Alexander war gerade dabei, mit Patrick und Paul die Getränkelieferung für seinen Club ins Lager zu bringen. Jenny war heute dran auf Chrisi aufzupassen. Er vertraute Jenny, sie war wie eine Tochter für ihn, die er selbst nie haben würde.
Wie sehr hatte er sich vor langer Zeit eine Hochzeit mit Rose gewünscht. Das Haus hatte er schon für Rose und sich gebaut, es fehlte nur noch die Hochzeit, dann die Kinder die vor dem Haus spielten. Alexander hätte noch gerne einen Hund dazu geholt, aber Rose mochte keine Hunde. Sie war als Kind von einem Hund angefallen und gebissen worden. Zum Glück war ihr damals nichts Schlimmes passiert, aber die Angst vor den Vierbeinern war geblieben. Alexander hätte damit leben können, er wollte nur Rose. Jede Minute die er mit ihr verbringen durfte war Gold wert, so sehr liebte und vergötterte er sie.
Superreich war Alexander damals nicht gewesen, aber er hatte zu den oberen zehntausend gehört. Er besaß Land und hatte auch etwas auf der hohen Kante gehabt, damit er Rose etwas bieten konnte. Zu der damaligen Zeit war dass das wichtigste, wenn man um eine Frau warb. Obwohl sich Alexander sicher war, dass Chrisi ihn auch geheiratet hätte wenn er Arm wie eine Kirchenmaus gewesen wäre.  
Doch bevor es zur Hochzeit gekommen war, tauchte Christian sein Halbbruder auf, der vor vielen Jahren von Alexanders Vater vom Land verbannt worden war. Alexander wusste dass Christian nicht zu unterschätzen war. Er war ein durchtriebener und bösartiger Mensch.
Das Schicksal hatte es nicht gut gemeint mit Alexander, denn auch Christian verliebte sich in Rose und tat alles daran einen Keil zwischen ihn und Rose zu treiben. Was dieser Bastard auch schaffte, indem Christian Alexander zu Huren ins Bett steckte, nachdem er ihn betäubt hatte. Rose sah ihn so verzweifelt und verletzt an, als sie ihn in dieser prekären Lage ertappt hatte. Von diesem Moment an ging sie ihm aus dem Weg und tat als ob sie nichts mehr von ihm wissen wollte. Ihr Vater tat sein bestes ihn von ihr fernzuhalten. Christian dagegen war ihr nicht mehr von der Seite gewichen. Alexander hatte keine Chance an Rose nah genug heran zu kommen um ihr alles erklären zu können.
Auch Alexanders Leben hatte sich in dieser einen Nacht verheerend geändert,  was die ganze Sache noch verschlimmerte. Die Huren waren Geschöpfe der Nacht gewesen, und hatten ihn zu den Ihrigen gemacht. Von dieser Nacht an war er kein lebendes menschliches Geschöpf mehr, er war ein Schattenwanderer, ein Vampir. Doch trotz alle dem, verblasste die Liebe zu Rose nicht. Er empfand sie sogar noch stärker und Alexander wollte um diese Liebe kämpfen, doch er verlor. Er war zu schwach, noch zu jung als Vampir.
Lange Jahre fühlte sich Alexander einsam und verloren. Das Band war zwischen ihm und Rose verloren gegangen als sie starb.
Alexander weigerte sich einen Menschen zu töten. Er trank von ihnen, aber nur so viel wie es nötig war um keinen zu gefährden, da es zu dieser Zeit noch keine Blutbank gab, auf die man zurückgreifen konnte. Er tötete auch immer wieder Tiere um bei Kräften zu bleiben wenn es mal knapp wurde.
Die Jahre zogen an Alexander vorbei, die Zeiten hatten sich geändert. Inzwischen gab es die Möglichkeit in Notzeiten auf Spenderblut umzusteigen.
Und dann, eines Tages vor knapp dreißig Jahren, traf es ihn wie einen Schlag. Das Band das er vor Jahrhunderten verloren zu glauben schien, war wieder mit seiner vollen Intensität vorhanden. Alexander fand das Baby in einem Krankenhaus in Vancouver, zu dem er sich so stark hingezogen fühlte. Das Baby war ein Mädchen namens Christin und er wusste das es Rose war die da so winzig und unbeholfen vor ihm lag. Es konnte gar nicht anders sein.
Alexander spürte Chrisis Gegenwart zu jeder Zeit und genau das war es was ihn nun schlagartig aus seinen Gedanken riss.
Etwas stimmte nicht mit ihr. Das Band zwischen ihnen war zum Zerreißen gespannt.
Alexander lief ohne ein Wort zu verlieren zu seinem BMW und fuhr so schnell wie möglich zu dem Ort, an dem er Chrisi spürte.
„Hoffentlich ist ihr nichts passiert“, sagte er zu sich selbst.
Sein BMW schoss gerade um die letzte Kurve, als sein Mobilphone klingelte. Auf dem Display stand Jenny. Aber da war Alexander schon bei Chrisi und fing sie gerade noch vor dem Aufprall auf dem harten Asphalt auf.
Er packte Chrisi vorsichtig in sein Auto, als Jenny zu ihm gelaufen kam.
„Was ist los mit ihr Alex?“
„Ich weiß es nicht Jenny. Es ist so wie das letzte Mal in der Stadt als sie den Zusammenbruch hatte und den vielen Malen dazwischen. Was denkst du, soll ich sie ins Krankenhaus bringen?“
„Nein, es sieht wie ein Kreislaufkollaps aus, bring sie nach Hause. Dieser Tom kann sich ja um sie kümmern. Wir erregen sonst zu viel Aufmerksamkeit und so etwas endet meistens mit Schwierigkeiten.“
Alexander wusste dass Jenny Recht hatte, aber er konnte  diesen Tom nicht ausstehen. Dieser Typ konnte ständig in der Nähe seiner geliebten Rose, seiner Chrisi sein. Das was ihm verwehrt war und er hasste diesen Zustand. 
Alexander atmete tief ein, „du hast recht. Ich bringe sie in die Pension. Und wenn sich Tom nicht um sie kümmert, werde ich mal meinen Vorsatz, keine Menschen zu töten, kurz über den Haufen werfen.“
Jenny sah Alexander besorgt an, sie wusste wie sehr er unter dieser Situation litt. Sie konnte nur hoffen dass er keine Dummheit anstellte, was Tom betraf.
Die Fahrt in die Pension zog sich eine gefühlte Ewigkeit hin.
In der Pension war zum Glück niemand anzutreffen, was Alexander gerade recht kam. Vorsichtig trug er sie in ihr Zimmer und legte sie in ihr Bett.
Chrisi stöhnte auf. Wie zu einer Statue erstarrt, wagte es Alexander nicht einmal zu atmen. Doch Chrisis Augen blieben geschlossen. Alexander atmete wieder aus. Normalerweise müsste er nicht atmen, aber aus reiner alter Gewohnheit und weil es eben menschlicher aussah tat er es. Schnell machte er in dem kleinen angrenzenden Bad einen Waschlappen nass und legte ihn Chrisi auf die Stirn. Die Hände, in denen noch immer die Splitter steckten, reinigte er sorgfältig, nicht das sich noch eine Blutvergiftung entwickelte.
Wie gerne würde er bei ihr bleiben, sich um sie kümmern, ihr ein guter Mann sein.
Zum Abschied hauchte er ihr einen Kuss auf den Mund. Dieser unbeschreibliche Geruch von ihr. Alexander strich ihr sanft über den Kopf, seine Liebe, sein Verlangen nach ihr war noch viel stärker als damals als sie Rose war. Lag es daran dass er so lange auf sie hatte warten müssen?
Wie gerne hätte Alexander sich zu Chrisi mit ins Bett gelegt, ganz nah an sie gekuschelt und gewartet bis sie aufwacht, wie ein ganz normales Paar. Doch sie war nicht seine Frau. Nicht mal seine Freundin, und Tom wäre davon mit Sicherheit nicht begeistert gewesen. Ein Lächeln stahl sich auf Alexanders Gesicht. Was genauso schnell wieder verschwand, als er mit seinem super Gehör jemanden im Haus gehen hörte.
Schwer seufzte Alexander, „Ich liebe dich Chrisi“, flüsterte er traurig und verschwand schweren Herzens genau so leise und unbemerkt wie er gekommen war.

Es dauerte eine Weile als ich meine zentnerschweren Augenlider aufschlug bis ich erkannte dass ich in meinem Zimmer, in meinem Bett, in der Pension lag und nicht irgendwo vor Großmutters Haus auf der Straße.
Wie zum Teufel war ich hier her gekommen? Eine Bewegung an dem Bettende ließ mich zusammenzucken. Vor Schreck richtete ich mich etwas zu schnell auf, was sich sofort rächte. Mein Kreislauf raste in den Keller. Er brauchte ein paar Sekunden länger bis er wieder stieg und mit meinem Kopf auf gleicher Höhe angelangt war. Stöhnend fasste ich mir an den Kopf, der sich anfühlte als würde er jeden Moment platzen.
„Chrisi, Schatz?“ Tom kam zu mir und legte mir besorgt seinen Arm um die Schultern. „Alles ok mit dir?“
Ich versuchte die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken und atmete erst einmal tief durch.
„Tom was machst du denn in meinem Zimmer?  Und die bessere Frage von beiden, wie komme ich eigentlich hier her? Ich war doch gerade noch bei Großmutters Haus!“
Der Schwindel hatte sich Gott sei Dank,  genauso schnell wieder gelegt wie er aufgetaucht war. Mit großen fragenden Augen sah ich Tom an, der mich ebenfalls mit einem großen Fragezeichen in seinen Augen ansah, was mich noch mehr verwirrte.
„Das wollte ich dich auch gerade fragen. Was ist gestern passiert als wir in der Stadt waren? Und was heißt, wie du hier in dein Zimmer kommst? Wer wenn nicht du selbst hat dich in dein Bett gebracht? Und vor allem was hat dieser Alexander Roven damit zu tun?“
Bei der letzten Frage hörte sich Toms Stimme verletzt und wütend zugleich an.
„Alexander Roven?“ fragte ich eigentlich mehr für mich als für Tom noch einmal nach. War ich gerade dabei verrückt zu werden?
„Ja. Alexander Roven. Du hast in der Nacht des Öfteren seinen Namen erwähnt.“
Ich überlegte kurz. Nur schwer fiel mir alles wieder ein was gestern geschehen war. Es war alles so unwirklich gewesen.
„Ich kann mich an nicht mehr viel erinnern was gestern passiert ist, als ihr weg ward. Vielleicht hat Roven mich vor Großmutters Haus gefunden und nach Hause gebracht? Ich hatte plötzlich mit meinem Kreislauf Probleme und bin nach draußen gegangen um frische Luft zu schnappen, was aber nicht geholfen hat. Am Gartenzaun hatte ich dann einen klitzekleinen Kreislaufkollaps, an so viel kann ich mich noch erinnern.“
Tom richtete sich zu seiner vollen Größe auf und stemmte die Hände in die Hüften. Er sah aus als ob er nicht wüsste ob er gerade richtig sauer sein sollte oder sich Sorgen machen. Ich hoffte das er beides sein lies.
„Was Kreislaufkollaps? Und dann bringt dieser Idiot dich nicht gleich ins Krankenhaus? Ist dieser Mann denn nicht noch blöder?“ schimpfte Tom los.
Alexander war ein rotes Tuch für Tom, aus welchem Grund auch immer.
„Tom sag so etwas doch nicht. Vielleicht war ich es ja die ihn darum gebeten hat mich nicht ins Krankenhaus zu fahren. Ich mag keine Krankenhäuser, das weist du doch!“
Schuldbewusst atmete Tom schwer aus und versuchte sich zu beruhigen.
„O.k. es tut mir leid dass ich so überzogen reagiert habe, ich kenne ja deinen Sturkopf den du ab und zu an den Tag legen kannst. Aber du Ms Mc Kenzie bleibst vorerst von dem Haus deiner Großmutter fern und erholst dich richtig. Haben wir uns verstanden? Ich will mir nicht noch einmal solche Sorgen um dich machen müssen. Dann hat dieser Roven auch keinen Grund deinen Retter spielen zu müssen. Ich bin dein Freund verdammt noch mal und ich bin da um dir zu helfen wenn es nötig sein sollte.“ gab Tom in einem väterlichen Ton von sich.
Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. „In Ordnung Dad, dein Wunsch ist mir Befehl. Hab ich Hausarrest oder darf ich das Haus verlassen?“
Tom überlegte kurz.
„Du darfst das Haus gerne verlassen, aber nur für Spaziergänge, die idealerweise weit weg sind von diesem Roven und spätestens um zehn bist du wieder zu Hause.“ Spöttelte Tom. „Soll ich dir dein Frühstück hoch bringen?“
„Frühstück?“ Mir wurde bewusst dass ich seit gestern Nachmittag geschlafen  und nichts mehr gegessen hatte. 
„Ja Frühstück hört sich gut an. Ich will nur noch duschen dann komme ich runter in die Küche. Schließlich muss ich meinen Kreislauf wieder in Schwung bringen.“
Tom beugte sich über mich und drückte mir sanft einen Kuss auf meine Stirn.
„Mach das mein Herz. Bist du dir sicher dass ich dir beim Duschen nicht helfen muss, nicht das du mir wieder umkippst.“
Toms grinsen war unschlagbar, sanft fuhr er mit seinem Finger zwischen meinen Brüsten entlang. Was sofort Wirkung bei mir zeigte, doch ich blieb stark.
„Danke für dein Angebot Tom, aber ich glaube für heute schaffe ich das alleine. Beim nächsten Mal kannst du mir gerne meinen Rücken waschen und auch vielleicht noch mehr.“
Tom ließ seinen Kopf enttäuscht nach vorne sinken und seufzte.
„Wie du willst, aber du weist nicht was dir entgeht mein Schatz.“
Ich hauchte ihm einen Kuss auf seine sexy Lippen, „ Das erfahre ich spätestens dann, wenn es soweit ist das du mir beim Duschen helfen darfst, aber bis dahin müssen wir beide wohl oder übel warten.“
Schwer atmete Tom aus, „du kannst so grausam sein, weist du das? Aber ich muss jetzt sowieso leider los, die anderen warten schon auf mich, schließlich macht sich die Arbeit in dem Haus eurer Großmutter nicht von alleine. Ich soll dir noch liebe Grüße von Helen und Robert ausrichten. Die beiden sind schon früh rüber ins Haus. Helen sieht Mittag nach dir, sie sieht das lockerer als ich. Sie meinte, das du hart im Nehmen bist und das schon wegsteckst, wobei sie dabei von reiner Müdigkeit ausgegangen ist.“
„Das nenne ich Schwesternliebe.“ Lachte ich auf, „aber wo sie recht hat, hat sie nun mal recht. Und Tom, lass sie bitte in den Glauben das ich nur müde war, ja?“
„Das mache ich, keine Sorge. Aber nur weil ich dich wahnsinnig lieb habe, ansonsten würde ich dich bei ihr sofort verpetzen.“
Tom winkte mir noch lachend zu, dann war er auch schon aus meinem Zimmer verschwunden.
Langsam stand ich auf, immer darauf achtend was mein Kreislauf dazu meinte. Erstaunlicherweise ging es meinem Kreislauf wieder hervorragend. Er gab nicht mal ansatzweise eine Beschwerde von sich, was vielleicht damit zu tun hat, dass Tom meinen Kreislauf schon ein wenig auf Touren gebracht hatte.
Trotzdem hielt ich das Duschwasser auf Lauwarm.
Während des Duschens ließ ich mir den gestrigen Nachmittag noch einmal durch den Kopf gehen. Diese Vision die ich hatte. Diese Situation, das Feuer erinnerte mich an die Geschichte die Robert erzählt hatte, was Großmutter über den Tod meiner Eltern dachte. Konnte es wirklich sein das ich meine Eltern in dieser Vision gesehen hatte? Waren  sie wirklich ermordet worden und das von Werwölfen?
