Kapitel 6

Louise schnappte sich die Kleinen und zwang sie, ihre Mäntel anzuziehen.

»Dafür ist es zu warm«, stöhnte Molly.

»Am Pier ist es immer kalt, und wir haben heute Nordwind«, erklärte Louise und knöpfte Toms Jacke zu.

»Sie können sie ja im Auto lassen«, schlug Donal vor, um die Sache zu beschleunigen.

Donal wartete mit sechs Golfschlägern und einer Tasche voller Bälle an der offenen Haustür. Die zwei älteren Jungs wurden langsam ungeduldig. Donal hatte ihnen versprochen, dass sie am Sonntag alle zusammen nach Deer Park fahren würden, um Pitch & Putt zu spielen.

Louise warf noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, bevor sie die Alarmanlage einschaltete und den anderen nach draußen zum Wagen folgte. Sie hatte sich mehr Mühe mit ihrem Äußeren gegeben als sonst für einen Sonntagsausflug nach Howth, weil sie den Gedanken im Hinterkopf hatte, dort vielleicht Jack Duggan zu treffen.

Nach ihrem Anruf hatte sie eine tiefe Leere verspürt, deshalb wollte sie sicher sein, besonders gut auszusehen, falls sie ihm noch einmal begegnete. Donal schien gar nicht zu registrieren, dass sie ein tief ausgeschnittenes Top trug, während sie bei den Kindern auf warmer Kleidung bestand.

Die Fahrt entlang der Strandpromenade gestaltete sich chaotisch, weil die vier Kinder auf dem Rücksitz sich ständig pufften und knufften. Zum Glück war der Verkehr nicht allzu schlimm, und sie waren früh genug losgefahren, um den nachmittäglichen Ansturm zu vermeiden.

Als sie durch die Tore von Howth Castle fuhren, spürte Louise, dass ihr Herz hämmerte. Und wenn sie Jack nun wirklich traf? Was sollte sie ihm nach ihrem peinlichen Telefongespräch sagen?

»Bis in zwei Stunden, dann können wir einen Happen essen«, schlug Donal vor, als er mit den zwei ältesten Jungs aus dem Wagen stieg.

»Wir gehen mit den Kindern ins Casa Pasta oder ins Brass Monkey Restaurant«, sagte Louise, während sie auf die andere Seite rutschte, um das Steuer zu übernehmen. »Ich hole euch gegen halb drei ab.«

»Okay«, antwortete Donal und schloss fest die Tür.

Louise beobachtete im Rückspiegel, wie ihr Mann, Sohn und Neffe langsam in der Ferne verschwanden.

»Kriegen wir jetzt Crêpes?«, riefen Molly und Tom im Chor.

»Gleich«, seufzte Louise. Sie wusste nicht, was sie mit dieser Expedition bezweckte, aber Jack hatte gesagt, dass er sonntags gerne auf den Markt ging. Eine lange Autoschlange erwartete sie, als sie das Schlossgelände verließen, sodass sie den ganzen Weg zur DART-Station nur im Schneckentempo zurücklegen konnten.

»Da wird was frei«, rief Tom, als ein Wagen aus einer Parklücke fuhr.

»Danke, Schatz«, sagte Louise und parkte rückwärts ein.

Der Himmel hatte aufgeklart, und es war jetzt viel wärmer als vorhin, als sie in Clontarf losgefahren waren. Das freundlichere Wetter zog die Menschenmassen an, und Louise wusste, dass sie länger als sonst brauchen würden, bis die Kinder ihre Crêpes mit Schokolade und Marshmallows bekämen.

»Dürfen wir zu den Seehunden, wenn wir unsere Crêpes haben?«, bettelte Molly.

»Okay. Jetzt achtet auf den Verkehr, wir müssen gleich über die Straße«, warnte Louise die Kinder, während sie an den Ständen entlangmarschierten, die eine Fülle an Leckereien feilboten.

»Da gibt es die Karamellbonbons, die Daddy so gern isst. Dürfen wir ihm welche kaufen?«, fragte Molly.

»Na schön«, seufzte Louise. Sie konnten genauso gut dort anfangen.

Die rot-weiß gestreifte Markise bot ihnen Sichtschutz, während sie in der Schlange warteten, bis sie dran waren. Der Karamellen-Stand lag ein Stückchen abgelegen vom restlichen Markt und war ein günstiger Aussichtspunkt, um das geschäftige Treiben zu beobachten.

