salamander

Vier

»›Drama bei Kongress, Kopf angeschlagen und tot. Von Pericle Bartolini‹. Der schon wieder. Immer wenn irgendein Unglück passiert, schicken sie den hin, den armen Kerl. Sogar der Priester klopft auf Holz, wenn er den sieht. ›Pineta. Es sah aus wie ein harmloser Unfall, und doch endete in einem Drama, was gestern im Hotel Santa Bona geschehen ist. Der erste Tag des zwölften internationalen Kongresses für Makrolekul, nein, Makromolekul end Biomakr. . .‹ – also der da – ›ging gerade seinem Ende zu, als das wissenschaftliche Publikum durch einen der Organisatoren vom überraschenden Verschwinden von‹«, Ampelio machte eine kurze Pause, »›Kiimiinoobu Asaahara erfuhr, einem japanischen Wissenschaftler von Weltruhm auf dem Feld der Biotechnologie. Professor Asahara war am frühen Nachmittag etwas zugestoßen, das zunächst nur ein kleines Malheur zu sein schien‹ – das hört sich ja an, als hätte er in die Hose gemacht. ›Vermutlich war er über einen Teppich gestolpert, mit dem Kopf gegen die Kante eines Möbelstücks gestoßen und hatte eine Quetsch- und Risswunde am Schädel davongetragen. Ein scheinbar harmloser Unfall. Doch während er vorsichtshalber auf sein Zimmer gebracht wurde, verlor der betagte Professor plötzlich das Bewusstsein. Die per Telefon herbeigerufenen Ärzte des Bereitschaftsdienstes‹ – also die, die nicht in der Bar waren – konnten nichts anderes tun, als die Helfer zu bitten, auf einen Rettungswagen zu warten. Doch das Unvermeidliche war leider nicht mehr aufzuhalten.«

Sag ich’s doch. Das Unvermeidliche. Wie die Nekrophilie dieser alten Säcke hier. Müssen die denn jedes Mal die Zeitung bei den Unglücksfällen zu lesen anfangen? Warum bloß? Kommt einem ja vor, als hätten sie so eine Art Punktewertung. Olé, jetzt hab ich schon wieder einen unter die Erde gebracht. Ampelio sechstausenddreihundertzwölf, Rest der Welt null. Das wird das Alter sein. Es kommt einem wohl immer unwahrscheinlicher vor, dass man noch am Leben ist. Wo sich doch das Unwahrscheinliche hier allmählich richtig wohlzufühlen scheint. Zwei Morde in zwei Sommern hintereinander in einem Örtchen mit fünftausend Seelen. Wir enden noch wie das Dorf von dieser Amerikanerin in Mord ist ihr Hobby. Ja, die, die in einem Dörfchen mit dreitausend Einwohnern lebt, wo jeden Tag einer umgebracht wird, und ab und zu laden sie auch noch irgendwelche Leute ein, das Wochenende bei ihnen zu verbringen, und Tusch!, wird da auch wer ermordet. Kann das denn sein, dass noch keiner gemerkt hat, dass diese alte Dame Unglück bringt? Was laden die sie auch aufs Land ein?

Während Massimos Gehirn ziellos umherstreifte – es brauchte den Körper gerade nicht zu unterstützen, weil der damit beschäftigt war, die Spülmaschine einzuräumen –, las Ampelio weiter vor, wobei er wie gewöhnlich seine Kommentare in den Artikel einschob: »›Als schließlich der Rettungswagen eintraf, war die Lage bereits äußerst kritisch. In der Notaufnahme angekommen, war die greise Leuchte der Wissenschaft bereits verschieden, und die Ärzte konnten nichts mehr tun, als sein Ableben festzustellen.‹ Und folglich konnten sie alle zurück in die Bar gehen.«

»Wie alt war er denn?«, fragte Del Tacca, während er Zucker in seinen Espresso tat.

»Vierundsiebzig«, antwortete Ampelio. Er faltete die Zeitung zusammen.

»Noch so jung.«

»Ja, wirklich«, lachte Massimo kurz auf, während er das letzte Löffelchen in den Besteckkorb stellte. »Die Amme wird ihn erwürgt haben.«

»Was willst du damit sagen? Pilade hier ist fünfundsiebzig, willst du etwa sagen, dass er auch schon zu lange lebt? Und was ist mit mir, was willst du mit mir machen, der ich dreiundachtzig bin, mich mit dem Stock totschlagen?«

Manchmal hätte ich große Lust darauf, dachte Massimo, während er versuchte, den Korb voller Geschirr in den Schlund des Monsters einzuführen, wobei das Besteck bei jedem gescheiterten Versuch ein ohrenbetäubendes Geschepper erzeugte.

»Das war ein Witz. Genauso wie eurer. Mit vierundsiebzig ist man nicht mehr jung.«

»Kommt drauf an. Du bist erst siebenunddreißig und kommst einem älter vor als wir alle zusammen.«

Und du hast gedacht, dass er es diesmal nicht auf dich abgesehen hat. Massimo wollte gerade antworten, als er vom Prasseln des Regens unterbrochen wurde, gefolgt von Aldos Eintritt in die Bar.

