihm auch noch nachgesprungen
warst.“
Wieder fiel ich hin. Meine Knie, Ellenbogen und Hände waren ganz
blutig. Kraftlos blieb ich am Boden sitzen. Die Kraft schien mit
dem Blut aus mir herauszulaufen.
„Bitte, können wir eine kleine Pause machen? Ich kann nicht
mehr.“
Ein Mitleidiger Blick traf mich, „gut, fünf Minuten.“
Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen einen Baum.
„O.k. , das erklärt warum Alexander noch lebt, aber warum leben sie
noch? Warum dieser Christian?“ Fragte ich weiter.
Collins hatte ich bewusst nicht erwähnt.
„Wir sind Werwölfe, darum leben wir wie Vampire ewig.“
Bei dieser Antwort beobachtete mich Thomson ganz genau. Ich tat ihm
den Gefallen und setzte einen geschockten Ausdruck auf mein Gesicht
auf.
Was Thomson wohlwollend wahr nahm.
„Christian ist unser Boss, er ist das Alphatier. Ich und Collins
sind von ihm erschaffen worden.“
„Collins?“ tat ich überrascht.
Thomson zog mich mit Leichtigkeit auf die Füße. „Weiter geht’s. Als
ich dich zum ersten Mal sah, war ich sehr überrascht. Du siehst
genauso aus wie damals. Collins und ich beseitigten den alten
Direktor Link, damit Collins an seine Stelle treten und dich besser
beobachten konnte. Eines kann ich dir sagen Link war schon ganz
schön zäh, er schmeckte als wäre er bereits hundert Jahre alt
gewesen.“
Angewidert hielt ich kurz die Luft an. Übelkeit stieg in mir hoch.
Sie hatten Direktor Link gefressen. Der arme Mann. Ob mir das
gleiche Schicksal bevorstand?
„Dann tauchte ständig dieser blöde Blutsauger auf und beschützte
dich. Somit hat er ganz schön unseren Plan durchkreuzt. Irgendwie
wusste er immer wann du in Gefahr warst, es war als ob ihn ein Band
mir dir verbinden würde. Aber durch dich ist alles doch noch mal
gut gegangen.“ Lachte Thomson.
Plötzlich spürte ich wie es in meiner Herzgegend warm wurde,
Alexander musste in der Nähe sein. Wie hatte er mich nur so schnell
aufgespürt? Panik stieg in mir auf.
Nein, das durfte nicht sein, warum ist er nicht zu Hause geblieben
und ist mit Jenny glücklich geworden? Er durfte nicht wegen mir
verletzt werden.
Was sollte ich nur tun?
Da wurde es mir klar! Wie schaffte man es wohl einen Werwolf
richtig wütend zu machen, dass er die Beherrschung verliert? Wenn
er mich tötete dann gab es für Alexander keinen Grund mehr sich in
Gefahr zu bringen!
Schwer atmend ließ ich mich auf den Boden fallen. Sofort kroch mir
die Kälte aus dem Boden durch die Hose in Richtung
Oberkörper, was mir eine Gänsehaut bescherte.
„Wie weit ist es noch? Mir tut alles weh, ich kann nicht mehr
weiter gehen.“ Jammerte ich in einem nervenaufreibend hohen
Ton.
„Was soll das werden? Willst du einen Sitzstreik veranstalten?“
Fragte Thomson genervt. „Es ist nicht mehr weit, komm schon. Ich
frage mich wirklich was Christian und Alexander an dir
finden?“
Mein Versuch mich extra schwer zu machen fiel ziemlich kläglich
aus, er zog mich ohne den geringsten Anschein von Anstrengung
wieder hoch. Thomson war zu stark. Werwölfe verspürten doch wohl
auch schmerzen?
Ich stolperte gekünstelt und lag der Länge nach auf dem Boden, was
ihn zunehmend mehr nervte.
„Aua, mein Fuß, ich glaube ich habe mir den Fuß verstaucht“, schrie
ich auf.
Schnell setzte ich mich auf meinen Hosenboden und drehte mich mit
meinen Beinen in Richtung Thomson.
Thomson kam näher, er ging in die Hocke und bevor er meinen Fuß in
die Hand nehmen konnte, ließ ich mich nach hinten fallen um mehr
Schwung zu holen und rammte Thomson meine Füße in sein blödes
Gesicht. Ich dachte sogar etwas knacken gehört zu haben, was bei
mir einen inneren Jubel auslöste.
Thomson flog schreiend vor Schmerzen nach hinten, seine Hände vor
das Gesicht haltend.
Wie ein Blitz sprang ich auf die Beine und rannte los. Die Wärme in
mir nahm zu, Alexander musste schon näher sein als mir lieb war.
Ich musste die Laufrichtung ändern, Alexander durfte mich nicht
finden.
Meine Beine fühlten sich schwer an, ich mobilisierte meine letzten
Kraftreserven um schnell genug von Alexander wegzukommen und mit
mir Thomson.
Hinter mir hörte ich Thomson laut fluchen, doch noch war er da wo
ich ihn zu Boden geschickt hatte. Ein Gefühl der Hoffnung keimte in
mir auf. Vielleicht schaffte ich es doch noch Thomson zu entkommen
und aus Alexanders Leben zu verschwinden, ohne dass jemand dabei
verletzt wurde?
Die Hoffnung starb so schnell wie sie gekommen war. Hinter mir
hörte ich etwas großes schweres, vor Wut knurrend, schnell auf mich
zukommen.
Das war es also, ich sollte von einem Werwolf zerfleischt werden.
In meinen schlimmsten Albträumen hatte ich mir meinen Tod nicht so
vorgestellt. Wenigstens habe ich bis zum Schluss gekämpft und würde
in Würde sterben.
Ich blieb stehen und drehte mich zu der Abscheulichkeit um, die
sich Werwolf schimpfte. Doch als ich die riesige Bestie mit den
gelben Augen auf mich zukommen sah, machte ich unweigerlich ein
paar Schritte zurück, bis ich von einem Baum der sich mir in
den Weg stellte, gestoppt wurde.
Tief und hart gruben sich die Pranken in den Boden. Vor Wut
blitzten mich die gelben Augen an. Gleich würde es wehtun. Weit
riss ich meine Augen auf. Thomson setzte zum Sprung an. Ich konnte
seinen schlechten Atem bereits riechen.
Als plötzlich Thomson ohne einen für mich ersichtlichen Grund, von
mir weg gegen einen Baum geschleudert wurde, der bedrohlich zu
schwanken begann.
Thomson heulte laut auf als er hart auf den Boden
aufschlug.
Ich begriff nicht was da gerade passiert war, ich wusste nur eines,
ich lebte noch und so sollte es doch verdammt noch mal nicht
sein.
Winselnd versuchte Thomson sich in die Höhe zu stemmen. Erst jetzt
entdeckte ich die drei Gestalten die in gebeugter Haltung auf
Thomson zu schlichen.
Mein Blut gefror als ich erkannte wer die Gestalten waren, Paul,
Patrick und …… Alexander.
„Nein“ , hauchte ich, „so war das nicht geplant.“
Ich musste es verhindern dass auch nur einer von den dreien
verletzt wird. Doch als ich loslaufen wollte um mich zwischen den
Wolf und die drei zu stellen, wurde ich sanft aber bestimmt von
etwas zurückgehalten. Verwirrt blieb ich zur Salzsäule erstarrt
stehen. Jenny stand neben mir, ich hatte sie gar nicht bemerkt. Wie
konnte Alexander sie nur mitnehmen und riskieren das sie verletzt
wurde?
„Bleib hier Chrisi, es ist alles in Ordnung. Die drei schaffen es
auch ohne dich mit dem Werwolf fertig zu werden. Du würdest
Alexander nur in Gefahr bringen wenn du eingreifst. Er würde alles
dafür tun was nötig ist, damit dir nichts passiert!
„Das soll er doch gar nicht machen. Alexander soll nur glücklich
werden und nicht wegen mir verletzt oder sogar getötet werden. Ich
sollte diejenige sein die stirbt! Dann könnte er in Ruhe sein Leben
weiter leben, warum seid ihr nur hier her gekommen?“ Sagte ich
Traurig.
Jenny lockerte ihren Griff ein wenig, aber sie löste ihn nicht
ganz. Sie traute dem Frieden offensichtlich noch nicht.
„Alexander ist nur dann glücklich wenn es dir gut geht und er bei
dir sein kann. Nicht wenn du vor seinen Augen getötet
wirst.“
„Das zeigt er aber dann auf eine komische Art und Weise.“ Rutschte
es aus mir heraus. Worauf Jenny mich irritiert ansah aber nicht
darauf einging.
Thomson hatte sich zu seiner vollen Größe aufgerappelt. Abwechselnd
fixierte er die drei Vampire die ihn umzingelt hatten.
Thomson fletschte knurrend die Zähne, sein Körper zitterte vor
Anspannung. Es war ein unheimlicher Anblick.
Urplötzlich sprang Thomson auf Alexander zu, ich unterdrückte einen
Aufschrei. Ich musste mich von dem Geschehen abwenden und drückte
mein Gesicht an Jennys Schulter.
Mir war als wäre hinter mir die Hölle ausgebrochen, laute
Kampfgeräusche drangen an mein Ohr. Ein Knacken, reißen und winseln
hallte in den Wald. Das letzte was Thomson von sich gab war ein
röchelndes Winseln, dann herrschte Totenstille.
Ich war nicht dazu fähig mich zu bewegen, meine Hände umschlossen
krampfhaft Jennys rechten Oberarm, was mir erst bewusst wurde als
zwei Hände sie sanft von Jenny lösten.
„Es ist vorbei Chrisi“, hörte ich Alexanders besorgte Stimme.
„Thomson kann dir nichts mehr antun.“
Vorsichtig drehte Alexander mich zu sich um, hob mich hoch und trug
mich aus dem Wald. Fest drückte ich mein Gesicht an seine Schulter,
er sollte nicht sehen dass ich schon wieder heulte. Die Anspannung
die von mir abgefallen war, war einfach zu mächtig
gewesen.
„Warum hast du mich gesucht und dich dadurch in Gefahr gebracht?
Ich habe dir doch geschrieben du sollst mit Jenny glücklich
werden!“
Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen wie Jenny einen kurzen Blick
zu uns rüber warf, aber sofort verschämt wieder weg sah und schnell
vorauseilte.
„Chrisi, Jenny ist wie eine Tochter für mich. Und du,……… und du
bist eben sehr viel mehr für mich und ich könnte ohne dich nicht
mehr weiter existieren. Ich habe es schon einmal durchgemacht dich
zu verlieren, ich will es kein zweites Mal durchmachen
müssen.“
„Aber du bist ein Vampir und ich ein Mensch, wie willst du das
verhindern?“
„Das wird die Zeit zeigen.“
Beim Polizeiwagen öffnete Jenny die Handschellen, die ebenfalls
schmerzhafte Spuren an meinen Handgelenken hinterlassen
hatten.
Alexander versteifte sich beim Anblick meiner zerschundenen und
wunden Arme und Beine.
Natürlich lag ich wie ein kaltes Buffet auf seinen Armen mit meinen
offenen Hautstellen, die teilweise immer noch bluteten. Da musste
es ihm schwer fallen nicht davon zu kosten.
Mit meinen Ärmeln wischte ich die Tränen weg.
„Alexander du kannst mich runter lassen, bis zum Auto schaffe ich
es alleine“, sagte ich selbstbewusst.
Der Porsche stand keine fünfzig Meter vom Waldrand entfernt und zu
meiner Überraschung stand der BMW gleich dahinter.
„Das schaffe ich!“ Redete ich mir leise ein. Meine Beine fühlten
sich an als ob sie mit Luft gefüllt worden wären. Etwas wackelig
und mit einem steif wirkenden Gang marschierte ich los. Ich kam mir
vor wie eine Ente die gerade das Gehen gelernt hatte.
Alexander blieb dicht an meiner Seite, seinen Arm um meine Hüfte
gelegt. Ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu.
„Sicher ist sicher“, flüsterte er mir mit einem verführerischen
Lächeln zu, was meine Knie noch weicher werden ließ.
„Das ist nicht sehr hilfreich“, sagte ich trotzig.
„Was? Ich umarme dich nur, ich bin eben gerne in deiner
Nähe.“
„Ich meine nicht die Umarmung!“
Alexander stutzte kurz, „was dann?“
„Das bleibt mein Geheimnis!“
Heimlich warf ich Jenny einen Blick zu. Sie starrte zu Boden,
leider konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, der Tag
nahm erst an Helligkeit zu. War wirklich schon so viel Zeit
vergangen?
Paul und Patrick die noch ganz euphorisch von dem Kampf waren,
blieben bei dem Polizeiwagen um Spuren und Fingerabdrücke zu
entfernen.
Jenny fuhr mit dem Porsche davon. Alexander verfrachtete mich auf
die sanfte Art und Weise in den BMW. Mit hochrotem Kopf saß ich auf
der Beifahrerseite.
Alexander beugte sich mit dem Gurt in der Hand über mich, „soll ich
dir beim anschnallen helfen Chrisi?“ Mit einem zuckersüßen Lächeln
im Gesicht und den Schalk in seinen Augen sah er mich an.
„Aber weist du was? Du kennst dich ja bestens mit meinem Auto aus,
ich bin mir sicher du schaffst das auch alleine.“ Sagte er
neckend und drückte mir den Gurt in die Hand. Schloss die
Beifahrertüre und stieg auf der Fahrerseite, ohne mich eines
Blickes zu würdigen ein. Nur ein dickes fettes Grinsen war in
seinem Gesicht wie eingemeißelt.
Die Fahrt zurück zu
Alexanders Wohnung hatten wir stillschweigend hinter uns gebracht.
Ich lag frisch geduscht und hundemüde im Gästezimmer auf dem
Bett.
Meine Wunden waren von Jenny gereinigt und verbunden worden. Auf
meinen Ellenbogen und Knien hatten riesige Flecken Pflaster ihren
Platz gefunden. Mein ganzer Körper schmerzte. Ich schaffte es nicht
mehr als nur meinen Slip anzuziehen, alles was einer höheren
Armbewegung bedurfte war tabu. Selbst die Bettdecke war zu schwer
gewesen, darum lag ich auf ihr statt darunter. Mich fröstelte.
Meine Lider wurden immer schwerer.
Ein sich wiederholendes klopfen holte mich aus dem Schlaf zurück.
Wie spät war es wohl schon? Schlaftrunken suchte ich nach dem Grund
des Klopfens, was sich nun fordernder anhörte. Das Geräusch kam
eindeutig von der Türe.
„Wer ist da?“ Fragte ich genervt.
„Chrisi ich bin es Alexander, kann ich rein kommen?“
„Wie Spät ist es?“
„Drei Uhr nachmittags.“
„Oh.“ Hatte ich wirklich schon so lange geschlafen? „Komm rein“,
sagte ich ohne weiter darüber nachzudenken in was für eine Lage
mich diese Aufforderung bringen würde.
Alexander kam herein und blieb wie angewurzelt stehen. Angenehm
Überrascht starrte er mich für einen kurzen Moment an, und drehte
sich dann aber anständigerweise um.
Da erst wurde mir bewusst dass ich außer einem Slip nichts anhatte.
Vor Schreck hielt ich einen Arm vor meine Brust und mit der anderen
versuchte ich mir die Bettdecke überzuziehen. Was nicht klappte, da
ich ja auf ihr drauf lag. Ich lehnte mich weit zur Bettkante hin um
die Bettdecke unter mir hervorzuziehen. Was zur Folge hatte das ich
mein Gleichgewicht verlor und schreiend aus dem Bett fiel. Unsanft
schlug ich auf dem Boden auf, was mein sowieso schmerzender Körper
mir übel nahm. Zum Glück war hier ein dicker Teppich verlegt
worden, ich wollte mir gar nicht vorstellen was das für Schmerzen
gewesen wären, wäre hier ein Parkettboden gewesen.
„Aua, aua“, sagte ich gequält.