Das war unmöglich, es gibt keine Werwölfe, Vampire oder Zombies. Vielleicht habe ich die Täter nur als Monster interpretiert?
Und Alexander? Wie groß war die Möglichkeit das er Zufällig in dem Moment vorbei kommt, in dem es mir schlecht geht? Und das zum zweiten Mal? Großmutters Haus lag nicht gerade im Zentrum von Campbell River, eher Abseits. Das war zu viel Zufall für meinen Geschmack. Ich nahm mir vor Alexander aufzusuchen und mich bei ihm für seine Hilfe zu bedanken und ihn dann nebenbei darauf anzusprechen, was er dort eigentlich zu suchen hatte. Vielleicht nicht ganz in der Wortwahl, aber ich musste es einfach wissen. 
Das Frühstück schlang ich regelrecht in mich hinein. Tom hatte mir verboten beim Renovieren zu helfen aber es gab noch viele andere Dinge zu erledigen. Als erstes stand ein Besuch bei Direktor Link an, vielleicht war ihm nach unserem Gespräch noch etwas zu meiner Mutter eingefallen, was ich insgeheim sehr hoffte. Wenn es der Zufall so will, weiß er auch wo Alexander Roven zu finden ist.
Helen war zu meinem Glück von Robert abgeholt worden, so dass der Golf verführerischer weise vor dem Haus stand. Wenn mir das Glück hold blieb, hatte Helen ihre Zimmertüre nicht abgesperrt und der Autoschlüssel lag in ihrem Zimmer. Schnell schlüpfte ich in ihr Zimmer und sah mich kurz um, und da lag der Schlüssel auch schon auf dem Nachtkästchen.
„Bingo. Hatte ich etwa so etwas wie eine Glückssträhne?“ sprach ich mit mir selbst.
Leise schlich ich mich wieder aus dem Zimmer raus und an Carmen vorbei, aus dem Haus. Ich war mir tausendprozentig Sicher dass Tom, Carmen damit beauftragt hatte ein Auge auf mich zu werfen, damit ich keinen Unfug anstellen konnte. Da kannten die beiden mich aber schlecht.
So leise wie nur möglich schlich ich über den Kiesweg zum Golf und öffnete ihn behutsam. Gott sei Dank waren die Scharniere der Autotüren gut geölt. Hinter dem Lenkrad angekommen, sah ich Helens neues Navigationsgerät das sie vor ein paar Tagen von Robert geschenkt bekommen hatte, damit sie immer und jederzeit zu ihm finden kann. Was sich wiederrum als Glück für mich erwies, da ich mir die Adresse der Schule schon im Telefonbuch vor Tagen rausgesucht hatte, und jetzt nur noch ins Navigationsgerät eingeben musste.
Anfangs hatte ich ein paar technische Schwierigkeiten alles so einzustellen das es auch passte, aber dieses Gerät war für so nicht technisch Begabte Idioten wie mich praktisch erfunden worden.
Jeder Kieselstein hörte sich in meinen Ohren beim Verlassen des Grundstückes wie ein ganzes Zementwerk an. Automatisch zog ich den Kopf ein und hoffte das Carmen Probleme mit den Ohren hatte. Kaum war ich um die nächste Ecke gebogen, atmete ich erst einmal erleichtert auf und konzentrierte mich auf die freundliche Stimme des Gerätes, die mich zielsicher durch die Stadt auf den Parkplatz der High School führte, die nicht sehr von unserer Pension entfernt lag.
Es ist schon eine komische Sache, warum fühlte man sich gleich immer einen Meter kleiner und zwanzig Jahre jünger wenn man sich auf dem Gelände einer Schule befindet? Noch dazu, war das nicht einmal die Schule auf der ich Schülerin gewesen war. Trotzdem hatte ich dieses sonderbare Gefühl, das war echt ein unheimliches Phänomen.
Diese High School sah wirklich genauso aus wie man sie immer aus den Kinofilmen kannte. Mit langen Fluren, den dazugehörigen Schränken für die Schüler und der Duft nach Schule.
Es dauerte eine kleine Ewigkeit bis ich das Sekretariat und somit auch Direktor Link gefunden hatte. Der mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck und hochrotem Kopf durch das Sekretariat flitzte. Erst als ich ihn nach geschlagenen fünf Minuten direkt ansprach bemerkte mich Direktor Link. Leicht gestresst zuckte er erschrocken zusammen.
„Hallo Direktor Link. Kann es sein das ich heute einen ungünstigen Tag für einen Besuch bei ihnen erwischt habe?“
Ein Lausbubenlächeln, das Grübchen in seine Wangen grub, grinste mir nach dem ersten Schreck entgegen.
„Hallo Ms Mc Kenzie, schön sie zu sehen. Ich muss ihnen leider damit Recht geben das es heute ein nicht gerade ruhiger Tag ist. Meine Sekretärin hat gestern ganz überraschend gekündigt und heute ist sie schon nicht mehr gekommen, obwohl sie gesagt hatte dass sie noch bis Monatsende hier bleibt bis ich einen Ersatz für sie gefunden habe. Telefonisch kann ich sie auch nicht erreichen, es ist als ob sie vom Erdboden verschwunden wäre.“  Gab Direktor Link gestresst von sich.
In mir machte sich ein Gefühl der Enttäuschung breit. Ich hatte doch mehr Hoffnung in die Sache gelegt als mir bewusst gewesen war.
„Das tut mir leid. Dann komme ich am besten ein anderes Mal wieder, wenn es für sie besser passt“. Gab ich etwas geknickt zur Antwort, als mir ein Gedankenblitz durch den Kopf schoss, der sich auch für mich als perfekte Lösung anbot.
„Ach Direktor Link, wie wäre es wenn ich ihre neue Sekretärin werde? Vorausgesetzt sie wollen mich für den Job haben? Die Arbeitsgenehmigung dürfte ich nicht brauchen, da ich laut Geburtsurkunde immer noch Kanadierin bin. Referenzen sind vorhanden und ich kann sie ihnen gerne nachreichen.“
Link blieb wie angewurzelt stehen und sah mich überrascht und zugleich erleichtert an.
„Das ist eine super Idee. Also ich bin sofort dabei, muss nur noch mit meinen Chefs reden, dann könnten sie eigentlich morgen schon anfangen. Ihnen ist aber klar Ms Mc Kenzie das es nicht leicht für sie werden wird, da niemand mehr da ist, der sie hier genau in alles einweisen kann?“
Entschuldigend sah er mich an.
Ich versuchte ein unschlagbares, selbstbewusstes Gesicht aufzusetzen.
„Das werde ich schon irgendwie mit ein klein bisschen Hilfe von ihnen schaffen Direktor Link.“ Direktor Link lächelte wieder sein Lausbubenlächeln.
„Na gut Ms Mc Kenzie, ich würde ja liebend gerne mehr Zeit für sie aufwenden, aber sie sehen ja, es gibt viel zu tun. Es wäre toll wenn sie morgen früh um sieben Uhr hier sein könnten, dann können über alles Weitere sprechen. Ich bin sicher das es wegen ihrer Einstellung keine Probleme geben wird. Die alten Säcke von Chefs sind doch froh wenn sie mit solchen Sachen so wenig wie möglich zu tun haben.“
Innerlich führte ich einen Freudentanz auf.
„Das mache ich doch sehr gerne Direktor. Ich freue mich dass ich hier mit ihnen arbeiten darf. Bis morgen um sieben dann.“
Link winkte mir noch kurz zu, und lief zum Telefon das Sturm läutete.
Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte einen Job. Nun konnte ich meinen Traum hier in Campbell River zu bleiben und ein neues Leben aufzubauen umsetzen.  
Auf dem Weg nach draußen blieb ich dieses Mal wie angewurzelt stehen und schlug mir mit der flachen Hand an die Stirn.
Mist verdammter,  ich hatte vergessen den Direktor nach Rovens Adresse zu fragen. Sollte ich noch einmal zu ihm gehen? Unbewusst schüttelte ich den Kopf und sagte zu mir selbst, „nein er hat gerade so viel um die Ohren. Morgen war auch noch ein Tag an dem ich ihn nach Roven fragen konnte. Aber jetzt hatte ich einen Grund zu Großmutters Haus zu fahren.“ Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich hatte einen Job! Und die Hitzewallungen kamen zu meinem Unglück auch schon wieder.
Gesagt getan. Fast schon im Laufschritt lief ich zum Parkplatz, als mir neben Helens Golf ein dunkler BMW ins Auge stach, an dem ein großer gutaussehender Mann lehnte.
Alexander Roven. Frech grinste er mich an, „Hallo Ms Mc Kenzie, wie ich sehe sind sie schon wieder auf den Beinen. Wollen sie wieder zur High School gehen?“
Schau an, schau an, heute waren wir anscheinend wieder per sie, das war gestern noch ganz anders, soviel hatte ich noch mitbekommen. Warum er wohl wieder umgeschwenkt hatte?
„Hallo Alexander, waren wir gestern als du mich nach Hause gebracht hast nicht schon beim du angelangt? Ich war bewusstlos, trotzdem habe ich das noch mitbekommen.“
Verlegen starrte Alexander zu Boden, „ja da hast du recht. Ich dachte nur du hättest das gar nicht mitbekommen und wollte einfach nicht unhöflich erscheinen.“
Ein verführerisches Lächeln der Extraklasse strahlte mir entgegen.
„Wie geht es dir heute? Muss ich dich wieder verarzten?“
Alexander war ein Gentleman durch und durch. Was ihn noch attraktiver erscheinen ließ.
Endlich stand ich neben ihm, sein Nähe zu spüren löste in mir ein Gefühl der Sehnsucht aus. Wieder war das Verlangen, Alexander um den Hals zu fallen und nie mehr los zu lassen, so mächtig das ich es nur schwer unterdrücken konnte.
„Wusste gar nicht dass du Arzt bist?“
„Du weist vieles von mir nicht Chrisi.“
„ Ach ja?“ Neugierde wurde in mir entfacht.
„Ich wollte heute noch bei dir vorbeikommen und mich bei bedanken, aber da du ja jetzt hier bist, also danke Alexander das du mir gestern beigestanden hast. Sollte ich dir einmal helfen können, dann sag bitte Bescheid.“
Für einen kurzen Moment standen wir uns schweigend gegenüber und sahen uns in die Augen. Ich merkte wie es zwischen meinen Lenden zu kribbeln begann und mein Atem schneller wurde. Verlegen richtete ich meinen Blick auf die Straße und wechselte das Thema.
„Und wie kommst du nur auf den Gedanken dass ich etwas gegen ein „du“ habe? Dank deiner Hilfe geht es mir heute wieder super gut, vor allem da ich gerade erfahren habe, dass ich ab morgen die neue Sekretärin von Campbell Rivers High School bin. Ist das nicht einfach super?“
Über Alexanders Gesicht huschte ein Ausdruck von ungläubigem Erstaunen, sofort hatte er seine kurze Gesichtsentgleisung wieder unter Kontrolle, „ dann bleibst du hier und gehst nicht mehr zurück nach Deutschland?“
Diese etwas seltsame Reaktion versetzte mir einen Stich in die Magengrube.
„Nein ich bleibe hier“, antwortete ich etwas trotzig.
Insgeheim hatte ich mehr Begeisterung von Alexander erwartet. Wenigstens wusste ich nun was er von mir hielt. Er sah mich wohl nur als nette Bekanntschaft an, der man eben ab und zu wegen ihrer Dummheit helfen musste.
 Von wegen Gentleman, dachte ich wütend. Roven war genauso ein unsensibler Idiot wie viele andere Männer die auf dieser Erde herumwanderten.
„Wissen sie was Mr. Arrogant Roven, vergessen sie es einfach“, schimpfte ich los. Bewusst hatte ich ihn wieder per sie angesprochen. Drehte mich um und stapfte sichtlich erzürnt zu Helens Golf. Zitternd vor Wut brachte ich fast den Schlüssel nicht in das Türschloss. Endlich. Der Schlüssel steckte, doch bevor ich ihn drehen konnte, legte sich seine Hand auf die meine. Mitten in der Bewegung erstarrte ich. Ein mehr als angenehmer Strom jagte durch meinen Körper, was bewirkte das ich mich nur schwer unter Kontrolle halten konnte ihn nicht auf den Boden zu werfen und ihm die Klamotten vom Leib zu reißen.
„Chrisi habe ich irgendetwas Falsches gesagt? Denn ich wüsste ehrlich gesagt nicht was das gewesen sein soll?“
Meine Wut fing zu wanken an, seine Stimme hatte sich so hilflos angehört. Sofort machte ich mir wieder bewusst warum ich überhaupt wütend auf ihn war.
„Als ob sie das nicht wüssten, sie Snob.“ 
Ich schüttelte meine Hand, auf der immer noch seine lag, als ob ich ein lästiges Insekt verscheuchen wollte. Irritiert mit einem verletzten Blick zog Roven seine Hand weg.
„Ich weiß es doch wirklich nicht, was ich verbrochen habe!“ gab Alexander mit einem leicht verzweifelten Ansatz von sich.
Schnell stieg ich ein und zog die Autotür mit viel zu viel Kraft zu. Ich spürte dass sich meine Wut aufzulösen begann und diese Genugtun wollte ich ihm auf keinen Fall gönnen. Warum sollte ich klein beigeben wenn er sich nicht über mein Glück freuen kann. Dass ich hier bleibe, das ich einen Job habe, das… ich in seiner Nähe bleibe kann.
An der Ausfahrt des Schulparkplatzes blieb ich noch einen Augenblick länger stehen als nötig um einen Blick in den Innenspiegel werfen zu können. Alexander stand immer noch an derselben Stelle und sah mir nach. Er sah wie ein kleiner Junge aus, dem man den Lutscher geklaut hatte.
Meine Wut war im nu verraucht, reue kroch aus dem hintersten Winkel meines Gehirns hervor.
„Nein, jetzt nur nicht nach geben. Er soll darüber nachdenken was er gesagt hat, vielleicht kommt er von alleine darauf.“
Viel zu schnell ließ ich die Kupplung aus und gab noch dazu viel zu viel Gas, was zur Folge hatte das die Reifen beim Anfahren quietschend durchdrehten.
Und woher zum Teufel wusste er dass ich aus Deutschland gekommen war? Ich hatte es ihm nicht erzählt, schoss es mir durch den Kopf. Aber vielleicht hatte Direktor Link ihm etwas über mich erzählt? Das war aber jetzt Nebensache, denn jetzt wollte ich erst Mal nur sauer auf ihn sein.

Alexander stand wie ein begossener Pudel auf dem Parkplatz und wusste nicht wie ihm geschehen war. Chrisi und er hatten sich doch gerade noch gut unterhalten. Er ließ sich das ganze Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen, was war gesagt worden was sie so wütend gemacht haben könnte?
Hatte Chrisi vielleicht seine Reaktion missverstanden, als sie ihm erzählte das sie hier in Campbell River bleibt? Dachte sie jetzt etwa das es ihm nicht recht ist? Und noch dazu der dämliche Ausrutscher mit Deutschland? Hoffentlich war ihr das nicht aufgefallen. Aber das muss es gewesen sein.
Alexander schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, „Alexander Roven was bist du nur für ein Vollidiot. Sie muss jetzt sonst was von dir denken.“ Sagte er laut zu sich selbst, auf den Weg zu Direktor Link.
Sollte ich ihr vielleicht Blumen als Entschuldigung schicken? Doch das konnte dieser Tom falsch verstehen, und sie hatte damit mehr Ärger als Freude daran. So bald als möglich würde Alexander das Missverständnis aus dem Weg räumen.

Mein erster Arbeitstag war vollkommen chaotisch und brachte mich fast an den Rand des Wahnsinns. Doch Direktor Link hatte unendlich viel Geduld mit mir, was mir teilweise schon übermenschlich vorkam.