»Salve a tutti, belli e brutti«, sagte er, während er den Regenmantel ablegte, »worum geht’s?«

»Wenn du mal einmal pünktlich kämst«, sagte Del Tacca. »Eine Stunde warten wir schon auf dich.«

»Entschuldige. Ich wusste ja nicht, dass es als Arbeit gilt, in die Bar zu gehen.«

»Du nicht«, grinste Ampelio, »aber Pilade hier, der hat bei der Gemeindeverwaltung gearbeitet.«

»Na, jedenfalls hab ich einen guten Grund dafür, zu spät zu kommen«, fuhr Aldo fort. »Ich musste meinen Bürgerpflichten nachkommen und meine Dienste der Gesellschaft zur Verfügung stellen, wie es die Behörden von mir verlangt haben. Wie übrigens auch von unserem hochgeschätzten Barista, der mich jetzt so böse anschaut. Ist Rimediotti noch gar nicht hier?«

Neuigkeiten, sagten die Gesichter der Opis. Frische Neuigkeiten im Anmarsch. Wenn einer so unschuldig fragt, ob jemand noch nicht da ist, dann heißt das, dass er etwas zu erzählen hat, was ein größtmögliches Publikum verdient.

»Na ja. Massimo, stellst du mir einen Kaffee hin?«

»Nein, ich stelle dir eine Frage«, sagte Massimo, der inzwischen die Spülmaschine angeschaltet hatte und nun die Cornetti im Nebenraum in den Ofen schob. »Sollten wir nicht vermeiden, das herumzuerzählen?«

Aldo musterte Massimo einen Augenblick, dann beugte er sich über den Tresen, um das Päckchen Zigaretten des Barista an sich zu nehmen.

»Massimo, ich habe schon mit zehn Jahren kapiert, dass ich, um gut zu leben, lieber nicht auf meinen Papa und meine Mama höre. Mit dreißig hab ich nicht auf meine Frau gehört, um das Leben weiter zu genießen. Ab sechzig habe dann ich angefangen, auch den Arzt zu ignorieren. Sollte ich da, deiner Meinung nach, mit zweiundsiebzig anfangen, das zu tun, was Fusco mir sagt? Ich klau dir eine Zigarette, meine sind ein bisschen nass geworden.«

Fusco, wiederholten Ampelio und Pilade wortlos und wechselten einen Blick. Cronaca nera. Mord und Totschlag. Verbrechen. Vielversprechend.

»Rimediotti kommt heute sowieso nicht, wirst sehen«, ergriff Pilade das Wort, während er es sich auf seinem Stuhl gemütlich machte, »bei dem Regenwetter wird der vor Rückenschmerzen kaum gehen können.«

Das soll heißen, wir sind vollzählig. Es besteht keine Notwendigkeit, noch auf irgendwen zu warten. Komm schon. Schieß los.

»Also, heute Morgen, als ich noch geschlafen hab, klingelt das Telefon. Ich geh dran, und ein überaus freundliches Stimmchen fragt mich, ob ich aufs Kommissariat kommen kann. Und warum?, frag ich. Er will es mir erst sagen, wenn ich da bin, antwortet er mir. Muss ich sofort kommen, oder kann ich noch warten, bis die Tiere die Arche verlassen?, frag ich ihn. Es wäre eine dringende Angelegenheit, folglich wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sofort kämen, antwortet mir das höfliche Stimmchen. Ach, Tiziana, bitte, Massimo will mir keinen Espresso machen, machst du mir einen?«

»Sofort«, antwortete Tiziana, ging zur Espressomaschine und fing an, eilig herumzuhantieren, um so wenig wie möglich zu verpassen.

»Also zieh ich mir die Regenhaut an und geh ins Kommissariat. Und da werd ich von einem geschniegelten Bürschlein in Uniform in Empfang genommen, das mir sagt: ›Wenn Sie sich bitte setzen würden, der Dottore konferiert noch mit einer anderen Person bezüglich der fraglichen Sache.‹ Gut, setz ich mich also hin. Nach einer Weile geht die Tür zum Büro des Kommissars auf, und wer kommt raus?«

»Na, wer soll da schon rausgekommen sein? Massimo«, sagt Tiziana, während sie Aldo seinen Espresso einschenkt und ihm den Höhepunkt seiner kleinen Geschichte raubt.

»He, was hat er jetzt ...«, wunderte sich Pilade. »He, Tiziana, dann hast du das vorhin ernst gemeint?«

»Als ich gesagt habe, dass er im Kommissariat ist? Meine Güte! Natürlich hab ich das ernst gemeint.«

»Ja, woher soll ich denn das wissen? Ich dachte, du machst einen Witz.«

»Wie auch immer«, übernahm Aldo erneut die Leitung des Gesprächs und fuhr fort, »ich sehe Massimo und zähle eins und eins zusammen. Warum sollte er Massimo und mich zusammen einbestellen? Weil wir beide mit dem Catering des Kongresses zu tun haben. Und folglich ist irgendetwas beim Kongress passiert.«

»Ich glaub’s nicht! Der tote Japaner!«, platzte Ampelio heraus. »Haben sie den ermordet?«