Aus den Augenwinkel erspähte ich das Alexander auf mich zukam,
„Chrisi hast du dich verletzt?“ Fragte er besorgt.
„Stopp, bleib wo du bist Alexander Roven und dreh dich gefälligst
wieder um.“
Nur wiederwillig drehte Alexander sich weg. Hastig nahm ich mir das
nächstbeste Oberteil und zog es unter Schmerzen in den Schultern
über. Mit einem raschen Blick kontrollierte ich dass bei mir
nirgendwo mehr was rausschaute, was vor der Öffentlichkeit
verborgen bleiben sollte. Rasch verzog ich mich unter die
Bettdecke, nur noch mein hochroter Kopf war zu sehen.
„Du kannst dich umdrehen.“
Verlegen zeichnete Alexander ein imaginäres Muster mit seinem Fuß
in den Teppich.
„Es tut mir leid, ich wollte nur sicher gehen das es dir gut geht,
oder ob du wieder mit meinem Wagen durchgebrannt bist?“ Krampfhaft
versuchte Alexander einen Lachanfall zu unterdrücken.
„Nein ich bin nicht durchgebrannt, ich habe nur noch geschlafen“,
antwortete ich trotzig.
„Gibt es sonst noch etwas, was du auf dem Herzen hast? Oder war das
ganze eben nur ein Kontrollbesuch von dir?“
Für einen Moment sah Alexander verletzt aus, doch gleich hatte er
wieder seine Gesichtsentgleisung unter Kontrolle.
„Ich wollte nur nach dir sehen, und fragen ob du was brauchst.
Vielleicht willst du auch über etwas Bestimmtes mit mir
reden?“
Alexander kam zum Bett und setzte sich auf dessen Fußende. Seine
linke Hand fand dabei wie Zufällig ihren Platz auf meinem Bein. Was
in mir ein supertolles Gefühlscaos auslöste. Verdammt ich hatte nur
ein Höschen an das gleich ausgezogen war wenn es dazu kommen
sollte, gab es etwas Schöneres?
Nein Chrisi konzentriere dich, endlich will er mit dir reden. Rügte
ich mich selbst in Gedanken.
„Über was willst du mit mir reden Alexander? Das du nicht auf mich
gehört hast und dich meinetwegen in Gefahr gebracht hast? Auch wenn
du ein Vampir bist, was mir übrigens egal ist, denke ich dass du
nicht unverwundbar bist. Oder willst du darüber reden das auch
Thomson ein Werwolf war und mich entführt hat?“
Ruckartig zog Alexander seine Hand zurück und stand auf.
„Willst du wirklich dass ich dir fern bleibe Chrisi? Ich könnte das
verstehen.“
Mein kurzes Zögern auf seine Frage, beantwortete Alexander für sich
mit ja. Plötzlich wich die Traurigkeit einer Wut.
„Wenn es das ist was du willst, dann sollst du deine Ruhe vor mir
haben. Stimmt es eigentlich das du mich liebst, wie du in deinem
Brief geschrieben hast? Weißt du, auch wenn ich ein Vampir bin,
kann ich lieben und dich liebe ich seit ich dich das erste Mal als
Rose kennengelernt habe.“
Mir tat es in der Brust weh Alexander so zu sehen. Ich wollte ihn
trösten, ihn küssen, ihn fest in meinen Armen halten. Ich musste
ihm meine Reaktion erklären.
„Alexander, lass es mich dir doch erst erklären, bevor du aus der
Haut fährst!“
Böse funkelte er mich an, „was soll es da noch zu erklären
geben?“
Alexander drehte sich um und ging zur Türe. Doch bevor er sie
öffnen konnte, war ich schon aus dem Bett gesprungen und hielt ihn
an seinem Arm fest.
„Alexander bitte, lass uns vernünftig miteinander reden!“ Flehend
sah ich ihn an.
Mit der freien Hand fuhr er sich durch sein Haar, schwer atmete er
aus. Ich hatte mein Ziel erreicht. Meine Hand wanderte von seinem
Arm in seine Hand, ich zog ihn zurück auf das Fußende des
Bettes.
Tief sah ich ihm in die Augen, „Alles was ich in meinen
Abschiedsbrief geschrieben habe, war mein voller ernst. Egal ob du
ein Vampir, ein Gnom oder sonst irgendein Fabelwesen
bist.“
„Aber?“ Fragte er misstrauisch nach.
Mein Blick fiel auf seine Hand die immer noch in meiner lag.
Liebevoll fing ich an mit seinen Fingern zu spielen.“
„Aber ich könnte nicht damit leben wenn dir wegen mir etwas
zustoßen würde. Wenn sich alles wiederholen würde und Christian
dich dieses Mal wirklich töten würde. Das schlimmste für mich ist
das Christian in der Nähe ist und jederzeit über mich an dich ran
kann!“
In Alexanders Gesicht fand plötzlich ein Wechselbad der Gefühle,
von Überraschung zu Besorgnis und Wut statt.
Letztendlich siegte die Wut. Rasend vor Wut sprang Alexander
knurrend auf.
„Christian? Christian ist in der Stadt? Hat dir das Thomson
erzählt?“
Erschrocken wich ich zurück, an dieses knurren musste ich mich wohl
erst noch gewöhnen.
„Thomson wollte mich gerade zu ihm bringen, als ich merkte das du
in der Nähe warst und ich daraufhin einen Fluchtversuch
startete.“
„Moment mal, was meinst du damit, als du gemerkt hast das ich in
deiner Nähe war?“
Die Wut war wie weggeblasen.
Mist, warum konnte ich nie meine Klappe halten? Ich und meine große
Klappe gehörten sicher irgendwo eingesperrt, wo sie keinen Schaden
anrichten konnten.
Jetzt war es die Bettdecke mit der ich verlegen rumspielte.
Tunlichst vermied ich es Alexander anzusehen.
„Können wir nicht später weiterreden? Ich habe einen Bärenhunger.“
Versuchte ich das Thema zu wechseln.
Demonstrativ stand ich auf zog meine Jeanshose an und ging zur
Zimmertüre.
Dieses Mal war es Alexander der mich daran hinderte die Türe zu
öffnen. Seine Hand legte sich auf meine, und zog sie von der
Türklinke weg und drehte mich zu sich um. Mit seiner Hüfte presste
er mich sanft gegen die Türe.
Lauernd fixierte er mich. Mein Atem ging plötzlich schneller.
Zwischen meinen Schenkeln pulsierte die Erregung. Sein Duft, seine
Nähe. Sein Mund näherte sich meinem Nacken, ich drängte mich ihm
mit meinem Unterleib entgegen. Laut seufzte ich auf. Seine
kühlen Küsse auf meinem Nacken liesen meinen Puls auf das dreifache
ansteigen.
„Chrisi“, hauchte Alexander mir ins Ohr, „ich bin ein Vampir, ich
höre nicht nur wann du erregt bist an deinem Herzschlag,
sondern auch wann du mir ausweichst oder mich belügst. Und wenn du
mir nicht sofort meine Frage beantwortest, dann muss ich dich
leider beißen und dein Blut aussaugen.“ Als optische Unterstützung
zog er seine Oberlippe etwas zurück, so dass seine perfekt weißen
Zähne zum Vorschein kamen, dabei knurrte leise.
Statt Angst rieselte mir ein Schauer der Lust an mir
herab.
„Lass dich nicht davon abhalten, ich gehöre voll und ganz dir. Die
Antwort auf deine Frage bekommst du erst später.“, hauchte
ich.
Das sexuelle Verlangen nach ihm, stieg von Sekunde zu Sekunde ins
unermessliche.
Alexander drängte sich fordernd mit seinem steifen Glied mir
entgegen. In Zeitlupe schob er mein Shirt hoch, kniete sich hin und
überschüttete meinen Körper mit Küssen.
„Bitte, bitte erzähl es mir“, hauchte Alexander mit seiner
verführerischen Stimme, dabei küsste er mich auf meinen Venushügel,
was einen Lustschauer nach dem anderen in mir aufwallen
ließ.
Ich stöhnte lustvoll auf. Mein Körper bebte, so sehr wollte ich
Alexander haben, ihn spüren. Die Schmerzen meines Körpers waren wie
weggeblasen.
„Nicht jetzt Alexander, später.“
„O.k. du wolltest es nicht anders, dann muss ich eben tun was ich
tun muss.“
Bestimmt löste sich Alexander von mir und stand auf.
„Alexander was soll das, du kannst doch nicht…. .“ Verwirrt starrte
ich ihn an.
„Nun ja, du willst es mir nicht sagen, dann gibt es eben auch
keinen Sex. Und glaub mir, der Sex mit einem Vampir ist der reine
Wahnsinn. Ich für meinen Teil gehe kalt duschen, was du übrigens
auch machen solltest.“
Wie eine Puppe schob er mich auf die Seite, und war auch schon
verschwunden.
Ich konnte nicht fassen was da soeben passiert war. Laut fing ich
zu schreien an, „Alexander du verdammter Mistkerl, ich brauche
keine kalte Dusche!“
Dann soll er eben bleiben wo der Pfeffer wächst. Diese gemeine
Aktion würde er mir noch büßen.
Die ganze Woche über
behandelte ich Alexander wie Luft. Ich sprach nur mit Helen die
mich täglich anrief um sich nach dem Haus zu erkundigen und die ich
nur mit viel Überredungskunst dazu brachte von unserem Haus fern zu
bleiben. Natürlich erzählte ich ihr nichts von meinem Abenteuer mit
dem Werwolf.
Nur über Jenny kommunizierte ich mit Alexander. Auch hatte ich viel
Spaß mit Paul und Patrick, was Alexander offensichtlich nicht recht
war, trotz seiner Bemühungen dies zu verbergen.
Von Seiten Christians war nichts mehr unternommen worden. Was in
mir die Hoffnung auflodern lies dass der Tod von Thomson ihn
verjagt haben könnte.
Alexander hatte mir ein Ausgangsverbot aufgebrummt, an das ich mich
nur schwer halten konnte und langsam aber sicher fiel mir die Decke
auf den Kopf, ich musste hier unbedingt raus.
Heute war Samstag und an diesen Tagen war im Tanzclub die Hölle
los, das immer so, und ich würde mit dabei sein, komme was
wolle.
Eine Diskussion die Alexander mit mir über meinen Plan auszugehen
führte, war gleich beiseite geschafft, da ich ihm alle Antworten
über Jenny übermittelte, die aber bald genervt von uns beiden das
Weite suchte.
Kochend vor Wut schrie Alexander, „mach was du willst.“ Dann
verschwand er in den Tanzclub. Natürlich war mir bewusst dass wir
uns wie kleine Kindergartenkinder benahmen. Aber Frau musste sich
ja nicht alles gefallen lassen, auch nicht von einem
Vampir.
Punkt zehn Uhr abends traf ich mich mit Helen vor dem Tanzclub. Ich
wollte den Tanzclub als offiziell zahlender Gast
betreten.
Paul und Patrick kriegten sich vor Lachen nicht mehr ein. Alexander
dagegen stand an der Garderobe und funkelte mich böse an. Ich tat
als ob ich ihn gar nicht bemerken würde und ging an ihm vorbei zur
Garderobe des Clubs. Helen gab ihre Jacke ab, was mir die
Gelegenheit gab noch einen passenden Spruch los zu werden, den
Alexander nicht überhören konnte und auch nicht würde.
„Helen ich bin heute richtig gut drauf. Hoffentlich sind auch viele
gutaussehende Männer zum Flirten da, ich bin ganz heiß darauf. Ich
bin ja nun schon lange genug Single gewesen, das wollen wir heute
auf alle Fälle ändern.“
Helen grinste und spielte mein Spiel sofort mit, „Ich werde mein
Bestes geben, damit ich dich heute Abend unter die Haube bekomme.
Schließlich sollst du auf meiner Hochzeit nicht ohne Begleitung
auftauchen müssen.“
Also wenn ein Vampir vor Wut rot anlaufen könnte, dann wäre es bei
Alexander genau dieser Zeitpunkt gewesen.
Innerlich jubelte ich über diesen Sieg auf, mit hocherhobenem Kopf
stolzierte ich an ihm vorbei. Das war eindeutig ein Punkt für mich
gewesen.
Der Tanzclub füllte sich stetig mit Gästen. Helen und ich hatten
uns den besten Platz, mit dem besten Überblick
geschnappt.
Helen stupste mich in die Seite, „willst du wirklich so weit gehen
und in seinem Club mit anderen Männern flirten?“
„Alexander hat es nicht anders verdient, niemand geht mit mir um
wie mit einer Prostituierten.“ Antwortete ich trotzig.
Helen seufzte, „o.k. ich hoffe nur du weist was du tust. Ich für
meinen Teil bin der Ansicht dass du ihn schon genug bestraft hast.
Er liebt dich Chrisi, das merkt man schon an seiner Reaktion. Mach
es nicht kaputt, du liebst ihn doch auch!“
Ob Helen ihn immer noch verteidigen würde wenn sie wüsste dass
Alexander ein Vampir ist? Doch ich verkniff es mir, ihr das zu
sagen.
Nachdenklich betrachtete ich die Tanzenden Menschenmenge auf der
Tanzfläche die beträchtlich zugenommen hatte.
„Ja ich liebe ihn, sogar mehr als mir lieb ist. Aber Strafe muss
sein, er soll wissen dass er nicht mit mir spielen kann, wie er
gerade Lust dazu hat. Ich geh eine Runde Tanzen kommst du
mit?“
Helen schüttelte resignierend den Kopf, was sich auf meine
Trotzreaktion bezog. Sie ging an mir vorbei, nahm meine Hand und
zog mich mit sich auf die Tanzfläche.
Während ich tanzte schaute ich mich suchend um. Einerseits um
jemanden zum flirten zu finden, andererseits um vielleicht
Alexander zu entdecken. Den ich auch prompt auf der Anhöhe
beim DJ stehen sah. Alexander fixierte mich, er sah immer noch sehr
wütend aus. Ein Hauch von schlechtem Gewissen machte sich in mir
bemerkbar. Aber wie gesagt, es war nur ein Hauch.
Als ich mich in eine andere Richtung drehte, bemerkte ich noch dass
sich Alexanders Gesicht noch mehr verfinsterte, falls das überhaupt
noch möglich war. Und den Grund erfuhr ich prompt, als mir jemand
auf die Schulter tippte. Ich rechnete mit Helen, die mir was
zeigen oder sagen wollte, doch zu meiner Überraschung stand Tom in
voller Lebensgröße vor mir.
„Hallo Chrisi,“ versuchte er die Musik zu übertönen.
Ich machte einen Schritt auf Tom zu und stellte mich auf die
Zehenspitzen um nicht genauso laut brüllen zu müssen. Dabei stützte
ich mich mit meinen Händen an Tom ab.
„Hallo Tom, wie geht’s dir?“
Ein trauriger Ausdruck huschte über sein Gesicht, aber nur einen
Augenblick lang.
„Es ist alles soweit o.k. bei mir. Wo ist Alexander? Seid ihr noch
zusammen?“
Ein Hauch von Hoffnung schwang in dieser Frage mit.
Die Tanzfläche war kein guter Ort um Gespräche zu führen. Ich
deutete Tom das er mir folgen soll. Es war schön ihn wiederzusehen,
das musste ich mir eingestehen. Helen blieb auf der Tanzfläche
zurück, mit einem sehr besorgten Gesichtsausdruck, der „mach das
nicht“ aussagte.
Tom besorgte für uns beide noch etwas zu trinken.
„Ich hoffe du trinkst immer noch gerne einen Malibu
Kirsch?“
„Ja natürlich“, antwortete ich.
„Und? Seid ihr noch ein Paar?“
Tom war eindeutig ein Mensch der gerade heraus war und das schätzte
ich an ihm.
Ich schüttelte den Kopf. „Roven und ich, wir waren noch nie ein
Paar. Wir streiten zu viel.“
Toms Augen fingen vor Glück zu leuchten an. Unbewusst kam er ganz
nah an mich ran, so das wir uns immer wieder wie zufällig
berührten.