Louise ließ den Blick über das belebte Areal schweifen und entdeckte ein vertrautes Gesicht, doch aus dieser Entfernung war es schwer zu sagen, ob er es wirklich war. Sie wartete ab, während der Mann sich weiter mit der Frau an seiner Seite unterhielt. Als sie sah, wie er den Arm um die Frau legte und sie küsste, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich – es war die ganze Zeit offensichtlich gewesen. Kein Wunder, dass Jack am Telefon so kurz angebunden gewesen war. Er war in festen Händen – vielleicht sogar verheiratet. Ihre Gefühle in der DART-Bahn waren einseitig gewesen, und wenn er etwas für sie empfände, hätte er bestimmt zurückgerufen. Wie töricht sie gewesen war!

»Kriegen wir auch Schokolade?«, fragte Molly und zupfte an Louises Jacke.

»Ja. Ich meine, nein!«, schnauzte sie zerstreut.

Sie war völlig durcheinander. Vielleicht hatte sie sich etwas vorgemacht. Die junge Frau war wunderschön, womöglich sogar ein Model. Warum in aller Welt sollte ein fantastischer junger Mann wie Jack mit einem coolen Job, dem die Welt zu Füßen lag, sich noch für seine alte Schullehrerin interessieren? Sie hätte sich nicht elender fühlen können.

»Kriegen wir jetzt unsere Crêpes?«, bettelte Tom.

Louise sah sich um. »Okay. Und danach gehen wir runter zu den Seehunden, wenn ihr mögt.« Dort wäre sie weit genug von Jack und seiner Liebsten entfernt.

Die Schlange war viel länger als sonst, und Louise wünschte, sie hätte sich nicht auf den Ausflug nach Howth eingelassen. Die Jungs hätten auch in St Anne’s Park Pitch & Putt spielen können, und sie hätte zu Hause bleiben können. Andererseits war es vielleicht besser, wenn sie die Wahrheit jetzt erfuhr.

»Mit Marshmallows und Nutella!«, wies Molly den Crêpes-Verkäufer am Stand an.

»Bitte«, korrigierte Louise sie energisch. Es fiel ihr schwer, cool zu bleiben, während sie sich ständig nervös umsah.

»Das macht dann bitte fünf Euro«, sagte der Crêpes-Verkäufer höflich.

Louise reichte ihm das Geld. »Okay, Kinder, gehen wir zu den Seehunden«, rief sie und scheuchte die Kleinen zum West Pier, wo sie sich hoffentlich auf der anderen Seite des großen Kühlhauses mit dem blauen Dach verstecken konnten, um Jack und seiner Freundin nicht in die Arme zu laufen.

»Toller Schlag, Finn!«, rief Donal ermutigend. »Du bist dran, Matt.«

Donal genoss die Zeit mit seinen Kindern, vielleicht weil er Gelegenheiten genug hatte, sein eigenes Ding zu machen. Er wünschte nur, Louise würde sich mehr verwirklichen. Sie vergötterte die Kinder und war eine gute Mutter, doch manchmal hatte Donal das Gefühl, dass sie zugunsten der Familie ihre eigenen Bedürfnisse geopfert hatte. Als er sie kennenlernte, war sie in ihrem Lehrerberuf so glücklich gewesen, doch sie hatten beide zu große Schuldgefühle gehabt, ihre Kinder Fremden zu überlassen, sodass es ihnen als die beste Lösung erschien, wenn Louise zu Hause blieb.

»Jetzt du, Dad«, sagte Matt erfreut, nachdem er mit zwei flotten Schlägen eingelocht hatte.

Donal konzentrierte sich auf den Ball und auf das Loch in nur drei Metern Entfernung. Er vergewisserte sich noch einmal, bevor er puttete, und sah zu, wie der Ball hoch zum Rand rollte und schwankte, bevor er dann doch nicht ins Loch plumpste.

»Pech, Dad!«, meinte Matt mit einem selbstzufriedenen Grinsen. »Ist das unser letztes Loch?«

»Ich glaube ja. Du gewinnst, Sohn«, sagte Donal stolz. Seine Kinder waren ihm wichtig, genau wie seine Ehe. Er und Louise hatten sich einander entfremdet – sie war ihm gegenüber so distanziert.