»Ampelio, der Japaner ist tot, weil er über einen Teppich gestolpert ist und sich den Kopf angeschlagen hat«, beruhigte ihn Pilade mit gespielter Autorität. »Erklär mir mal, wie ihn da hätte wer umbringen sollen. Sich als Teppich verkleiden und ihm ein Bein stellen?«

»Nein«, sagte Aldo ernst, während Pilade und Tiziana kicherten. »Nach dem, was Fusco sagt, viel einfacher, derjenige hat ihn vergiftet.«

»Clever«, lachte Ampelio jetzt auch und setzte noch einen drauf: »Was hat denn Gift damit zu tun? Oder gibt’s ein Gift, das die Leute stolpern lässt? Glaub ich nicht.«

»Nein, Dummkopf. Hör mir doch zu, sonst wird’s noch dunkel, bis ich fertig bin. Es sieht aus, als sei dieser Mann, der mir übrigens schon mehr von drüben als von hier erschien, durch einen Atemstillstand gestorben. Es war so, er hat sich den Kopf gestoßen, sie haben ihn ins Krankenhaus gefahren und da ist er an Atemstillstand gestorben.«

»Gut. Und?«, fragte Del Tacca starrsinnig.

»Mensch, Pilade, kommt dir das etwa normal vor?« Aldo nahm die Zigarette, die er vor sich auf den Tisch gelegt hatte, und ließ die Flamme am Feuerzeug aufflackern. »Du haust dir den Kopf an und erstickst? Wo lebst du eigentlich?«

»Keine Ahnung, wo er lebt«, mischte sich Massimo ein, während er die Cornetti überwachte, die unter dem gelben, sanften Licht des kleinen Backofens allmählich eine schöne goldbraune Oberfläche annahmen. »Aber solange du hier drin bist, rauchst du jedenfalls nicht.«

»Ach, komm schon, Massimo, draußen tobt der Hurrikan Katrina. Kein Mensch ist auf der Straße. Wer sollte denn jetzt hier reinkommen und was sagen?«

»Ich will gar nicht, dass irgendwer reinkommt. Du weißt doch, wie das ist. Aber wir sind in einer Bar, die unbestreitbar alle Eigenschaften eines öffentlichen Raumes aufweist. Und in öffentlichen Räumen ist das Rauchen verboten.«

»Wenn’s nur das ist, ist das doch schnell erledigt«, warf Ampelio ein. »Man macht einen privaten Club daraus statt einer Bar. Dann ist es kein öffentlicher Raum mehr, und man kann in aller Ruhe rauchen.«

»Denk nicht mal dran. Abgesehen davon würde ich lieber zur Fremdenlegion gehen, als dir eine Mitgliedskarte für meinen Privatclub zu geben. Wie auch immer«, Massimo wandte sich wieder zu Aldo, »im Augenblick ist es eine Bar. Wenn jemand reinkommt und dich erwischt, kriegen wir beide ein Bußgeld aufgebrummt. Dir ist das natürlich scheißegal, aber ich weiß nicht, warum ich mir das antun sollte. Rauchst du etwa in deinem Restaurant?«

»Jetzt ist sie schon angezündet«, sagte Aldo, als sei das Anzünden der Zigarette auf Willen Manitus geschehen. »Wenn ein Polizist reinkommt, zahl ich das Bußgeld für uns beide. Hauptsache, du unterbrichst mich nicht. Also, der Doktor hat gesehen, wie dieser Mann gestorben ist, und ist misstrauisch geworden. Er hat eine Autopsie angeordnet. Um es kurz zu machen, der Mann hatte eine erhebliche Menge Tavor im Blut. Und das hat den Atemstillstand hervorgerufen.«

»Ich hab verstanden. Und jetzt?«

»Wie jetzt? Man hat ihm eine Ladung Tavor gegeben. Er ist vergiftet worden.«

»Ja, sehr hübsch.« Auch Pilade, der sich durch den von Aldo geschaffenen Präzedenzfall unangreifbar fühlte, nahm das Päckchen Stop ohne Filter und zog eine Zigarette heraus. »Und wer sagt, dass sie es ihm gegeben haben, um ihn zu vergiften? Mein armer Bruder Remo hat dieses Tavor zehn Jahre lang genommen, und ihm ist nie was passiert. Abgesehen davon, dass er verblödet ist, der Ärmste, aber das lag am Alter, nicht am Tavor.«

Eine grundlegende Technik im professionellen Bargespräch besteht darin, einer Tatsache oder einem allgemeinen Gedankengang ein passendes Gegenbeispiel entgegenzuhalten, umso besser, wenn es sich auf Ereignisse bezieht, die Verwandten ersten Grades zugestoßen sind, vorzugsweise verstorbenen. Die Verwandtschaft bürgt, nach der im Dorf geltenden oralen Tradition, auf irgendeine nicht geklärte Weise für die Authentizität des Vorfalls, und die Nicht-Verfügbarkeit des Protagonisten aus dem Beispiel aufgrund dessen Ablebens macht die Behauptung nur schwer widerlegbar.

