20

„Teddy hat mir gerade erzählt, dass die Männer sich um den Kuchenstand kümmern”, erwähnte Mabel beiläufig, während sie Elvi ein Pflaster für den nächsten Spender reichte.

Sie sah sie überrascht an. „Ich dachte, Karen kümmert sich darum.”

Mabel schüttelte den Kopf. „Teddy sagt, Karen und Mike sind noch auf dem Parkplatz und streiten sich wegen irgendeiner Sache. Also haben die Männer den Stand übernommen und versprechen allen Frauen einen Kuss, die mit einem Pflaster zu ihnen kommen, das beweist, dass sie Blut gespendet haben.”

Elvi wurde hellhörig. Das erklärte den abrupten Zulauf von Frauen am Blutspendestand. Normalerweise kamen Männer zu ihnen, während die Frauen die Blutbank bevorzugten, doch in den letzten Minuten waren ihr in der Warteschlange ungewöhnlich viele Frauen aufgefallen.

„Und wer küsst sie?”, fragte Elvi, als sie das Pflaster auf John Dorseys Arm klebte, ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund gab und ihm dann ein Glas Saft und einen Keks reichte.

„Das war auch meine erste Frage”, erwiderte Mabel lachend.

„Angeblich kümmern Victor und DJ sich nur um den Verkauf, und die Frauen dürfen zwischen Edward, Harper und Allessandro wählen. Und”, fügte sie ironisch an, „offenbar haben sie sich dafür sogar freiwillig gemeldet. Scheint so, als wäre durch ihren Aufenthalt bei uns nicht nur ihr Appetit auf richtiges Essen wiedererweckt worden. Was schon irgendwie eigenartig ist, wenn man darüber nachdenkt.... oder auch nicht”, meinte sie dann.

„Was hast du gehört?”, wollte Elvi sofort wissen, als sie den mysteriösen Nachsatz hörte.

„Naja, es kursieren da ein paar Gerüchte”, verriet sie. „Und zwar?”

„Also.... ist dir aufgefallen, dass Edward jedes Mal freiwillig zum Supermarkt gefahren ist und erst mehr Mehl geholt hat, dann mehr Butter, mehr Äpfel und so weiter, während ihr alle mit den Kuchen beschäftigt wart?”

„Ja.” Es war ihr auch nicht entgangen, dass es jedes Mal eine Ewigkeit dauerte, bis er mit den jeweiligen Besorgungen zurückkam, was sie aber auf seine mehr als bedächtige Fahrweise geschoben hatte.

„Wie es aussieht, hat er sich bei jedem Einkauf an Dawns Kasse angestellt und viel Zeit damit zugebracht, sich mit ihr zu unterhalten und zu flirten.”

Elvi wollte ihren Ohren nicht trauen. „Flirten? Edward?”

„Ja, ich weiß”, stimmte Mabel ihr zu. „Vielleicht ist sie ja seine Lebensgefährtin.”

„Dawn? Unmöglich!”, rief Elvi, begann aber zu grübeln.

„Und dann ist da noch Allessandro.”

„Was ist mit ihm?”, fragte sie und machte große Augen.

„Tja, Louise Ascot sagt, dass er die ganze Woche über jeden Morgen mit Mrs Ricci auf ihrer Veranda saß, während sie im Sonnenschein gestickt hat.”

„Jeden Morgen? Während wir alle geschlafen haben?” Elvi dachte kurz darüber nach und fand, dass das wohl erklärte, warum er beim Aufstehen immer der Letzte war.

„Offenbar sitzt er fast bis mittags da”, fuhr Mabel fort. „Er redet mit ihr, hilft ihr das Garn einzufädeln und so weiter. Und Louise sagt auch, dass sie heute Morgen gemeinsam in ihr Haus gegangen sind und er erst Stunden später gegangen ist und dabei wie ein Idiot gegrinst hat.”

„Mrs Ricci?” Elvi schlug sich eine Hand vor den Mund. „Aber sie ist doch schon vierundachtzig!”

Mabel schnaubte entrüstet. „Na und? Ich bin zweiundsechzig, und das hat DJ auch nicht abhalten können.”

„Ja, aber.... DJ ist nett und intelligent, während Allessandro so unreif ist und so.... ” Sie unterbrach sich und fragte: „Ich darf wohl nicht annehmen, dass du auch etwas über Harper zu berichten weißt, oder?”

Sie nickte. „Karen erzählt, als sie und Mike die Männer zu der Aufführung mitgenommen haben, da hat sich Harper neben unsere Postbotin Jenny gesetzt und sich die ganze Zeit mit ihr unterhalten.”

„Tja, dann muss ich mir ja wohl keine Gedanken mehr darüber machen, wie ich ihnen möglichst schonend beibringen kann, dass keiner von ihnen der Richtige für mich ist”, meinte sie grinsend, dann murmelte sie: „Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, was ich mit Victor mache.”