Er wusste, dass sich etwas ändern musste; der jetzige Zustand seiner Ehe machte ihn unglücklich. Wenigstens hatte er den Yachtclub und seinen Segelsport. Vielleicht suchte er deshalb so oft dort Zuflucht.

Louise lehnte am Geländer und beobachtete ihre Kinder, die vor Freude kicherten, während sie die Seehunde fütterten. Die Möwen hatten heute nicht viel Glück – die Seehunde waren zu schnell für sie.

»Schau, da ist ein Seehundbaby!«, quietschte Molly entzückt.

Es ist noch nicht so lange her, dass du selbst ein Baby warst, dachte Louise. Es war traurig, dass die Kleinkindphase so schnell vorüberging, aber es war ein gutes Gefühl, ihren Kindern dabei zuzusehen, wie sie groß und stark wurden. Warum reicht mir das nicht? Sie schalt sich selbst, weil sie sich in Selbstmitleid suhlte, und sah das Paar nicht kommen, das neben ihre Kinder trat, um sich die Seehunde anzusehen.

»Louise!«

Es war Jack.

»Verblüffend, dass wir uns schon wieder treffen!«, sagte er. Er hatte den Arm um die Taille der Frau an seiner Seite gelegt und lotste sie zu Louise, die verdutzt und sprachlos dastand.

»Hallo, Jack«, antwortete sie verlegen. »Komm zurück vom Rand, Tom!« Sie deutete auf die Kleinen. »Das sind meine Kinder.«

»Das ist Aoife, meine Verlobte.« Jack zeigte keinerlei Verlegenheit, wodurch Louise sich noch schlechter fühlte. »Und das ist meine alte Musiklehrerin Louise.«

Die junge Frau lächelte.

»Sehr nett, Sie kennenzulernen«, sagte Louise schnell, die nicht wusste, ob sie es beleidigender fand, als »alt« oder als »Musiklehrerin« vorgestellt zu werden. Andererseits, wie sollte er sie sonst vorstellen? Louise war meine Geliebte, als ich noch Schüler war und sie meine Lehrerin. Das klang nicht gut, selbst so viele Jahre später.

»Ach ja, Jack hat mir von Ihnen erzählt. Haben Sie nicht den ›Battle of the Bands‹-Wettbewerb organisiert?«

Louise wäre am liebsten im Boden versunken. »Ja, das war ich. Es ist nett, Sie kennenzulernen. Wann ist denn die Hochzeit?«

»Im Sommer. Im Juli«, antwortete Aoife. »Hoffentlich haben wir schönes Wetter. Wir heiraten in Dublin. Ziemlich selten heutzutage, aber da wir unsere Familien und alle unsere Freunde dabeihaben wollen, haben wir entschieden, hier zu feiern.«

Louise nickte. »Gute Idee. Tja, dann viel Glück.«

»Danke!«, sagte Aoife.

»Dann auf Wiedersehen«, verabschiedete sich Louise, ein bisschen zu unvermittelt, selbst für ihren Geschmack, aber sie wollte, dass das Paar endlich weiterging, und Jack war anzumerken, dass ihm ebenfalls daran gelegen war.

»Tschau, Louise«, antwortete Jack und lotste seine zukünftige Braut am Kai entlang.

Louise hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen. Zum Glück hatten ihre Kinder nichts von der ganzen Farce mitbekommen und Aoife hoffentlich auch nicht.