In mir stieg die Befürchtung dass ich Tom mit dieser Antwort ein
falsches Signal gesendet hatte auf, aber nun war es zu spät, die
Frucht war gesät.
Helen kam von der Tanzfläche zurück. Warnend sah sie mich an, ging
an mir vorbei und sagte mir in mein Ohr, „Alexander kommt und er
sieht nicht glücklich aus.“ Dann drückte sie sich zwischen mich und
Tom, was Tom offensichtlich nicht gefiel. Helen lächelte Tom mit
ihrem unschuldigsten Lächeln an, dem er nichts entgegenbringen
konnte.
Dann stand Alexander auch schon an unserem Tisch. Alexander
lächelte, aber seine Augen die wieder dieses helle blau in sich
hatten, sprühten funken vor Zorn. Ich konnte ihm ansehen, dass es
ihm sehr schwer fiel sich zu beherrschen.
„Hallo Tom.“ In seiner Stimme lag ein warnender Unterton.
Tom nickte verunsichert zu Alexander.
„Alexander kann ich dir irgendwie behilflich sein?“ Fragte ich
übertrieben höflich.
Alexanders Hände waren zu Fäusten geballt. Kurz schloss er seine
Augen, atmete tief durch und versuchte sich unter Kontrolle zu
halten.
Sein Blick bohrte sich förmlich in den meinen, ich sah darin eine
Mischung aus Verzweiflung und unaussprechlicher Wut.
„Chrisi bitte, lass uns miteinander reden, ich werde sonst noch
wahnsinnig.“ Alexander versuchte nach meiner Hand zu fassen, die
ich ihm so unauffällig wie möglich wieder entzog.
„Chrisi, bitte!“
„Nein zum Teufel, was gibt dir das Recht dass von mir zu verlangen?
Zuerst behandelst du mich wie ein dummes Flittchen und dann soll
ich eines auf Friede, Freude, Eierkuchen machen? Vergiss
es!“
„Ich weiß dass ich einen Fehler gemacht habe, darum bitte ich dich
noch einmal, lass uns über alles reden! Und tu mir den Gefallen,
schick Tom weg, ich will ihn nicht verletzen oder etwas Schlimmeres
antun.“
„Das ist ja die Höhe, jetzt drohst du schon meinen Freunden? Tom
bleibt hier, er gibt mir wenigstens das Gefühl das er mich liebt,
mich begehrt und respektiert. Geh weg Alexander, lass mich alleine
du verdirbst mir gerade den Abend!“
Alexanders Körper bebte unmerklich, nur ich bemerkte es, da ich
nahe genug bei ihm stand. Plötzlich standen Paul und Patrick hinter
Alexander, Paul legte seine Hand auf die Schulter von
Alexander.
War ich zu weit gegangen?
Alexander schüttelte den Kopf und sagte etwas was nicht mal ich bei
der lauten Musik verstanden hatte, doch Paul nahm seine Hand wieder
weg.
„Wenn Tom dich anfasst, ist er ein toter Mann“, presste er zwischen
den Lippen vor. „Ich liebe dich und ich habe lange darauf warten
müssen um dich wieder zu finden. Ich werde es nicht zulassen dass
du mir wieder weggenommen wirst. Egal von wem. Jeder der das
versuchen sollte, stirbt!“
Alexander wandte sich Tom zu, „ und du, lass deine Finger von ihr!
Verstanden?“
Tom wusste nicht wie ihm geschah, hob hilflos beide Hände hoch und
wusste nicht was er sagen sollte.
Alexander drehte sich um und verschwand in der Menge.
Was hatte er da gerade gesagt? Er würde jeden töten der versucht
mich ihm wegzunehmen? O.k. er war ein Vampir, und für einen Vampir
war töten wahrscheinlich das normalste der Welt. Dieser Gedanke war
irgendwie unheimlich, trotzdem wollte ich nur ihn und keinen
anderen. Alexander liebt mich, was wollte ich mehr und er hatte es
mir endlich gesagt. Ich schwebte auf Wolke sieben.
Ich hoffte für Alexander dass er es ernst meinte und nicht mit mir
spielte, sonst würde ich ihn mit einem Pflock ins Herz
töten.
„Chrisi was hat Roven gesagt? Ist alles in Ordnung bei dir?“ Tom
stand ganz dicht hinter mir, was Unbehagen in mir auslöste, ich
wollte nicht an dem Tod von Tom schuld sein.
„Hat Roven dich beleidigt, dann wäre es mir ein Vergnügen ihm die
Visage zu polieren!“
Erschrocken hob ich die Hände und winkte ab, „nein, nein das ist
nicht nötig. Er hat nur gesagt das er mich liebt.“
Toms Kinn konnte man sprichwörtlich auf dem Boden aufschlagen
hören.
„Was?“ Toms gute Laune war wie weggewischt. „Ich
dachte…“.
„Ja Tom, ich und Roven gehören zusammen, es tut mir Leid wenn ich
dir Hoffnung gemacht haben sollte, das war wirklich nicht meine
Absicht. Aber auch ich liebe Alexander!“
Tom atmete schwer aus, „dann solltest du zu ihm gehen und mit ihm
reden Chrisi. Roven, auch wenn ich ihn für einen Arsch halte, hat
sehr verletzt ausgesehen. Ich weiß wie schmerzhaft eine
Zurückweisung ist.“
„Tom du bist der beste Freund den man sich vorstellen kann, eines
Tages läuft auch dir deine wahre Traumfrau über den Weg. Da bin ich
mir ganz sicher.“
Am liebsten wäre ich Tom um den Hals gefallen, lies es dann aber
doch sein denn ich wollte nicht sein Todesurteil damit
fällen.
„Danke Tom.“
Tom grinste verlegen, „nun geh schon, ich kümmere mich um
Helen.“
Helen nickte nur und hängte sich demonstrativ an Toms
Arm.
Eilig machte ich mich auf die Suche nach Alexander. Doch der war
nirgendwo zu finden.
Ich beschloss Paul zu fragen, der aber gerade mit Jenny und Patrick
damit beschäftigt war, eine Gruppe Betrunkener unter Kontrolle zu
halten.
Vielleicht war Alexander etwas frische Luft schnappen gegangen?
Also raus aus diesem Club. Angestrengt versuchte ich in der
Dunkelheit etwas zu erkennen. Als mir bewusst wurde das die wohlige
Wärme in mir, an die ich mich inzwischen so gewöhnt hatte, fehlte.
Alexander war nicht mehr hier, er war nicht in meiner
Nähe.
Ich wollte in der Wohnung auf ihn warten und ging an der Halle
entlang um über die Garage hinein zu gelangen. Leider hatten die
Stadtmenschen hier mit Straßenlampen sehr gespart und ich musste im
Dunkeln meinen Weg finden, was mir ein leicht unbehagliches Gefühl
in der Magengegend bescherte.
Da, eine Bewegung am Garagentor. War Alexander doch hier und ich
konnte ihn nur nicht fühlen?
„Alexander? Bist du das?“
Der Schatten erstarrte für einen kurzen Moment in der Bewegung.
Dann richtete sich der Schatten auf und kam auf mich zu.
„Chrisi?“
Ich war irritiert, war das eben wirklich Alexanders Stimme
gewesen?
„Ja ich bin es“, antwortete ich verunsichert. Langsam ging ich auf
den Schatten zu.
„Alexander es tut …….. .“
Doch als ich direkt vor dem Mann stand, den ich für Alexander
gehalten hatte, erkannte ich dass es Collins war, der sich am
Garagentor zu schaffen gemacht hatte.
Für eine Sekunde war ich vor Schreck bewegungslos. Ich hätte es
schon an der Statur erkennen müssen das es nicht Alexander gewesen
war.
„Hallo Chrisi, ich habe dich schon gesucht!“
Auf dem Absatz drehte ich mich um und wollte loslaufen. Collins war
schneller, er schlang seinen Arm um meinen Hals und hielt mich
fest. Er drückte mir die Luft ab. Verzweifelt schlug ich um mich,
trat gegen Collins Schienbein um mich zu befreien, versuchte zu
schreien und schnappte panisch nach Luft.
Meine Gegenwehr interessierte Collins nicht die Bohne.
„Du bist ja eine kleine Wildkatze!“ Sagte er erheitert. „Das ist
aber nett von dir dass du mir den Einbruch in die Wohnung der
Blutsauger ersparst.“
Collins schmiss mich auf die Rückbank eines Wagens, der plötzlich
vor uns stand. Elegant folgte er mir ins Wageninnere und hielt mich
schmerzhaft an meinen Schultern fest, so dass ich keine Chance
hatte auf der anderen Seite wieder auszusteigen, geschweige denn
mich zu wehren.
„Hier geblieben Schätzchen. Hör gut zu was ich dir jetzt sage! Wenn
du dich nicht ganz still hältst, werde ich dir wehtun und das wird
nicht schön für dich werden, haben wir beide uns verstanden? Du
hast es selbst in der Hand!“
Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend, das sich von Sekunde
zu Sekunde verstärkte und mit Halsschmerzen nickte ich nur mit dem
Kopf.
Collins war eindeutig der Gefährlichere von den beiden Werwölfen
gewesen. Mit einem Klebeband das er wie aus dem nichts plötzlich in
der Hand hielt, fesselte er meine Beine und Hände.
Plötzlich erklang eine Stimme aus dem Fond des Wagens, die mir
kalte Schauer den Rücken hinunter jagten. Ich kannte diese Stimme
gut, denn sie hatte mir schon oft in meinen Träumen Angst
eingejagt. Christian, der gesichtslose Mann!
„Hallo Rose, schön dich wiederzusehen! Ich hoffe es stört dich
nicht wenn ich Rose zu dir sage, aber du warst immer Rose für mich
und du wirst immer Rose für mich bleiben. Weißt du denn noch wer
ich bin?“
Nur mit Mühe unterdrückte ich die aufsteigende Panik in mir.
Christian beobachtete mich im Innenspiegel. Sofort wich ich seinem
Blick aus.
Ein erfreut klingendes Lachen drang wie durch Nebelschleier an mein
Ohr. „Du weist also noch wer ich bin, das freut mich aber sehr.
Dann habe ich damals doch einen bleibenden Eindruck bei dir
hinterlassen. Ich kann nur sagen, dass du noch genauso schön bist
wie damals. Du bist eine Augenweide, die man sich als Mann nur
wünschen kann.“
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und drängte die schützenden
Nebelschleier die mein Gehirn umschlossen hielten, zur
Seite.
„Warum? Warum machst du das? Lass mich und Alexander doch endlich
in Ruhe! Geht dir dabei einer ab, das du dich ständig zwischen uns
drängst?“
Meine Stimme klang piepsiger als mir lieb war, aber ich hatte mir
die Angst ein wenig von der Seele reden können.
Collins drehte sich zu mir, ich erschrak. Seine Augen waren gelb
mit einem schwarzen Punkt darin. Er knurrte mich böse an und erhob
seine Hand zum Schlag aus.
Ich erwartete den vernichtenden Schlag mit zugekniffenen Augen, als
Christian ihn zurechtwies. Collins drehte sich nur wiederwillig weg
von mir und gab keinen Ton mehr von sich.
Erleichtert atmete ich aus.
„Du musst Collins entschuldigen, er ist ein sehr treuer Untertan
und will mich nur beschützen. Du willst also wissen warum ich das
mache? Weißt du eigentlich das Alexander und ich Halbbrüder
sind?“
Christian beobachtet mich bei dieser Aussage ganz genau. Ich konnte
es nicht glauben, was ich da gerade gehört hatte. Alexander konnte
einem nur leidtun das er mit einem solchen Scheusal verwandt
war.
Wieder lachte Christian auf, „dachte ich es mir doch, das hat er
dir nicht erzählt. Ich war schon immer das schwarze Schaf in der
Familie, das vor Fremden verheimlicht wurde. Meine Mutter war
damals, vor langer Zeit an der Grippe gestorben, da nahm mein Vater
Alexanders Mutter zur Frau. Das war damals einfach so, die eine
starb und die nächste wurde geheiratet, da wurde nicht lange
gefackelt. Mein Vater war ein sehr wohlhabender Mann gewesen, musst
du wissen.“
Christian legte eine Pause ein, so als wäre er nicht gerade hinter
dem Steuer eines Autos sondern ganz weit weg in einer anderen Zeit.
Was mir Angst machte, die beiden würden bei einem Autounfall mit
Sicherheit keinen einzigen Kratzer abbekommen, ich dagegen würde
bei dieser Geschwindigkeit ins Gras beißen.
„Mein Vater war mit dieser Frau noch keinen Monat vermählt, da war
sie auch schon schwanger. Je mehr ihr Bauchumfang wuchs umso
weniger kümmerte er sich um mich. Nichts was ich tat war gut genug
für ihn. Ich hasste Alexander von Tag seiner Geburt an. Ach was
sage ich, ich hasste ihn schon, da war er noch im Mutterleib seiner
Mutter. Natürlich war mir bewusst dass er im Grunde nichts für das
alles konnte, aber der Hass war da, ich konnte und wollte nichts
dagegen machen. Ich war gerade elf geworden als Alexander zur Welt
kam.“
Christian sah meinen überraschten Gesichtsausdruck im
Innenspiegel.
„Deine Überraschung darüber, nehme ich als Kompliment an“, grinste
er.
„Alexander war um die zwanzig als ich durch mein Verhalten, was von
meiner Alkoholsucht unterstützt worden war und was ich der Familie
gegenüber an den Tag legte, von meinem eigenen Vater verstoßen und
seines Landes verwiesen wurde. Dabei habe ich damals nur aus meiner
Eifersucht und dem Alkohol heraus versucht Alexander zu
töten.“
Ein Hauch von Schmerz lag in Christians Stimme, das Tempo des
Wagens hatte sich noch gesteigert. Die Panik stieg in mir weiter
an.
„So kam es das ich irgendwann auf meinem Weg durch das Land, auf
Ricardo den Zigeuner traf. Er war mir sehr ähnlich. Ein Rebell wie
ich.
Wir verstanden uns gut. Mir war damals nur nicht bewusst das er ein
Werwolf war. Das wurde mir eines Nachts zum Verhängnis. Als Dank
für sein Vermächtnis, tötete ich Ricardo.“
Bei diesem Gedanken bekam ich eine Gänsehaut und mir wurde übel. Es
drängte sich mir die Frage auf, ob ich heute Nacht auch noch
sterben musste? Nein, so durfte es nicht enden, nicht nachdem
dummen Streit mit Alexander. Das sollten nicht die letzten Worte
gewesen sein, die er von mir gehört hat. Ich versuchte mich wieder
auf Christian zu konzentrieren um irgendetwas zu erfahren was mich
aus dieser misslichen Situation herausbringen konnte.
„Du tötest gerne andere Menschen, nicht wahr? Bin ich heute Nacht
auch dazu verurteilt? Werde ich heute noch sterben?“
Christian seufzte, „nein normalerweise habe ich das so nicht
geplant, aber solltest du mich noch einmal in meiner Geschichte
unterbrechen, wird es mir eine Freude sein dir den Garaus zu
machen.“
Das war eine klare Ansage gewesen. Ich biss mir auf die Lippen um
meine Angst unter Kontrolle zu halten. Wie sollte ich nur hier
wieder heil rauskommen?
Christian fuhr mit seiner Geschichte fort.
„Nun gut, ich zog viele weitere Jahre alleine durch das Land, bis
ich eines Tages wieder vor dem Anwesen meines Vaters stand.