„Stimmt.” Nach kurzem Schweigen fügte Mabel an: „Elvi, sei nicht zu streng mit ihm. Ich glaube nicht, dass er dich für dumm hält. Und was die Sache mit dem dressierten Hündchen’ angeht.... ” Sie seufzte unglücklich. „Süße, er hat in einer Woche mehr gesehen und verstanden als jeder in dieser Stadt in den letzten fünf Jahren. Und das schließt mich ein, deine angeblich beste Freundin, mit der du dir ein Haus teilst.” Sie schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, dass ich nicht erkannt habe, was du empfunden hast. Mir war nie in den Sinn gekommen, Schuldgefühle könnten für dich der Grund sein, den ganzen Zirkus mitzumachen.”

„Mabel, das ist schon okay”, beteuerte Elvi hastig.

„Nein, das ist es nicht. Jetzt, wo ich selbst auch unsterblich bin, sehe ich das anders. Zum Beispiel diese Kleider. Die sind verdammt unbequem und schlichtweg albern. Wie hast du es bloß fünf Jahre lang.... oh mein Gott, DJ hat sich rasiert und die Haare geschnitten!”

Elvi schaute über die Schulter und sah, dass Victor und DJ zu ihnen kamen. Beide mussten Irinas Stand besucht haben, an dem sie den Leuten die Haare schnitt. Die Einnahmen kamen genauso wie die aus dem Verkauf der Kuchen misshandelten Kindern zugute.

„Dass er rasiert ist, finde ich gut”, urteilte Mabel. „Aber die Haare hätten ruhig etwas länger bleiben können.”

„Finde ich auch”, stimmte Elvi ihr zu, die ihren Blick nicht von Victors konservativer Kurzhaarfrisur lösen konnte. Er sah nach wie vor fantastisch aus, aber längere Haare verliehen einem Mann das gewisse Etwas. Sie betrachtete ihn schweigend, bis Mabel sie am Arm fasste und ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

„Hör mal, Elv.... Ellie”, berichtigte Mabel sich und lächelte entschuldigend. „Lass Victor einfach ausreden, okay? Nach allem, was ich gesehen habe und was DJ gesagt hat, glaube ich, dass Victor dich wirklich liebt.”

„Er hält mich für eine Idiotin”, konterte Elvi.

„Jetzt sei nicht albern. Jeder, der halbwegs bei Verstand ist, weiß, du bist keine Idiotin”, widersprach sie. „Also lass ihn ausreden, ja?”

„Ich dachte, du bist auch sauer auf ihn wegen der Dinge, die er zu mir gesagt hat”, gab Elvi skeptisch zurück.

„Das war ich auch, aber ich hatte Zeit zum Nachdenken, und ich glaube inzwischen, er hat recht. Wir haben das nicht gewollt, aber du wurdest von uns tatsächlich behandelt wie ein dressierter Hund, der seine Kunststücke vorführen soll. Keinem von uns kam in den Sinn, dass du vielleicht gar keine Lust hast, die ganze Zeit über die Vampirin zu spielen, die jeder sehen wollte.... ” Sie unterbrach sich kopfschüttelnd. „Die Zeit reicht jetzt nicht mehr. Hör dir einfach an, was er zu sagen hat. Ich kümmere mich so lange um den Stand. Lasst euch Zeit.”

Elvi sah sie nach hinten davoneilen, und als sie sich umdrehte, bekam sie mit, wie DJ sich von Victor löste und ihr folgte, während Letzterer genau vor ihr stehen blieb. „Ich halte dich nicht für eine Idiotin”, platzte er heraus. „Ich habe den größten Respekt vor deiner Intelligenz, ich finde, du bist charmant, schön und sexy, du hast einen rasiermesserscharfen Verstand, du bist sexy und liebevoll und nett und sexy und.... ach, verdammt.” Er gab seinen Versuch auf, ihr mit Worten zu erklären, was er wollte, stattdessen packte er sie an den Schultern, zog sie an sich und küsste sie voller Leidenschaft.

Als er sie losließ, musste sie nach Luft ringen, dennoch hörte sie ihn leise sagen: „Ich liebe dich, Ellen Stone.”

Ein schwacher Seufzer kam über ihre Lippen, dann ließ sie sich an seine Brust sinken und flüsterte: „Ich bin keine Idiotin.”

„Ich weiß”, versicherte er ihr und rieb ihr über den Rücken.

„Ich begebe mich nicht blindlings in Gefahr.”

„Nein.... na ja.... ” Er verstummte, als sie ihn aus schmalen Augen ansah, dann fuhr er verhalten fort: „Du neigst dazu, die Dinge zu überstürzen, anstatt erst einmal nachzudenken.”

„Zum Beispiel?”, forderte sie ihn energisch heraus.

„Zum Beispiel dieser Käsekuchen-Notfall. In dem Augenblick, als du gehört hast, dass du ganz normal essen kannst, musstest du auf der Stelle zum Supermarkt fahren, und wehe dem, der sich dir dabei in den Weg gestellt hätte.”

„Ich wollte etwas zu essen haben”, verteidigte sie sich. „Ich habe fünf Jahre lang darauf verzichten müssen, Victor.”