Allerdings ist Pilades’ Beispiel, anders als es normalerweise bei den Diskussionen in einer Bar üblich ist, ziemlich passend. Man bekommt beinahe Lust, ihm recht zu geben, und das war’s dann mit dem Verbrechen. Schade, schien Ampelios Gesicht zu sagen, ich hatte mich schon an den Gedanken gewöhnt. Zum Glück war Aldo bestens über die Faktenlage informiert und erhöhte die Dosis.

»Der Arzt sagt es. Dieser arme Mann war krank und durfte kein Tavor nehmen. Für ihn war es wie Gift. Soweit es mir Fusco erzählt hat, hätte nicht mal Doktor Mengele ihm das Zeug verschrieben. Für den Arzt besteht kein Zweifel. Er ist vergiftet worden. Vertrau mir.«

»Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser«, gab Del Tacca zurück und wendete damit meisterlich einen weiteren Grundpfeiler der Theorie der Bargespräche an, nämlich den Rekurs auf ein Sprichwort oder eine Redensart, die man als Hebel an den Schwachpunkten des dialektischen Apparates des Gesprächspartners ansetzt (abgesehen davon, dass man damit das Wort an sich reißt) und so Schritt für Schritt dessen Argumentation aus den Angeln hebt. »Du vertraust dem Doktor nicht, wenn er dir sagt, du hättest hohen Blutdruck, und dann vertraust du ihm, wenn er dir sagt, sie hätten einen vergiftet. Weißt du noch, was beim letzten Mal passiert ist, als wir einem Doktor vertraut haben?«

»Es ist ja nicht so, dass ich dem Doktor nicht glaube, du Dickkopf. Ich höre nicht auf ihn. Das ist was anderes.«

»Aber entschuldige«, warf Tiziana ein, »warum ...«

Und hier hätte Tiziana gerne gefragt, warum etwas so Kompliziertes wie Tavor, wenn es doch so viele gute Gifte gibt, um jemanden zu ermorden, erst recht bei einem Kongress, bei dem es so viele Gelegenheiten und so viele mögliche Verdächtige gibt. Doch im selben Augenblick sah man hinter der Tür durch den Regen einen Mann mit einer K-Way-Regenjacke im Blau der Verkehrspolizei, der sofort die Aufmerksamkeit auf sich zog. Zumindest die Aufmerksamkeit von Massimo und Aldo. Massimo warf Aldo einen bitterbösen Blick zu, während Letzterer seelenruhig an seiner Zigarette zog, als wollte er sagen: »Ich stehe zu meiner Verantwortung.« In der Zwischenzeit hatte der Mann unter dem Bogengang Schutz vor dem Regen gesucht und lehnte gerade ein Fahrrad an einen Pfeiler.

»Wenn das ein Polizist ist, zahlst du die Strafe.«

»Das ist kein Polizist«, erwiderte Aldo beruhigend. »Ich kenne die alle.«

In der Zwischenzeit, nachdem das Rad fest vertäut war, rieb sich der blaue K-Way die Hände und trat in die Bar ein.

»Salve«, sagte er und streifte die Kapuze zurück. Es war kein Polizist. Massimo kannte sie ebenfalls alle. Aber er kam ihm irgendwie bekannt vor, wenn auch nur entfernt. Während Massimo noch darüber nachdachte, wo zum Teufel er diesen Typen schon gesehen hatte und ob er ihn wirklich irgendwo gesehen hatte, legte der Vorgenannte den K-Way ab, und Massimos Zweifel lösten sich in Luft auf. Mit diesem völlig verkrumpelten orangefarbenen T-Shirt konnte der potenzielle Kunde niemand anderes sein als der gesprächige und freundliche Professor A.C.J. Snijders.

»Einen caffè lungo, bitte. Und ... habt ihr Cornetti?«

»Sind gerade fertig. Einen caffè lungo, haben Sie gesagt?«, fragte Tiziana, nicht etwa, weil sie es nicht verstanden hätte, sondern weil sie seit 2002 niemanden mehr einen caffè lungo hatte bestellen hören, seit ihr Brötchengeber einem unbedachten piemontesischen Touristen einen überaus pedantischen wie unverlangten Vortrag über die Barbarei des Trinkens von verdünntem Kaffee gehalten hatte. Der Tourist hatte so getan, als hätte er verstanden, und daraufhin einen extrastarken caffè ristretto und ein Glas Mineralwasser bestellt. Dann hatte er den Kaffee in das Mineralwasser geschüttet, das Glas in einem Zug ausgetrunken und war gegangen, ohne zu bezahlen.

»Ja, danke. Und drei Cornetti.«

»Meine Güte!«, rief Ampelio und beugte sich auf seinem Stock nach vorn. »Bist du ausgesperrt worden?«

»Wie bitte?«

»Achten Sie nicht auf ihn«, mischte Massimo sich ein in der Hoffnung, wieder klarstellen zu können, dass die Bar ihm gehörte. »Dieser Greis auf drei Beinen hat sich nur gefragt, ob die alle für Sie sind. Wissen Sie, die Leute hier kümmern sich nicht mal dann um ihre eigenen Angelegenheiten, wenn man sie totschlägt.«

»Ah, verstanden«, antwortete Snijders nicht im Mindesten beunruhigt. »Ja, die sind für mich. Ich muss gut frühstücken. Ich möchte Pisa besuchen und dort nicht zu Mittag essen. Touristenstadt. Sehr teuer.«

»Und wie kommen Sie nach Pisa?«, fragte Pilade.