Inzwischen war er ein alter Mann geworden. Ich tötete Alexanders
Mutter vor den Augen meines Vaters, so sehr hasste ich ihn dafür
was er mir angetan hatte. Bei meinem Vater selbst hatte ich mir
sehr viel Zeit gelassen. Ich genoss jede Sekunde in der er meiner
Folterung hilflos ausgesetzt war. Dummerweise wohnte Alexander
nicht mehr bei meinem Vater zu Hause. Ich fand aber sehr schnell
heraus dass er in den nächsten Ort gezogen war und kurz davor war
dich zu heiraten. Alexander bekam all das was mir verwehrt wurde,
nachdem ich mich immer so sehr gesehnt hatte. Frau, Kinder, eben
eine Familie. Ich stattete ihm einen heimlichen Besuch ab, und als
ich dich dann zum ersten Mal sah, was soll ich sagen, da war es um
mich geschehen. Ich hätte niemals Kampflos zugelassen dass
Alexander dich als Frau bekommt. Da kamen mir Thomson und Collins
gerade recht. Zwei Vagabunden die niemand vermissen würde. Ich
machte sie zu meinesgleichen. Ich heckte einen ausgeklügelten Plan
aus wie ich Alexander in die Falle tappen lassen konnte, so das er
dich nicht mehr zur Frau bekam.“ Christian lachte fast irre
auf.
„Er sollte nicht sterben. Alexander sollte leiden so wie ich und
sehen das du mit einem anderen Mann verheiratet bist. Weißt du
Rose, der Plan wäre perfekt gewesen wenn nicht dieser blöde
Blutsauger, den ich für meinen Plan angeheuert hatte, weibliche
Vampire zu Alexander ins Bett gelegt hätte, die ihn natürlich
verwandelten.“
Christian seufzte, „so nun kennst du die Geschichte und nun weist
du warum ich das gemacht habe. War das nicht eine ergreifende
Geschichte?“ Versuchte Christian das ganze ins Lächerliche zu
ziehen, aber ich hatte ihn durchschaut. Er hatte Alexander schon
immer um alles beneidet was dieser besaß. Eine Mutter und einen
Vater die ihn geliebt haben. Eine Heimat und am Ende noch eine Frau
die alles für ihn tun würde. Alles Dinge die Christian nie bekommen
würde, weil er ein Scheusal war.
„Ja Christian das war sie. Ist dir damals eigentlich nie der
Gedanke gekommen, das dein ach so toller Plan nur aufgegangen wäre,
wenn ich mich auch in dich verliebt hätte?“
Christian ging auf meine Frage nicht ein, dafür kassierte ich von
Collins einen schmerzhaften Hieb in meine Rippen. Ich drückte
meinen Körper vor Schmerzen nach vorne auf meine Beine. Tränen
schossen mir in die Augen. Fest biss ich die Zähne zusammen und
drückte meinen Oberarm an die schmerzende Stelle. Diesen Triumph
wollte ich Collins nicht gönnen, mich heulen zu sehen.
Der Wagen wurde langsamer. Christian bog in eine Seitenstraße in
den Wald ein.
Ich schluckte die Frage, wo wir hinfahren hinunter, denn ich wollte
mir einen weiteren Hieb ersparen.
Collins lächelte, „gleich sind wir da Rose. Hier wird dich dein
Blutsauger nicht finden. Nicht in hundert Jahren!“
In mir keimte der Wunsch auf Collins ins Gesicht zu treten. Was
sich mit gefesselten Händen und Beinen nur schwer bewerkstelligen
ließ.
Der Wagen stoppte. Der dichte Wald, der uns umgab, machte es
schwierig für mich auch nur das Geringste zu erkennen.
Collins stieg aus, auch Christian war nicht mehr im
Wagen.
Schnell versuchte ich das Klebeband an meinem Handgelenk zu lösen.
Dummerweise erreichte ich dadurch nur dass es sich in meine frisch
verheilten Wunden einschnitt, sich aber kein Stück
lockerte.
Die Wagentüre wurde geöffnet. Collins zog mich unsanft aus dem Auto
und warf mich wie eine leblose Puppe über seine Schulter.
Er ging ein kurzes Stück, bückte sich als wir durch so etwas wie
eine Türe hindurch mussten. Es war dunkel. Noch einmal duckte er
sich, als wir noch einmal eine Türe passierten. Nun waren wir in
einem Raum angekommen, der von zwei Campinglampen erhellt wurde und
aussah wie ein stillgelegter Stollen.
„Wo sind wir hier?“ Würgte ich hervor. Collins Schulter bohrte sich
in meinen Bauch, was mir die Luft abdrückte.
„Wir sind irgendwo im Wald in einer alten Trapper Unterkunft, die
wenn man sie nicht weiß auch nicht leicht findet.“
Mit Schwung holte Collins mich von seiner Schulter, stellte mich
auf meine Beine und gab mir gleichzeitig einen kleinen Schups nach
hinten. Unsanft landete ich auf einer Pritsche, die bei meinem
Aufprall einen sehr unangenehmen Duft von sich gab. Ich würgte und
fragte mich ob auf der Pritsche schon mal jemand gestorben war?
Sofort verdrängte ich diesen Gedanken wieder, denn dieser Gedanke
bewirkte bei mir nur grausame Ekelgefühle was bewirkte das ich
weiter würgen musste.
„Collins sei netter zu meiner zukünftigen Gemahlin!“ Christian
betrat nun ebenfalls den Raum.
„Entschuldige Christian“, säuselte Collins unterwürfig. Mit
gesenktem Kopf zog sich Collins zurück.
„Nimm Collins sein Verhalten nicht übel Rose, er hat nie gelernt
was Manieren sind, er ist eben ein Tier.“
Wut machte sich in mir breit, die ich aber sorgsam unterdrückte.
Wenn ich Superwoman wäre, dann würde ich dir deine Arroganz raus
prügeln, dachte ich für mich. Sicher war sicher.
Christian kniete sich vor mich hin und löste die Fesseln an meinen
Füssen und Händen.
Es war verlockend meinen eben gedachten Gedanken in die Tat
umzusetzen, er hatte nur einen Hacken, ich war nicht
Superwoman.
Zum ersten Mal konnte ich Christians Gesicht richtig sehen. Man sah
ihm seine vielen Kämpfe die er im Laufe der Zeit geführt haben
musste nicht an. Nur ein Blick in seine Augen ließ sein wahres
Alter erahnen.
Christian hatte die gleiche kantige Mund.- und Kinnpartie wie
Alexander. Sein Gesicht wurde von dunkelblonden kurz geschnittenen
Haaren umrahmt. Wenn man ihn so betrachtete, kam man nicht auf den
Gedanken was er eigentlich für ein gefährliches Arschloch
war.
Warum hatte ich in meinen Träumen nie sein Gesicht gesehen? Und
warum kam es mir jetzt nicht bekannt vor, wo doch Christian direkt
vor mir stand? Alles andere wusste ich doch auch wieder. Warum
blieb mir genau diese Frage unbeantwortet? Ich wollte Christian in
ein Gespräch verwickeln, vielleicht konnte ich ihm das eine oder
andere ja noch entlocken.
„Was hast du wirklich mit mir vor Christian? Tötest du mich? Denn
heiraten werde ich dich mit Sicherheit nicht aus freien Stücken,
ich hoffe das ist dir bewusst?“
Christian schmunzelte.
„Hmmm, du hast keinen guten Eindruck von mir, nicht wahr? Rose ich
bin nicht mehr von Rache zerfressen wie ich es damals war. Aber
diesen Kampf muss ich für meinen inneren Frieden noch zu Ende
kämpfen. Ich liebe dich noch immer und werde dich auf keinen Fall
aufgeben.“
Vor nicht einmal einer Stunde hatte ich diesen Satz schon einmal
gehört, und das von dem Mann den ich liebte. Was sollte ich nur tun
um ihn vor seinem wahnsinnigen Halbbruder zu schützen?
Ich tat Christian gegenüber verwundert, „weist du überhaupt was
Liebe bedeutet? Du kannst mich nicht lieben Christian, du kennst
mich nicht einmal ansatzweise gut genug dafür. Alexander kennt mich
und er liebt mich wirklich, und ich liebe ihn!“
Christian nahm meine Hand in seine. Im Gegensatz zu Alexander war
sie genauso warm wie meine. Traurig blickte er mich an.
„Du weist es nicht mehr, oder?“ Seufzte Christian.
„Was soll ich nicht mehr wissen? Das du Alexander damals die
Klippen runter gestoßen hast? Oder das auch wir beide gefallen
sind? Das weiß ich Christian, aber wir waren nie ein
Paar!“
Christian setzte sich zu mir auf die Pritsche. Seine Hand rutschte
auf mein Knie. Wieder stieg Ekel in mir hoch, am liebsten hätte ich
seine Hand weggeschubst, doch das traute ich mich nicht. Ich musste
mindestens so lange am Leben bleiben, bis Alexander mich gefunden
hat.
Der Sturz Rose, das war nicht das Ende. Nicht mein Ende und auch
nicht deines.“
Ich horchte auf.
„Was willst du damit sagen?“
„Nun ja, du warst noch am Leben Rose. Ich habe dich an mich
gedrückt als wir gefallen sind und somit habe ich einen Teil des
Sturzes abfangen können. Natürlich warst du trotzdem noch schwer
verletzt und du wärst auch an deinen Verletzungen gestorben, wenn
ich dich nicht zu einer von uns gemacht hätte. Ich habe dich
gebissen Rose.“
Fassungslos starrte ich Christian an. Ich sollte ein Werwolf
gewesen sein? Nein, Christian wollte mich damit nur an der Nase
herum führen. Das konnte nicht sein, das passte nicht, dann hätte
doch auch ich ewig leben müssen? Doch ich war gestorben und
wiedergeboren worden. Wollte Christian mich manipulieren?
Christian sah mir meine Verwirrtheit an und erzählte
weiter.
„Es ist die Wahrheit Rose. Du bist meine Frau geworden.
Leider dauerte unser Glück nicht lange an, Alexander der als Vampir
unser natürlicher Feind ist, gönnte uns unser Glück nicht. Wir
waren gerade mal einen Monat lang verheiratet, da lockte Alexander
dich in einen Hinterhalt. Du hattest keine Chance. Er hat dich
eiskalt ermordet.“
Mir wurde es heiß und kalt zur gleichen Zeit. Mein Magen krampfte
sich schmerzhaft zusammen. Mir war übel und schwindlig.
„Nein, das hätte Alexander mir nicht angetan“, presste ich
hervor.
Christian sah mich mitleidig an.
„Rose sei nicht naiv. Er ist ein Vampir und du warst ein Werwolf.
Ihr ward kein Liebespaar mehr, sondern erbitterte
Feinde.“
In meinem Kopf drehte sich alles.
„Christian geh, lass mich alleine! Ich will deine Intrigen nicht
mehr hören!“
Tränen der Wut und Verzweiflung liefen an meinen Wangen hinab.
Christian verließ den Raum ohne dabei ein Geräusch zu
verursachen.
Alexander soll mich getötet haben? Konnte ich Christian alles
glauben was er mir erzählt? Wenn es aber wahr war das ich ein
Werwolf gewesen war, dann lag es im Bereich des Möglichen, das er
mich getötet hat. In diesem Punkt musste ich Christian recht geben,
Alexander und ich waren Todfeinde gewesen.
Ich musste hier weg, so schnell wie möglich. Die Geschichte durfte
sich auf keinen Fall wiederholen und wenn ich dafür sterben musste.
Christian würde es dieses Mal nicht schaffen mich in einen Werwolf
zu verwandeln. Dieses Mal nicht! Und Alexander hatte mit Sicherheit
einen guten Grund dafür dass er mich damals erlöst hat.
Ich wischte mir die letzten Tränen aus dem Gesicht, stand von der
Pritsche auf und durchquerte den Raum, um zu sehen ob es eine
Fluchtmöglichkeit gab.
Ich befand mich in einer Höhle. Rundherum war massives Gestein, nur
die Türe war aus festem Holz und versperrte mir den Weg nach
draußen. Ich saß hier praktisch in einer Falle, die mit einer
Pritsche, Campinglampe und einem Eimer ausgestattet war. Christian
erwartete doch nicht wirklich dass ich meine Notdurft in den Eimer
mache? War der bescheuert?
Ganz leise schlich ich mich zur Türe, an die ich mein Ohr hielt.
Nichts war zu hören. Christian würde nicht den Fehler machen mich
ohne Wache hier zu lassen. Ich wollte sicher gehen ob Collins in
Hörweite war und klopfte laut an die Türe.
„Hallo? Hört mich jemand?“
Prompt wurde die Türe aufgerissen. Erschrocken hüpfte ich ein Stück
zurück.
„Was willst du Weib?“ Wollte Collins genervt von mir
wissen.
„Ähm Weib? Egal, ich müsste mal auf die Toilette.“ Log
ich.
„Du hast doch da einen schönen Eimer stehen, benutze den dafür.“
Collins konnte sich bei der Vorstellung wie ich den Eimer benutzte,
das Grinsen nicht verkneifen.
Ungläubig sah ich ihn an. „Das soll wohl ein schlechter Scherz
sein?“
„Nein Schätzchen, das ist mein voller Ernst.“
Ich will sofort mit Christian sprechen, das lasse ich mir von einem
räudigen Köter wie dir nicht bieten.“
Collins lachte auf, „Das wirst du wohl oder übel müssen, Christian
ist noch Mal weg und er kommt erst morgen früh wieder. Bis dahin
musst du mit mir Vorlieb nehmen. Also entweder benützt du den Eimer
oder du wartest so lange bis dir die Blase platzt. Ist mir
eigentlich Egal, Hauptsache du lässt mir meine wohlverdiente
Ruhe.“
Collins knallte die Türe wieder zu.
„Arschloch“, brüllte ich so laut das er es auf alle Fälle hören
musste.
Wütend schlug ich mit dem Fuß gegen die Türe. Und ging zurück zu
der Pritsche. Wie sollte ich auf diesem unbequemen Ding nur
schlafen können? Ich legte mich mit krauser Nase auf die Pritsche
und wälzte mich von einer Seite auf die andere.
Ich war kurz vor dem Verzweifeln als mich der Schlaf doch
noch übermannte.
Ein Albtraum jagte den anderen. Ich sah wie Alexander getötet
wurde. Dann wurde ich von Alexander getötet, weil ich ein Werwolf
war.
Schweißgebadet wachte ich auf, weil ich auf irgendetwas hart
aufgeschlagen war. Ich war von der Pritsche gefallen. Das würde
blaue Flecken geben. Der Felsboden war nicht sehr eben. Müde
stemmte ich mich hoch und setzte mich wieder auf die
Pritsche.
Die Campinglampen brannten noch, ein Blick auf meine Armbanduhr
sagte mir dass ich gerade mal zwei Stunden geschlafen
hatte.
Ob ein Werwolf wohl auch schläft? Wir hatten keinen Vollmond und er
war in seiner Menschlichen Gestalt. Vielleicht konnte ich Collins
alleine fertig machen? Das schlimmste was mir dabei passieren
konnte, war das er mich tötete. Dann wäre Alexander wenigstens in
Sicherheit.
Auf Zehenspitzen schlich ich zur Türe, nur dieses Mal gab ich
keinen Mucks von mir. Ich drückte gegen die Holztür, und zu meiner
Überraschung ließ sie sich öffnen.
Collins musste vergessen haben sie wieder abzuschließen. Einen
Spalt weit öffnete ich sie damit ich mich durchquetschen konnte.
Collins hatte es sich in einem Stuhl vor der Türe gemütlich gemacht
und schnarchte vor sich hin.
Mein Herz schlug mir vor Aufregung bis zum Hals. Hoffentlich wurde
er nicht wach.
Nun stand ich in dem ersten Raum. Der räudige Köter hatte sich zum
Glück auch eine Campinglampe angemacht.
Dieser Raum bestand bis auf die Rückwand nur aus Holz, ein Fenster
war eingebaut und die Türe die hoffentlich nach draußen in die
Freiheit führte.
Collins hatte es sich gut gehen lassen. Eine leere Flasche Wein
stand neben seinen Stuhl. Und mir hatte dieser Egoist nichts
abgegeben.
Die Idee war geboren, Collins mit der Weinflasche k.o. zu schlagen.