Sie erinnerte sich noch deutlich an das erste Mal, als sie und Jack ihr Verhältnis vollzogen hatten. Zwei Jahre lang hatten sie als Schüler und Lehrerin ihre gemeinsame Liebe zur Musik ausgekostet. Er blieb oft noch nach dem Unterricht, um mit ihr über die modernere Musik zu diskutieren, die ihn beeinflusste und die nicht auf dem Lehrplan stand. Louise genoss die Zeit, in der sie sich über die Verdienste von Nirvana und Pearl Jam im Vergleich zu den Stone Roses unterhielten. Das nahm oft die halbe Mittagspause oder noch länger in Anspruch, doch das störte keinen von beiden. Er war musikalisch gesehen so viel reifer als die anderen Schüler ihrer Klasse, und sie war an der Schule die einzige Musiklehrerin, sodass sie sich mit keinem ihrer Kollegen über ihr Fachgebiet austauschen konnte. Er brachte ihr Demobänder seiner Band mit, und auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause hörte sie sich die Bänder liebend gern an. Wenn Donal sich nach dem Lärm erkundigte, der aus der Stereoanlage dröhnte, lächelte sie nur, weil es ihr das Gefühl gab, jung zu sein und den Kontakt zur neuen Generation nicht zu verlieren. Sie hatte nicht das Gefühl, dass musikalisch gesehen zwischen ihnen eine große Kluft war. Obwohl sie vier Jahre studiert hatte, fand sie, dass er ein instinktives Gefühl und Wissen darüber besaß, was Musik bedeutete, das man sich nicht aneignen konnte, indem man sich mit Manualen und Tonleitern quälte. Sein natürliches Talent war eine Gabe, und darum beneidete sie ihn. Sie selbst hatte hart arbeiten müssen und sich richtig hineingekniet, indem sie ganze Konzerte auswendig lernte und stundenlang übte. Jack hingegen musste nur eine Gitarre in die Hand nehmen, um sie auf eine Art zum Klingen zu bringen, wie es ihr selbst auch nach endlos langem Üben nie gelingen würde.

Dann, kurz nach Ende des 3. Trimesters, bot Louise Jack an, ihm ein paar Tipps für die Vorbereitungen zur Abschlussprüfung zu geben. Sie wussten beide, dass ihr Angebot nicht frei von Hintergedanken war; es war die Chance, ein Bedürfnis zu befriedigen, das sie beide seit dem ersten Mal quälte, als er nach dem Unterricht geblieben war, um mit ihr über Musik zu sprechen.

Damals wohnte Louise mit Emma in einem kleinen Reihenhaus im alten Teil Clontarfs zur Miete, und aufgrund Emmas hoher Ansprüche an Ordnung und Sauberkeit und ihrer eigenen Schludrigkeit war es nicht leicht, sich wegen des Putzens zu einigen.

Doch meist fanden sie einen Kompromiss: Louise warf ihre Klamotten und ihren Krimskrams in Schrankkoffer und Wandschränke, um das Durcheinander zu kaschieren, und Emma drückte ein Auge zu.

An diesem speziellen Tag jedoch, als Jack bei ihr vorbeikam, stellte sie eine Vase mit Blumen auf den Tisch in der kleinen Küche und legte im Wohnzimmer, wo sie den Unterricht abhalten wollte, eine CD mit Carmina Burana von Carl Orff auf. In der halben Stunde, bevor er kam, zog sie sich mehrfach um. Sie wollte nicht alt und autoritär wirken, und trotzdem wusste sie nicht, ob sie die Grenze wieder überschreiten würden wie damals im Musikzimmer nach dem »Battle of the Bands«-Wettbewerb. Es war ja nicht so, als würden sie plötzlich ein Paar. Immerhin trug sie einen Diamantring am Finger, der aller Welt verkündete, dass sie bald heiratete, und er musste noch seine Prüfungen bestehen, bevor er mit Fug und Recht behaupten konnte, dass er die höhere Schule abgeschlossen hatte. Und trotzdem konnte sie nicht anders, als sich genauso vorzubereiten, wie sie es für ein erstes Date getan hätte.

Als er klingelte und sie ihm die Tür öffnete, sah sie nur seine durchscheinend blauen Augen und spürte, dass zwischen ihnen eine tiefe Verbindung bestand.

Der Duft seiner Haut war überwältigend, als sie ihn ins Wohnzimmer führte und zum Sofa lotste. Davor stand ein kleiner Couchtisch, auf den sie eine stattliche Reihe an Lehrbüchern gelegt hatte, anhand derer sie den Stoff durchgehen wollten.

»Möchtest du was trinken?«

»Haben Sie 7UP?«

Plötzlich ging ihr auf, dass ihre Empfindungen für ihn schrecklich falsch waren. Er war achtzehn, aber trotzdem noch ihr Schüler!

»Klar«, sagte sie, hastete in die Küche und suchte hektisch nach einer Limonade. Ganz hinten im Schrank entdeckte sie eine Flasche Diet 7UP, ein Überbleibsel von einer Party, die sie an Weihnachten gegeben hatten, in der hoffentlich noch ein Rest Kohlensäure war. Sie schenkte ihm ein Glas davon ein und sah, dass noch ein paar Bläschen aufstiegen. Das muss reichen, dachte sie.