Doch Tag für Tag wurde es zum Glück immer leichter, bis ich nach zwei Wochen fast alleine mit allen anfallenden Arbeiten zurechtkam. Die Wochen rasten nur so dahin. Die Arbeit machte mir sehr viel Spaß.
Die Renovierungsarbeiten an Großmutters Haus gingen besser voran als wir gedacht hatten, obwohl ich nach meinem Zusammenbruch nur noch eingeschränkt und unter Aufsicht mithelfen durfte.
Nach einem Monat konnten Helen und ich mit einer großen Einweihungsparty einziehen, zum Leidwesen von Tom. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich bei ihm einziehen müssen. Er meinte dass es mit dem gemeinsamen Duschen immer so schön praktisch gewesen war und man würde dabei auch noch Wasser sparen. Wobei hier bei ihm die Betonung auf „schön“ lag.
Natürlich kam das für mich noch nicht in Frage. Ich fühlte mich noch nicht so weit mit jemanden zusammen zu ziehen. Und am Haus waren ja noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, aber die konnten nach und nach gemacht werden und bevor das alles nicht erledigt war, konnte ich sowieso nirgends anders einziehen. Thema erledigt.
Helen und ich hatten ein eigenes kleines Häuschen und unsere Selbstständigkeit wieder zurück und das war erst einmal das wichtigste. Ich wohnte mit meiner Schwester in unserem Haus. Ich konnte nicht fassen wie sehr sich mein Leben in den letzten Monaten verändert hatte. Natürlich vermisste ich meine Adoptiveltern, aber sie würden mich bei nächster Gelegenheit besuchen, das hatten sie mir fest versprochen.
Das wichtigste war im Moment das ich ein Leben mit meiner Schwester hatte, das ich lange unbewusst vermisst hatte. Das wollte ich in vollen Zügen nachholen.
Helen hatte sich das alte Kinderzimmer eingerichtet und ich schlief im Zimmer unserer Großmutter. Eigentlich konnte ich gut und fest schlafen, aber seit dem Einzug haben sich die Albträume vermehrt, und das kostete mich viele Schlaflose Nächte.
Das komische daran war dass es sich dabei ständig und immer um Alexander drehte, der von den zwei Werwölfen getötet wurde. Lag  wahrscheinlich an meinem schlechten Gewissen ihm gegenüber, da ich ihn einfach so auf dem Parkplatz stehen gelassen hatte. Seit diesem Vorfall hatte ich auch nichts mehr von ihm gehört oder gesehen. Und wenn ich ehrlich war, vermisste ich ihn mehr als je zuvor. Aber das war nicht richtig, schließlich war ich mit Tom zusammen und wir waren glücklich. Eigentlich.
Die Hitzewallungen kamen immer noch in regelmäßigen Abständen, doch zum Glück bei weitem nicht mehr so intensiv und ich hatte mich an sie gewöhnt. Unheimlicher weise waren die Hitzewallungen nicht mehr so intensiv seit ich Alexander nicht mehr traf. Konnte es denn möglich sein das er der Grund für meine Hitzewallungen war? Wenn ich so zurückdenke, wurden sie immer sehr heftig wenn Alexander mir ganz nah gewesen war. Nein, das wäre doch zu verrückt, das konnte nicht sein. Bei Gelegenheit musste ich das unbedingt austesten.
Schnell trank ich noch den Rest meines Kakaos bevor ich mich auf den Weg in die Schule machte. Ich konnte nicht sagen warum, aber ich war heute schon mit einem komischen Gefühl aufgewacht, als ob heute noch etwas Unangenehmes auf mich zukommen würde und ich am besten im Bett bleiben sollte.
Jedoch war die Busfahrt zur Schule wie immer, als ich die Schule betrat war alles wie immer. Auch als ich das Sekretariat betrat war es wie immer. Ich war wie jeden Morgen die Erste in der Schule. Direktor Link kam dann normalerweise zehn Minuten später. Doch heute trudelten schon die ersten Schüler ein und Direktor Link war noch nicht da. Er hatte sich noch nicht einmal telefonisch bei mir gemeldet, was total unüblich für ihn war.
Beim Versuch ihn telefonisch zu erreichen scheiterte ich ebenso. Dieses ungute Gefühl in der Magengegend verstärkte sich schlagartig.
Was sollte ich nur tun? Der Direktor lebte alleine. Wenn er jetzt verletzt und sich vor Schmerzen krümmend  in seinem Haus lag? Oder er beim Spazieren gehen zusammengebrochen war und er allem Hilflos ausgeliefert war? Oh Gott was sollte ich denn nur machen?
Der Sheriff würde noch nichts machen, dafür vermisste ich Direktor Link noch nicht lange genug, dafür war es noch zu früh. Außerdem mochte ich diesen Mann nicht sonderlich und beschloss ihn als letzte Möglichkeit hinzuzuholen.
Ich nahm mir vor gleich nach der Arbeit bei Direktor Link zu Hause vorbei zu sehen.
Die Stunden zogen sich qualvoll lange hin bis es endlich vier Uhr nachmittags war. Direktor Link wohnte zum Glück nicht weit von der High School entfernt, so das ich den Weg zu Fuß zurücklegen konnte. Ich musste mir mal unbedingt ein Auto zulegen damit ich flexibler wurde, schließlich konnte ich mir nicht ständig Helens Wagen ausleihen.
Links Haus sah auf den ersten Blick ganz normal aus. Beim näher kommen allerdings fiel mir sofort die offene Haustüre auf. Kurz blieb ich vor der Türe stehen und horchte in das Innere des Hauses ob ich ein Geräusch wahrnehmen konnte. Es war rein gar nichts zu hören, es herrschte absolute Stille.
„Direktor Link? Sind sie da?“ rief ich als ich die Türe ein Stück weit geöffnet hatte, darauf achtend nicht zu viele Fingerabdrücke zu hinterlassen.
Keine Antwort.
„Hallo? Direktor Link?“
Wo zum Teufel war er nur? Nun reichte es, ich musste den Sheriff informieren, auch wenn ich ihn immer noch für einen Arsch auf zwei Beinen hielt.
Nach einer viertel Stunde war der Sheriff auch schon da, genauso unfreundlich wie beim ersten Mal, als er mich und Helen rausgewunken hatte. Er warf mir schon fast feindselige Blicke zu. Vielleicht sah er ja nicht nur mich so an. Wahrscheinlich war er von Grund auf ein Unsympath und konnte niemanden auf der Welt leiden, sich mit eingeschlossen.
Meine Hitzewallung machte sich auch gleich wieder bemerkbar und dieses Mal wieder stärker als in den letzten Wochen. Ich wollte es genau wissen. Nachdem der Sheriff mir kräftig auf die Nerven gegangen war und mit seiner Befragung fertig war und mir eindringlichst versicherte dass er alles tun würde um den Direktor zu finden, verlies ich mit einem verdammt unguten Gefühl das Haus. Ich hoffte dass der Sheriff wirklich alles ihm nur mögliche unternahm um den Direktor zu finden.
Ich machte mich auf den Weg in Richtung Straße, als ich nahe genug war, um sie in beide Richtungen gut einsehen zu können, lies ich meinen Blick wie Zufällig erst nach links und dann nach rechts schweifen. Und da war er. Der dunkle BMW von Alexander.
Mein Herz machte einen olympiareifen Sprung. Hatte ich etwa mit meiner Theorie Recht? War das der Beweis? Oder war es nur purer Zufall? Ich musste das unbedingt noch genauer erforschen. Was ich noch nicht verstand war, wieso sollte ich Alexanders Nähe spüren? O.k. ich fühlte mich schon ungewöhnlich stark zu ihm hingezogen und ich vermisste ihn wie wahnsinnig wenn er nicht bei mir war. Was ja eigentlich ein Dauerzustand war. Auch hatte ich das starke Gefühl ihn schon seit ewigen Zeiten zu kennen. Sollte das bedeuten dass wir füreinander bestimmt waren? Nein das konnte nicht sein, schließlich will er mich ja gar nicht in seiner Nähe haben, was er mir mit seiner Reaktion beim Parkplatz eindeutig bewiesen hatte. Außerdem waren Tom und ich ein Paar. Ich liebe ihn, er liebt mich. So wie es sein soll. Da war kein Platz für einen Alexander Roven. Versuchte ich mir einzureden und wusste gleichzeitig dass ich mich gerade selbst belog.
In der Nähe hatte ich eine Bushaltestelle entdeckt, zu der ich mich nun auf den Weg machte. Leider lag die in der entgegengesetzten Richtung als Alexander mit seinen BMW stand.
An der Bushaltestelle angekommen, nahm ich erst einmal den Fahrplan genauer unter die Lupe. Ich hatte Glück, ein Bus war für zehn Minuten später eingetragen der in meine Richtung fuhr.
So unauffällig wie möglich sah ich in die Richtung in der Alexander normalerweise stehen hätte müssen. Zu meiner Enttäuschung konnte ich seinen Wagen nirgends mehr entdecken. Ich konzentrierte mich auf die Wärme in mir. Sie war nach wie vor da. Also musste auch Alexander noch in meiner Nähe sein und nur seinen Standort gewechselt haben.
Ein Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus. Vielleicht war ich ihm doch nicht so egal? Warum sonst sollte er ständig in meiner Nähe sein wollen?
Sofort schimpfte ich mich selbst. Wie konnte ich mich nur über so etwas freuen, wenn Direktor Link vielleicht in Lebensgefahr schwebte. Was war ich nur für ein egoistischer Mensch?

Der Sheriff kam mit keinen Ergebnissen rüber.
Auch in den nächsten Tagen war Direktor Link ebenfalls nicht aufzufinden. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was den Direktor dazu gebracht haben könnte, einfach die Stadt zu verlassen.
Ich wollte nicht daran glauben dass dieser nette Mensch vielleicht gar nicht mehr leben sein könnte. Was zum Henker war nur passiert?
Die Schule dachte anscheinend nicht so wie ich, den es dauerte keine vier Tage und es stand ein neuer Direktor vor der Türe, angeblich nur so lange bis Direktor Link wieder da war.
Direktor Collins wirkte nach außen hin etwas unheimlich. Eine riesige Narbe zierte seine rechte Gesichtshälfte. Ich fragte mich, wie er sich diese wohl zugezogen hatte? Seine riesige und kräftige Statur unterstützte sein Wirken noch mehr. Allerdings sah es so aus, als ob er gut mit Kindern konnte. Auch zu mir war er eigentlich ganz nett. Teilweise war er mir etwas „zu nett“. Es kam immer öfter vor das er seinen Arm ungefragt  um meine Schulter legte mich an sich drückte und mit seinem Gesicht ganz nahe an meines kommt und sagt, „Ach Ms Mc Kenzie was würde ich nur ohne sie machen?“
Oder er starrte mich Minuten lang an. In diesen Momenten lief es mir dann ständig eiskalt den Rücken runter, es sah aus als ob er jeden Moment auf mich los stürzen wolle um mich zu fressen. Jetzt weiß ich wie sich Rotkäppchen gefühlt haben musste.
Tom war bei diesem Thema auch keine große Hilfe wenn ich versuchte mit ihm darüber zu sprechen. Sein Standardspruch war dann, „Schatz du bist nun mal eine Schönheit.“ Grinste dabei ganz stolz bis über beide Ohren und das war es dann auch schon. Männer sag ich da nur.
Ich musste definitiv mal raus aus meinem Alltagstrott. Da passte es ganz gut dass Tom kommendes Wochenende zu einer Geburtstagfeier bei seiner Tante in Victoria eingeladen war. Natürlich hatte er mich gebeten mitzukommen, er wollte mich ganz offiziell seiner Familie vorstellen, doch ich erzählte ihm das es mir nicht sonderlich gut geht und zu Hause bleiben möchte. Toms Enttäuschung darüber war ihm anzusehen aber im Nachhinein machte er eins auf verständnisvoll. Wie gesagt „Männer“.
Helen machte mit Robert an diesem Wochenende ebenfalls einen Wochenendtrip nach Vancouver. Ich habe so getan als ob ich enttäuscht wäre, von allen so alleine gelassen zu werden. Aber mal ganz ehrlich, es konnte doch gar nicht perfekter für mich laufen!
Die letzten beiden Tage der Woche waren wie im Fluge vorüber gegangen. Am Freitag wusste ich wie ich mein Wochenende verbringen wollte. Seit ich hier in Campbell River angekommen war, wollte ich die Natur der Insel life sehen und bewundern, war aber bisher nur noch nicht dazu gekommen. Dieses Wochenende sollte es also soweit sein, ich buchte eine der Angebotenen Führungen um die Umgebung zu erkunden. Ich freute mich darauf wie ein kleines Kind. Vielleicht konnte ich einen Bären sehen?
Früh am Morgen traf ich an dem angegeben Treffpunkt ein und da gerade keine Hauptsaison war, fiel die Gruppe der Wanderung mit vier Personen inklusive dem Führer, sehr klein aus. Was mir aber nur recht sein sollte, so trat man sich wenigstens nicht gegenseitig auf die Füße und man bekam alles gesagte viel besser mit, vor allem wenn etwas Interessantes erzählt wurde, falls es auf so einer Tour überhaupt was zu erzählen gab?
Scout Henry, so stellte sich unser Guide vor, er war mit seinen geschätzten einen Meter fünfundsechzig eher eine kleine Ausführung seiner Gattung. Unter seinen blonden Haarschopf strahlten stahlblaue Augen hervor, die die Größe wieder ein wenig wettmachten. Die tiefen Lachfalten, die sich um seine Augen platzierten, wollten zu dem ganzen optisch nicht ganz passen und machten ihn wahrscheinlich älter als er war.  Seine rote Nase lies mich an übermäßigen Alkoholkonsum denken, was sich beim zufälligen Näherkommen sofort bestätigte. Scout Henry zog eine nicht sehr angenehme Schnapsfahne hinter sich her. Sein Körperbau jedoch wirkte sehr sportlich und durchtrainiert. Er war ein Mann der Gegensätze, mit einer Kombination die den Tag noch sehr interessant werden lassen könnte. 
Dann waren da noch ein Ehepaar, die ich beide auf Mitte dreißig einschätzte dabei.
Der Mann, der Karl hieß war gute einen Meter neunzig groß. Für diese Größe aber etwas zu schmal gebaut für meinen Geschmack. Trotzdem hatte er eine nette Ausstrahlung mit seinen braunen Dackelaugen und seiner ruhigen Art die er an den Tag legte. Seine Frau Laura war das komplette Gegenteil von Karl. Sie war ca. einen Meter vierundfünfzig klein und gute siebzig Kilo schwer. Und ihr Mundwerk ging am laufenden Band. Jetzt wusste ich warum Karl so still war, bei dieser Frau konnte er gar nicht zu Wort kommen. Ich für meinen Teil musste ihn dafür bewundern, dass er seiner Frau so viel Geduld entgegenbrachte. Aber wie heißt es so schön, Gegensätze ziehen sich an und ein besseres Beispiel als die beiden konnte es gar nicht geben. Das konnte nur wahre Liebe sein. Denn Laura konnte  mit ihrem Mundwerk mit Sicherheit jeden Wettbewerb gewinnen, wenn es einen für unendlich quatschen geben würde.
Wir waren noch keine halbe Stunde in einem gemütlichen Tempo unterwegs gewesen, als wir wegen Laura auch schon unsere erste Pause einlegen mussten. Was ihre Kondition betraf, ließ die sehr zu wünschen übrig. Da wäre es doch praktisch wenn sie mit ihrem Mundwerk laufen könnte, da würde sie eine super Strecke in einer Rekordzeit an den Tag legen. So wäre sie sicherlich um einiges schneller.
In den nächsten Kilometern, in denen uns Scout Henry geduldig erklärte auf was wir in der Natur achten müssen und was wir zu tun hatten wenn uns ein Bär begegnete, blieb es bei den halbstündlichen Laura Pausen.