In den Filmen funktionierte das immer. Ich musste ihn nur an der
Schläfe erwischen, dann würde es schon klappen. Aber würde die
Flasche bei einem Werwolf ausreichen? Ich sah mich in dem Raum
genauer um, und wie es der Zufall will, fand ich eine alte eklig
aussehende, gusseiserne Bratpfanne. Genau das richtige für einen
räudigen Köter.
Ich musste die Pfanne mit beiden Händen halten, so schwer war das
Ding. Dann positionierte ich mich vor Collins, holte gerade Schwung
als Collins seine Augen öffnete und mich überrascht
ansah.
Collins kam nicht mehr dazu sich zu wehren. Die Pfanne fand
zielsicher seine Schläfe. An der Stelle wo ihn die Pfanne getroffen
hatte, sah mir nun eine böse Platzwunde entgegen. Collins
sackte im Stuhl zusammen und fiel seitlich auf den Boden.
Innerlich jubelte ich auf. So ein Idiot, dachte er würde mit mir
fertig werden.
Ich packte die Campinglampe und verließ die Hütte und verschwand im
Schutz des Waldes.
„Ich werde noch
wahnsinnig, kann man diese Frau wirklich nicht eine Sekunde alleine
lassen?“ Brüllte Alexander laut vor sich hin.
„Wie konnte sie den Tanzclub verlassen, ohne dass es euch dreien
aufgefallen ist? Verdammte Scheiße nochmal.“
Jenny, Paul und Patrick standen ganz kleinlaut vor Alexander und
wussten nicht so recht was sie ihm darauf antworten
sollten.
„Sie muss den Club verlassen haben als wir gerade mit den
Betrunkenen zu tun hatten Alexander. Es tut uns wirklich unendlich
leid. Und wir werden alles tun, was in unserer Macht steht um
Chrisi wieder zu finden.“ Flüsterte Jenny leise. Was für Alexander
so war als ob sie es in einer normalen Lautstärke zu ihm gesagt
hätte.
„Ach Jenny, ich bin doch selbst schuld an der Misere, hätte ich
nicht den Club verlassen, dann wäre Chrisi gar nicht erst auf die
Idee gekommen mich draußen zu suchen.“
So wütend, so verzweifelt hatte Jenny Alexander noch nie gesehen.
Niedergeschlagen lies Alexander sich auf den Küchenstuhl sinken
legte seinen Kopf in seine Hände und fuhr sich durch seine Haare.
Schwer seufzte Alexander auf, als ob er die Last der ganzen Welt
auf seinen Schultern tragen müsste.
„Das schlimmste daran ist, ich kann sie nicht spüren, nicht orten.
Es ist als ob sie vom Erdboden verschwunden ist. Es ist,…… als ob
sie nicht mehr am Leben ist. Und sollte es so sein, dann habe ich
wieder auf ganzer Linie versagt, die Frau die ich über alles Liebe
zu beschützen.“
Langsam ging Jenny auf Alexander zu und legte ihm ihre Hand auf die
Schulter, „so etwas darfst du nicht sagen, geschweige denn denken.
Chrisi lebt, da bin ich mir absolut sicher. Was für einen Vorteil
hätte Christian davon wenn er Chrisi töten würde. Vielleicht hat er
nur eine Möglichkeit gefunden, sie vor dir abzuschirmen, damit du
sie nicht finden kannst. Aber eines Verspreche ich dir Alexander
Roven, so schnell geben wir nicht auf. Wir finden Chrisi und wenn
es das letzte ist was wir tun. Hast du mich verstanden?“
Jenny ging vor Alexander in die Hocke und sah ihm fest in die
Augen.
„Glaub mir, sie lebt. Nur du musst dich jetzt zusammennehmen und
auch daran glauben. Du musst dich so intensiv wie du nur kannst auf
sie konzentrieren, dann findest du Chrisi auch. Doch wenn du jetzt
aufgibst, hat Christian wirklich gewonnen. Willst du das
etwa?“
Was würde Alexander nur ohne Jenny machen? Sie war jünger als er,
aber doch in manchen Entscheidungen reifer als Alexander es je sein
würde.
Alexander wich Jennys Blick nicht aus, „du hast recht! Ich kann
mich glücklich schätzen eine solche Wahnsinns Familie wie euch drei
zu haben.“
Alexander nahm Jennys Kopf zärtlich in seine Hände zog sie an sich
und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Ich hoffe du willst uns jetzt nicht auch küssen“, gab Patrick
gespielt entrüstet von sich, „aber gegen eine Kuss von Jenny hätte
ich nichts einzuwenden“, worauf alle in ein lösendes Gelächter
ausbrachen.
Jenny stand auf, ging zu ihren harten Jungs und drückte einem nach
dem anderen einen Schmatz auf die Backe.
Alexander wandte sich, nach dem sich wieder alle beruhigt hatten
Jenny zu, die sich wieder zu ihm gesellt hatte.
„Jenny fahre bitte zu Helen, frag sie ob sie nicht doch noch etwas
weis. Jeder kleinste Hinweis könnte mir helfen Chrisi zu
finden.“
„Alles klar, bin schon weg.“
„Und ihr Jungs sucht bitte noch einmal die Gegend ab, vielleicht
wittert ihr doch noch eine Spur die uns weiter bringt.“
„Alles klar Boss“, gaben Patrick und Paul im Chor von sich und
verschwanden.
Nun war Alexander alleine mit seinen Ängsten und
Gedanken.
Alexander würde Christian töten, falls er Chrisi etwas angetan hat.
Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Warum nur hatte er
nicht schon bei früheren Gelegenheiten Christian getötet? Nur weil
er sein Halbbruder war? Verdammt noch Mal, dieser kranke Köter
hatte seine Eltern auf dem Gewissen, genauso wie Rose. Und trotzdem
hatte er ihn immer wieder laufen lassen. Alexander wurde bewusst,
dass er selbst schuld daran war, wenn Chrisi irgendetwas zustoßen
sollte.
Alexander zog sich in das Gästezimmer zurück in dem Chrisi ihre
Sachen hatte. Ihr Duft war in diesem Raum all gegenwärtig. Tief sog
Alexander ihren Duft ein. Warum nur hatten sie beide die letzten
Tage immer nur mit streiten verbracht und nur wegen eines dummen
Themas. Alexander konnte die Zeit nicht mehr zurückdrehen und das
vergangene ändern. Das was er jetzt tun konnte war Chrisi zu finden
und sie aus den Klauen der widerwärtigen Köter zu
befreien.
Vorsichtig legte sich Alexander auf das Bett. Überall war Chrisi zu
riechen und wenn er sich konzentrierte, kam es ihm vor als ob er
sie auch spüren könnte.
Nein sie war nicht bei ihm hier, er konnte sie nicht berühren. Das
einzige was er tun konnte war sie zu finden.
Stunden vergingen in denen Alexander wie eine Statue in Chrisis
Bett lag, die Augen geschlossen und seine Fühler nach ihr
ausgestreckt hatte. Immer wurde er in die falsche Richtung
geleitet. Ständig landete er bei Chrisis zu Hause, Alexander konnte
nicht sagen warum das so war.
Plötzlich war Chrisi mit ihrer ganzen Ausstrahlung präsent. Wie aus
dem Nichts war sie aufgetaucht.
Es war kein Ort den Alexander kannte und dazu kam das sich Chrisi
schnell fortbewegte.
Mir kam es vor als wäre
ich schon seit Stunden unterwegs. Der Tag war bereits angebrochen
gewesen, als ich etwas hörte das sich wie ein Rauschen eines Baches
oder Flusses klang. In den Filmen sah man doch immer das Suchhunde
am Wasser die Spur verlieren, ob das für Werwölfe auch galt, fragte
ich mich und die Hoffnung den Wald lebend zu verlassen stieg um das
doppelte an.
Der Ort des hoffnungsvollen Rauschens war schnell gefunden, es war
ein breiter Bachlauf der sich idyllisch in der Natur schlängelte.
Wenn mir die Gefahr nicht auf den Fersen gewesen wäre, hätte ich
das Bild des Baches romantischer gesehen.
Ich durchquerte den Bach, der eiskalt war, ging auf der anderen
Seite ein paar Schritte am Ufer entlang in den Wald und dieselbe
Strecke wieder zurück in den Bach. Das würde die Werwölfe ein wenig
irreführen, hoffte ich.
Von nun an blieb ich im Bach, obwohl es mir bei der
Wassertemperatur sehr schwer fiel. In kürzester Zeit fühlten sich
meine Füße wie Eisklumpen an. Ich hatte kein Gefühl mehr in den
Beinen, was das gehen auf den glitschigen Steinen nicht einfacher
machte und bei meinem Talent für Unfälle eher zur Todesgefahr
wurde.
„Oh Gott, warum konnte ich keinen besseren Orientierungssinn habe?
Wo zum Teufel führt dieser Bach nur hin?“
Ich versuchte mich mit der Geschichte die mir Christian erzählt
hatte, abzulenken. Ob mich Alexander damals wirklich getötet hatte?
Meine Zähne klapperten vor Kälte hart aufeinander, dass ich keinen
normalen Satz mehr denken konnte.
Ich hatte Fragen über Fragen, aber nicht die passenden Antworten
dazu.
Was ich aber sicher wusste war, dass ich aus dem kalten Wasser raus
musste. Zitternd versuchte ich einen so weiten Sprung auf das
Trockene Ufer wie möglich zu machen. Doch das Glück war nicht auf
meiner Seite. Beim Absprung rutschte ich aus, und landete
bäuchlings halb auf dem Trockenen und halb im Bach. Ich hätte
schreien können, als das kalte Wasser auf meinen Bauch
traf.
Ich biss die Zähne zusammen, Gänsehaut breitete sich sofort auf
meiner Haut aus.
„Verdammt, verdammt, verdammte Scheiße nochmal.“
Diese Spur würde Christian sogar mit verbundenen Augen noch
finden.
Schlotternd zog ich mich ans Ufer. Das wenn mal keine
Lungenentzündung wird.
Verzweiflung keimte in mir auf, wie sollte ich jemals wieder aus
diesem Wald rausfinden? Lebend.
Wahrscheinlicher war das irgendwann einmal ein Wanderer, zufällig
über mein Skelett stolperte, weil ich verhungert, oder von einem
Bären gefressen, oder von einem Werwolf getötet worden war. Welche
Version davon die bessere Todesart war, konnte ich nun beim besten
Willen nicht sagen, ich wollte eigentlich keine der drei Arten
ausprobieren.
Jeder Schritt den ich machte wurde zur Qual und von einem
schlüpfrigen, nasssaugenden Geräusch, meiner Schuhe begleitet.
Falls Christian und Collins seit gestern nicht taub geworden waren,
würden sie mich bestimmt über Meilen hinweg hören.
Ich schlang meine Arme eng um meinen Brustkorb, wodurch ich das
Schlottern aber trotzdem nicht in den Griff bekam. Bei jedem
Schritt den ich machte fiel mir das Gehen immer schwerer. Ich
stolperte oft und fiel dadurch ständig hin. Nur mühsam konnte ich
mich wieder aufrappeln. Meine Zähne klapperten bis zum
Anschlag.
Vielleicht sollte ich einfach auf den Boden liegen bleiben und an
Unterkühlung sterben. Dann gäbe es keinen Grund mehr für Alexander
und Christian zu kämpfen und für mich zum
Weiterlaufen.
Als ich in nicht weiter Ferne einen hellen Punkt entdeckte, den ich
für mich als meine Rettung ansah. Mein Herz machte einen
Hoffnungssprung und die Hoffnung stieg wieder. Mit letzter Kraft
ging ich auf das Licht zu. Die Luft wärmte sich langsam auf.
Die Kälte des Waldes wich in die schützenden Schatten des Waldes
zurück.
Wie angewurzelt blieb ich enttäuscht stehen. Es war nur eine kleine
Lichtung. Ich taumelte erschöpft und kraftlos auf die Lichtung
hinaus und lies mich zu Boden sinken. Die wärmere Luft hatte mir
nur kurz geholfen. In mir kribbelte es fürchterlich. Meine
Augenlider wurden schwer, ich war zu kaputt um mich noch von der
Stelle bewegen zu können. Ich fiel in einen tiefen traumlosen
Schlaf.
Irgendwo in der Ferne hörte ich wie mein Name gerufen wurde. Panik
stieg in mir auf, war das etwa Christian? Hatte er mich gefunden?
Jemand rüttelte mich unsanft an den Schultern. Ich wollte mich aus
diesen Griff raus winden, was mir beim besten Willen nicht
gelang.
„Verdammt wach endlich auf.“ Hörte ich eine Stimme, die ich nicht
einordnen konnte.
Christian! Ohne einen anständigen Kampf würde er mich dieses Mal
nicht bekommen. Ich öffnete meine Augen nur soweit das ich
verschwommen sehen konnte wo der Kopf von Christian war und lies
mit aller Kraft die ich hatte meine Rechte Faust
vorschnellen.
Ich traf ihn mitten ins Gesicht, fluchend sprang er auf. Nun
öffnete ich meine Augen ganz, stemmte mich etwas wacklig in die
Höhe. Riss meine Fäuste hoch und wollte noch einen Schlag
nachsetzen, als ich irritiert innehielt.
„Jenny was machst du denn hier? Oh Gott, das tut mir leid, ich
dachte du wärst Christian.“
„Was ich hier mache? So wie es aussieht, mich von dir Schlagen
lassen!“ Jenny hielt sich immer noch ihre Nase, die Gott sei Dank
nicht blutete. Falls Vampire überhaupt bluten konnten.
„Jenny es tut mir leid, ich, ich weiß nicht was ich noch sagen
soll?“
Jenny sah kurz zum Waldrand hin und konzentriere sich dann wieder
auf mich.
„Am besten nichts Chrisi, ich muss sagen du hast eine harte rechte,
das muss ich dir lassen.“
„Danke schön.“ Antwortete ich beschämt. „Dafür schmerzt mir jetzt
aber meine Hand.“
Nur mühsam konnte Jenny sich das Lachen verkneifen.
„Chrisi wir müssen hier weg, Christian und Collins sind in der
Nähe. Die beiden können jeden Augenblick hier auftauchen und
Alexander und die anderen sind noch nicht da. Alleine werde ich mit
zwei Werwölfen nicht fertig.“
„Mist.“ Meine Beine waren noch nicht ganz standsicher. Jenny
stützte mich damit ich einigermaßen geradeaus gehen
konnte.
„Na dann lass uns von hier verschwinden“, flüsterte
Jenny.
„Hier verschwindet niemand!“ Eine tiefe hasserfüllte Stimme schwang
über die Lichtung.
Jenny wurde stocksteif und noch bleicher im Gesicht. Auch mir lief
es eiskalt den Rücken runter. Sofort lies Jenny mich los, was dazu
führte das ich wieder auf meinen Hosenboden fiel und stellte sich
schützend in Angriffsposition vor mich hin.
„Christian!.“ Er hatte mich schneller gefunden als ich erwartet
hatte.
„Jenny lauf weg, er will nur mich“, flüsterte ich ihr zu.
Jenny schüttelte den Kopf, „Erst muss er an mir vorbei, bevor er
dich bekommt.“
Mit weit aufgerissenen Augen fragte ich sie, „ wieso tust du
das?“
„Ja Jenny warum tust du das?“ Brüllte Christian.
„Chrisi, Alexander liebt dich und er kann dich kein zweites Mal
verlieren. Das würde ihm das Herz vollends brechen und dann wäre
sein Leben für ihn verwirkt.“
„Oh die Melodramatik, ist das nicht zum kotzen?“ Christian hatte
viel Hass in sich, aber keine Liebe. Von wegen er war nicht mehr
von Rache zerfressen. Nun zeigte Christian sein wahres
Gesicht.
Diese Situation war unbegreiflich für mich, Jenny müsste doch froh
sein wenn ich ihr nicht mehr im Weg stehe. Aber nein, sie würde
dafür sterben damit ich lebe und Christian nicht in die Hände
falle.