»Damit. Ich hab es im Hotel gemietet«, antwortete Snijders und zeigte auf das Fahrrad.

»Mit dem Fahrrad bis nach Pisa? Bei dem Regen?«, fragte Tiziana ungläubig.

»Warum nicht? Ich bin doch nicht aus Zucker.«

»Ha, das fehlte noch«, applaudierte Ampelio, der sich offensichtlich darüber freute, in dieser Zeit der Laster und Perversionen, wie zum Beispiel dem Autofahren, jemanden zu treffen, der das Fahrrad noch als Fortbewegungsmittel nutzte. »Das sind nicht mal zehn Kilometer, alles flach. In einer halben Stunde ist er da.«

»Eine halbe Stunde. Ja, und das in aller Ruhe. Danke«, sagte Snijders und griff zum ersten Cornetto. »Ich hoffe, dass ich heute Vormittag wenigstens die Piazza dei Miracoli und den Friedhof sehen kann. Heute Nachmittag muss ich wieder beim Kongress sein.«

»Ach, Sie kommen vom Kongress?«, fragte Ampelio mit wissender Miene. »Dem, wo sie diesen Japaner ermordet haben?«

Das ist nicht möglich. Ich fass es nicht. Es ist eine Stunde vergangen. Ei-ne Stun-de. Vor einer Stunde habe ich von dieser Geschichte erfahren, und ich habe dem Fusco geschworen, dass ich nichts sagen würde. Und jetzt erzählt mein Großvater es überall herum. Ich geb’s auf.

»Ermordet, ja«, sagte Snijders. Er dachte einen Augenblick nach, dann korrigierte er sich: »Das heißt, nein. Nicht der. Er ist gestorben. Aber es war ein Unfall.«

»In der Zeitung war es ein Unfall«, antwortete Ampelio. »Die Verlobte vom Taccini hat ihm auch erzählt, dass es ein Unfall war. Trotzdem ist sie schwanger geworden, als er als Soldat in Griechenland war. Manche Unfälle haben’s so an sich, dass sie passieren, wenn man sie passieren lässt.«

»Nein, Verzeihung. Ich glaube, Sie irren sich«, versuchte Snijders zu argumentieren, während er sich wahrscheinlich fragte, wer wohl Taccini sein mochte. »Es war ein Unfall. Er hat sich den Kopf angeschlagen, der arme Alte.«

»Kann doch nicht wahr sein«, sagte Massimo bitter, während er versuchte, seinen Kummer im geliebten Eistee zu ertränken. »Es schlagen sich immer die Falschen den Kopf an.«

»Was der Herr damit sagen möchte, ist«, mischte sich Del Tacca mit jener ausgesuchten Höflichkeit ein, die die Einwohner Pinetas ausschließlich Fremden und Begriffsstutzigen vorbehalten, »dass dieser arme Mann durch einen Atemstillstand gestorben ist. Einen Stillstand, der, sagen wir, eher ungewöhnlich ist. Zumindest scheint es so.«

»Ich verstehe nicht«, sagte Snijders, während er nach einem Stuhl tastete, ein unübersehbares Zeichen dafür, dass er, auch wenn er nicht verstand, doch fest entschlossen war, so lange zu bleiben, bis ihm ein Licht aufging.

»Wenn Sie noch nach Pisa kommen wollen«, warf Massimo ein, »sollten Sie sich besser auf den Weg machen, glaube ich. Ich will mich ja nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen ...«

Vor allem will ich meine eigenen weiterführen. Wenn Fusco hiervon erfährt, verhaftet er mich und steckt mich zusammen mit dem gesamten Altersheim hier ins Kittchen. Wenn Sie, hochgeschätzter Professor, daher so freundlich wären und sich von hier trollen würden, ohne weiter nachzufragen, hätte ich vielleicht noch eine schwache Hoffnung, dass all das wenigstens noch einen halben Tag lang innerhalb dieser Bar bleibt, bis die offizielle Nachricht raus ist.

»Oh, das macht nichts«, sagte Snijders lächelnd, nachdem er einen Blick nach draußen geworfen hatte, wo der Regen unbeirrt auf die Dächer der Autos trommelte. »Ich glaube, auch der Schiefe Turm ist nicht aus Zucker. Heute Abend werde ich ihn noch genauso an seinem Platz finden. Könnte ich bitte einen Cappuccino haben?«

»Es hört sich unglaublich an«, sagte Snijders, während er mit den letzten Krümeln der Cornetti (fünf) herumspielte, die noch auf dem Tellerchen waren.