Nach der fünften Pause, in der auch Scout Henry schon ein wenig genervt wirkte und ihm auch nichts mehr einfiel was er uns noch erzählen soll, quasselte Laura munter weiter. Dieser Frau ging der Gesprächsstoff wohl nie aus.
Scout Henry ging ein paar Schritte weg von uns und sah in den Wald. Ich konnte ihn verstehen, für so eine Wortattake wurde wahrscheinlich kein Scout ausgebildet. Als ich zufällig etwas glänzendes flaches in seiner Hand sah. Er führte dieses etwas zum Mund, sein Kopf kippte kurz nach hinten, dann war das glänzende Ding auch schon wieder in seiner Jacke verschwunden.
Na toll, wenn das so weiter ging, hatte ich nicht nur eine Quasselstrippe am Hals sondern auch einen betrunkenen Scout. Wo sollte das nur hinführen?
Insgeheim bereute ich es, dass ich keinen Kompass mitgenommen hatte. Obwohl mir der auch nicht sehr viel geholfen hätte, bei meinem Orientierungssinn, hätte ich mich samt Kompass verlaufen. Ich hoffte das, wenn es nötig werden würde, Karl wusste wohin wir gehen mussten.
Scout Henrys Gang wurde langsam etwas unsicher. Dazu kam noch das ich plötzlich so ein seltsames Déjà-vu Gefühl hatte schon einmal hier gewesen zu sein. Was natürlich unmöglich war. Vielleicht bildete ich mir das auch in der Verzweifelten Lage nur ein.
Ich verdrängte dieses Gefühl und fing innerlich schon mal zu beten an, dass ich wieder gut und vor allem lebend nach Hause kam. Wie war ich nur auf so eine blödsinnige Idee gekommen? Ich interessierte mich sonst auch nicht für die blanke Natur. Warum ausgerechnet dieses Wochenende mit diesen Menschen? Was für ein Teufel hatte mich da nur geritten? Tom durfte davon nichts erfahren, der würde mir meinen Arsch versohlen weil ich mich wieder mal in eine solche, nicht gerade ungefährliche Lage gebracht hatte.
Ein Blick auf meine Uhr zeigte mir das es schon drei Uhr nachmittags war und wir hatten erst die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht, die wir eigentlich schon hinter uns bringen sollen, das erklärte uns Henry mit einem nicht gerade erfreuten Tonfall.
 Ab diesen Zeitpunkt beschloss Henry sichtlich angeheitert eine Abkürzung zu nehmen, da wir es sonst nicht schaffen würden vor Einbruch der Dunkelheit nach Campbell River zurückzukehren.
An einem großen Felsen der einsam neben dem Wanderweg im Wald lag, bog Henry plötzlich nach links ab. Hier gab es so etwas wie einen Weg nicht mehr. Wir bekamen die Anweisung hinter Henry zu bleiben und nicht davon abzukommen. Mir rutschte augenblicklich mein Herz einen Stockwerk tiefer. Selbst Laura gab keinen Mucks mehr von sich. Der Untergrund war beschwerlich zu laufen, was man an Lauras Atemfrequenz deutlich hören konnte. Selbst Karl wirkte jetzt beunruhigt. Er wich Laura nicht mehr von der Seite und stützte sie wo er nur konnte ohne selbst das Gleichgewicht zu verlieren. Lauras Gesicht bekam langsam die Farbe einer überreifen Tomate. Karl sah seine Frau besorgt an. Dieses Mal war es Karl der Henry um eine Pause bat. Henry winkte ab. „Wir müssen noch mindestens eine halbe Stunde laufen bevor wir wieder eine Rast einlegen können.“ Sagte er mit einem lallenden genervten Ton.
Karl sah Henry mit zusammengekniffenen Augen an, öffnete den Mund um etwas zu sagen, als ihm eine wütende Stimme, die durch die Kurzatmigkeit etwas flehendes im Unterton hatte zuvorkam.
„Nein wir machen jetzt und hier Rast. Oder wollen sie mich den Rest des Weges tragen Henry?“
Laura schob trotzig die Unterlippe vor und funkelte Henry siegessicher an.
 Henry der gerade etwas erwidern wollte, kam nicht mehr dazu.  Laura drehte sich plötzlich zu mir und Karl um, packte uns an den Händen und zog uns zu etwas was wie Baumstümpfe aussahen. Karl und Laura setzten sich auf die ersten beiden. Zwei Meter weiter setzte ich mich resignierend auf einen der anderen Baumstümpfe und sah Henry fragend an. Der aussah als ob er etwas am Boden suchen würde was er gerade verloren hatte. Vielleicht war ihm sein Flachmann runter gefallen, der ja Lebenswichtig für ihn war. Ich konnte verstehen das man  bei diesem Job mit solcher Kundschaft zum Alkoholiker werden kann.
Henrys Blick bekam plötzlich einen gehetzten Ausdruck. Mit leiser, belegter und etwas zu hoher Stimme sah er erst mich dann Karl und Laura an und sagte in einem warnenden Ton, „bitte kommt ganz langsam und vor allem vors…..“
Ein lautes Knacken und krachen unter mir übertönte Henrys Schrei. Dann zog mir etwas den Boden unter den Füßen weg. Das letzte was ich noch sah bevor mich der Erdboden verschluckte, war Karl der Laura einen entsetzten Blick zuwarf.

Schwer schlug ich auf.
Dunkelheit umgab mich. Ein pochender Schmerz durchzog meinen rechten Arm. Vorsichtig tastete ich die schmerzende Stelle meines Armes ab. Auf Höhe des Handgelenkes verstärkte sich der Schmerz, ich zuckte zusammen und stöhnte auf. Im nu fühlte sich mein Handgelenk geschwollen an.
„Verdammt, das wird doch wohl nicht gebrochen sein? Wie soll ich das Helen und Tom erklären? Ach Schatz ich bin die Treppe runtergefallen. Oder besser noch, ach Schatz ich bin in der Dusche ausgerutscht.“
Mit zusammengebissenen Zähnen drehte ich mich auf die linke Seite um mich langsam in die Höhe zu stemmen damit ich mich besser orientieren kann.
Ein Schmerzensschrei ließ mich aufhorchen. Ich vermutete dass er von Laura gekommen war. Waren die beiden auch eingebrochen?
„Karl? Laura? Ist alles in Ordnung bei euch?“
Ein Wimmern lies es mir eiskalt den Rücken runter laufen.
„Karl ist bewusstlos“, schrie Laura verzweifelt, „und mein Bein scheint gebrochen zu sein.“
„Oh Gott. Wo ist Henry, Laura? Ist er auch eingebrochen?“
„Ich weiß es nicht.“
Plötzlich tauchte Henrys Gesicht über mir am Einsturzloch auf.
„Chrisi wie geht es dir? Ist dir was passiert?“
„Ich glaube ich habe mir mein rechtes Handgelenk gebrochen. Aber sonst ist alles in Ordnung, denke ich.
Henry atmete scharf aus. „So eine verdammte Scheiße aber auch. Chrisi kannst du aufstehen, damit ich dich aus dem Loch rausholen kann? Du musst aber mehr als vorsichtig dabei sein, das alles hier ist marode und instabil. “
„Das sind ja tolle Nachrichten Henry. Ich glaube das ich es schaffen müsste, ohne noch mehr kaputt zu machen.“
Ich schickte noch ein Stoßgebet an meinen Glücksgott und versuchte mich so vorsichtig wie möglich auf die Beine zu stemmen. Geschafft. Einen Schritt nach dem anderen setzte ich mich in Bewegung um an den Rand des Loches zu kommen, damit Henry der jetzt  plötzlich wieder nüchtern war, mich rausziehen konnte.
Ein ungutes Gefühl beschlich mich, bei jedem Schritt den ich machte, erklang ein unheimliches knacken unter mir. Die Schweißperlen  waren auf meinem ganzen Körper verteilt, ein ganzer Bach bahnte sich zwischen meinen Brüsten dem Weg nach unten.
Bitte Gott lass es mich schaffen, betete ich im Stillen vor mich hin.
Gerade als ich meinen Gedanken vollendet hatte, bebten und splitterten die Balken unter mir und gaben nach.
Ich kam nicht einmal mehr dazu zu schreien als mir der Boden zum wiederholten Male unter den Füßen weggezogen wurde. Nur Henrys fast irre klingenden Schrei vernahm ich noch, bevor mich ein harter Aufprall in die Dunkelheit der Ohnmacht schickte. 

Der Schmerz den Chrisi verspürte bohrte sich ohne Vorwarnung und mit voller Wucht in Alexanders Körper. Mit Schmerzverzehrtem Gesicht sackte  Alexander zusammen.
„Alex“, schrie Jenny erschrocken und fast schon panisch. „Was ist mit dir?“
„Chrisi, sie ist verletzt.“ Presste Alexander zwischen den Zähnen hervor. Mühsam kam er wieder auf die Beine. Er konzentrierte sich darauf, den Schmerz zu unterdrücken, damit er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Was war passiert? Nur schwer konnte er Chrisi durch das Band das sie miteinander verband orten. Was war nur passiert?
„Jenny rufe bitte sofort Paul an und frage ihn was passiert ist und wo zum Teufel Chrisi sich aufhält?“
„Alles klar, bin schon dabei.“
Alexander brauchte erst einmal eine Minute um sich wieder zu sammeln. Doch trotz größter Konzentration konnte er Chrisi nicht genau orten. Er fragte sich wie ein Mensch das immer nur schaffte, sich ständig in Gefahr zu bringen?
Alexander machte sich auf den Weg in die Küche, wo sich auch Jenny befand.
„Hast du Paul erreicht? Was hat er gesagt?“
Jenny sah ihn mit schon fast einem panischen Gesichtsausdruck an.
„Ich kann Paul nicht erreichen, vielleicht hat er kein Netz?“

Ein pochender Schmerz im Kopf, mit der dazugehörenden Übelkeit und dem Schwindel machte es mir schwer meine Augen zu öffnen. Mein ganzer Körper fühlte sich an als ob er von einem Truck erfasst und zermatscht worden wäre. Aus guter alter Gewohnheit hob ich meinen rechten Arm und wollte mir an  Kopf fassen, als sich mein gebrochenes Handgelenk über diese Aktion schmerzhaft äußerte und mein Magen die Übelkeit in die einzig mögliche  Richtung schickte in der sie ins Freie gelangen konnte. Jeder Versuch diese wieder unter Kontrolle zu bekommen scheiterte kläglich. Mein Frühstück wollte unbedingt wieder an das Tageslicht zurück  und ich konnte absolut nichts dagegen tun. Ich schaffte es gerade noch den Kopf zur linken Seite zu drehen und mich ein wenig in die Höhe zu stemmen, um nicht alles selbst abzubekommen. Was eine erneute Welle Schmerzen in meiner Brust explosionsartig losschickte, gepaart mit einem Erstickungsanfall, da mir die Luft zum Atmen wegblieb. Die Angst zu ersticken stieg ins unermessliche. Wimmernd vor Schmerz sackte ich in meine alte Position zurück und die Ohnmacht holte mich gnädiger weise ein.
Ich wusste nicht wie lange ich schon ohne Bewusstsein gewesen war, bevor ich wieder Herr über meine Gedanken wurde. Mein Körper schmerzte nach wie vor ungemein. Und mein Frühstück das nun wieder neben meinem Kopf lag und einen sehr unangenehmen Duft verbreitete, machte die Sache mit der Übelkeit nicht unbedingt leichter.
„Oh Gott, lass mich sterben.“ Krächzte ich.
Wie konnte ein Mensch nur so viel Schmerz ertragen ohne Wahnsinnig zu werden? 
Da fiel mir wieder Henry ein. Doch außer der Dunkelheit, konnte ich nichts weiter sehen oder hören. Trotzdem musste ich einen Versuch wagen.
„Henry? Können sie mich hören? Henry? Bitte wenn sie mich hören können, dann antworten sie mir!“
Nichts, nicht das Geringste drang zu mir durch. 
„Verdammte Scheiße. Diese blöde Laura und ihre Pausen, hoffentlich hat sie sich auch wehgetan!“ fluchte ich vorsichtig vor mich hin um nicht unbeabsichtigt allzu große Schmerzen hervorzurufen.
Was sollte ich nur machen? Ich konnte doch nicht ewig hier nur rumliegen und darauf hoffen dass ich gerettet werde. Vielleicht denken alle da oben dass ich tot bin und ich gar keine Rettung mehr nötig habe? Dieser Gedanke löste eine kleine Panikattake in mir aus, schnell versuchte ich mich selbst wieder zu beruhigen.
„Nein, nein, sie werden sicher bald nach mir suchen. Die Kanadier sind nette Menschen und würden nie jemanden im Stich lassen, der verletzt und verschüttet ist“, redete ich mir ein.
Jede unbeabsichtigte Bewegung löste Schmerzen aus die der Hölle wohl nahe kamen. Trotzdem fing ich an mich langsam und vorsichtig aufzurichten. Als ich es endlich geschafft hatte in die sitzende Position zu kommen, fühlte ich das meine Beine unter Erde und Bretter begraben waren. Da hatte ich doch tatsächlich Glück im Unglück.
Ein irres Kichern löste sich aus meiner Kehle. Was wäre wohl gewesen wenn mir das alles auf den Kopf gefallen wäre?
Aber wie sollte ich meine Beine von dem Schutt befreien ohne größere Bewegungen zu riskieren? Das würden mir mein Kopf und der Rest meines geschundenen Körpers sehr übel nehmen.
Die Übelkeit und die Kopfschmerzen waren ständig allgegenwärtig, sowie die ständig wieder kehrenden Ohnmachten. Einzig und allein die Schmerzen in meiner Brust hatte ich unter Kontrolle, wenn ich mich nicht bewegte. Was die Sache mit der Befreiungsaktion meiner Beine schwieriger gestaltete.
Behutsam versuchte ich erst mein linkes Bein anzuheben und zu mir ran zu ziehen. Was ganz gut lief, die Schmerzen in der Brust ließen sich gut aushalten. Das gleiche Spiel versuchte ich nun mit dem rechten Bein. Doch schon beim Anheben, stellte ich auf eine sehr schmerzhaft Art und Weise fest, dass ein schweres etwas auf meinem Bein lag und ich somit Bewegungsunfähig war. Vor meinen Augen tanzten wieder die schwarzen Punkte, die mich auf die nächste Ohnmacht vorbereitete, der ich auch nicht mit schmerzhaften tiefen durchatmen entgegenwirken konnte, entschwand mein Geist wieder in die gnädige schmerzfreie Dunkelheit.

Alexander hatte die Schmerzattake die er durch Chrisi gespürt hatte, gut überstanden. Nach zehn Minuten war sie schlagartig vorbei gewesen. Für Alexander war aber klar das Chrisi noch am Leben war, das spürte er mit jeder Faser seines Körpers. Was ihn irritierte war, dass er Chrisi so sehr er sich auch anstrengte, nicht genau lokalisieren konnte.
Nervös wie ein Tiger im Käfig lief Alexander in seinem Wohnzimmer auf und ab.
Jenny und Patrick saßen schweigend auf der ledernen Couch und sahen ihn abwartend an. Keiner von den zweien wagte es Alexander anzusprechen.
„War sie von Christian verschleppt und verletzt  und Paul k.o. geschlagen worden?“ fragte Alexander mehr sich selbst als das er seine Freunde damit ansprach.
„Wenn das der Fall war, dann sind Christians Tage gezählt, soviel ist klar. Möglich wäre natürlich auch das dieser Lackaffe Tom, mit ihr einen Ausflug gemacht hat und er einen Autounfall verursacht hat. Aber es gibt keine Tunnel auf der Insel in der ein Unfall passieren hätte können. Also warum kann ich Chrisi nicht finden, wo zum Teufel ist sie? Und wo zum Teufel ist Paul?“
Warum nur hatte er gerade heute auf die Beobachtung von Chrisi verzichtet und Paul stattdessen losgeschickt? Wie konnte er nur davon ausgehen dass dieser Tom auf sie aufpassen würde?