Christian wandte sich an mich, „Hallo Rose, wie ich sehe geht es
dir gut. Ich habe dich schon vermisst. Ich muss dir ein Kompliment
aussprechen, wie du Collins überwältigt hast, meine
Hochachtung.“
Collins der als Werwolf direkt hinter Christian stand sah das
bestimmt ganz anders. Wütend funkelte er mich mit seinen gelben
Augen an. Für mich war klar, wenn Christian nicht im Weg stehen
würde, wäre ich schon längst zu Hundefutter verarbeitet
worden.
Jenny knurrte Christian und Collins wütend an, „ihr kranken
Arschlöcher von räudigen Köter, wieso könnt ihr Chrisi und
Alexander nicht in Ruhe lassen? Die beiden sind füreinander
bestimmt und du Christian solltest schon längst in der Hölle
schmoren.“
„Ein Knurren drang uns entgegen, ich konnte aber nicht sagen ob es
von Christian oder Collins gekommen war.
Doch es war Christian der beschwichtigend die rechte Hand hob. Mit
einem kalten und bösen Blick fixierte er Jenny.
„Für einen Blutsauger bist du ganz hübsch, trotzdem wirst du heute
noch das zeitliche segnen. Denn Rose gehört nur mir, nicht zu
Alexander oder einem anderen dahergelaufenen Vampir!“
Hey hatte er irgendwann Rechte an meiner Person gekauft, von dem
ich aber noch nichts wusste?
Plötzlich stockte mir der Atem. Bei Christian setzte die
Verwandlung ein. Nur einen Sekundenbruchteil hatte es gedauert bis
sich in seinem Gesicht die Schnauze hervorschob, die langen
Reißzähne und das Fell wuchsen. Es sah aus als ob Christian noch
größer werden würde. Aus seinen Händen und Füßen wurden gefährlich
aussehende Pranken. Mit einem lauten Heulen schloss sich die
Verwandlung ab.
Christian fletschte wütend die Zähne, nur fixierte er nicht mich
oder Jenny. Er sah an uns beiden vorbei. Meine Hoffnung starb als
ich mich umdrehte und sah dass Alexander ein kurzes Stück von uns
weg stand.
Erst jetzt wurde mir bewusst dass sich mein innerstes zum gewohnten
Höhepunkt erwärmt hatte, was passierte wenn Alexander in meiner
Nähe war.
Vor Aufregung hatte ich dieses Gefühl aus meinem Bewusstsein total
verdrängt.
Alexander warf mir nur einen kurzen Blick zu, dann konzentrierte er
sich voll und ganz auf Christian. Alexander ging von uns weg, in
die Mitte der Lichtung.
Ich hatte das Gefühl dass mir mein Herz in meiner Brust vor Angst
um Alexander in tausend Teile zerspringen müsste.
Alexander sprach Christian an, „Hallo Bruder, wie ich sehe hat sich
zwischen uns in all den Jahren immer noch nichts verändert. Lass es
uns heute ein für alle Mal klären. Nur du und ich!“
Mir wurde schlecht, wie konnte Alexander nur so etwas sagen? War
ihm nicht klar dass ich ohne ihn nicht leben kann? Noch dazu war
Christian zwei Köpfe größer als Alexander. Wie zum Teufel sollte er
solch einen Kampf überleben?
Ich hörte wie jemand schrie, „Alexander nein tu das nicht! Nicht
für mich!“
Mein ganzer Körper zitterte, aber dieses Mal nicht wegen der Kälte.
Mir wurde bewusst, dass ich Panik in mir ausgebreitet hatte und ich
es gewesen war die geschrien hatte.
Christian und Collins fingen zu knurren an, beide fletschten die
Zähne.
Christian antwortet Alexander in einer knurrigen Sprache.
„Kro sroll es srein, krlass res kruns kraustragen
rrBruder.“
Jetzt erst sah ich warum Collins sich wie ein irrer aufführte
und knurrte wie ein tollwütiger Hund. Paul und Patrick hatten ihn
im Visier, und wie ich die beiden einschätzte, würde Collins den
heutigen Tag nicht überleben, dafür hatten die beiden zu viel Spaß
dabei einen Werwolf zu töten und sie waren ein eingespieltes
Team.
Ich schickte ein Stoßgebet in den Himmel, obwohl ich mir nicht
sicher war, ob Gott auch Vampire beschützte.
Auf einer kleinen Lichtung begannen zwei furchtbare Kämpfe auf
Leben und Tod, und ich war der Grund.
Jenny packte mich am Arm, zog mich hinter sich her und brachte mich
zum Waldrand. Sie setzte mich hinter einem dicken Baum ab. Jenny
positionierte sich davor und verfolgte konzentriert den Kampf. Hin
und wieder zuckte ihr Körper, was mir zeigte das auch sie lieber
kämpfen würde als hier bei mir Babysitter zu spielen.
Vorsichtig lugte ich um den Baum herum, als ein grauenvolles Heulen
erklang, das mich erstarren lies. Heulen war gut, das bedeutete
dass es kein Vampir gewesen war, der verletzt worden war, beruhigte
ich mich selbst.
Es war Collins gewesen. Irgendwie sah es grotesk aus wie er sich am
Boden liegend vor Schmerzen wand. Es war als ob er nicht mehr
vollständig wäre. Ich konnte zwei Beine aber nur einen Arm
entdecken. Paul und Patrick hatten ein Siegessicheres Grinsen im
Gesicht, das nur bedeuten konnte, dass für den Werwolf die letzte
Stunde geschlagen hatte. Wie auf Kommando fielen beide gleichzeitig
über Collins her.
Paul wurde von einem Fußtritt, den Collins ausgeteilt hat
zurückgeschleudert. Krachend landete er an einem Baum der
bedrohlich zu wanken begann.
Plötzlich flog Christian in mein Sichtfeld. Hart schlug er auf.
Doch kaum hatte er den Boden berührt, stand er auch schon wieder
auf seinen Pfoten.
Alexander setzte sofort zum Sprung an, mit den Füßen voraus traf er
Christian an Hals und Brust. Ein knackendes Geräusch und das
schmerzhafte Aufheulen waren von Christian zu hören als er noch
weiter zurückflog. Winselnd blieb er am Boden liegen.
Vor Anspannung vergas ich zu atmen, was mir erst auffiel als die
Luft in meinen Lungen knapp und mir deshalb schwindelig wurde.
Schnell sog ich tief die Luft ein und im nu ging es mir wieder
besser.
Alexander pirschte sich vorsichtig an ihn ran. Seine Hellblauen
Augen blitzten vor Anspannung. Alexander wusste genau dass er
Christian nicht unterschätzen durfte. Einen Schritt noch, dann war
Alexander bei Christian. Christian versuchte sich von Alexander
wegzuziehen, als plötzlich ein Markdurchdringendes Heulen und
winseln erklang das in ein röcheln überging. Ein knacken und reißen
beendeten das Leiden von Collins.
Diese kurze Ablenkung nutzte Christian, er sprang Alexander mit
voller Wucht entgegen, rammte ihn um und kam auf seinen vier Pfoten
auf und rannte dann geradewegs, mit einem irren Leuchten in seinen
Augen auf mich zu.
Mein Herz blieb für einen kurzen Augenblick stehen. Wie in Trance
hörte ich wie Alexander Jennys Namen schrie, die von dieser Aktion
ebenso überrascht worden war wie ich. Trotzdem hatte sich Jenny
schneller als ich wieder gefasst.
Mit einem kraftvollen und elegant wirkenden Sprung warf sich Jenny
Christian entgegen. Ein dumpfes Geräusch erklang als sie
aufeinanderprallten. Christian versuchte sich in Jennys Hals zu
verbeißen. Geschickt wich sie jedoch seinen Beißattacken aus. Ich
konnte nur über diese Eleganz staunen, die sie in dieser
gefährlichen Situation an den Tag legte.
Eine Sekunde später wurde Christian von vier Vampiren gleichzeitig
attackiert, dem er nicht mehr viel entgegenzusetzen hatte. Paul und
Patrick hatten Christian fest im Griff. Jenny hing wie ein
Klammeraffe auf seinem Rücken, einen Arm fest um seinen Hals
geschlungen. Was Christian hechelnd nach Luft, unfreiwillig auf die
Knie zwang.
Alexander baute sich vor ihm auf, „warum konntest du uns nicht in
Ruhe lassen? Jetzt zwingst du mich zu einem Schritt, den ich
eigentlich nie gehen wollte. Dich töten. Ich weiß nicht was ich dir
getan habe das du mich so sehr hasst. Es liegt nicht an Chrisi,
denn du liebst sie nicht wirklich, du weist nicht einmal was Liebe
ist, du willst sie nur haben weil ich sie liebe. Das war damals wie
heute so.“
Christian verwandelte sich in seine Menschengestalt zurück. Was
auch die drei Vampire ein wenig verwirrte. Jenny verzog das
Gesicht, denn nun hatte sie einen nackten Mann im Würgegriff und
sie hing an diesem nackten Mann ja immer noch dran.
Verlegen versuchte ich bei Christian nicht zu tief zu sehen. Was
nicht einfach war, denn das war wie bei einem Unfall, man wusste
man sollte nicht starren, aber es ging einfach nicht anders man
musst hinschauen.
Christian versuchte zu sprechen, was ihm bei dem Würgegriff von
Carmen nicht leicht fiel. Alexander deutete ihr dass sie den Griff
lockern soll. Gleich holte Christian tief Luft und seine
Gesichtsfarbe änderte sich schlagartig von leicht bläulich ins
bleich.
„Du hast recht Bruder. Ich habe dich bei deiner Geburt schon
gehasst, obwohl du für die damalige Situation nichts dafür
konntest. Inzwischen sollte ich klüger geworden sein aber ich
schaffe es nicht dieses Gefühl aus meinem Leben zu verbannen.“
Christian atmete nochmals tief durch bevor er
weitersprach.
„Alexander, wenn du mich am Leben lässt, werde ich aus eurem Leben
verschwinden und nie wieder zurückkehren. Das verspreche ich
dir!“
Paul schüttelte den Kopf, „Alex du wirst doch nicht auf diesen
Vorschlag eingehen und ihm das glauben?“
Paul kannte Alexander gut genug um zu wissen dass sein Bruder immer
ein wunder Punkt bei ihm war der ihn zu unvernünftigen Handlungen
bringen konnte.
Alexander drehte sich zu mir, doch er sah auf den Boden, als ob er
dort die Antwort finden würde.
„Christian hat recht. Ich kann ihn nicht töten. Er ist und bleibt
mein Bruder.“
In den Gesichtern von den drei Vampiren spiegelten sich Unglauben
über das was sie da gehörte hatten. Einzig und allein Christians
Gesicht entspannte sich.
„Aber“, sprach Alexander weiter, „ich kann dich nicht wieder laufen
lassen. Du hast schon zu viel Schaden angerichtet!“
Alexander wandte sich wieder Christian zu.
„Du würdest dein Versprechen nie halten, denn du bist von Grund auf
böse. Nie wieder wirst du in die Nähe von Chrisi kommen. Sie gehört
zu mir und nicht zu dir, kapier das endlich!“
Die Gesichter der drei Vampire entspannten sich wie abgesprochen
wieder.
Alexanders Blick wurde hart wie Stein, „Christian…… ich habe in den
letzten Monaten für diesen Augenblick ein Gefängnis für die
Ewigkeit für dich gebaut. Darin wirst du deine Zukunft verbringen.
Ich mache nicht noch einmal den Fehler dich laufen zu lassen und
damit die Frau meines Herzens in Gefahr zu bringen.“
Alexander ging zum Baum an dem ich stand, er bückte sich und hob
eine Tasche hoch, die mir davor nicht aufgefallen war. Daraus zog
er zwei schmiedeeiserne Ketten mit Ringen hervor. Alexander ging
zurück zu Christian.
„Haltet ihn gut fest.“ Befahl er.
Paul und Patrick verstärkten ihren Griff, was Christian schmerzhaft
aufstöhnen lies. Nun drückten sie seine Arme auf den Rücken, von
dem Jenny kurz zuvor abgesprungen war.
Alexander befestigte die Handschellen. Eine weitere Kette war für
die Füße gedacht, die ebenso schnell angebracht war.
Erst jetzt begriff Christian was Alexander gesagt und getan hatte.
Mit letzter Kraft bäumte er sich auf. Patrick schlug ihm sein Knie
in die Magengegend, was Christian würgend auf den Boden zwang. Ein
weiterer Schmerz ließ ihn zusammenzucken, in den Hand und
Fußfesseln waren spitze Metalldornen mit eingearbeitet worden, die
sich tief in sein Fleisch bohrten, wenn Christian sich wehrte oder
auch nur zu sehr bewegte.
„Alexander, Bruder das kannst du nicht machen?“ Schrie Christian
verzweifelt. „So grausam kannst du nicht sein, dann töte mich,
bevor du mich auf ewig in einen Käfig sperrst. Das wird mein Tod
sein!“
Mir zog sich der Magen zusammen bei diesem Anblick. Ich bekam
Mitleid mit Christian.
Alexander schüttelte den Kopf, „tut mir leid Christian, du hattest
deine Chance und hast sie nicht genutzt. In all den Jahren nicht
einmal.“
Alexander wandte sich zu Paul, „du weist was zu tun ist!“
Paul nickte.
Christian wurde von den Cojack Brüdern in die Höhe gezogen und
hinter ihnen her geschleift. Jenny saß wieder auf den Rücken von
Christian und hielt ihn mit einem Würgegriff in Schach.
Wäre die Situation nicht so traurig gewesen, hätte dieser Anblick
normalerweise bei mir einen Lachanfall ausgelöst.
Alexander kam auf mich zu, zog mich an sich, mit seiner Hand fasste
er mir zärtlich unter mein Kinn und hob meinen Kopf hoch, bis ich
ihm in seine Stahlblauen Augen sehen konnte.
„Alles klar bei dir?“
Ich nickte nur, mir wurde schon wieder ganz schwindlig. Mein Atem
ging schneller, nur lag es dieses Mal rein an der Nähe zu
Alexander. Dieser Mann machte mich wahnsinnig und trieb meine
Hormone zu Höchstleistungen an.
Langsam kam er mir mit seinem Mund immer näher, mir kam es wie eine
Ewigkeit vor, bevor sich unsere Lippen leidenschaftlich berührten.
Meine Hände gruben sich in seine Haare und zogen ihn fest an mich.
Mein Körper drängte sich fest an den seinen. Als Alexander
zusammenzuckte und aufstöhnte. Schnell lies ich ihn los und machte
einen Satz nach hinten.
„Entschuldige habe ich dir wehgetan?“ Stotterte ich mit hochrotem
Kopf.
Alexander stand mit Schmerzverzehrtem Gesicht vor mir, eine Hand
unter der Jacke an seine Rippen gepresst.
„Alexander? Was ist mit dir los?“ Fragte ich ängstlich.
Alexander sackte mit einem Stöhnen auf die Knie. Seine Hand kam
Blutverschmiert unter der Jacke wieder zum Vorschein.
„Chrisi“, keuchte Alexander, „Christian hat mich doch schlimmer
erwischt als ich dachte, du musst Hilfe holen. Geh rüber zur
anderen Seite des Waldrandes, wo Paul und die anderen beiden
verschwunden sind und ruf so laut du kannst nach einen der
dreien.“
Alexander fiel der Länge nach auf den Boden. In mir stieg Panik
hoch.
„Was mache ich wenn sie mich nicht hören?“
Mit einer schwachen Stimme antwortete er, „sie werden……
.“
Alexander war bewusstlos geworden.
„Oh Gott, oh Gott bitte lass ihn nicht sterben.“
Hastig lief ich zum Waldrand auf der anderen Seite.
„Bitte lieber Gott lass Alexander nicht sterben.“ Sagte ich wie
einen Leitsatz vor mir auf.
Endlich angekommen, schrie ich so laut wie ich nur konnte nach
Jenny, Paul und Patrick.
Wie aus dem Nichts stand plötzlich Patrick vor mir. Ein Schreck
fuhr mir durch die Glieder.