Es waren etwa zwanzig Minuten vergangen, unterteilt in zwei, in denen man einander vorgestellt hatte, fünf, in denen tatsächlich erzählt wurde, und dreizehn in einer Patt-Situation, in der die Alten sich gegenseitig mit spitzen Bemerkungen bedachten, um sich das Wort zu erkämpfen und dem aufmerksamen und überaus neugierigen batavischen Professor den Ablauf der Ereignisse und vor allem den Inhalt der benutzten Redewendungen zu erklären. Als Snijders jetzt bemerkte, dass die Sache unglaublich war, dachte Massimo mehr oder weniger dasselbe.

Unglaublich.

Ich ziehe die Klatschmäuler an wie die Fliegen. Sie kommen aus ganz Europa. Ich sollte sie allmählich mal auf die Karte setzen. Espresso, 0,80 Euro. Cappuccino, 1,00 Euro. Sich das Maul über Menschen zerreißen, die man weder jemals gesehen noch kennengelernt hat, geht aufs Haus.

»Unglaublich, aber wahr«, fuhr derweil Aldo aus reiner Gewohnheit fort, weil Snijders nichts sagte und das hier eben eine Bar war, in der jeder irgendetwas sagen musste. »Genau wie die Seite in der Settimana Enigmatistica, der Rätselzeitschrift.«

»Stimmt«, brachte sich Del Tacca ein. »Das Problem ist nur, dass derjenige, der hier eigentlich ermitteln sollte, kaum übers Kreuzworträtsellösen hinauskommt. Denn Sie müssen wissen, verehrter Professor Sneie, der Kommissar, von dem wir sprechen, ist nicht gerade ein Wiesel.«

»Ein Wiesel?«

»Ja, ein Fuchs halt.«

»Was Pilade sagen möchte«, übersetzte Aldo eilfertig, »ist, dass die mit den Ermittlungen beauftragte Person kein Genie ist.«

»Kommt darauf an, wann«, sagte Tiziana, die sich intensiv an der Diskussion beteiligt hatte. »Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber dieses Mal hat er was Cleveres gemacht.«

»Es kommt darauf an, bei wem«, warf Massimo ein, während er mit dem Lappen über die Tische fuhr, nur um irgendetwas zu tun und um sich immer wieder daran zu erinnern, dass dies seine Bar war, wenn vielleicht auch nur noch für kurze Zeit, denn wenn man seinen Großvater ermordet, wird man eingesperrt, und dann wird es schwierig, eine Bar zu führen. »Wenn er es nur mir gesagt hätte und sonst niemandem, dann vielleicht. Dann wäre das ein cleverer Zug gewesen. Aber es dem Sprecher der Kooperative ›Der Lästige Alte‹ zu sagen, kommt mir nicht besonders durchdacht vor. Vor wem sollte die Nachricht denn verborgen werden? Vor denen vom Kongress. Und wer ist der Erste, dem sie es unter die Nase reiben? Einem Teilnehmer des Kongresses. Sag selbst.«

»Ach, komm schon, Massimo, red keinen Blödsinn. Wie sollte denn Fusco darauf kommen, dass einer vom Kongress, der noch dazu Italienisch spricht, ausgerechnet heute hier hereinschneit? Das war reiner Zufall. Ein unglücklicher Zufall, sozusagen.«

Eine der ärgerlichsten Eigenschaften des Menschen ist die lächerliche Überzeugung, dass wir nicht für die Folgen unserer Handlungen verantwortlich seien, wie die kindische Unverfrorenheit bezeugt, mit der wir die verheerenden Folgen unserer Dummheiten allzu oft dem Willen des Schicksals zuschreiben.

Es war ein unglücklicher Zufall.

Es war ein unglücklicher Zufall, er war auf dem Heimweg von einer Hochzeit und hatte ein bisschen was getrunken, und überhaupt, was hatte diese Frau da mitten auf der Straße zu suchen? Es war ein Schicksalsschlag, er hat gegessen, als wäre er eines dieser Katastrophenopfer, dann ist er schwimmen gegangen, um zu verdauen, und da hat er einen Herzinfarkt bekommen. Es war nicht seine Schuld, er hat nur am zwölften August ein kleines Feuer in der Nähe eines Pinienwäldchens angezündet.

Wenn Massimo solche Gespräche mitanhörte, regte er sich furchtbar auf. Es ist eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Wenn man sich in einer gewissen Weise verhält, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass etwas schiefläuft. Die Tatsache, dass du das, was schiefgelaufen ist, nicht beabsichtigt hast, ändert nichts an der Tatsache, dass objektiv etwas schiefgelaufen ist. Es würde reichen, einen Augenblick darüber nachzudenken. Die Sicherheitsregeln, die Verhaltensregeln existieren genau für diesen Fall. In neunundneunzig Komma neun Prozent der Fälle sind sie überflüssig. Man braucht sie nur in den null Komma eins Prozent der Fälle, in denen irgendetwas schiefläuft. Wenn du also dein Hirn eingeschaltet und dich wie ein braves Kind an die Regeln gehalten hättest, dann wäre womöglich überhaupt nichts passiert.