„Alex“, meldete sich Jenny vorsichtig, „wie wäre es wenn ich bei Tom zu Hause anrufe und versuche etwas über Chrisi rauszufinden?“
„Ja, das ist eine gute Idee Jenny. Jeder Hinweis könnte uns weiterhelfen.“
Warum war er nicht selbst darauf gekommen?
Alexander zog sein Portemonnaie aus seiner hinteren Hosentasche, kramte darin kurz herum und zog einen zusammengefalteten Zettel heraus auf dem die Nummer der Pension stand und gab sie Jenny.
„Versuch so viel wie möglich rauszufinden.“
Jenny nickte und gab in ihr Mobilphone die Nummer der Pension ein. Erst beim sechsten klingeln, nachdem der Anruf durch ein knacken in der Leitung weitergeleitet worden war,  hob jemand den Telefonhörer auf der anderen Seite der Leitung ab.
„Hallo,  spreche ich mit Ms Chrisi Mc Kenzie? Nein, ach sie wohnt nicht mehr in der Pension? Können sie mir vielleicht sagen wo ich Ms Mc Kenzie erreichen kann? Mhm, mhm, mhm, ach so, alles klar. Danke für ihre Auskunft. Auf Wiederhören.“
Alexander hüpfte erwartungsvoll von einem Bein auf das andere. So ungeduldig hatte Jenny ihn noch nie erlebt. Und für einen Vampir war das ein eher komisches Verhalten, denn sie waren normalerweise die Ruhe in Person.
„Was hast du rausgefunden?“
„Also, es war Toms Schwester am Telefon, sie hat gesagt das Chrisi heute eigentlich zu Hause sein müsste, da Tom und Carmen in Victoria bei einer Geburtstagsfeier sind. Sie meinte das Chrisi nur zu Hause geblieben ist, da es ihr nicht gut ging. Mehr aber konnte sie mir nicht sagen.“
„Jetzt sind wir wieder am Anfang unserer Suche. Wir müssen dringend Paul erreichen!“
Alexander hatte diesen Satz gerade ausgesprochen als das Telefon klingelte. Mit einem Satz war Alexander beim Telefon und hob ab.
„Paul? Bist du es? Was ist passiert? Wo ist sie?“ Sprudelte es aus ihm heraus.
Jenny und Patrick konnten beobachten wie sich Alexanders Körperhaltung versteifte, der Telefonhörer verdächtig zu knacken anfing und seine Gesichtsfarbe blasser wurde als sie ohnehin schon war. 
„Ohne Tom? Dieser Idiot lässt sie alleine? Diese Männer von heute, machen sich über ihre Frauen gar keine Gedanken mehr. Wir sind in einer halben Stunde da. Geh du zu ihr zurück und warte an dem Eingang des Tunnels auf uns.“
Alexander hätte Tom am liebsten in der Luft zerfetzt für seine Verantwortungslosigkeit. Dann versuchte er sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Jenny sah Alexander mit großen Augen an, „Was ist passiert?“
„Sie hatte anscheinend die glorreiche Idee heute bei einer dieser Führungen in die Wildnis mitzumachen und als sie eine Pause machten“, Alexander stockte, „ist sie in einen der alten Stollen eingebrochen.“
Jenny ging auf Alexander zu und nahm ihn in die Arme, „ Alexander ich weiß das du dir Sorgen um Chrisi machst, darum glaub mir das wir alles tun werden um sie da lebend wieder raus zu holen.“
„Danke Jenny, was würde ich ohne euch nur machen? Es ist nur so, dass mich  diese Ungewissheit in den Wahnsinn treibt. Ich will Chrisi nicht schon wieder verlieren. Mir ist natürlich bewusst dass ich sie nicht wirklich als meine Frau bezeichnen kann, da sie mit diesem Vollidioten Tom zusammen ist. Trotzdem hatte ich bis jetzt die Hoffnung dass sich das Blatt doch noch irgendwann zu meinen Gunsten ändert. Doch sollte ich sie verlieren, kann ich ihr nie sagen was ich wirklich für sie empfinde.“
Jenny konnte Alexanders Gefühle nachvollziehen. Wie lange war sie schon in ihn verliebt und doch konnte sie ihn nie für sich haben, da sein Herz für immer und ewig an Chrisi vergeben war. Trotzdem würde sie all ihr Möglichtest tun, was Chrisi zu ihm zurück brachte.
Jenny nahm Alexander fester in ihre Arme, „glaub mir, der Tag wird kommen, an dem ihr klar wird was sie wirklich für dich empfindet. Das ihr beide füreinander bestimmt seid und schon immer ward.“
„Danke, das ist lieb von dir.“ Alexander drückte Jenny einen Kuss auf ihre Stirn, was in Jenny Gefühle der Leidenschaft auslöste, die sie sofort wieder unterdrückte. Sie löste sich von Alexander und machte sich sofort an die Arbeit Chrisi aus ihrer Situation zu befreien und um auf andere Gedanken zu kommen.
Patrick, der mit seinen zweihundert Jahren, genau wie sein Bruder Paul, noch zu den Jungvampiren gehörte,  ging in die Garage um die Autos einsatzbereit zu machen.
Alexander befand sich alleine im Wohnzimmer. Die Einsamkeit die ihn so oft umgab, wurde ihm nun so schrecklich intensiv bewusst. Mit dem Rücken lehnte er sich gegen die Schrankwand und ließ sich zu Boden sinken. Seine Hände die sich an sein Gesicht pressten, zeigten seine Verzweiflung die er im tiefsten Innern fühlte. Was für eine glückliche Zeit hatten Rose und er vor fünfhundert Jahren miteinander verbracht. Wie oft sehnte er sich danach zurück. Wie oft war er der Versuchung nahe gewesen, Rose nein Chrisi, in Deutschland zu besuchen und anzusprechen. Im Gedanken hatte er es tausendmal getan. Aber die Angst davor sie in Gefahr zu bringen war größer gewesen. Und jetzt war sie hier bei ihm und verletzt, obwohl er sich von ihr fern hielt.
Patrick rief nach Alexander, er musste jetzt stark sein, für Chrisi. 

In sitzender Haltung in Ohnmacht zu fallen, wenn man wahrscheinlich gebrochene Rippen hat, war auf alle Fälle nicht von Vorteil. Ich hatte das Gefühl mein Brustkorb müsste jeden Augenblick explodieren. Mein rechtes Bein fühlte sich Taub an und ein dicker Kloß in meinem Hals bahnte sich über meine Tränendrüsen den Weg ins Freie. Wie sollte ich hier nur wieder lebend raus kommen? Von Henry oder den anderen beiden hatte ich immer noch kein Lebenszeichen gehört. Wenn Henry auch etwas passiert war, dann war die Chance verschwindend gering das uns überhaupt jemand je hier fand.
Ein Geräusch aus einer Ecke in der ich nichts erkennen konnte, ließ mich aufhorchen. War das etwa meine Rettung oder nur eine Ratte? Ich unterdrückte das Schluchzen. Angestrengt lauschte ich ob sich das Geräusch noch mal wiederholte.
Hatte ich mir das Geräusch nur eingebildet?
Nichts.
Ein Schreck fuhr mir in die Glieder, hoffentlich war es nicht doch eine Ratte oder ein anderes Tier das sich von Fleisch ernährt. Ich war ja eigentlich ein gefundenes Fressen. Groß, schmackhaft und unfähig sich zu wehren.
„Oh Gott, bitte lass es kein wildes Tier sein“, flüsterte ich ängstlich vor mich hin.
„Chrisi?“
Nein nicht das noch, ich wurde langsam verrückt, jetzt hörte ich schon Stimmen.
„Chrisi?“
Mein Herz machte einen Sprung vor Freude, es war doch keine Einbildung.
„Hallo? Ich bin hier!“
Ein immer größerer werdender heller Punkt bewegte sich sehr schnell auf mich zu. Mir wurde jetzt erst die Wärme in mir bewusst.
„Alexander, bist du das?“
„Gott sei Dank Chrisi! Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Geht es dir gut?“
Wie aus dem Nichts kniete Alexander plötzlich neben mir. Eigentlich etwas zu schnell für einen Menschen. In Gedanken schüttelte ich meinen Kopf, wieso machte ich mir nur über so etwas nur Gedanken?  Meine Augen hatten mir bestimmt einen Streich gespielt, schließlich hatte ich mir den Kopf ein wenig fester angestoßen und ich sollte froh sein das mich Alexander gefunden hat.
Rasch schrie ich „Stopp“, als ich sah dass mich Alexander umarmen wollte.
Verwirrt hielt er augenblicklich inne.
„Entschuldige. Ich wollte dir nicht zu nahe treten“, gab er verwirrt von sich.
„Nein Alexander das ist es nicht, ich würde dich auch gerne umarmen. Das Problem ist nur, ich kann mich kaum bewegen, da ich höllische Schmerzen habe. Ich glaube ich habe mir ein paar Rippen gebrochen. Mein rechtes Handgelenk ist mit Sicherheit gebrochen, in meinem Kopf spielt jemand Rumba und mein Bein steckt unter irgendetwas verdammt Schwerem fest. Darum Alexander können wir das umarmen auf später verschieben?  Und vor allem,“ würgte ich hervor, „baut sich gerade wieder eine Übelkeitswelle in mir auf.“ 
Sofort brachte Alexander zwischen uns einen Sicherheitsabstand.
„Sicher ist sicher“, meinte er schmunzelnd. „Sag Bescheid wenn  die Welle vorbei ist.“ Dabei sah er mich mitleiderregend an.
Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich einen Lachanfall bekommen. Den ich mir aber im Moment nur zu gerne Verdrückte.
„O.k. ich glaube es geht wieder.“ Gab ich von mir und atmete mit offenen Mund ein und aus.
„Gut. Wir werden erst mal den Schutt von deinem Bein entfernen.“
„Wir?“
„Ich, Paul und Patrick. Sie haben alle beim Suchen geholfen.“
„Oh, sorry ich habe deine Helfer nur noch nicht gesehen.“
„Kein Problem“ hörte ich im Chor hinter Alexander.
Ein unangenehmes Gefühl von tausend Nadeln rauschte durch mein Bein, als es endlich von der Last befreit war. Scharf atmete ich ein, was mir wiederum meine Rippen übel nahmen.
„Alles klar Chrisi?“
„Ja“, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Ich wollte vor Alexander nicht als Weichei dastehen. Natürlich war mir bewusst, dass es in dieser Situation völlig egal war, aber mein Stolz wusste das anscheinend nicht.
„O.k. Chrisi, ich werde dich jetzt hochheben, ich bin dabei so vorsichtig wie möglich. Versprochen.“
„Alexander?“
„Ja?“
„Ich habe Angst. Bitte sei wirklich vorsichtig.“
„Ich habe es dir doch versprochen.“
Sanft streichelte er mir über mein Gesicht.
„Ja das hast du.“
Niemanden würde ich mehr Vertrauen als ihm, gerne hätte ich es ihm gesagt, aber das traute ich mich nicht.
„Bist du bereit?“
„Nein?“ antwortete ich unsicher.
Behutsam schob Alexander erst den linken Arm hinter meinen Rücken. Ich biss meine Zähne so fest zusammen, dass ich schon Angst bekam, sie würden mir der Reihe nach raus brechen und mein Kopf würde jeden Moment platzen. Jede Bewegung die Alexander verursachte, brachte in mir ein quälendes Stechen hervor. Beim rechten Arm, den er mir unter die Füße schob, schossen mir unweigerlich Tränen in die Augen, die ich fest zugedrückt hatte.
„Gleich hast du es hinter dir“, hörte ich Alexanders Stimme verzehrt und weit entfernt. Etwas zog mich immer weiter in die schützende und schmerzfreie Dunkelheit der Bewusstlosigkeit, die mich nichts mehr wahrnehmen ließ.

„Mmmmhh“, wo kam nur dieses grelle Licht her? War ich tot und stand jetzt vor dem Himmelstor? Ich war doch gerade noch irgendwo in einer Höhle verschüttet gewesen. Und Alexander, ja Alexander hat mich gefunden.
„Chrisi? Bist du wach?“
Diese Stimme hörte sich eindeutig nach Helen an, nur etwas verheulter. Entweder war Helen auch gestorben und wir standen nun beide vor dem Himmelsgericht, oder ich lebte noch. Meine Tendenz der Hoffnung ging  in Richtung noch Leben. Wieder probierte ich meine Augen zu öffnen, dieses Mal ging es eindeutig leichter, doch das Licht blendete mich immer noch.
„Kann mal jemand bitte dieses grässliche Licht ausmachen?“
„Oh ja natürlich, entschuldige.“
Dieses Mal war es nicht Helens Stimme gewesen. Eine Hand die meine Hand festgehalten hatte, was mir erst jetzt bewusst wurde, verschwand kurz und kam auch gleich wieder zurück und nahm wieder sanft meine Hand hoch.
„Besser so?“
„Tom?“ fragte ich und öffnete meine Augen.
Der Druck der Hand verstärkte sich leicht, „ich bin hier mein Schatz. Wie fühlst du dich?“
Seine Stimme hörte sich Sorgenvoll an. Seinem Gesicht konnte man ansehen, dass er in der letzten Nacht nicht viel Schlaf bekommen hatte.
„Habe ich Schmerzmittel bekommen?“
Tom deutete auf die Infusion die an meiner linken Hand hing, an der eine kleine Flasche mit einem blauen Etikett befestigt war.
„Darum also habe ich keine Schmerzen und ich fühle mich nur erschlagen. Ein Hoch auf die Medizin.“ Ich versuchte ein Lächeln in mein Gesicht zu zaubern. Was mir durch meine Benommenheit noch nicht ganz gelingen wollte, und ich nur eine Gesichtsentgleisung zu Stande bekam.
Da fielen mir wieder die anderen ein.
„Weis jemand von euch wie es meinen Mitwanderern geht?“ Fragend sah ich einen nach dem anderen an. Erst jetzt wurde mir bewusst dass auch Robert hier war. Aber eine wichtige Person fehlte. Mein Lebensretter. Ob er mich wohl besuchen würde?
Helen musste sich erst räuspern bevor sie sagte, „Nein wir wissen nichts, nur das auch sie sich hier im Krankenhaus befinden. Und das es dich am schlimmsten erwischt hat.“ Helen strich mir am Bein entlang.
Ein grinsen schlich sich auf mein Gesicht, ich wusste nicht warum? Das mussten wohl die Medikamente sein die ich hier verabreicht bekam.
„Na das ist ja wieder typisch für mich. Ich such mir den Baumstumpf aus, an dem es am weitesten nach unten geht.“
Helen und Robert konnten über den etwas makabren Witz lachen, nur Tom saß stumm, mit Tränen in den Augen da und hielt mich einfach nur fest.
„Leute ihr seht alle ganz schön fertig aus. Ihr habt euch doch davon überzeugen können dass es mir gut geht. Geht nach Hause und schlaft euch richtig aus.“
Ich wollte nur eine Minute mit Tom alleine sein. Was Helen auch so verstand, sie verabschiedete sich mit einem Kuss auf meine Stirn von mir und zog Robert hinter sich her aus dem Zimmer.
„Tom, mir geht es gut. Du musst dir keine Sorgen mehr um mich machen.“
Toms Tränen waren nun nicht mehr aufzuhalten. Schluchzend legte er vorsichtig seinen Kopf neben mir auf das Bett.