„Das weiß ich”, sagte er besänftigend und drückte ihren Kopf an seine Brust. „Und dann die Sache mit dem Bett. Kaum erfährst du, du kannst in einem richtigen Bett schlafen, musst du losrennen und eins kaufen.”

Elvi legte den Kopf in den Nacken und betonte: „Ich habe in einem Sarg geschlafen!”

„Ja, aber du nimmst dir nicht die Zeit, die Dinge zu planen. Du stürmst sofort los.... Und ich hatte schreckliche Angst um dich, als mir klar wurde, dass du in dem brennenden Schuppen bist. Deshalb habe ich dich angebrüllt. Außerdem bist du viel zu vertrauensselig.”

„Was soll denn das schon wieder heißen?”

„Denk nur mal daran zurück, wie du all die Drinks probiert hast, die Edward und Allessandro dir im Night Club angeboten haben. Wenn ich so etwas sehe, dann werde ich krank vor Sorge, du könntest dem Falschen vertrauen, Elvi.... oder Ellie.... oder Ellen. Wie soll ich dich anreden?”, fragte er frustriert.

Sie hatte den Kopf wieder an seine Brust gedrückt, ihre Verärgerung legte sich allmählich, und sie begann, leise zu lachen.

„Lachst du oder weinst du?”, fragte er unsicher.

„Ich lache”, versicherte sie ihm.

„Okay.” Er küsste sie auf den Kopf, dann hielt er abrupt inne. „Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, wenn du lachen musst?”

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss, dann hauchte sie: „Es ist ein gutes Zeichen.” „Oh”, machte Victor.

„Warum hast du dir die Haare schneiden lassen?” Er musterte sie skeptisch, als er diese Frage hörte. „Gefällt es dir nicht?”

„Naja.... ”

„Es gefällt dir nicht”, stellte er enttäuscht fest. „DJ war außer sich wegen der Männer, die sich hier alle um Mabel reißen, nachdem sie gewandelt worden war, und er kam zu dem Schluss, dass eine Rasur und ein Haarschnitt fällig waren, um ihr zu gefallen. Da dachte ich.... ”

Sie legte ihre Hand auf seinen Mund, damit er aufhörte zu reden. „Ich habe nicht gesagt, dass es mir nicht gefällt. Es ist nur so anders, und ich hatte mich in deine langen Haare verliebt. Aber ich werde mich schon daran gewöhnen.”

„Du liebst mich?”, fragte er grinsend.

„Victor, runter!”

Elvi wollte sich zu DJ umdrehen, um herauszufinden, warum er Victor etwas zurief, aber im gleichen Moment machte er aus dem hinteren Bereich des Stands bereits einen Hechtsprung auf sie zu und riss sie beide mit sich zu Boden. Gleichzeitig packte Victor instinktiv Elvi, um sie mit sich zu ziehen. Alle drei landeten sie in einem Gewirr aus Armen und Beinen auf dem Boden.

„Jesus, DJ!”, fluchte Victor und setzte sich auf. „Was um alles in der Welt.... ”

Da er jäh verstummte, folgte Elvi seinem Blick und entdeckte einen Pfeil, der an der Stelle in der Theke steckte, an der sie gerade eben noch gestanden hatten.

„Das war Mike Knight!”, keuchte DJ außer Atem.

Victor sah den jüngeren Unsterblichen an. „Mike Knight? Ganz sicher?” DJ nickte.

„Das kann nicht sein”, erklärte Elvi entschieden. „Er und Karen sind seit sechzehn Jahren meine Nachbarn, ich habe miterlebt, wie ihre Kinder erwachsen wurden. Er würde mir niemals etwas antun.”

Noch während sie redete, begann sie aufzustehen, doch sie konnte gerade erst über die Theke schauen, da fasste Victor ihren Arm und zog sie wieder nach unten. Allerdings hatte sie schon genug gesehen. Schockiert flüsterte sie: „Es ist Mike.”

Elvi konnte es immer noch nicht glauben. Ihr Freund und Nachbar Mike Knight stand in der Haltung eines Bogenschützen sechs oder sieben Meter von ihnen entfernt und hielt eine Armbrust in der Hand, die er soeben nachlud.

„Mike?” Victor schüttelte verwundert den Kopf. „Das ergibt doch keinen Sinn. Ich habe ihn nach dem Feuer im Schuppen gelesen, und er hat es nicht getan.”

Darauf konnte Elvi nichts erwidern, weil sie immer noch die Tatsache zu erfassen versuchte, dass ihr Nachbar ihr nach dem Leben trachtete. Sie schaute in den hinteren Teil des Stands und sah, dass Mabel und die drei Spender sich ebenfalls auf den Boden geworfen hatten. Mabel robbte in diesem Augenblick zu ihnen.

„Hi”, sagte sie, als sie sie erreichte. „Was sollen wir jetzt machen?”

„Uns verstecken”, antwortete Elvi.

„Uns einen Plan ausdenken”, korrigierte DJ sie und wandte sich an Victor. „Irgendeine Idee?”

Victor zuckte mit den Schultern. „Wir könnten an verschiedenen Stellen über die Theke springen und aus drei Richtungen auf ihn zurennen. Er kann nur auf einen von uns zielen.”