»Ich sag lieber nichts, das ist besser.«

»Wie auch immer, Massimo, Sie müssen sich keine Sorgen machen«, sagte Snijders. »Ich habe nicht vor, es irgendjemandem vom Kongress zu sagen. Und zwar aus gutem Grund. Ja, jetzt, wo ihr mir das erzählt habt, muss ich so schnell wie möglich mit diesem Kommissar sprechen.«

»Was?«, fragte Massimo, während sich vier arthritische Hälse, deren Besitzer nur allzu gut verstanden hatten, was gerade geschah, sich zu dem Professor umdrehten.

»Ich muss mit ihm reden. Gestern, beim Kongress, habe ich etwas gehört, das von einer gewissen Bedeutung sein könnte.«

Stille. Absolute Stille. Es gibt sie, wenn auch äußerst selten, diese mehr oder weniger langen Momente, in denen kein Laut zu hören ist. Der Regen hatte aufgehört zu prasseln, kein Auto fuhr die Allee entlang, keine Hausfrau misshandelte irgendwelche säkularen Melodien, kurz und gut, keines der Geräusche, die die eher normale als unangenehme Kulisse für die morgendliche Bar bildeten, erlaubte sich, die Ruhe zu stören. Es schien, als hätte die Natur alle Ereignisse so koordiniert, dass nun ein bisschen Ruhe herrschte, weil hier schließlich Leute waren, die tratschen wollten. Massimo genoss für ein oder zwei Sekunden diese wunderbare Leere der Sinneseindrücke, bevor Snijders das Schweigen brach. Er räusperte sich und setzte zu etwas an, was ganz nach einer längeren Vorrede aussah: »Gestern habe ich Asahara mit einigen amerikanischen Wissenschaftlern reden hören. Sie sprachen ganz allgemein über andere Leute, über ihre Forschungsprojekte und so weiter. Irgendwann fiel der Name Watanabe.«

Pause, ein Schluck kalter Cappuccino, der Massimo schon allein vom Zusehen einen Schauer über den Rücken jagte.

»Masayoshi Watanabe ist ein Professor aus Kobe. Ein Theoretiker wie ich und wie Asahara. Er ist ein sehr bekannter Wissenschaftler, publiziert viel und macht Sachen, die, sagen wir mal, sehr speziell sind. Er hat einen Cluster aus ein paar Tausend Prozessoren zur Verfügung, den er praktisch allein oder mit seinen Studenten benutzt. Hauptsächlich macht er parallele Simulationen in großem Stil über das mechanische Verhalten von Polymeren und biologischen Materialien.«

Wir haben nicht die Bohne verstanden, sagten die Gesichter der Alten im Chor. Snijders bemerkte es und senkte das Niveau seines Diskurses etwas. »Also, er macht eine ziemlich anspruchsvolle Forschung, bei der er ausgiebig den Computer benutzt und die sehr teuer ist. Ich kenne ihn vom Sehen, wie Asahara, aber ich habe nur selten Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass viele in Japan ihn nicht mögen. Und ganz besonders Asahara, der ein Theoretiker alter Schule ist, hat die Art und Weise, wie Watanabe seine Forschung betreibt, noch nie gefallen. Tatsache ist, dass Watanabe einen großen Anteil der Mittel, die die japanische Regierung für die Forschung zur Verfügung stellt, auf sich und sein Zentrum zieht. Und was an ihn geht, geht nicht an andere.«

»Ich habe verstanden«, sagte Tiziana irrtümlicherweise. »Aber sie haben doch nicht ihn ermordet.«

»Nein, darum geht es auch nicht. Worum es geht, ist, dass die japanische Regierung die Verteilung der Mittel davon abhängig macht, was die anderen Professoren sagen, normalerweise die wichtigsten des Landes. Und Asahara gehört zu diesem ... wie sagt man ... counsel

»Rat?«, riet Del Tacca.

»Rat, genau«, nickte Snijders. »Rat, Rat. Also, nun, was ich gehört habe. Ich habe Asahara sagen gehört, dass er in seinem Computer etwas hätte, was Watanabe zerstören würde.«

Ah, dachte Massimo. Prima, der Mörder ist gefunden, riefen die Gesichter der Alten.

»Und jetzt versteht ihr, warum ich so schnell wie möglich mit der Polizei sprechen muss, nach dem, was ihr mir erzählt habt.«

»Ja, klar«, sagte Del Tacca. »Aber vorher rufen Sie besser zu Hause an. Der, der da das Sagen hat, ist imstande, Sie einzusperren, weil Sie die Klamotten da aus der Altkleidersammlung gestohlen haben.«

»Bitte?«

»Nein, nein, bitten nützt da gar nichts«, meinte Ampelio.

»Großvater, bitte halt den Mund«, mischte Massimo sich ein. »Entschuldigen Sie, Professor, aber es gibt da noch etwas, was ich nicht verstehe. Was hat Asahara genau gesagt? Hat er wirklich von Zerstören gesprochen?«

»Ja, wirklich, genau so hat er es gesagt«, und hier verstellte Snijders seine Stimme zu einer perfekten Imitation eines Englisch sprechenden Japaners. »›In mai reptop ai ev somtiingu ret uir destroi purofessor Uatanabe.‹ In meinem Laptop habe ich etwas, das Professor Watanabe zerstören wird. Und er hat noch gelacht dabei. Ich hatte es für einen Scherz gehalten. Aber, indeed ...«

»Und was könnte das Ihrer Meinung nach sein?«, fragte Aldo in einem Ton, als wollte er sagen: Na komm, wir sind schließlich nicht auf den Kopf gefallen und glauben einfach alles, was diese Vogelscheuche da erzählt.