Jack saß kerzengerade auf dem Sofa, als sie mit seinem Getränk zurückkam. Seine Haut war vom Rasieren gerötet, und seine Haare glänzten wie frisch gewaschen.

»Wie kommst du mit dem Lernen voran?«

»Ganz gut.« Jack zuckte mit den Achseln. »Englisch und Musik sind meine besten Fächer, aber das liegt daran, dass ich sie am liebsten mag.«

»Willst du immer noch Geisteswissenschaften studieren?«

Jack nickte. »Meine Mum will, dass ich Naturwissenschaften mache. Sie glaubt nicht, dass ich als Musiker einen Job finde.«

»Da hat sie nicht ganz unrecht!«, scherzte Louise. »Nein, im Ernst, ich finde dich sehr talentiert, und wenn du dranbleibst – wer weiß? Eure Band könnte es schaffen.«

»Die Jungs haben schon mit Proben aufgehört.«

»Sie sorgen sich wahrscheinlich wegen der Abschlussprüfungen. Wenn ihr alle mit dem Studium anfangt, könnt ihr wieder regelmäßig proben.«

Jack schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, die anderen wären so engagiert wie ich. Ich hoffe wirklich, dass wir zusammenbleiben.«

Es folgte ein verlegenes Schweigen.

»Okay, womit willst du anfangen?«, fragte Louise ihn.

Jack brachte keinen Ton heraus. Er war völlig auf Louises haselnussbraune Augen fixiert.

Das Schweigen hatte die Luft zwischen ihnen elektrisch aufgeladen. Keiner wagte den ersten Schritt, doch sie wollten es beide. Wie weit sie gehen wollten und wohin dieser Kuss sie führen würde, wussten sie nicht. Das sollte sich von selbst ergeben.

Jack beugte sich als Erster vor, hielt jedoch inne, als seine Lippen nur noch wenige Zentimeter von Louises entfernt waren. Als er ihren bittenden Blick sah, kam er näher, bis ihre Münder sich berührten. Es war ganz anders als der Kuss im Klassenzimmer. Diese Küsse waren bewusster, sanfter als beim ersten Mal. Jack hatte mehr Selbstvertrauen, als er die Küsse auf ihre Lippen drückte. Louise wurde von ihrem Verlangen überwältigt – im Moment wollte sie nur Jack. Sie löste ihren Mund von seinem, nahm ihn mit vielsagendem Blick bei der Hand und zog ihn aus dem kleinen Wohnzimmer. Worte waren überflüssig – beide wussten, was passieren würde.

Sie führte ihn die Treppe hinauf. Wenige Meter hinter ihr nahm Jack jeden Schritt mit Vorsicht. Als sie zu dem kleinen Treppenabsatz kamen, blieb Louise vor einer Tür stehen, drückte, immer noch wortlos, die Klinke herunter und stieß die Tür auf. Vor ihnen stand das frisch bezogene, gemachte Bett. Es war das erste Mal, seit sie und Emma hier eingezogen waren, dass Louise morgens ihr Bett gerichtet hatte. Natürlich hatte sie insgeheim gehofft, dass das geschehen würde. Emma käme erst abends nach Hause, und Donal schaute nie vorbei, ohne vorher anzurufen. Ansonsten hatte nur noch ihr Vater einen Schlüssel, und der war verreist. Niemand würde sie stören.

Als sie ans Bett traten, ergriff Louise wieder die Initiative und legte die Hand an Jacks Wange. Er atmete schwer, und als ihre Lippen sich erneut berührten, spürte sie seine Nervosität. Diesmal hielt er sich nicht zurück. Die Gefühle, die sich in den zwei Jahren in Louises Klassenraum bei ihm angestaut hatten, standen kurz vor der Explosion.

Louises Knie gaben nach, und ihr Innerstes schmolz, während ihre Zungen ungeduldig in ihren Mündern herumtasteten.

Er nahm sie fest in die Arme und drängte sie aufs Bett, zeigte aber sofort Reue. »Entschuldigung, ich wollte nicht …!«

»Schon gut«, versicherte Louise ihm. Sich seiner Nervosität nur allzu bewusst, ermutigte sie ihn weiterzumachen.

Sie küssten sich langsam und sanft, bis sie nach dem Saum seines Rugbyhemds griff und es ihm über den Kopf zog. Danach zog er sein T-Shirt aus, unter dem ein junger, schlanker Körper zum Vorschein kam – genau wie sie ihn sich vorgestellt hatte.