„Was?”, rief Elvi entsetzt. „Das ist kein Plan, das ist Irrsinn! Du.... ”

„Äh.... Elvi?”, war Mikes zögerliche Stimme von der anderen Seite der Theke zu hören. „Könntest du bitte aufstehen? Es ist auch ganz schnell vorbei.”

Ungläubig sah sie zu Mabel. „Meint er das ernst?”

„Er hat den Verstand verloren”, entgegnete die betrübt. Victor ignorierte die beiden, und plötzlich stand er auf.

Elvi griff erschrocken nach seinem Arm und versuchte, ihn zurück nach unten zu ziehen. „Victor! Komm wieder her!”

Er schüttelte ihre Hand ab und drehte sich offenbar zu Mike um. „Was hat das zu bedeuten, Knight? Warum wollen Sie Elvi umbringen?”

„Also.... das ist eine Sache zwischen Elvi und uns, wenn Sie gestatten, Victor”, kam Mikes höfliche Antwort.

„Alles, was Elvi betrifft, geht mich jetzt auch etwas an, Mike”, erklärte er ihm gleichermaßen höflich.

Ratlos stand Elvi auf. Wenn er so mutig war, konnte sie das auch sein.... dachte sie zumindest. Kaum bemerkte Victor, was sie vorhatte, schob er sich wie eine schützende Mauer vor sie. Als Elvi um ihn herumgehen wollte, versperrte ihr DJ den Weg.

„Komm ja nicht auf dumme Gedanken”, raunte Mabel ihr zu und stellte sich auf die andere Seite, sodass Elvi von drei Seiten geschützt war.

Sie verzog den Mund und gab ihre Versuche auf, sich Mike direkt zu stellen. Stattdessen reckte sie den Hals und bemühte sich, um Victors Arm herum zu schauen. Mike und Karen standen auf der anderen Seite der Theke. Mike hielt die Armbrust auf Hüfthöhe, Karen machte eine entschlossene Miene.

„Hat Karen das Feuer im Schuppen gelegt?”, wollte Victor wissen, als das allgemeine Schweigen zu lange anhielt.

Mike warf seiner Frau einen vorwurfsvollen Blick zu und gestand dann: „Ja. Das hat sie hinter meinem Rücken gemacht. Sie wusste, ich würde einem solchen Plan nicht zustimmen. Das Feuer hätte auf die angrenzenden Häuser übergreifen können. Ich erfuhr erst davon, als sie es mir erzählte, nachdem Sie sich hier gemeinsam auf die Suche nach der Küssbude gemacht hatten.”

„Und der Pfeil vor dem Möbelladen?”, hakte Victor nach. „Sie oder Ihre Frau?”

„Ich”, gab Mike zu. „Allerdings war das ein Unfall. Ich wollte eine Weile auf die Zielscheiben schießen, als Bob vom Bogenschützenklub mir zurief, Karen sei am Telefon. Ich drehte mich um, und irgendwie rutschte mir dabei der Pfeil aus den Fingern.” Er zuckte etwas verlegen mit den Schultern. „Tut mir wirklich leid. Mir war nicht mal bewusst gewesen, dass sich jemand in der Nähe aufhielt, bis ich Sie und Elvi entdeckte. Da befand ich mich allerdings bereits im Vereinsheim und telefonierte mit Karen. Als ich auflegte, waren Sie alle schon gegangen, aber ich sah mich noch am Möbelladen um, ob jemand verletzt worden war. Ich erzählte Karen davon, und da kam sie auf die Idee, wie wir Elvi töten konnten. Sie fand, ein Pfeil sei eine genauso gute Methode wie ein Pflock.”

„Also schossen Sie auf Elvi auf der Glasveranda.”

Mike nickte. „Ich war mir sicher, dass ich sie richtig getroffen hatte, aber offenbar hatte ich das Herz verfehlt. Diesmal werde ich allerdings treffen, Elvi”, versicherte er ihr und sah sie an, wie sie hinter Victor hervorlugte. „Ich verspreche dir, es wird schnell gehen.”

„Michael Knight, hast du eigentlich den Verstand verloren?”, brüllte Mabel ihn plötzlich an. „Was macht es aus, ob es schnell oder langsam gehen wird? Sie will nicht sterben!”

Diese Neuigkeit ließ ihn stutzig werden. „Aber du hast Karen doch davon erzählt, wie elend sie sich als Vampirin fühlt. Und dass sie sich wünscht, sie wäre bei dem Verkehrsunfall in Mexiko gestorben.”

„Das war ein Jahr nach dem Unfall, also vor vier Jahren!”, ereiferte sie sich. „Jetzt ist sie glücklich.” Sie sah zu Elvi. „Sag es ihm.”

„Sie hat völlig recht, Mike. Ich verspüre kein Verlangen zu sterben.”

Daraufhin schaute Mike seine Frau an, die sich zu ihm hinüberbeugte und ihm wütend etwas zuflüsterte. Er seufzte, und Karen machte einen Schritt auf die Theke zu, dann sagte sie: „Es tut mir leid, Elvi. Du weißt, wir mögen dich wirklich sehr, aber er ist unser Sohn.”