»Ich habe einen Verdacht«, antwortete Snijders, ohne die Zweifel des alten Herrn zu bemerken. »Wie ich sagte, braucht ein Rechenzentrum wie das von Watanabe Geld. Sehr viel Geld. Ohne fundings kommt man da nirgendwohin. Es ist möglich, dass Asahara in dem panel sitzt, das Watanabes Antrag auf Gelder beurteilt, und es ist möglich, dass Asahara ein negatives Urteil abgegeben hat. Und dass dieses Urteil, also, dass der report, der davon abrät oder sogar verhindert, dass Watanabe Forschungsgelder bekommt, sich auf seinem Laptop befindet.«

Snijders trank den inzwischen vollkommen erkalteten Cappuccino aus, wobei Massimo den Blick abwandte, dann fuhr er fort: »Das ist eine Hypothese. Sie muss überprüft werden. Man muss sehen, ob es Asahara wirklich möglich gewesen wäre, das zu tun. Ob er solche Macht hatte. Ob diese Kommissionen tatsächlich im fraglichen Zeitraum zusammengetreten sind.«

»Und ob eine negative Einschätzung von Asahara Watanabe wirklich hätte zerstören können, versteht sich«, sagte Tiziana. »Ist das nicht ein bisschen zu kategorisch?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete A.C.J. Snijders lächelnd. »Ich weiß nicht, was das heißen soll.«

»Das soll heißen, es erscheint ein bisschen übertrieben, dass eine einzige Einschätzung die Aktivitäten einer Person zerstören könnte«, sagte Aldo. »Und ich muss sagen, dass ich nicht völlig anderer Meinung bin. Aber ich habe nicht wirklich Erfahrung mit diesen Dingen, daher kann ich das nur schlecht beurteilen.«

»Kommt darauf an«, antwortete Snijders. »Im Allgemeinen habt ihr recht. Aber es kommt darauf an. Eine Gruppe kann in Schwierigkeiten geraten sein und sehr auf eine Finanzierung zählen. Auch eine Reihe von unglücklichen Augenblicken kann dazu führen. Nein, es ist unwahrscheinlich, dass das Fehlen von finanziellen Mitteln eine Gruppe zerstört. Aber es kann der Anfang vom Ende sein. Vielleicht hat man ein paar gute junge Leute dabei, die man halten will, aber ohne Geld und ohne Perspektiven schafft man das nicht. Es kann unmöglich erscheinen. Ist es vielleicht auch.«

Snijders stand auf, zog den Reißverschluss seiner Regenjacke hoch und ging zur Kasse, um zu bezahlen.

»Das macht fünf siebzig für das Frühstück und sechshundert für die Denunziation«, sagte Massimo.

»Bitte?«

»Fünf siebzig. Zum Kommissariat müssen Sie nur fünf- oder sechshundert Meter zu Fuß durchs Pinienwäldchen gehen. Wenn Sie hier rauskommen, sehen Sie ein Schild mit der Aufschrift ›Bagno Poseidon‹. Sie nehmen den Pfad direkt hinter dem Bad und gehen in die dem Meer entgegengesetzte Richtung. Nach sechshundert Metern biegen Sie rechts ab und sind da.«

»Maaann ...«, unterbrach ihn Pilade. »So verirrt man sich nur. Hören Sie zu, Sie gehen hier raus und folgen der Straße mit den Bäumen geradeaus. Wenn Sie am Bagno Caterina vorbei sind, biegen Sie rechts ab in die Allee, wo die Nutten stehen. Nach zweihundert Metern ist auf der rechten Seite ein Fahrradgeschäft. Daneben befindet sich das Kommissariat.«

Abgesehen davon, dass das von Pilade benannte Bad in Wirklichkeit Catalina hieß, enthielt die Beschreibung ein Detail, dass Snijders nicht ganz klar zu sein schien. Der fragte dann tatsächlich auch: »Die Allee, wo was steht?«

»Die Damen halt«, korrigierte Rimediotti, der in der Zwischenzeit angekommen war und sich schweigend auf seinen Stuhl gesetzt hatte. In einem ungeheuren Kraftakt versuchte er die Situation zu retten, indem er sich auf die Political Correctness zurückzog. Auch wenn er so das Ansehen der Bürgerschaft rettete, erhöhte seine Erklärung die Verständlichkeit der Wegbeschreibung leider nicht. Zum Glück jedoch gab es Aldo, einen Mann von Welt, der sich mit der käuflichen Liebe auskannte.

»Die, die ihr ins Schaufenster stellt.«

»Ah, danke. Ich glaube, ich habe verstanden. Gut, einen schönen Tag noch.«

»Ebenso«, sagte Ampelio. »Falls Sie zufällig vor eins zurück sein sollten, kämen Sie gerade noch rechtzeitig, um uns hier anzutreffen.«