„Verdammt Chrisi ich hätte dich fast verloren. Was wäre wohl geschehen wenn  dieser Rettungstrupp nicht gewusst hätte dass es noch einen Nebeneingang in die zum Teil verschütteten Tunnel gibt? Von oben hätte es Tage oder vielleicht auch Wochen mit deiner Bergung gedauert. Ich hätte dich in diesem Fall nie wieder gesehen, ist dir das klar?“
„Tom ich bin hier und ich lebe. Das ist wichtig und nicht das was hätte sein können. Es ist ja doch alles gut ausgegangen.“
Ich wollte Tom mit meiner rechten Hand über seine Haare streichen, als ich sah dass dieser Arm geschient war. Da ich Tom nicht mit der Schiene erschlagen wollte, lies ich es bleiben und drückte mit meiner linken Hand seine Hand etwas, die meine noch immer festhielt. Als sich plötzlich diese bekannte Wärme in mir ausbreitete.
Alexander und Tom durften sich auf keinen Fall über den Weg laufen, nicht hier.
„Tom geh nach Hause, schlaf dich aus. Du kannst jetzt nichts für mich tun. Ich bin auch sehr müde, ich muss etwas schlafen.“
Wenn Tom auf das nicht eingeht und sich nicht verabschiedet, gibt es wahrscheinlich Mord und Todschlag in meinem Krankenzimmer. Das Glück war auf meiner Seite, schließlich hatte das Glück bei mir noch einiges gut zu machen. Tom sah mich mit verquollenen Augen an.
„Du hast recht, ich komme morgen früh gleich wieder. Dann nehme ich dir auch Sachen zum wechseln mit.“
Wie in Zeitluppe kam Tom mir näher und drückte mir einen Hauch von einem Kuss auf die Lippen.
„Bis morgen mein Schatz. Und wenn du wieder Lust auf eine Wandertour bekommst, dann geh bitte nicht ohne mich, ja?“
„Ich denke, von Wandertouren bin ich erst einmal geheilt.“
Ich lächelte ihn an und hoffte das Alexander nicht vor der Tür stand wenn Tom gerade dabei war das Zimmer zu verlassen.
Was „Gott sei Dank“ nicht der Fall war.
Erleichtert lies ich mich entspannt in mein Kissen sinken. Zum ersten Mal konnte ich mir Zeit nehmen, um mein Zimmer genauer zu erkunden in dem ich lag. Zu meinem Erstaunen lag ich in einem Einzelzimmer. War etwa das Krankenhaus so überfüllt das ich erster Klasse liegen durfte? Wie sonst sollte ich zu dieser Ehre kommen? Ich war eine Kassenpatientin dem so ein Luxus normalerweise nicht zustand. Das Zimmer war einfach klasse. Die Wände waren in einem angenehmen beige Ton gehalten. Mein Bett, in dem ich lag, stand mitten im Raum, neben mir ein schick aussehendes Nachtkästchen. Vor dem Fenster war ein hellbrauner, bequem aussehender Sessel mit dem dazu passenden Tisch platziert worden.  Gegenüber von mir war an der Wand ein großer Fernseher mit DVD-Player angebracht worden. Links von mir stand ein Einbaukleiderschrank, rechts davon befand sich eine schmale Holztür, die vermutlich in das Badezimmer führte.  
 Ein klopfen an der Zimmertüre lies mich aufhorchen. Sofort ging mein Atem schneller. War das Alexander? Oh Gott, ich benahm mich wie eine pubertierende fünfzehnjährige.
„Reiß dich gefälligst zusammen“, befahl ich mir selbst.
Die Zimmertüre wurde geöffnet und ein Kopf schob sich durch den Spalt. Es war Scout Henry. Ich versuchte mir die Enttäuschung die ich empfand nicht anmerken zu lassen und hoffte das Henry sie mir nicht ansah und falsch verstand. Doch gleichzeitig war ich auch erleichtert Henry zu sehen.
„Henry, Gott sei Dank dir geht es gut, komm doch rein.“
Henry betrat das Zimmer wie ein kleiner Schuljunge der wegen eines dummen Streiches zum Direktor musste. Seinem Gesichtsausdruck konnte man ansehen, was für ein schlechtes Gewissen ihn plagte. Er sah müde, erschöpft, schmutzig und traurig zugleich aus. Dieses Bild des Elends weckte Muttergefühle in mir. Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten, Henry nicht über sein schmutziges Haar zu streichen und ihn damit zu trösten.
„Hallo Chrisi,“ flüsterte er mit einer rauen Stimme. „Wie geht es dir?“
Diesen Satz konnte ich allmählich nicht mehr hören, was ich Henry natürlich nicht direkt sagte.
„Ach Henry“, seufzte ich, „es war nicht deine Schuld. Der ganze Tag ist einfach blöd gelaufen.“ Versuchte ich ihn aufzumuntern.
Henry strich sich mit der Hand über das Gesicht und durch die Haare, dabei sah es aus als ob er sich diese ausreißen wollte.
„Nein, es war meine Schuld.“ Gab er gequält von sich.
„ Als ich gemerkt habe das Laura eine Bremse ist, hätte ich die Tour schon früher über den offiziellen Weg abkürzen müssen. Aber nein ich musste ja die lange Tour gehen. Es tut mir unendlich leid Chrisi.“
Krampfhaft überlegte ich was ich Henry noch aufmunterndes sagen konnte. Mir wollte einfach nichts glaubhaftes einfallen, mein Kopf fühlte sich wie Vacuumversiegelt an, als mir Karl und Laura wieder einfielen.
„Henry wie geht es Laura und Karl?“
Henry sog scharf die Luft ein und schnitt eine Grimasse das vermutlich ein Lächeln hätte werden sollen das ganz und gar misslungen war.
„Laura geht es bis auf ihr gebrochenes Bein ganz gut. Zumindest macht sie die Krankenschwestern mit ihrem Plappermaul fast wahnsinnig.“
Dem konnte ich gut nachempfinden. Die armen Krankenschwestern, was die wohl durchmachen mussten?
„Karl dagegen“, Henry senkte seinen Blick, „Karl ist so unglücklich gestürzt, er hat sich einen Schädelbasisbruch zugezogen. Die Ärzte haben ihn für die nächsten Tage ins künstliche Koma gelegt, damit er sich in Ruhe erholen kann.“ Henry fügte noch schnell hinzu, als er mein erschrockenes Gesicht bemerkte, „ alle sind aber sehr zuversichtlich, dass auch Karl wieder ganz gesund wird.“
Diese Rückenlage in der ich mich befand, wurde auf Dauer anstrengend. Wie sollte ich am besten meine Lage verändern ohne dabei großartige Schmerzen auszulösen. Es reichte ja nicht dass mein rechter Arm geschient war, nein die Ärzte hatten es auch noch für nötig gehalten mich in eine halbe Mumie zu verwandeln und meinen Oberkörper zu bandagieren.
Fragend sah ich Henry an und deutete auf meinen Körper. Er strich sich verlegen über seinen Kopf und murmelte etwas von zwei gebrochenen Rippen und von Prellungen, die sich auch bei jeder Bewegung bemerkbar machten. Blöde Rippen warum konnten die nicht mehr aushalten oder aus Gummi sein?
Vorsichtig versuchte ich meinen Hintern gleichzeitig mit meinem Oberkörper ein wenig zur Seite zu drehen. Die Schmerzmittel hatten noch ihre volle Wirkung, denn ich schaffte die Drehung ohne größere Schmerzen.
Henry stand auf und ging zur Zimmertür.
„Es tut mir leid Chrisi, ich übernehme natürlich die volle Verantwortung für das geschehene. Ich sehe in den nächsten Tagen noch zu dir. Und habe ich schon gesagt dass es mir leid tut?“
Ein Geistesblitz durchzuckte mich, war es etwa Henry gewesen der mich in das Einzelzimmer legen hat lassen? Nein das konnte nicht sein, ein einfacher Tourenführer wie er kann sich so etwas gar nicht leisten. Aber trotzdem musste ich auf Nummer Sicher gehen.
„Henry eine Frage noch, du hast mich doch nicht etwa in dieses Zimmer verlegen lassen, oder?“
Nun war es Henry der mich überrascht ansah.
„Nein Chrisi, das war ich nicht. Ich könnte mir das auch gar nicht leisten. Ich denke es war Alexander Roven der dich in das Zimmer bugsiert hat. Er war es auch der dich gerettet hat.“
Henrys  Blick glitt an mir vorbei, er sprach mehr mit sich selbst als zu mir.
„Es war schon ein komischer Zufall.“ Henry schüttelte seinen Kopf als müsste er etwas Lästiges wegscheuchen.
„Kennst du Alexander Roven?“
„Ja ich kenne ihn, aber noch nicht sehr lange. Warum fragst du?“
„Nun er hat nicht nur dich, sondern auch Karl und Laura gerettet. Er war in den Tunneln gerade mit Ausgrabungen beschäftigt gewesen hat er gesagt, als du ihm fast auf den Kopf gefallen wärst. Roven vertreibt sich seine Zeit anscheinend gerne mit Höhlen.- und Bergbautunnelforschung musst du wissen. Und Roven ist es auch gewesen der dich in dieses Zimmer hat legen lassen, was bedeutet dass du ihm etwas bedeuten musst. Bei Karl und Laura war er nicht so großzügig, die liegen in einem Mehrbettzimmer.“
Was hatte Henry da gerade gesagt? Ich muss Alexander etwas bedeuten? Sofort waren die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder da. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Henry den Kopf noch einmal ungläubig schüttelte und er mir kurz zuwinkte und  verschwand.
Wie kam Alexander nur auf die Idee mich in dieses Zimmer legen zu lassen ohne mich zu fragen? Nur weil ich ihm „etwas“ bedeutete? Andererseits hatte er mich nicht fragen können, da ich ja bewusstlos war.
Müde und erschöpft fiel mein Blick wieder auf die schmale Türe die in das angrenzende Bad führte. Was mich daran erinnerte das der Druck auf meine Blase immer größer wurde. Sollte ich der Schwester klingeln? Wenn die aber auf die Idee kommt mich auf eines dieser Betttöpfchen zu setzen. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Also blieb mir nur noch der Versuch alleine auf die Toilette zu
gehen.
Warnend hing der Schwesternrufknopf vor meiner Nase.
„Ich schaff das“, sprach ich mir selbst Mut zu.
„Du hast schon so viel geschafft und überlebt, dann wirst du einen Toilettengang doch mit links schaffen.“ Jetzt redete ich schon mit mir selbst.
Achtsam drehte ich mich weiter auf die linke Seite und ließ meine Beine aus dem Bett rutschen, gleichzeitig drückte ich mich hoch. Ein leichter Schwindel schwirrte in meinem Kopf. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf das was ich vorhatte, dabei achtete ich darauf nicht zu tief ein und auszuatmen, was mit meinem bandagierten Oberkörper sowieso schwierig war.
Der Schwindel verschwand. Ein Lächeln umspielte meine Lippen, das klappte doch schon mal ganz gut.
Eines musste ich zugeben, das war ein verdammt gutes Schmerzmittel was die Ärzte mir da verabreichten. Die Schmerzen hielten sich in Grenzen, lediglich ein leichtes ziehen spürte ich.
Behutsam rutschte ich nun soweit vor das meine Beine den Boden berührten.            
Fest umfasste ich mit der linken Hand den Infusionsständer, der leicht zu lenken war, der mir aber gleichzeitig auch eine Stütze sein würde.
Leicht schwankend setzte ich einen Fuß vor den anderen. Dann ging alles plötzlich ganz schnell. Mein linker Fuß verhedderte sich am Infusionsständer, automatisch spannte ich meinen Oberkörper an, so dass sich ein Meer von Schmerzen in mir ausbreiteten, als ich nach vorne kippte. Wie in Zeitlupe sah ich den Boden auf mich zukommen, ich erwartete jeden Augenblick den harten und schmerzhaften Aufprall. Doch bevor ich den Fußboden überhaupt berühren konnte, wurde ich wie von Geisterhand abgefangen.
Verwirrt sah ich hoch in die Wahnsinns blauen Augen von Alexander. Er hielt mich in seinen Armen sanft und doch zugleich fest und sicher an sich gedrückt.
Immer noch fixierte ich ihn mit einem verwirrten, schmerzverzerrten Gesichtsausdruck.
„Alexander? Was machst du hier?“ Flutschte es aus mir heraus.
Alexander stellte mich sanft wieder auf meine Beine, ließ mich aber immer noch nicht wieder los.
Mit einem mehr als besorgten Gesichtsausdruck sah er mich eindringlich an.
„Willst du dich mit Gewalt umbringen? Was zum Teufel hast du gerade vorgehabt?“ Dem besorgten Ausdruck wich ein wütender.
„Wolltest du vielleicht schon wieder in Wald um einen Spaziergang zu machen, und das in einem Krankenhaushemd?“
Ich versuchte ein „lass diesen Scheiß“ Gesichtsausdruck aufzusetzen.
„Könntest du mich bitte loslassen, damit ich zurück ins Bett gehen kann? Meine Kraft reicht noch nicht aus für einen Kaffeeklatsch im Stehen!“
Nun warf ich ihm einen wütenden Blick zu, der auch seine Wirkung nicht verfehlte. 
„Entschuldige.“
Doch zu meiner Überraschung lies Alexander mich nicht los, er hob mich wie ein kleines Kind hoch. Auf seinen Armen liegend trug Alexander mich zu meinem Bett. Ich zog den blöden Infusionsständer mit uns und versuchte verzweifelt zu verhindern dass mir mein super modernes Krankenhaushemd, hinten nicht komplett auseinander klaffte und ich Gott und der Welt und vor allem nicht Alexander meinen nackten Hintern präsentierte. Was mich auf die Frage brachte, wer mich total nackt ausgezogen hat?
Jetzt war ich wieder da von wo mein beschwerlicher Weg ins Klo angefangen hatte. Das Gute daran war, dass sich meine Schmerzen wieder beruhigten.
„Also was hattest du gerade vor?“
Ich schnaubte, „wieso willst du das wissen? Bist du mein Vater?“ schimpfte ich.
„Chrisi! Kann ich dich keine fünf Minuten alleine lassen, ohne dass du gleich was Dummes anstellst?“
Was sollte das denn bitte heißen, in mir brodelte es regelrecht. Meine gesunde Hand ballte sich unweigerlich zu einer Faust. Dennoch versuchte ich es Alexander nicht merken zu lassen.
„Was willst du damit sagen? Das gerade eben war nicht meine Schuld, das liegt bestimmt an den Medikamenten, normalerweise bin ich sehr sicher im Umgang mit meinen Füßen. Außerdem zwingt dich doch keiner dazu, auf mich aufzupassen!“
Ich schürzte meine Lippen und blickte ihm fest in die Augen. Oh Gott, lass ihn einfach nichts mehr sagen? Doch Gott wollte einfach nicht auf mich hören.
„Du musst dir deinen Kopf fester angeschlagen haben als ich dachte, so wie du dich aufführst. Also, ich frage dich noch einmal, was wolltest du gerade machen? Und ich erwarte eine Antwort von dir Chrisi Mc Kenzie.“
Alexanders Blick hielt mich gefangen und lies mir keine Wahl als mit der Wahrheit raus zu rücken, und das möglichst schnell, denn meine Blase war kurz davor zu platzen. Ich fing bereits damit an mit meinem Hinterteil nervös hin und her zu rutschen.
„Was soll ich sagen“, verlegen betrachtete ich den Fernseher der nichts sagend an der Wand hing, „ich wollte doch nur auf die Toilette, dann bin ich am Infusionsständer hängen geblieben und wäre fast gestürzt, mehr steckt da nicht dahinter. Wie hast du das überhaupt gemacht? Wie konntest du mich nur so schnell auffangen?“
Alexander prustete lauthals los und beachtete meine Fragen gar nicht.
„O.k. jetzt weiß ich es mit Sicherheit das man dich keinen Augenblick lang alleine lassen kann.“
„Du bist ein Idiot Alexander Roven.“ Wütend schob ich meine Unterlippe vor und schmollte.
Dir werde ich es zeigen, von wegen, mich kann man nicht alleine lassen, dachte ich beleidigt.