„Owen?” Elvi stellte sich wieder auf die Zehenspitzen, um mehr sehen zu können. „Was hat denn bitte Owen damit zu tun?”

Elvis ehrliche Ahnungslosigkeit schien ihr Gegenüber nur noch mehr zu verärgern. Karen stemmte die Hände in die Hüften und brüllte: „Du weißt genau, was er damit zu tun hat, du.... du Blutsaugerin!”

Die Art, wie Karen das Wort Blutsaugerin förmlich ausgespuckt hatte, ließ die Vermutung zu, dass sie ebenso gut auch Flittchen hätte sagen können. „Nein, ich weiß es nicht!”

„Du hast ihn gebissen!”, schrie Karen sie an, als sei das für jeden außer Elvi offensichtlich.

Elvi staunte angesichts der Boshaftigkeit in ihrem Tonfall, aber anstatt zuzugeben, dass sie ihn gar nicht gebissen hatte, entgegnete sie: „Ihr habt ihn zu mir gebracht, damit ich ihn beiße.”

Karen ließ betrübt die Schulter sinken. „Es war sein Geburtstag, er wollte es so. Und abgesehen davon habe ich das von vornherein nicht gewollt.” Sie sah ihren Ehemann zornig an. „Ich habe dir gesagt, wir sollten es ihm nicht erlauben, aber nein, du wolltest ja nicht auf mich hören. Ich würde mich ja nur anstellen, hast du zu mir gesagt. Und jetzt ist unser Sohn ein Vampir! Hättest du nur dieses eine Mal auf mich gehört.... ”

„Was?”, unterbrach Elvi sie. „Ein Vampir?”

„Jetzt aber mal ganz ruhig”, mischte sich Brunswick ein und trat aus der Menge heraus, um auf sich aufmerksam zu machen. Jemand musste ihn geholt haben, als die Unruhe ausbrach. Jetzt stellte er sich zwischen die Knights und den Stand, während sich Edward, Harper und Allessandro am Rand der Menschenmenge postierten, um die Knights zu umstellen.

„Ich bin davon überzeugt, dass Elvi das nicht gewollt hat”, versuchte der Captain zu beschwichtigen. „Es war einfach nur ein Unfall. Seit fünf Jahren beißt sie die Jungs in der Stadt, und es ist nie was passiert. Woher sollte sie wissen, dass diesmal etwas schiefgehen würde?”

„Mir ist egal, ob es ein Unfall war. Ich will mein Baby zurückhaben”, rief Karen. „Mike, tu was!” Als der nur unschlüssig dastand, kniff sie die Augen argwöhnisch zusammen. „Sag mir nicht, es ist dir lieber, dass unser Sohn ein Vampir ist!”

„Ach, verdammt”, murrte er. „Es ist ja nicht so, als ob Elvi darunter leiden müsste, außerdem braucht sie einen Ehemann. Besser, es ist jemand von hier.... ”

„Lieber Himmel, Mike! Die Frau ist so alt wie meine Mutter!”, unterbrach ihn Karen empört. „Sie ist zweiundsechzig!”

Mike sah zu Elvi, die um Victors Arm herum die Szene mitverfolgte. Dann schürzte er die Lippen. „Für zweiundsechzig sieht sie verdammt gut aus. Und Owen könnte für immer so gut aussehen, wie es jetzt der Fall ist. Überleg mal, Karen, du müsstest dir nie wieder Sorgen um ihn machen, wenn er sich mal beim Football verletzt.”

Seine Argumente konnten Karen nicht beeindrucken. „Michael Knight, wenn du diese Frau nicht tötest und damit verhinderst, dass unser Sohn zu dem Jungen wird, der er mal war, dann sehen wir uns vor dem Scheidungsrichter wieder, und dann bekomme ich das Haus, das Boot, das Cottage, den.... ”

„Schon gut, schon gut”, gab er sich geschlagen und wandte sich an Elvi und die anderen, um kleinlaut zu erklären: „Es tut mir leid. Ich habe es versucht, aber ihr seht ja alle, dass mir keine andere Wahl bleibt. Diese Frau ist für kein vernünftiges Argument zugänglich, wenn es um ihren Jungen geht.”

„Äh, Mike.... ” Brunswick machte einen Schritt auf ihn zu und nahm ihm die Sicht auf Elvi. „Was soll das bringen, wenn du Elvi tötest?”

„Ach, du meine Güte, Teddy! Hast du eigentlich überhaupt keine Ahnung?”, rief Karen wutschnaubend, packte ihn am Arm und zog ihn so weit zur Seite, dass Elvi die Szene wieder beobachten konnte. „Owen kann nur zurückverwandelt werden, wenn man den Vampir tötet, der ihn verwandelt hat. Also müssen wir Elvi töten. Wir wollen das nicht, und bestimmt werden wir ganz schreckliche neue Nachbarn bekommen, wenn Elvi tot und Mabel mit DJ nach Toronto gezogen ist. Aber ich will verdammt noch mal meinen Sohn zurückbekommen!”