Mit zitternden Fingern griff er nach ihr und begann, ihr die Bluse aufzuknöpfen. Louise spürte, wie ihre Brustwarzen sich vor Erregung aufrichteten und durch den schneeweißen Spitzen-BH vorstanden. Seine Hände glitten zu ihrem Rücken und suchten vergebens nach dem Verschluss. Sie nahm seine Hände in ihre und führte sie nach vorn.

»Der Verschluss ist hier«, erklärte sie und führte seine Finger an die Stelle, wo er sich zwischen ihre Brüste schmiegte. Sein Gesichtsausdruck, als ihre Brüste endlich vom BH befreit waren, ließ sie vor Glück nach Luft schnappen. Die Gefühle von Macht und Begehren waren anders als je zuvor bei einem Mann. Seine ungezügelte Lust war überwältigend, und sie hatte das Gefühl, gleich zum Orgasmus zu kommen, ohne dass er sie auch nur anfasste. »Leg dich hin«, drängte sie ihn, während sie geschickt nach seiner Gürtelschnalle griff und sie öffnete. Sie knöpfte seine Jeans auf und zog sie ihm an den Beinen herunter, und er folgte ihrem Beispiel, indem er ihre Hose öffnete. Beide schoben ihre Jeans herunter, bis sie nur noch in Unterwäsche dalagen.

Als seine Hand ihre Brust umfasste, erschauderte sie vor Lust, und sie pressten die Lippen aufeinander.

Louise erbebte jedes Mal, wenn er mit dem Finger über ihre Brustwarze strich, und schrie auf, als seine Hand über ihren Slip fuhr. Sie sehnte sich verzweifelt danach, dass er sie dort berührte. Dass sie ihre Unterwäsche noch anhatte, machte die Erfahrung noch erregender.

»Bitte!«, flehte sie.

Er wusste genau, was er zu tun hatte, schob die Hand zwischen ihre Beine und streichelte sie ungeschickt. In Sekundenschnelle kam sie mit Lauten der Lust, die Jack beglückten und ihm das Selbstvertrauen gaben, seine Erektion zu entblößen.

Louise begehrte ihn mehr, als sie je jemanden begehrt hatte, und sie drückte ihn aufs Bett und setzte sich auf ihn. Sie war jetzt wieder die Lehrerin und wollte ihm zeigen, wie man Liebe machte.

Er wollte, dass sie ihm genau zeigte, wie es ihr gefiel. Jeder Stoß war für ihn das Nirwana. Er hatte erst mit einer Frau geschlafen, mit Kondom. Louise schloss sich so feucht und fest um ihn, dass es ihm vorkam, als hätte er zum allerersten Mal Sex. Es fühlte sich wahnsinnig an, und er wusste nicht, wie lange er noch durchhielte, bevor er explodierte.

»Ist schon okay. Du kannst jetzt kommen«, flüsterte sie ihm zu, während sie zu zucken begann und sich auf seinen nackten Oberkörper legte.

Er stieß einen Schrei aus, als er kam, und ihm schossen Tränen in die Augen. »O Gott!«, rief er aus.

Louise küsste ihn auf den Hals und atmete seine Haut ein. Es war so viel jünger und erotischer als Donal. Das war das erste Mal, seit Jack das Haus betreten hatte, dass sie an ihren Verlobten dachte. Sie glaubte nicht, dass sie in der Lage wäre, ihm gegenüberzutreten, wenn er später vorbeikam.

»Holen wir jetzt Dad und die anderen ab?«, fragte Tom.

»Klar«, sagte Louise abwesend. In Gegenwart ihres Sohnes waren diese Erinnerungen verstörend, auch wenn er keine Ahnung hatte, woran seine Mutter gerade dachte. »Wir holen sie jetzt gleich.«

Während sie durch die Tore des Schlossgeländes von Howth fuhr, war sie genervt. Sie hatte sich etwas vorgemacht. Jack mochte noch ein Schuljunge gewesen sein, als er sich in sie verliebte, doch während sie ihre Kinder großgezogen und ein spießiges Leben geführt hatte, war er um die Welt gereist und hatte Abenteuer erlebt, von denen sie nur träumen konnte. Sie beneidete ihn glühend. Und seine Freundin war wunderschön – von ganz anderem Format als die altbackene Hausfrau, zu der sie mutiert war.