Etwas zu schnell rutschte ich wieder vom Bett, sofort drehte sich das Zimmer um mich herum. Ich schloss meine Augen, als ich sie gleich darauf wieder öffnete, schrak ich zurück. Es drehte sich nichts mehr, doch plötzlich stand Alexander mit einem dicken fetten Grinsen im Gesicht neben mir, bereit mich jederzeit aufzufangen.
„Ich schaffe es auch ohne deine Hilfe auf die Toilette“, knurrte ich ihn an.
Er ging einen Schritt zur Seite, verbeugte sich vor mir mit einer Handbewegung in Richtung Badezimmertüre.
„Bitte sehr die Dame, nach ihnen.“
Am liebsten hätte ich ihm einen Tritt in seinen Allerwertesten gegeben, in mir brodelte es immer mehr.
„Wieso? Willst du mit ins Badezimmer und mir beim pinkeln zusehen? Glaub mir ich falle schon nicht von der Toilette oder in sie hinein und spüle mich aus Versehen hinunter.“
Dieses blöde Grinsen. Jetzt wäre jemand nützlich der ihm dieses Grinsen aus dem Gesicht haut, da ich mich selbst dummerweise wieder am Infusionsständer festhalten musste um es bis zur Toilette zu schaffen.
„Wenn du das sagst! Trotzdem werde ich vor der Türe warten falls doch ein Unglück passiert. Musst mir nur Bescheid sagen, wenn du Hilfe brauchst, aber wenn du neben das Klo pullerst putze ich das nicht weg, das musst du selbst machen. Aber ansonsten bin ich jederzeit für dich da.“
Mir kam es so vor als ob sein Grinsen noch breiter geworden wäre, was natürlich gar nicht mehr möglich war.
Irgendwie schaffte ich es zügig ins Badezimmer zu gelangen. Meine Blase war mir als dankbar dafür. Nur mit Mühe konnte ich das erleichterte Seufzen unterdrücken als der Druck auf meine Blase nachließ. Alexander musste ja nicht alles mitbekommen.
„Ist alles klar bei dir Chrisi?“ hörte ich ihn glucksend fragen.
„Herr Gott Alexander, hast du nichts Besseres zu tun?“
Insgeheim hoffte ich das er nein sagen würde.
„Chrisi ganz ehrlich, um nichts in der Welt hätte ich das verpassen wollen. Aber du hast Recht, denkst du dass du es wieder alleine ins Bett schaffst, ohne dich dabei zu verletzen? Ich muss leider zurück in den Tanzclub, glaub mir ich würde viel lieber bei dir bleiben um auf dich aufzupassen.“
Warum nur konnte ich diesem Mann nicht lange böse sein? Seine Ausstrahlung, sein Charme. Diese Gefühle die er in mir auslöst. Was war nur mit mir los? Reiß dich zusammen Chrisi, er hat es gerade nicht verdient. 
„Ich schaffe es alleine ins Bett Mr. Roven, keine Sorge.“ Sagte ich etwas bissiger als ich wollte und schon kam die Retourkutsche von ihm.
„Du hast recht Chrisi, ich sollte doch noch warten bis du wieder in deinem Bett bist, so kann ich mir wenigstens ganz sicher sein das du es ohne größere Verletzungen geschafft hast, sonst könnte ich die Nacht über nicht schlafen.“
Das reichte. Schwungvoll aber mit Vorsicht,  riss ich die Badezimmertüre auf und trat auf ihn mit einer gehörigen Selbstsicherheit zu, nur dumm das dieser Auftritt mit dem Infusionsständer nicht so rüberkam wie ich es mir gewünscht hätte.
„Du, du arroganter …….“
Unerwartet kam mir Alexander ganz nah, mit seinem bezaubernden Lächeln. So nahe das ich ihn atmen hören und seinen Duft einatmen konnte. Seine Hände berührten mich an meinen Oberarmen, sanft hielt er mich fest.
„Was wolltest du gerade sagen?“ hauchte Alexander.
Sein Blick bohrte sich tief in den meinen. Wie elektrisiert stand ich bewegungslos vor ihm. Sein Geruch, oh Gott nur seine Anwesenheit lies mein innerstes vibrieren. Ich verlor die Kontrolle über mich. Ich wollte ihn küssen, ich wollte ihn verführen und das in meinem Zustand. War ich wirklich zu hart auf den Kopf gefallen?
Ein lautes klopfen an der Türe lies mich aufschrecken. Gleichzeitig sahen Alexander und ich zur Zimmertüre, nur hatte Alexander einen komisch belustigten Gesichtsausdruck, den ich nicht verstand, denn in der offenen Türe stand Tom.
„Hallo Tom, ich dachte du wolltest morgen erst wieder kommen?“
„ Hallo Chrisi, störe ich etwa?“
In Toms Stimme lag ein gefährlicher Unterton, der auch Alexander nicht entgangen war. In Sekundenbruchteilen richtete sich Alexander in angespannter Haltung zu seiner vollen Größe auf und drehte sich Tom zu.
In mir machte sich die Angst breit, dass die beiden aufeinander losgehen könnten.
Tom bebte vor Wut, seine ganze Aufmerksamkeit war auf Alexander fixiert. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, jederzeit dazu bereit Alexander das Gesicht in Brei zu schlagen.
Alexander dagegen wirkte als ob er das ganze lockerer nahm. Mit einem herablassenden Lächeln betrachtete er Tom schon fast mitleidig. Trotzdem strahlte er die Gefährlichkeit einer Raubkatze aus, die jederzeit zum Sprung bereit war.
Ich fühlte mich dazu verpflichtet irgendetwas zu sagen, um die Situation zu entschärfen. Nur was sollte ich sagen? Meine Gedanken machten wahre riesen Sprünge.
„Wisst ihr was? So viel Testosteron in einem Krankenzimmer ist für mich, der Patientin einfach nicht gut. Alexander du wolltest doch gerade wieder gehen, du weißt doch, dein Tanzclub wartet auf dich.“
Ohne Tom aus den Augen zu lassen antwortete Alexander mir, „du hast recht, du brauchst Ruhe.“ Dann sah er mich wieder an, seine Augen hatten wieder dieses helle blau. Lag es vielleicht am Licht, das sich die Farbe seiner Augen ständig änderte?
„Wir sehen uns Chrisi.“ Alexander drückte sich an Tom vorbei. Ich hoffte dass keiner der beiden Männer seine Beherrschung verlor.
Schnell antwortete ich ihm, bevor er aus dem Zimmer gegangen war, „ja, danke noch einmal für deine Hilfe Alexander.“
Die Türe war kaum geschlossen, als Tom seiner Wut freien Lauf ließ.
„Was wollte dieser Idiot hier Chrisi? Sollte ich etwas wissen, was euch beide betrifft?“
Ich musste wieder in das Bett. Diese Toilettenaktion hatte mich mehr Kraft gekostet als mir lieb war.
„Chrisi bitte gib mir eine Antwort, damit ich weiß woran ich bin.“ Sagte Tom schon fast flehend.
„Tom es ist nicht wie du denkst!“
Endlich hatte ich eine schmerzfreie Position gefunden und klingelte der Schwester da die Infusionsflasche leer war. Womit ich hoffte, dass sich Toms Wut in der Zeit ein wenig abschwächte. Leider dauerte der Wechsel der Flasche nicht mal eine Minute. Wie sollte ich Tom nur auf einen anderen Gedanken bringen?
„ Alexander hat mich nur besucht weil er wissen wollte wie es mir geht. Er war bei dem Rettungstrupp dabei, die uns heute geholfen haben. Dann kann ich ihn kaum aus dem Zimmer schmeißen, nur weil du ihn nicht magst.“
Toms Einstellung machte mich wütend aber auch traurig. Doch andererseits konnte ich ihn gut verstehen. Wie würde ich selbst reagieren wenn ich Tom mit einer anderen attraktiven Frau in dieser Situation sehen würde? Wahrscheinlich nicht sehr viel anders als Tom.
Verlegen sah mich Tom an.
„Das, das wusste ich nicht. Tut mir leid dass ich mich eben  wie ein eifersüchtiger Trottel aufgeführt habe. Trotzdem Chrisi,  dieser Typ macht dich bei jeder Gelegenheit die sich ihm bietet ohne Hemmungen an. Damit treibt er mich regelrecht zur Weißglut und wenn er Pech hat, werde ich ihm dafür eines Tages seine Visage polieren.“
Mit großen Augen sah ich Tom an, „das bildest du dir nur ein Tom. Alexander weis dass wir ein Paar sind. Was sollte es ihm bringen wenn er plumpe Anmachversuche machen würde?“
Mit großen erstaunten Augen sah mich Tom an.
Resignierend atmete er aus, „Chrisi es ist nicht so dass ich dir nicht trauen würde, es ist Roven dem ich nicht traue. Er ist ein Macho wie es im Buche steht. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, wird er sie auch schamlos ausnutzen.“
Tom setzte sich zu mir auf mein Bett. Mit meiner gesunden Hand hielt ich sanft sein Gesicht fest. Wie sollte ich diesem Hornochsen davon überzeugen das Roven keine Bedrohung für ihn darstellt? Obwohl ich mir da selbst nicht ganz sicher war.
„Alexander Roven und seine selbstgefällige Art ist jetzt aber nicht mehr da. Du bist da und ich bin da. Also sind die zwei wichtigsten Menschen, die zusammengehören  in diesem Zimmer und niemand wird das ändern, auch kein Alexander Roven.“
 Sanft strich ich über Toms Wange.
Die Waffen der Frauen waren meistens Wirkungsvoll bei Männern, ebenso bei Tom verfehlte sie die Wirkung nicht. Diese kleine Anmache breitete seine volle Wirkung aus. In null Komma nichts war er wie Wachs in meinen Händen und die nächste halbe Stunde verlief Ruhig und Entspannt.

Alexander atmete tief durch als er das Krankenzimmer von Chrisi verlassen hatte. Dieser unsympathische Schönling von ihrem Freund. Wie leicht wäre es für Alexander ihn zu töten, oder ihn so zu manipulieren das er das Land verließ ohne dass er wusste was ihm geschah. Wenn er damit Chrisi nicht verletzen würde.
In ihrer Nähe fühlte er sich wieder wie ein Mensch. Dann war er wieder der Alexander der mit Rose verlobt war und auf die bevorstehende Hochzeit hin gezittert hatte. Wie gerne würde er Chrisi an sich ziehen, ihr die Kleider vom Leib reißen und mit aller Kunst die ihm zur Verfügung stand verführen.
Wenn er nur wüsste was sie dachte, über ihn. Er konnte jeden Menschen beeinflussen, ihn Dinge machen lassen die sie nicht wollten. Aber leider konnte er nicht die Gedanken der Menschen lesen.
Alexander würde jetzt zum Tanzclub fahren, später aber wieder kommen um auf Chrisi aufzupassen, wenn Tom nicht mehr da war.  

Die Sonne schien, die Blumenwiese duftete intensiv nach Frühling. Verliebt und unendlich glücklich lief ich durch sie hindurch auf Alexander zu, der mich mit ausgebreiteten Armen erwartete.
Bevor ich jedoch Alexander erreichen konnte, verschwanden Alexander und der schöne sonnige Tag und plötzlich umfing mich ein dunkler regnerischer Tag stattdessen.
Jemand hielt mich an meinem Arm fest. Es war mein Vater, wir standen zwischen zwei mit Schwertern bewaffneten Männern die, so wie es aussah, zu unserem Schutz da zu sein schienen.
Suchend sah ich mich um. Mein Blick durchkämmte die Umgebung auf der Suche nach Alexander.
 Mein Atem stockte, denn mein Verstand wollte nicht glauben was ich da vor mir zu  sehen bekam. Alexander wurde von zwei übermenschlich großen Wölfen unsanft in Ketten gelegt.
So etwas konnte es nicht geben. Was ging hier nur vor sich?
Diese Wölfe waren das genaue Ebenbild der Werwölfe aus meiner letzten Vision, nur schien dieser Traum in einer längst vergangenen Zeit zu spielen.
Laut schrie ich Alexanders Namen. Er sah mich an, in demselben Augenblick, holte einer der Wölfe aus und schlug ihm mit dem Pfoten rücken ins Gesicht. Alexander flog regelrecht ein paar Meter durch die Luft nach hinten gegen einen Baum.
Ein Schrei entwich mir. War Alexander verletzt? Ging es ihm gut?
Der Wolf der Alexander geschlagen hatte legte die Strecke die Alexander geflogen war mit zwei Sätzen zurück. Er  packte ihn hart an der Kette die an Alexanders  Handgelenk befestigt worden war und zog ihn erbarmungslos hinter sich her in den angrenzenden Wald.
Ich wollte hinter den beiden herlaufen und Alexander zur Seite stehen. Doch mein Vater hielt mich erbarmungslos fest.
Als ein großer gesichtsloser Mann auf mich zukam. Ich war irritiert. Warum nur konnte ich sein Gesicht nicht erkennen? Dort wo Augen, Nase und Mund sein sollten, war nur ein weiser Fleck. Ich empfand das als sehr verwirrend und unsagbare Angst stieg in mir, bei diesem unnatürlichen Anblick hoch. Meine Brust fühlte sich an als ob jemand darauf stehen würde. Gerne hätte ich meinen Kopf zur Seite gedreht um dieses Gesichtslose Etwas nicht mehr ansehen zu müssen. Doch irgendetwas zwang mich dazu meinen Blick nicht von ihm zu nehmen.
Der Gesichtslose Mann nahm mich aus den Armen meines Vaters entgegen, der es ohne Widerspruch zuließ, und zog mich fest an seine Brust.
„Vater, hilf mir!“ schrie ich laut auf. Warum half mir mein Vater nicht?
 Unfähig mich zu bewegen, kam der Gesichtslose Mann mit seinem nicht vorhandenen Mund ganz nahe an mein Ohr. Mit einer rauen, unangenehmen Stimme flüsterte er, „hallo Rose. Keine Angst ich werde mich um dich kümmern, denn schon bald wirst du meine Frau sein, auf das bis der Tod uns scheidet. Nicht dieser Blutsauger den du bis jetzt als deinen Verlobten bezeichnet hast. Der wird nie wieder in deine Nähe kommen, dafür werden meine Wölfe schon sorgen.“
Schreiend schreckte ich aus dem Schlaf auf. Nur langsam wurde mir bewusst dass ich das alles nur geträumt hatte. Dieser Traum war so erschreckend real gewesen. Es war als ob ich das alles wirklich erlebt hatte, nur in einem anderen Leben und einer anderen Zeit.
Nach und nach beruhigte sich mein Herzschlag wieder und das Gefühl des schmerzhaften Verlustes, den ich verspürte als Alexander fortgeschleppt worden war, verschwand.
Doch gingen mir immer wieder diese Wörter durch den Kopf, Blutsauger und Werwolf. Das waren Dinge die es nicht gab, für die es keinen Platz in dieser Welt gab. Also was hatte dieses Gesichtslose Ekelpaket damit gemeint?
Ich schüttelte meinen Kopf um diese Gedanken loszuwerden.
„Du Dummchen du, es war nur ein Traum und nicht real, und in einem Traum ist alles möglich.“ Versuchte ich mich selbst zu beruhigen, was mir nicht wirklich gelang.
Ein Blick auf meinen Wecker zeigte mir das es noch viel zu früh zum aufstehen war. Ich hatte noch gut zwei Stunden Zeit die ich mit schlafen verbringen konnte, bevor ich zur Arbeit musste. Ich ließ mich wieder in mein Kissen fallen und versuchte meine Gedankengänge in eine andere Richtung zu lenken.
Vor gut sieben Wochen lag ich mit einer Gehirnerschütterung, zwei gebrochenen Rippen und einem gebrochenen Handgelenk im Krankenhaus. Die Rippen machten mir bei Wetterumschwüngen noch immer ab und zu Probleme, ansonsten war alles andere wieder gut verheilt. Bis auf mein Herz, das hatte einen kleinen Knacks abbekommen.