„Du nimmst in Kauf, dass dein Mann ins Gefängnis wandert, nur damit dein Sohn kein Vampir mehr ist?”, fragte Mabel vorwurfsvoll.

„Gefängnis?”, wiederholte Mike beunruhigt.

„Du musst natürlich nicht ins Gefängnis”, versicherte Karen hastig. „Man kann dir nicht vorwerfen, du hättest sie getötet, denn sie ist ja längst tot. Du schenkst ihr nur Frieden. Mach schon, Schatz, und bring es hinter dich. Es tut mir wirklich leid, Elvi”, fügte sie noch bedauernd an.

Mike seufzte schwer und legte die Armbrust an. „Mir wäre es lieber, wenn Sie aus dem Weg gehen, Victor, aber wenn es sein muss, werde ich zuerst auf Sie schießen, damit ich an Elvi herankomme.”

Elvi überrumpelte alle, die schützend vor ihr standen, zwängte sich hindurch und stellte sich vor Victor. „Ich habe Owen nicht gebissen.”

„Verdammt, Elvi”, fauchte Teddy sie an, während er sich aus Karens Griff löste und sich wieder vor Elvi in Position stellte. „Das bringt uns nicht weiter. Wir wissen doch alle, dass du ihn gebissen hast. Es war sein Geburtstag.”

„Habt ihr gesehen, wie ich ihn gebissen habe?”

„Nein, aber du bist mit ihm nach hinten gegangen, und wir haben alle den Abdruck an seinem Hals gesehen.”

Elvi schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Ihr habt ein Pflaster an seinem Hals gesehen, weiter nichts. Es gab keinen Biss. Er hat das Pflaster bekommen, damit es so aussieht, als hätte ich ihn gebissen, und damit er von seinen Freunden nicht gehänselt wird. Tatsache ist aber, dass er einen Rückzieher gemacht hat.”

„Also das ist ja nun wirklich schäbig”, beschwerte sich Mike, „dass du meinen Sohn als Feigling hinstellst, um dein Leben zu retten.”

Sie verdrehte die Augen. „Er ist kein Feigling. Fast alle Jungs machen diesen Rückzieher. Ich habe ihn nicht gebissen!” Während Mike zu grübeln begann, warf Karen ein: „Und warum verwandelt er sich dann in einen Vampir?”

„Das tut er ganz sicher nicht”, beharrte Elvi. „Er schläft den ganzen Tag, ist die ganze Nacht wach, isst nichts mehr oder.... ”

„Oh, du meinst, dass er sich wie ein typischer Teenager verhält?”, fiel Elvi ihr ins Wort. „Ich war auch mal Mutter, Karen. Du kannst mir glauben, dass ein solches Verhalten ganz normal ist.”

„Er hat Fangzähne”, fügte Karen düster hinzu.

Elvi schnaubte abfällig. Es war nicht möglich, dass Owen sich in einen Vampir verwandelt hatte. Sie hatte ihn erstens nicht gebissen, und zweitens wusste sie von Victor, dass sie mit dem Jungen ihr Blut hätte teilen müssen. Und das hatte sie mit niemandem gemacht.

„Natürlich hat er Fangzähne”, beteuerte Karen aufgebracht und sah sich um, bis sie ihren Sohn entdeckte. „Owen! Komm her und zeig Elvi deine Fangzähne.”

Sie folgte Karens Blick, dann sah sie den Teenager, wie er den Kopf schüttelte und hinter Rektor Albrecht Deckung suchte. „Owen Knight, komm jetzt bitte her”, forderte Elvi ihn ernst auf.

Wieder schüttelte er den Kopf und schaute sie mit angsterfüllten Augen an. „Zwing mich nicht, Victor zu dir zu schicken, damit er dich holt”, drohte sie ihm und erzielte die gewünschte Wirkung, denn nach kurzem Zögern kam der Junge hinter dem Rektor hervor und lief widerstrebend auf Elvi zu.

„Besten Dank”, flüsterte Victor ihr ins Ohr und legte eine Hand schwer auf ihre Schulter. „Mach mich ruhig zum Buhmann.”

„Tut mir leid”, gab sie leise zurück. „Aber du bist Furcht einflößender als ich.”

„Und das werde ich auch immer sein”, stimmte er ihr zu. „Außerdem muss dir das nicht leidtun. Das war nämlich sehr aufschlussreich. Unsere Kinder werden demnach ziemlich oft zu hören bekommen: Wartet nur, bis euer Vater nach Hause kommt.’”

Verblüfft sah sie ihn über die Schulter an. „Unsere Kinder? Ist das deine Vorstellung von einem Heiratsantrag?”

Anstatt zu antworten zeigte er nach vorn. „Da ist Owen.”

Elvi stellte das Thema bis auf Weiteres zurück und widmete sich dem Teenager. Ihr fiel auf, dass er ausgesprochen bleich aussah, was zum Teil durch seine Angst bedingt war, zum Teil aber auch einen anderen Ursprung hatte, wie ihr klar wurde, als sie etwas Weißliches an seiner Augenbraue bemerkte. Sie lehnte sich über die Theke und rieb mit einem Finger über seine Wange. Anschließend war die Spitze mit weißem Make-up verschmiert.