„Chrisi was ist passiert?“
„Alexander, er…er ist verletzt, er braucht eure Hilfe. Ich weiß
nicht wie ich ihm helfen soll? Ich habe einen erste Hilfe Kurs für
Menschen gemacht aber noch keinen für Vampire.“ Schluchzte ich
verzweifelt auf.
Tränen rannen wie Sturzbäche über mein Gesicht.
Patrick kniete schon neben Alexander als ich gerade wieder
losgelaufen war. Ich hatte gerade die Hälfte der Strecke hinter
mich gebracht, da schrie mir Patrick entgegen, „Stopp, bleib wo du
bist Chrisi. Komm nicht näher. Es ist im Moment zu gefährlich für
dich in seiner Nähe.“
Wie angewurzelt blieb ich stehen, was mich fast zum fallen gebracht
hätte. Warum zum Teufel sollte es gefährlich für mich in
seiner Nähe sein? Er liebte mich doch! Alexander könnte mir doch
nie im Leben etwas antun? Mein Kopf konnte das eben von Patrick
gesagte nicht richtig einordnen. Verdammt er war doch ein Vampir
und somit unsterblich, warum ging es ihm dann so sehr schlecht,
dass ich nicht einmal zu ihm gehen konnte um in seiner Nähe zu
sein? Ich seufzte schwer, und das alles nur meinetwegen. Ich hätte
nie nach Campbell River kommen dürfen, dann wäre das alles nicht
passiert, machte ich mir Vorwürfe.
Hoffnungsvoll beobachtete ich Patrick.
„Kann er nicht einfach von meinem Blut trinken Patrick?“
Es war nicht Patrick der antwortete, sondern Alexander, „Nein das
kommt nicht in Frage Chrisi, rief er schwach und gequält, „lieber
gehe ich an dieser Wunde zu Grunde, bevor ich nur einen Schluck von
deinem Blut koste.“
Alexander stöhnte vor Schmerzen auf. Ich kam mir Hilflos vor, hatte
Christian doch noch sein Ziel erreicht? Wollte es das Schicksal
nicht das Alexander und ich zusammenfinden?
Ein Windhauch streifte mich. Jenny war an mir vorbeigelaufen, sie
saß schon bei den beiden, als ich endlich realisierte das sie an
mir vorbeigelaufen war.
Patrick sagte etwas zu ihr was ich nicht verstehen konnte, doch
Jenny verschwand wieder im Wald.
„Kann ich denn gar nichts für euch tun?“ Rief ich
verzweifelt.
Patrick schüttelte nur den Kopf, dabei sah er mich nicht einmal an.
Seine ganze Konzentration galt Alexander.
Jenny kam zurück. Sie hatte ein paar Beutel mit roter Flüssigkeit
in der Hand, das aussah wie … Blut.
Mir war klar das Alexander ein Vampir war und Blut zum Überleben
brauchte, doch bis jetzt hatte ich die Vorstellung verdrängt, wie
Alexander das Blut von Menschen trank. Krampfhaft versuchte ich
diese Vorstellung beiseite und aus meinem Kopf zu
schieben.
Mein schlechtes Gewissen begann mich aufzufressen.
Die Kreise die ich vor Nervosität angefangen hatte zu ziehen, waren
immer größer geworden. Als ich mit meinem Fuß gegen etwas Hartes
stieß. Mir lief ein Schaudern über die Haut, Übelkeit stieg in mir
hoch. Schnell presste ich eine Hand vor meinen Mund um nicht
lauthals los zu schreien.
Collins Kopf lag mit weit aufgerissenen Augen vor mir, er hatte
sich in einen Menschen zurückverwandelt. Taumelnd ging ich ein paar
Schritte zurück, ich stolperte rücklings über etwas und prallte
hart auf dem Boden auf. Meine Beine lagen auf dem menschlich
Oberkörper von Collins. Angeekelt zog ich meine Beine weg. Das war
zu viel für meinen Magen. Ich würgte das nicht vorhandene Essen
hoch.
Wie durch einen Schleier hörte ich Jennys Stimme, die verzweifelt
Alexanders Namen rief und etwas sagte wie, „gib jetzt bloß nicht
auf du Idiot.“
Nein das durfte nicht sein. Alexander war tot, ich, ich hatte ihn
umgebracht.
Kraftlos stemmte ich mich auf die Beine, wie in Trance fing meine
Beine wie von alleine zu laufen an. Ich stolperte, ich fiel hin,
stand wieder auf. Alles an mir war durchgefroren, aufgeschürft und
Blutverschmiert, aber das war mit egal.
Alexander, ich hatte ihn verloren, das würde ich mir nie verzeihen.
Wenn Alexander nicht mehr war, was sollte ich dann noch auf dieser
Welt? Ich hatte ihn getötet, mit dieser Schuld wollte und konnte
und wollte ich nicht mehr weiter leben.
Das Schicksal meinte es wohl gut mit mir, ein wildes Rauschen ganz
in der Nähe, deutete auf einen Wasserfall oder wilden Fluss hin.
Das Rauschen war bei weiten intensiver als bei dem Bach vorhin, das
war ein gutes Zeichen. Torkelnd lief ich auf das Geräusch
zu.
Im Geiste erschien mir Alexander wie er in einer Lache aus Blut lag
und tot war.
Nein, was hatte ich nur getan?
Nach ein paar Metern bestätigte sich meine Vermutung. Es war ein
wild rauschender Fluss, mit einem kleinen aber mit Sicherheit einen
Todbringenden Wasserfall.
„Bald sind wir zusammen Alexander. Ich will nicht mehr ohne dich
sein! Ich liebe dich!“
Ich ging noch ein paar Meter entgegen des Flusslaufes, bis ich die
passende Stelle gefunden hatte um in den Fluss und den erlösenden
Tod zu springen. Ich wollte nur noch bei Alexander sein. Noch
einige Schritte Anlauf, perfekt.
Wieder holte ich mir das Bild von Alexander in meinem Geiste
hervor.
Irgendwo in der Ferne hörte ich eine Stimme rufen, „nein Chrisi, tu
es nicht!“
Wollte mir mein Kopf jetzt noch eine bösen Streich
spielen?
„Doch ich muss es tun!“ Gab ich mir selbst die Antwort.
Ich lief los und sprang soweit ich nur konnte in den
Fluss.
Die Strömung riss mich
sofort gnadenlos mit sich. Das Wasser war eisig kalt. Ich leistete
keine Gegenwehr. Das Wasser spielte mit mir, es zog mich tief
hinunter bis ich den Grund berührte, dann wirbelte es mich
herum und drückte mich wieder an die Oberfläche. Felsen drückten
sich hart an meinen Körper und hinterließen dabei ihre Spuren. Der
Atem entwich aus meinen Lungen, das Wasser drängte hinein. Trotz
der Schmerzen verspürte ich komischerweise keinen Anflug von Panik,
ich war die Ruhe selbst. Dunkelheit umfasste meine Gedanken, dann
war jedes Empfinden verschwunden, dachte ich.
Etwas drückte in regelmäßigen Abständen hart auf meine Brust. Ein
Sog erfasste meine Gedanken, langsam glitten sie der Helligkeit
entgegen, die ich in der Ferne wahrnahm.
Täuschte ich mich oder hatte ich eben Alexanders Stimme gehört? War
er dort vorne im Licht? Ich versuchte nach ihm zu rufen, aber es
ging nicht.
Da war sie wieder diese Stimme, und dieses Mal war ich mir sicher,
es war Alexander. Warum konnte ich ihn nicht sehen? Wo war er
nur?
„Chrisi, mach deine Augen auf!“
Warum sollte ich meine Augen auf machen? Ich bin doch
tot.
Das Licht war jetzt ganz nah. Es blendete mich und ich sah alles
nur verschwommen. Verdammter Mist, das Licht entpuppte sich als
Tageslicht. Ich konnte es nicht fassen, was war nur passiert? Da
hörte ich schon wieder Alexanders Stimme.
„Na endlich, sie ist wieder bei uns“, hörte ich Alexander
erleichtert sagen. „Danke Paul.“
„Keine Ursache Alexander, wir müssen sie jetzt aber ins Krankenhaus
bringen, sie ist noch lange nicht über den Berg. Und du musst nach
Hause, du brauchst Ruhe und noch ein paar Packungen Blut, bis deine
Wunde verheilt ist.“
„Alexander?“ Krächzte ich. Dabei brannte mein Hals wie Feuer. „Sind
wir tot?“
„Nein mein Schatz wir leben beide noch. Chrisi was sollte dieser
Unsinn, warum bist du in den Fluss gesprungen?“
„Ich dachte du wärst tot und ohne dich wollte ich nicht mehr
leben.“
„Du Dummchen. Wenn du so etwas noch einmal machst, dann versohle
ich dir höchstpersönlich deinen Hintern, egal ob ich dann Tot bin
oder nicht. Haben wir uns verstanden?“ Alexanders Tonfall hörte
sich sehr Vorwurfsvoll an.
Ich nickte nur schuldbewusst und zuckte zugleich zusammen. Mein
Körper schien nur noch aus einem Schmerz zu bestehen. Paul hob mich
vorsichtig hoch und brachte mich wie im Flug zu seinem Auto. Mein
Körper zitterte vor Kälte. Paul wickelte mich fest in eine Decke
ein. Auf der Rückbank in seinem Buick schlief ich Gott sei
Dank, vor Erschöpfung sofort ein.
Erst im Krankenhaus, als die Ärzte an mir rumzehrten wurde ich
wieder wach.
„Na endlich Ms Mc Kenzie, sie haben einen Schlaf wie eine Tote.“
Lächelte mich ein Arzt an.
Ich persönlich fand den Vergleich ein wenig Makaber.
„Nein ich lebe noch“, krächzte ich mit schmerzverzehrter
Miene.
„Ms Mc Kenzie wo haben sie schmerzen? Können sie mir das
sagen?“
„Überall.“
Ich wollte meine Antworten so kurz wie möglich halten, sprechen tat
zu sehr weh. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt dass
ich heute Stahlwolle zum Frühstück hatte.
Wieder schlief ich ein, was dem Arzt nicht passte. „Ms Mc Kenzie
bitte bleiben sie noch einen Moment wach!“
Ein brummen von mir sollte dem Arzt zeigen das ich das nicht
wollte. Doch der zeigte sich davon wenig beeindruckt.
„Halten sie noch zirka eine halbe Stunde durch Ms Mc Kenzie, dann
dürfen sie schlafen so lange sie wollen.“
Wieder lächelte er mich mit seinem Zahnpasta lächeln an. Am
liebsten hätte ich ihm einen Tritt in den Allerwertesten verpasst.
Wenn ich mich nur bewegen hätte können.
Ich kam mir wie ein Versuchskaninchen vor. Es war als ob es nichts
an mir gab, was sie nicht untersuchen wollten. Nach einer gefühlten
Ewigkeit wurde ich auf ein Zimmer gebracht.
Die Krankenschwestern hatten kaum das Zimmer verlassen, als Paul
grinsend an meinem Bett stand.
„Du siehst wie eine Mumie aus. Bei der Platzwunde an deiner Stirn
haben sie sechs Stiche gemacht. Du hast es wieder geschafft dir
eine Gehirnerschütterung zuzulegen, zwei Rippen sind gebrochen die
hast du mir zu verdanken. Das war bei der Wiederbelebung passiert.
Sorry. Und unzählige Blutergüsse und Schürfwunden zieren deinen
armen geschundenen Körper. Und wenn du wissen willst warum ich das
alles weiß, ich habe mich als dein Bruder ausgegeben. Hast du noch
Fragen?“
Ich war baff, wie konnten die ihm die Brudergeschichte nur
abkaufen? Ich hatte nicht mal annähernd eine so edle Ausstrahlung
wie Paul.
Pauls grinsen wurde noch breiter.
„Alexander, wie geht es ihm?“ flüsterte ich. Ich war mir sicher das
Paul alles verstand.
Sein Gesicht nahm nun ernste Züge an.
„Er hatte großes Glück, so wie du auch. Aber Alexander wird bald
wieder gesund sein, was man von dir nicht behaupten kann. Ach
übrigens wenn sie dich fragen, du bist gestolpert und in den Fluss
gefallen. Ich habe dich rausgezogen und es war sonst niemand
dabei.“
Er hatte wirklich an alles gedacht.
„Danke Paul. Für alles.“
„Schon gut, aber mach so einen Unsinn Alexander zu liebe nie
wieder, er ist fast wahnsinnig vor Angst um dich geworden. Solltest
du noch eine Aktion dieser Art bringen, bekommst du ein dickes
Problem mit mir, klar?“
Betreten sah ich zum Bettende und nickte. „Versprochen.“
„Ich richte Alex Grüße von dir aus, wir beide sehen uns morgen
wieder. Schlaf gut.“
Schon war Paul verschwunden bevor ich noch hatte etwas sagen
können.
Endlich war der Tag
gekommen, an dem ich aus dem Krankenhaus entlassen
wurde.
Helen hatte mich jeden Tag besucht. Und jeden Tag hatte sie mich
erneut ausgeschimpft. Sie drohte mir sogar mit Hausarrest
wenn ich mich dem Wald noch einmal nähern sollte.
Paul und Patrick waren genauso oft wie Helen da und amüsierten sich
immer köstlich über unsere Debatten.
Alexander ……. Alexander ließ sich nur hin und wieder blicken. Die
Verletzung hatte ihm mehr zugesetzt als er zugeben wollte. Ich
beschloss ihm die Zeit zu lassen die er benötigte, auch wenn es mir
sehr schwer fiel. Er hatte mich darüber aufgeklärt, dass eine
Verletzung von einem Werwolf auch einen Vampir von den Socken hauen
kann und diese verdammt lange zum heilen benötigte.
Kaum war ich zu Hause, steckte mich Helen auch schon wieder ins
Bett. Das hatte ich dem Arzt aus dem Krankenhaus zu
verdanken, er konnte es sich nicht verkneifen zu sagen, dass ich
noch viel Ruhe brauche.
Idiot.
Kaum hatte Helen das Haus verlassen, wälzte ich mich vorsichtig aus
dem Bett. Bei jeder zu schnellen Bewegung wurde ich von meinen
Rippen schmerzhaft daran erinnert, das der Vorfall erst vor zwei
Wochen war.
Treppen steigen war ein besonderes Ereignis. Jede einzelne Treppe
wurde von einem „Aua“ begleitet. Da half nicht mal das Zähne
zusammenbeißen.
Plötzlich spürte ich die mir vertraute Wärme. Mein Herz fing an zu
rasen. Jede Sekunde kam mir wie eine Ewigkeit vor. Wann klopfte er
denn endlich an die Türe?
Doch dann war die Wärme plötzlich wieder verschwunden. Traurigkeit
und Enttäuschung nahmen stattdessen den Platz ein. Zur Sicherheit
ging ich zur Haustüre, öffnete sie und vergewisserte mich das
Alexander wirklich nicht mehr da war.
Vielleicht hatte ich es verdient. Aber hatte ich ihn wirklich so
sehr enttäuscht, das er von mir nichts mehr wissen will?
Tränen der Enttäuschung bahnten sich einen Weg ins Freie.
Ich musste es wohl akzeptieren und es ihm und mir nicht schwerer
machen als es sein musste.
Für diese Erkenntnis musste zur Schmerzbewältigung ein riesiger
Becher Vanilleeis mit viel Sahne her. Ein Suppenlöffel damit
mehr darauf passt und eine Decke damit ich mich im Wohnzimmer, auf
der Couch einlullen konnte. Doch davor musste noch ein Horrorfilm
in den DVD-Player, damit ich abgelenkt wurde.
Trotz des Films schafften es meine Tränendrüsen immer wieder
Sturzbäche gesalzenen Wassers loszulassen.
„Chrisi, ich bin wieder zu Hause“, hörte ich Helen rufen.
Bist du im Wohnzimmer? Ich habe da ein Päckchen vor der Türe für
dich gefunden. Ich glaube es ist von Alexander.“
Helen kam mit dem Päckchen in der Hand zu mir ins Wohnzimmer.