Seit diesem Abend im Krankenhaus, als Tom und Alexander aufeinander trafen,  ging Alexander mir noch erfolgreicher aus dem Weg als zuvor. Mein Wunsch ihn wiederzusehen verstärkte sich Tag für Tag mehr. Ich vermisste ihn und hatte das Gefühl ihn zu spüren obwohl er nicht einmal in meiner Nähe war.
Jede Nacht träumte ich diesen entsetzlichen Traum. Wie gerne würde ich mit Alexander darüber sprechen, obwohl die Gefahr dass er mich für verrückt erklären ließ sehr hoch war.
Trotz aller Sehnsucht vermied ich es ihn in seinem Tanzclub zu besuchen. Mein Glück und meine Sehnsucht zu erfüllen und dafür Tom zu verletzen, das konnte nicht die Lösung des Problems sein. Tom ist ein absoluter Traum von einem Mann, zuverlässig, Treu, er half mir wo er nur konnte. Sein tiefer und fester Schlaf war dagegen nur ein kleines Manko.
Sanft strich ich Tom über seine Wange, ein Seufzer entrang sich mir. Ich war glücklich mit Tom, also was wollte ich dann von Roven? Er musste aus meinem Leben und meinen Gedanken verschwinden, auch wenn ich mich dafür einer Hypnose unterziehen müsste.
Roven ist mit Sicherheit das pure Gegenteil von Tom. Ein blöder Macho, ein arroganter Arsch mit Ohren auf den man sich nicht verlassen konnte.
Na toll, jetzt  bescherte er mir noch eine schlaflose Nacht. Wenn ich ihn in diesem Augenblick vor mir stehen hätte, dann würde ich ihm mit Genuss eine scheuern. Im Gedanken stellte ich mir diese Situation bildlich vor und mit einem Gefühl des Genugtuns schaffte ich es doch noch einmal einzuschlafen.  
Punkt sechs Uhr klingelte mein Wecker mich dann endgültig aus meinem verdienten Schlaf. Ich fühlte mich gerädert. Und Schuld daran war nur Roven, ich musste mich ganz einfach vor dem zu Bett gehen darauf konzentrieren, nicht an diesen Menschen zu denken. Was eigentlich ein Wiederspruch für sich war. Aber egal.
Tom war schon längst auf dem Weg in die Arbeit. Auch wenn er wie ein Bär schlief, er brauchte keinen Wecker. Seine innere Uhr sagte ihm wann er aufzustehen hatte. Dafür beneidete ich ihn sehr.
Ich musste mich regelrecht zum aufstehen zwingen. Erst das eine Bein, dann das andere Bein.
Von draußen drang kein Licht durch die Vorhänge, es war noch dunkel. Es würde noch gut eine Stunde dauern bis die Sonne endlich aufging.
Genüsslich  trank ich wie jeden Morgen meinen Kakao und aß eine Scheibe Toast mit Marmelade dazu.
Helen tauchte auf, sie genehmigte sich eine schnelle Tasse Kaffee. Schnappte sich ihren Autoschlüssel, verabschiedete sich kurz von mir und war dann auch schon verschwunden. Helen braucht am Morgen nicht viel, und im Gegensatz zu mir musste alles bei ihr schnell gehen. Ich dagegen genoss noch die Ruhe vor dem Sturm.
 Nun wurde es auch für mich Zeit, der Job in der High School machte mir nach wie vor sehr viel Spaß auch wenn ich Direktor Collins immer noch unheimlich fand.
Im Sekretariat lief alles wie immer. Die Schüler kamen und gingen. Die Lehrer holten ihre Unterlagen und verschwanden wieder. Die Schulglocke bimmelte und auf den Gängen der Schule wurde es gruselig Still. Nun konnte ich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen und Direktor Collins Empfehlung für einen Schüler, dass er für ein College benötigte schreiben. Dachte ich.
Als sich die Türe zum Sekretariat öffnete und eine Person hereinkam. Ich stand mit dem Rücken zur Türe und musste mich erst umdrehen, um zu sehen wer der Besucher war.
Mitten in der Bewegung blieb ich wie erstarrt stehen. Mir blieb buchstäblich die Spucke weg. Alexander Roven stand vor mir und grinste mich mit seinem frechen Lächeln an.
„Einen wunderschönen Guten Morgen wünsche ich.“
Was wollte Alexander nur hier? Seit Direktor Links verschwinden war er nicht mehr in der Schule aufgetaucht und nun stand er plötzlich hier und tat so als ob nichts gewesen wäre.
Meine Gefühle fuhren Achterbahn, jeder Versuch dies zu unterdrücken scheiterte kläglich. Mein Herz raste. Mir wurde leicht schwindelig da meine Atmung viel zu schnell war. Gut das die Theke die Alexander und mich trennte zum greifen nahe war und ich mich daran festhalten konnte um nicht umzufallen. Reiß dich zusammen Chrisi Mc Kenzie.
Alexanders Grinsen wich plötzlich einem besorgten Gesichtsausdruck. Übermenschlich schnell stand er neben mir. Wie machte Roven das nur immer? Da fiel mir unwillkürlich das Wort Blutsauger wieder ein. War daran vielleicht wirklich was dran? Ganz nah stand er neben mir und stützte mich. Für mein inneres Chaos etwas zu nahe um sich erholen zu können.
„Chrisi was ist los mit dir? Ist dir schlecht? Kann ich etwas für dich tun?“
Kontrolliert fing ich tief durchzuatmen an. Dabei sog ich seinen Körperduft ein, der einerseits eine beruhigende Wirkung auf mich hatte, aber andererseits meine Hormone verrücktspielen ließ. Was würde Alexander wohl machen wenn ich ihm hier und jetzt die Kleider vom Leibe reißen würde?
Konzentriere dich Chrisi, konzentriere dich. In der Schule werden keine wilden Sexspielchen gespielt.
„Nein, mir geht es gut, ich habe mich nur vor dir erschrocken“, log ich. „Was machst du eigentlich hier?“ Mein Tonfall fiel ärgerlicher aus als ich es beabsichtigt hatte.
Gleich umspielte wieder dieses freche Grinsen Alexanders Mundwinkel. Ebenso war mir nicht entgangen, dass Erleichterung über sein Gesicht huschte.
Oh Gott, ich könnte ihn auf der Stelle vernaschen. Hatte er nichts Besseres zu tun als unschuldige Frauen am helllichten Tag in deren Arbeit zu verführen?
„Ich wusste gar nicht dass ich so gruselig und erschreckend auf dich wirke.“
Ich tat ganz entrüstet, „das wusstest du nicht? Dafür weist du es jetzt.“
Ich setzte ein dickes, fettes Grinsen auf, „ha, ha, du Witzbold. Ich war nur zu sehr in meine Arbeit vertieft und habe auch mit niemanden gerechnet der um diese Uhrzeit noch auftaucht. Der nächste Run ist erst in der Pause.“
Alexanders Hand war immer noch an meinem Arm, als ob er sicher gehen wollte dass ich nicht doch noch umkippe. Ich genoss mit jeder Faser meines Armes die Berührung seiner Hand. Um ihn aber davon nichts merken zu lassen, gab ich mich unnahbar. Ich versuchte es zumindest so zu tun.
„Also noch einmal, was führt dich heute in die Schule?“ Ich gab mich übertrieben genervt was ich mit meinem Tonfall noch unterstützte. Was zum Glück super klappte, innerlich jubelte ich über meinen kleinen Sieg, was mir auch Alexanders verwirrter Gesichtsausdruck bestätigte. Nur leider hatte es auch den Nachteil dass er seine Hand von meinem Arm nahm.
„Ich muss mit dem neuen Direktor über ein paar Schüler sprechen, die gestern Abend vor meinem Club ärger gemacht haben, weil mein Türsteher sie nicht rein gelassen hat. Er soll sich die Halbstarken mal zur Brust nehmen. Mit Direktor Link hat das ja immer sehr gut geklappt!“
Fragend starrte ich Roven an, „warum gehst du selbst dann nicht direkt zu den Eltern der Kids?“
„Das könnte ich wohl tun, aber da es sich um ein paar aus der Basketballmannschaft handelt, wirkt oft ein Gespräch mit dem Direktor wunder. Und nebenbei Bemerkt, mir kam der Grund gerade recht, somit habe ich die Gelegenheit dich wieder zu sehen.“
Sofort fing mein Herz wieder zu rasen an. Verlegen und mit einem hochroten Kopf fing ich an mit meinen Fingern zu spielen. Alexander sollte nicht merken, dass mir dieser Satz unendlich viel bedeutete.
„Was du nicht sagst“, nuschelte ich vor mich hin.
Alexander tat nun etwas mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte und was meinen Blutdruck in unsagbare Höhen schnellen ließ.
Zärtlich legte er seinen Finger unter mein Kinn und hob  mein Gesicht an, damit er mir mit seinen Stahlblauen Augen direkt in meine Seele hinab sehen konnte. Meine Knie wurden Butterweich und mein Verstand schien sich zu verabschieden. Nur mit sehr viel Kraftanstrengung, konnte ich es verhindern ihm nicht auf der Stelle um den Hals zu fallen, ihm die Kleider vom Leib zu reißen, mit Küssen zu überschütten und zu verführen. Denn das wäre falsch gewesen, auch wenn es sich im Moment mehr als richtig anfühlte.
Ein Räuspern schreckte uns beide auf und durchbrach die sexuelle Spannung die zwischen mir und Alexander geherrscht hatte.
Direktor Collins stand keine drei Meter von uns entfernt, mit einem angewiderten Gesichtsausdruck und musterte Alexander aus wütenden Argusaugen, die dadurch ein noch unheimlicheres Aussehen bekamen.
„Ich hoffe ich störe nicht bei einer wichtigen Arbeit Ms Mc Kenzie?“
Mit einem Gefühl des ertappt worden seins räusperte ich mich, „Nein natürlich nicht Direktor Collins, Mr. Roven ist gekommen um mit ihnen ein Gespräch über ein paar Basketballspieler zu führen die ärger gemacht haben. Ich wollte ihnen gerade Bescheid geben.“
Hatte ich etwas verpasst? Ich verstand in keinster Weise die Reaktion von Collins, Alexander gegenüber.
Er verzog sein Gesicht, als ob er eine Stinkbombe riechen würde. Dieser Blick veränderte sich in Sekundenbruchteilen in einen rasenden Gesichtsausdruck der sich an Alexander festfraß. Was ging denn hier plötzlich ab? Ich verstand die Welt nicht mehr.
Jetzt erst wurde mir bewusst dass auch Alexander sich direkt vor mich gestellt hatte, als ob er mich vor einer Gefahr beschützen müsste. Seine Körperhaltung glich dem eines Raubtieres, das jederzeit sprungbereit war. Es kam mir so vor als ob er mich vor Collins beschützen würde.  Auch Alexander fixierte Collins argwöhnisch, als ob er ihn gleich fressen wollte. Noch nie hatte ich zwischen zwei Menschen so viel Hass und Misstrauen gespürt.   
„Ich denke dieses Gespräch hat sich erledigt Chrisi!“ presste Alexander zwischen seinen Lippen hervor.
„So du räudiger Köter, du nennst dich also jetzt Collins? Was willst du hier?“ spuckte Alexander, Collins die Worte entgegen.
„Ich denke sie verwechseln mich mit jemand anderen Mr. Roven. Wenn sie kein Gespräch mehr mit mir wünschen, dann wäre es nett von ihnen das Sekretariat wieder zu verlassen. Ms Mc Kenzie hat noch viel zu erledigen.“ Collins Ton kam einer Drohung verdammt nahe.
Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Gleichzeitig hatte ich wieder dieses Bild im Schlafzimmer vor Augen. Der Mensch gewordene Wolf, es war Collins Stimme gewesen. Aber das konnte doch gar nicht möglich sein. Meine Gedanken fingen an sich im Kreis zu drehen.
„Ich denke nicht das Ms Mc Kenzie heute noch in der Lage ist weiter für sie tätig zu sein. Es geht ihr nicht so gut. Ich werde sie mitnehmen und nach Hause bringen. Und ich hoffe sehr für sie Collins das sie mich nicht davon abhalten wollen!“
Was? Was redete Alexander da denn nur? Er konnte mich doch nicht einfach mitnehmen? Ich hatte hier meinen Job! So was nannte man Entführung!
Wurde ich verrückt oder hatte Collins wirklich gerade geknurrt?
„Tu was du nicht lassen kannst Blutsauger, aber das wird jemanden gar nicht gefallen, den wir beide sehr gut kennen und der sehr bald hier eintreffen wird.“
Ich traute meinen Augen und Ohren nicht. Wer sollte hier bald eintreffen, und was hatte das mit mir zu tun? Und warum bleckte Alexander dem Direktor seine Zähne entgegen?
Ein unsinniger Gedanke drängte sich in den Vordergrund. Was ist wenn Collins wirklich der Wolf war, schoss es mir durch den Kopf.  War ich dann in Gefahr? Da nahm ich doch lieber die Gegenwart von Alexander in Kauf auch wenn der ein Blutsauger sein sollte. Lieber leer gesaugt als zerfleischt.
Die Spannung die zwischen den beiden Männern zum Greifen war, hatte ihren Höhepunkt erreicht und wurde unerträglich.
Hätte Alexander gegen Collins überhaupt eine Chance? Schließlich überragte Collins, Alexander um gute zehn cm und war kräftiger gebaut. Bei dem Gedanken das sich Alexander verletzten konnte, zog sich mir mein Magen krampfhaft zu einem Klumpen zusammen.
„Chrisi hol deine Tasche, wir gehen.“ Befahl mir Alexander in einem scharfen und bestimmenden Ton der keinen Widerspruch duldete.
Wie in Trance tat ich das was Alexander sagte, was ich in einer normalen Situation mit Sicherheit nicht gemacht hätte.
Mit sanfter Gewalt schob er mich um den Tresen herum und aus dem Sekretariat hinaus. An der Türe blieb er noch einmal kurz stehen.
„Sag ihm er soll bleiben wo der Pfeffer wächst, er wird sie nie bekommen. Dieses Mal nicht.“
Alexander warf mir einen kurzen Blick zu, der sich innerhalb von Sekunden von wütend zu besorgt und dann wieder zu wütend wandelte als er wieder seine Aufmerksamkeit Collins zuwandte. 
Collins stand immer noch an der gleichen Stelle wo alles angefangen hat. Er drehte sich nur ein kleines Stück, damit er uns wieder voll im Visier hatte.
„Roven“, flüsterte Collins so leise dass ich ihn gerade noch verstehen konnte, „die Vergangenheit wird sich wiederholen und auch dieses Mal wirst du der Verlierer sein.“
„Wir werden sehen.“
Ein böses unheilverkündendes Lachen verfolgte uns auf den Weg nach draußen. Ich wurde mehr hinter Alexander hergezogen als das ich selbstständig lief. Die Spinte der Schüler und die Eierschalen Farbene Wand, die hin und wieder von Plakaten der Veranstaltungen unterbrochen wurde, rauschte wie in einem schlechten Traum an mir vorbei.
Ein Schüler der gerade auf dem Gang unterwegs zur Toilette war, sah uns überrascht an, als wir wie von der Tarantel gestochen an ihm vorbei liefen und das Schulgebäude fluchtartig verliesen.
Ich fühlte mich wie in Trance, zitternd am ganzen Körper setzte Alexander mich in seinen BMW und brachte mich auf den schnellsten Weg nach Hause. Das mir aber erst klar wurde als mich Alexander in unserem Wohnzimmer, in Großmutters Haus auf die Couch setzte und mich mit einer Wolldecke liebevoll zudeckte. Alexander setzte sich ganz dicht neben mich und nahm mich schützend in seinen Arm.