„Teenager”, murmelte Victor amüsiert. Seufzend richtete sie ihren enttäuschten Blick auf Owens Augen. „Zeig mir deine Fangzähne.” Der Junge presste die Lippen noch fester zusammen und schüttelte erneut den Kopf. „Owen”, knurrte sie ihn an. „Mach den Mund auf.”

Ängstlich sah er zu Victor, doch was immer er in dessen Gesicht entdeckt haben möchte, es veranlasste ihn dazu, sofort den Mund weit aufzusperren.

Elvi starrte auf die Reißzähne, dann schaute sie zu den drei Unsterblichen, die sich von allen Seiten an die Knights heranschlichen. „Edward, Harper, Allessandro - kommt sofort her!”

Die Männer sahen sich an und folgten ihrer Aufforderung. Als sie hinter der Theke standen, fragte Elvi sie: „Wer von euch hat ihn gewandelt?”

„Ah.... ” Mike trat vor und stellte sich zu seinem Sohn. „Das warst du, Elvi, als du ihn an seinem Geburtstag gebissen hast.”

Elvi drehte sich verärgert zu ihm um. „Du kannst niemanden wandeln, indem du ihn einfach beißt. Du musst.... ” Weiter kam sie nicht, da Victor sie abrupt mit sich zog, bis sie sich hinter Mabel und DJ befanden.

„Ich halte es für besser, wenn wir die Details einer Wandlung für uns behalten”, flüsterte er, während die anderen Unsterblichen zu ihnen kamen.

„Wieso denn das?”, fragte Elvi überrascht.

„Weil du sicher nicht willst, dass sich jemand an dich heranschleicht und dir etwas Blut abzapft, um sich selbst oder irgendwen anders zu wandeln.” Elvi musste angesichts einer solchen Möglichkeit kichern. „Niemand würde so was machen! Diese Leute sind meine Freunde.”

„Freunde?”, wiederholte Edward verblüfft und fragte: „Gehört dazu auch der Typ mit der Armbrust, die auf dein Herz zielt?”

Sie schaute den Briten an und gab zurück: „Er ist nur um seinen Sohn besorgt. Außerdem dürfte dir aufgefallen sein, dass er bislang nicht auf mein Herz geschossen hat.”

„Mein Gott, Victor, du hast wirklich recht. Sie ist für ihr Alter schrecklich naiv”, murmelte Harper bestürzt. Elvi wusste nicht, wem von den beiden sie einen vernichtenden Blick zuwerfen sollte: Victor, dass er so etwas über sie gesagt hatte, oder Harper, weil er ihm zustimmte.

„Ich bin nicht naiv”, widersprach sie. „Ich habe mein ganzes Leben in dieser Stadt verbracht, und ich kenne diese Leute. Ganz im Gegensatz zu euch fünf.” Dann wiederholte sie ihre Frage: „Wer von euch hat den Jungen gewandelt?”

„Meine liebe Ellen”, äußerte sich Edward unüberhörbar pikiert. „Wir dürfen in unserem Leben nur einen Menschen wandeln. Glaubst du wirklich, einer von uns würde dieses eine Mal an diesen Jungen vergeuden?”

Elvi stutzte, da seine Worte einen Sinn ergaben. Sie würden sich das für ihre Lebensgefährtin aufbewahren, aber nicht einen Jungen wandeln, der offenbar seine Ängste überwunden und beschlossen hatte, zum Vampir zu werden. Frustriert sagte sie: „Aber irgendjemand muss ihn gewandelt haben.”

„Ellen”, sprach Victor geduldig. „Hast du dir seine Zähne angesehen?”

„Natürlich habe ich das. Und ich will jetzt wissen, wem er sie zu verdanken hat.”

„Ich tippe auf den Kostümverleih in der Stadt”, gab er sarkastisch zum Besten. „Hast du dir eigentlich jemals deine eigenen Fangzähne angesehen?”

„Ja, einmal.”

„Einmal?”, fragte er ungläubig.

„Einmal”, bestätigte sie. „In Mexiko, gleich nach der Wandlung.” Sie verzog das Gesicht. „Die waren etwas unheimlich anzusehen, darum habe ich mir das nicht noch einmal angetan, auch wenn ich jetzt wieder in den Spiegel schauen kann.”

„Ich hatte vergessen, dass du bis vor Kurzem keine Spiegel hattest”, sagte er leise. „Sieh mal.... seine Zähne.... unsere Zähne.... ”

Geduldig wartete Elvi ab, da er innehielt und die Stirn runzelte.

Schließlich gab er seinen Erklärungsversuch ganz auf, griff über die Theke hinweg, packte Owen im Genick und zerrte ihn zu sich in den Stand. Er musste ihn sehr schmerzhaft zu fassen bekommen haben, da der Junge aufschrie. Blitzschnell griff Victor ihm in den Mund und riss ihm einen der Fangzähne heraus.