Neugierig drehte sie es von einer auf die andere Seite. Plötzlich
hielt sie inne.
„Chrisi was ist passiert? Hast du Schmerzen?“
Schnell schüttelte ich den Kopf.
„Nein der Film ist nur unsagbar traurig“, log ich.
„Willst du mich verarschen? Das ist ein Horrorfilm und keine
Liebesromanze.“
„Das kann man sehen wie man will.“ Dummerweise hatte ich einen Film
mit Vampiren erwischt.
„Von wem ist das Paket, hast du gesagt?“ Um vom Thema
abzulenken.
„Ich glaube von Alexander, es steht nur dein Name
darauf.“
Dieses Mal schüttelte Helen das Päckchen sogar noch. Vorsichthalber
nahm ich es ihr aus der Hand. Es war nicht besonders groß. Was war
klein genug um als Abschiedsgeschenk dort hineinzupassen? Oder war
sein Abschiedsbrief ewig lange geworden, das er in kein Kuvert mehr
hineinpasste?
„Willst du es nicht öffnen?“ Helen klang ungeduldig.
„Jetzt nicht, später vielleicht.“
Ich hatte einfach im Moment nicht die Kraft dazu, das Päckchen zu
öffnen. Heute bereute ich es zum ersten mal das wir keinen Alkohol
im Haus hatten.
„Chrisi“, Helen setzte sich nervös mit ihren Finger spielend vor
mich hin, „würde es dir was ausmachen, wenn du heute für ein paar
Stunden alleine bist? Roberts Mutter hat Geburtstag. Aber wenn du
dich noch nicht gut genug fühlst um alleine zu sein, bleibe ich
natürlich bei dir und sage Robert für heute Abend ab.“
Ich sah meine Chance gekommen doch noch in diesem Leben aus diesem
Haus raus zu kommen. Wenigstens für ein paar Stunden.
„Geh nur Helen ich bin Hundemüde und werde bald zu Bett gehen.“ Zu
Demonstrationszwecken gähnte ich Herzhaft vor mich hin.
„Wirklich? Und es macht dir sicher nichts aus?“
„Ja“, lachte ich, „verschwinde und halte mich nicht von meinem
Schönheitsschlaf ab, schließlich will ich doch wieder gesund sein,
damit ich die Gegend unsicher machen kann.“
Helen drückte mich vorsichtig um mir nicht weh zu tun.
„Danke dir“, singend verschwand sie in ihr Zimmer um sich für
Robert hübsch zu machen. Helen hatte wirklich den Jackpot mit
Robert erwischt. Er war ein toller Mann.
Ich war froh das Roberts Mutter heute Geburtstag hatte. Kaum hatte
Helen das Haus verlassen, legte ich das Päckchen in mein Zimmer und
ging ins Bad um mich Ausgehfertig zu machen. Die Frage Auto oder
Taxi war durch meine doch noch sehr eingeschränkte
Bewegungsfreiheit schnell geklärt. Keine zehn Minuten später stand
das Taxi vor der Türe.
„Bringen sie mich bitte zu einer netten Bar, egal zu welcher
Hauptsache es gibt dort Alkohol!“
„Ja Ms.“ Der Taxifahrer der mir sehr nach Indianer aussah, fuhr
los. Ich war sehr gespannt wohin er mich bringen würde. Keine
fünfzig Meter weiter, wurde es warm in mir und mir war als ob
Alexanders BMW gerade an uns vorbei gefahren wäre. Doch der BMW war
schon um die nächste Kurve verschwunden, als ich mich endlich in
Zeitlupentempo umgedreht hatte, um auf das Nummernschild sehen zu
können. Diese blöden Rippen, warum mussten die noch immer
Schmerzen?
Ich verdrängte die innere Wärme aus meinem Bewusstsein. Wenn es
Alexander war, dann soll er doch vor verschlossenen Türen stehen.
Er hatte es nicht anders verdient. Erst Schluss machen und dann
noch tiefer in der Wunde herumbohren. Gings eigentlich
noch?
Zwanzig Minuten fuhr der Taxifahrer mich durch die Stadt und blieb
vor einer Bar namens Waikiki stehen.
„Das macht Fünfunddreißig Dollar Ms.“
Geschockt sah ich den Taxifahrer an“, ich wollte eigentlich nicht
das Taxi kaufen“, murmelte ich. Zahlte und stieg aus.
Oh diese verdammten Rippen, konnten die nicht weniger wehtun? Eine
Schmerztablette wollte ich heute nicht mehr nehmen, erstens hatte
ich schon am Morgen zwei genommen und die Kombination von Tabletten
und Alkohol war mir zu gefährlich, wenn sie kurz aufeinander
folgten. Mein Ziel war, in nächster Zeit kein Krankenhaus mehr von
innen zu sehen.
In der Bar bekam man ein richtiges Urlaubsfeeling. Palmen standen
in jeder verfügbaren Ecke. Die Bedienungen trugen Hula Röckchen mit
einem dazu passenden Bikinioberteil. Sämtliche Wände und der Tresen
waren mit Bambus verkleidet. Sogar der Barmann der sehr üppig
gebaut war, sah aus wie ein original aus Hawaii eingeflogener
Haitianer.
Gleich an der Bar suchte ich mir einen gemütlichen Platz aus. Der
Barmann der den Charme eines überdimensionalen Kuschelbären hatte,
grinste mich über das ganze Gesicht an.
„Hallo hübsche Frau, was darf es denn sein?“
„Einen Ramazotti bitte, ohne Eis. Sagen sie, wo sind denn die
anderen Gäste?“
Im Moment war ich die einzige Person in diesem Laden, die für
Getränke Bares hinlegen musste.
Der Barmann lachte auf, „Die anderen Gäste kommen erst ab elf Uhr
abends. Dann allerdings ist der Laden gerammelt voll. Schätzchen
sie sind ein paar Stunden zu früh dran. Ein Ramazotti, der ist
gleich da.“
„Danke“, sagte ich nachdenklich. Was sich Knuddelbär gerade von mir
dachte? Eine alte Jungfer die schon ewig nicht mehr aus war und auf
keinen anständigen Kerl kommt wahrscheinlich.
Der Barmann stellte mir den Ramazotti vor die Nase.
„Zum Wohl meine Süße.“
Was für Kosenamen ich heute Abend noch von ihm zu hören
bekommen würde? Naja, nach ein paar Ramazotti war mir das
wahrscheinlich irgendwann sowieso egal.
„Danke Hübscher“, entgegnete ich.
Eigentlich mochte ich den Ramazotti nicht, aber ich brauchte ein
Getränk was schnell Wirkung zeigen soll. Mit angehaltener Luft
führte ich ihn zu meinem Mund. Sonst brachte ich das Gesöff nicht
runter. Als eine bleiche Hand von der Seite auf mein Glas
zusteuerte und es festhielt.
„Willst du den wirklich trinken? Chrisi du bist vollgepumpt mit
Medikamenten die du ständig nehmen musst. Was soll denn
das?“
Vor Überraschung brachte ich kein einziges Wort heraus. Alexander
nahm mir das Glas aus der Hand und stellte es auf den Tresen
zurück.
Ich hatte den Überraschungsmoment überwunden, als es aus mir
herausplatzte, „was machst du hier? Willst du mich noch ein wenig
quälen bevor du dich ganz aus dem Staub machst? Nun musst du mich
vor Christian nicht mehr beschützen, also geh, du bist mich
los!“
Unerwartet nahm Alexander meinen Kopf zwischen seine Hände, und
drückte seine kühlen Lippen auf meine, was in mir ein Feuerwerk der
Gefühle auslöste. Hitzewallungen erstürmten mich zwischen meine
Schenkel. Oh Gott wie gerne würde ich ihn endlich in mir
spüren!
Ich verstand die Welt nicht mehr, wenn man mit jemanden Schluss
macht, küsst man die Person normalerweise nicht mehr so wie er es
gerade tat.
„Hör sofort auf einen solchen Unsinn zu reden oder auch nur zu
denken! Wie kommst du nur auf diesen absurden Gedanken? Ich könnte
ohne dich nicht mehr sein Chrisi und ich will es auch nicht mehr!
Ich liebe dich, wie oft soll ich dir das noch sagen?“
Ich schluckte schwer.
„Aber warum bist du mir ständig aus dem Weg gegangen? An manchen
Tagen hast du mich nicht einmal angesehen. Heute Nachmittag habe
ich dich gespürt, du warst bei mir zu Hause. Ich habe mich nach dir
gesehnt und du bist nicht zu mir ins Haus gekommen.
Alexander seufzte.
„Chrisi, in der Zeit nach meiner Verletzung durch Christian, hatte
ich mich nicht immer unter Kontrolle. Ich wollte dich nicht in
Gefahr bringen, deswegen habe ich einen Sicherheitsabstand zu dir
eingehalten. Glaub mir, das ist mir nicht leicht gefallen. Aber ich
hätte es mir nie verziehen wenn du durch meine Hand verletzt worden
wärst, denn das kriegst du im Zweifelfall selbst gut genug hin, wie
man sieht.“
Mit diesem Argument hatte er leider recht.
„O.k. das verstehe ich, aber was ist mit heute
Nachmittag?“
„Hast du das Päckchen nicht bekommen, das ich vor die Haustüre
gelegt habe?“
„Doch Helen hat es mir gegeben als sie nach Hause gekommen ist, was
aber immer noch nicht meine Frage beantwortet, warum bist du nicht
ins Haus gekommen?“
„Ich dachte du schläfst und ich wollte dich nicht wecken.
Hast du das Päckchen denn nicht geöffnet?“
Verlegen senkte ich den Kopf, „nein, ich war der festen Meinung
dass das Päckchen ein Abschiedsgeschenk von dir für mich ist. Ich
dachte du machst Schluss mit mir.“
„Du Dummerchen, es sollte nur ein Geschenk für dich sein. Darin
befand sich ebenfalls ein kleiner Zettel das ich dich um sieben Uhr
abhole und wir uns dann einen schönen Abend machen. Du warst doch
jetzt die ganze Zeit im Krankenhaus, da habe ich mir gedacht ein
kleiner Ausflug würde dir da bestimmt gut tun.“
Oh Gott, Ich kam mir gerade so was von bescheuert vor. Warum konnte
sich unter mir nicht die Erde auftun und mich
verschlingen?
Alexander nahm meine Hände in seine, sofort spürte ich seine kühle
Haut, was mir eine wohlige Gänsehaut verursachte.
Mit seinem Gesicht kam er mir ganz nahe, „Chrisi glaub mir eines,
ich werde dich erst verlassen wenn du es von mir verlangst. Keinen
Moment früher.“
Alexander legte einen Geldschein auf den Tresen, „komm lass uns zu
dir nach Hause fahren, dann öffnest du dein Geschenk und danach
packe ich meines aus.“
Alexanders Grinsen war unschlagbar.
„Welches Geschenk willst du auspacken?“ Fragte ich
verwirrt.
„Na dich mein Schatz.“
Von diesem Moment an drängte ich Alexander schneller zu fahren, ich
konnte es nicht mehr erwarten zu Hause anzukommen. Wegen dem
Päckchen und dem Geschenk was er auspacken wollte. Wenn ich es mir
recht überlegte, konnte sein Geschenk noch ein bisschen warten und
er durfte sofort seines auspacken.
Während Alexander parkte suchte ich bereits den Hausschlüssel raus.
Warum unnötig Zeit verschwenden? Wie ein gehbehinderter Blitz
sprang ich aus dem Auto und rannte zur Haustüre. Vor Aufregung
musste Alexander mir helfen den Schlüssel in das Schloss zu
stecken.
„Chrisi bist du dir sicher das ich mit ins Haus kommen soll?“
Fragte Alexander mit einem besorgten Unterton.
Was für eine dumme Frage. Ich packte seine Hand und zog ihn hinter
mir her in mein Zimmer. Was für ein Glück das Helen nicht zu Hause
war.
Ich legte mich auf mein Bett, nahm sein Geschenk und sagte Atemlos,
„ich sehe mir dein Geschenk später an, du darfst als erstes dein
Geschenk auspacken.“
Mit Bedacht legte ich sein Geschenk auf mein Nachtkästchen und
wandte mich wieder Alexander zu, der sich zu mir auf das Bett
setzte.
„Bist du dir Sicher?“
Verdammt so sicher war ich mir noch nie. Mit so viel Schwung wie
mir nur möglich war, hüpfte ich auf Alexander zu, was ich sofort
bitter bereute. Ein Stich fuhr mir in die Rippen.
„Mmmmhh, aaauuuuaaaa. Wenn ich das gewusst hätte das wir beide
heute noch im Bett landen, dann hätte ich doch noch eine
Schmerztablette genommen“, presste ich zwischen den Lippen
hervor.
Alexander stützte mich und sah mich besorgt an.
„Denkst du nicht das wir das für heute lassen sollten?“
Böse funkelte ich ihn an, „niemals, ich nehme die Schmerztablette
jetzt noch und dann kann es auch schon los gehen. Ich warte schon
viel zu lange auf diesen Moment und lasse es mir jetzt nicht durch
so läppische Schmerzen verderben.“
„Bleib du im Bett, wo sind die Tabletten?“
„In meinem Badezimmer.“
Alexander war schneller wieder bei als ich schauen
konnte.
„Hier, ich habe dir gleich zwei mitgebracht, den die wirst du
brauchen, wenn du das durchziehen willst!“
Meinte er das ernst? Egal. Im Nu waren die Tabletten
genommen.
„Chrisi bis die Tabletten wirken, kannst du in der Zwischenzeit
doch mein Geschenk öffnen. Und du könntest mir endlich sagen was du
spürst wenn ich in deine Nähe komme!“
Da hatte Alexander nicht ganz Unrecht, so wurde die romantische
Stimmung wieder hergestellt.
Ich grinste ihn über das ganze Gesicht an.
„Wenn du in meine Nähe kommst, dann erwärmt sich mein innerstes. Am
Anfang dachte ich, ich wäre schon in den Wechseljahren bis sich
rausgestellt hat das du der Grund warst.“
„Dein Band zu mir ist damit genauso stark wie meines zu dir. Weißt
du was das heißt? Das wir eindeutig füreinander bestimmt
sind.“
Ein Seufzen entrang sich mir, „ja das würde ich auch so sehen. Darf
ich jetzt endlich dein Geschenk auspacken?“
„Ja mein Schatz du darfst“, hauchte Alexander und küsste mich
zärtlich dabei auf meinen Mund.
Gespannt und mit zittrigen Fingern packte ich das Geschenk aus.
Zuerst fiel mein Blick auf eine kleine graue, quadratische
Schachtel, ich öffnete sie. Mir kam der Zettel mit dem Hinweis für
das heutige Date entgegen. Verlegen legte ich ihn zu Seite und
blickte wieder hinein. Da war es, das Geschenk. Eine mittelgroße,
mit Samt überzogene Schmuckschatulle. Was mochte wohl darin
sein?
Mit zitternden Fingern holte ich sie aus der Schachtel. Selbst der
Samt der Schatulle fühlte sich edel an. Vorsichtig öffnete ich sie.
Eine wunderschöne goldene Halskette, mit einem wertvoll aussehenden
roten Stein als Anhänger lag wie ein Traum darin.
„Oh Alexander, die ist wunderschön! Die ist ja der reinste
Wahnsinn!“
„Sie hat meiner Mutter gehört. Nach ihrem Tod habe ich ein paar
Dinge von ihr geerbt, und nun sollst du diese Kette tragen. Sie
soll als Beweis dienen das wir ein Paar sind, und das uns nichts
mehr trennen kann.“
Ich fiel Alexander um den Hals, zu meinem Glück wirkten die
Schmerztabletten schon.
„Vielen, vielen Dank Alexander.“
Verführerisch sah ich ihn an, jetzt bist du dran mit auspacken.
Schwer atmend, drängte ich mich ihm lustvoll entgegen.