„Autsch!”, brüllte Owen und hielt sich die Hand vor den Mund. „Der war festgeklebt!”

„Festgeklebt?”, wiederholte Victor.

Der Junge nickte. „Diese Haftcreme hat nicht gehalten, darum hab ich Sekundenkleber genommen.”

„Idiot”, raunte Victor ihn an, ging zu Elvi und hielt ihr seine Handfläche hin, damit sie den Zahn begutachten konnte. „Der ist nicht echt.”

„Was?” Mike ließ die Armbrust sinken und drängte sich zu den anderen hinter die Theke. Karen war dicht hinter ihm. Beide starrten, so wie Elvi, auf den künstlichen Fangzahn, dann sahen sie ihren Sohn an. „Owen Knight”, herrschte seine Mutter ihn an und ging auf ihn zu. „Wie kannst du nur etwas so Dämliches tun? Dein Vater hätte um ein Haar Elvi getötet, und das für ein paar falsche Zähne!”

„Ich wollte nicht, dass Elvi was passiert”, krächzte er und wich zurück. „Ich wollte nur.... Bev hält Vampire für cool, und da dachte ich.... ” Seine Erklärung nahm ein jähes Ende, da er sich mit einem Satz hinter den Unsterblichen vor seiner Mutter in Sicherheit brachte.

„Aha”, meinte Victor.

„Was heißt hier ,aha’?”, wollte Elvi wissen.

„Es ist wegen einer Frau. Das erklärt alles. Sterbliche Männer lassen sich zu den verrücktesten Dingen verleiten, wenn sie eine Frau beeindrucken wollen.”

„Du meinst, sie lassen sich zum Beispiel auch die Haare schneiden?”, fragte sie amüsiert.

Victor grinste. „Ja, zum Beispiel auch so was.”

Kopfschüttelnd begab sich Elvi zu Owen und seiner Mutter. „Ist schon gut, Karen. Es ist ja alles gut ausgegangen, und niemand ist zu Schaden gekommen.”

„Wie bitte?”, rief Victor. „Du bist drei Mal fast getötet worden!”

„Ja, aber sie weiß doch, es war nicht persönlich gemeint”, versicherte Mike ihm. „Wir mögen Elvi wirklich. Sie ist die beste Nachbarin, die man sich wünschen kann. Die Vorstellung, sie töten zu müssen, hat mir das Herz zerrissen.”

In diesem Moment begann Edward schallend zu lachen, und das war auch das Einzige, was Victor davon abhielt, sich Mike zu schnappen und ihm den Hals umzudrehen. „Was gibt es denn da zu lachen?”, fuhr er den Briten zornig an.

„Na, die ganze Situation eben”, erwiderte Edward. „Ich beneide dich wirklich nicht darum, dich mit den Leuten in dieser Stadt herumschlagen zu müssen. Aber auf jeden Fall erwartet dich ein interessantes Leben. Zwar eines, das dir mit Sicherheit den letzten Nerv rauben und dich um den Schlaf bringen wird, aber eben interessant.”

Victor verzog nur den Mund, da der Mann vermutlich recht hatte.

„Es tut mir leid, dass ich dich als Blutsaugerin bezeichnet habe”, sagte Karen.

„Mach dir nichts draus, ich bin ja schließlich auch eine”, entgegnete Elvi.

„Ja, aber dafür kannst du nichts. Außerdem habe ich das so hingestellt, als wäre es etwas Schlechtes, dabei ist es das gar nicht. Du bist eine nette Vampirin”, beteuerte sie. „Und wir haben dich wirklich gern als Nachbarin. Wir waren nur so außer uns, dass Owen plötzlich ein Vampir war, und wir wussten nicht, was wir tun sollten. Es tut mir leid, dass ich Mike dazu überredet habe, auf dich zu schießen. Ich hoffe, ich habe damit nicht unsere Freundschaft zerstört.”

„Natürlich nicht.” Elvi legte einen Arm um sie. „An deiner Stelle hätte ich ganz genauso gehandelt.”

Victor konnte angesichts dieses Dialogs nur frustriert den Kopf schüttelt. Er begriff einfach nicht, wie der weibliche Verstand funktionierte.... falls er überhaupt funktionierte.

„Tja”, mischte sich Mabel ein. „Dann wäre ja wohl alles geklärt.”

Ungläubig schnaubend wandte sich Victor ab. Sie hatten zwar geklärt, wer Elvi hatte umbringen wollen, aber es gab noch eine Menge zu tun, bis wirklich alle offenen Fragen geklärt waren. Sie würden sich ausgiebig unterhalten müssen, und dann war da noch der Punkt, was der Rat unternehmen würde.

„Oha”, murmelte DJ plötzlich. Als Victor ihn fragend ansah, deutete der jüngere Unsterbliche zur Seite. Victor drehte sich um und entdeckte seinen Bruder Lucian Argeneau in der Menge, die sich um den Stand versammelt hatte.

Offenbar sollte sich die Frage, was der Bat unternehmen würde, schneller klären, als es Victor recht sein konnte.