5. Kapitel
Die Wüste
Im Morgengrauen wurde die rote Flagge auf dem Marsfeld gehisst, eine Trompetenfanfare verkündete den Beginn der Wahl, und die ersten Menschen strömten zu den Eingängen des Ovile, dem eingezäunten Wahlbezirk am Rande des Marsfeldes. Sie würden viel Geduld mitbringen müssen, denn die Stimmabgabe erfolgte in der Reihenfolge des Ranges und des Vermögens der Wahlberechtigten. Dennoch war die Wahl jedes Jahr ein Höhepunkt im hauptstädtischen Leben, und wer irgendwie konnte, machte sich den Tag frei, um das Schauspiel zu bewundern und sich mit alten Bekannten aus anderen Stadtteilen zu treffen. Nicht nur, dass man als kleiner Bürger an diesem Tag die gesamte aristokratische Elite Roms sehen konnte, viele hatten sich in den vergangenen Monaten auch für den einen oder anderen Kandidaten entschieden und schlossen nun Wetten auf den Wahlausgang ab. Natürlich zählte die Stimme eines einfachen Bürgers nur einen Bruchteil von der eines Ritters, ganz zu schweigen von der eines Aristokraten, und doch konnte man sich in dem Bewusstsein sonnen, das politische Leben mitzubestimmen. Denn von der Wahl zu den niedrigen Ämtern hielten sich die großen Familien fern, wenn nicht gerade ein vielversprechender Spross aus dem eigenen Klan versuchte, sich die ersten Sporen zu verdienen. Umso mehr profitierten die einfachen Bürger in den Wochen vor der Wahl vom Ehrgeiz der jungen Aufsteiger. Sie wurden mit Theater, Gladiatorenkämpfen und Lebensmittelspenden umworben, um sich den Namen des Kandidaten einzuprägen und am Wahltag zu seinen Gunsten zu stimmen. Nur wenige Familien besaßen das Vermögen, ihren Söhnen den Aufwand einer Kandidatur zu ermöglichen.
Im Laufe des Vormittags, nachdem das Marsfeld sich schon ziemlich gefüllt hatte, trafen die ersten Kandidaten ein, um ihre Anhänger um sich zu versammeln und sich feiern zu lassen, so als wäre die Wahl bereits entschieden. Sie waren in der bunten Menge gut zu erkennen, denn sie mussten, egal um welches Amt sie sich bewarben, die Tunica candida tragen. Rein, weiß, ohne prächtige Farben oder aufwendige Verzierungen stellten sie sich der Wählerschaft, die durch keinen Schmuck und Prunk in der Einschätzung des Mannes beeinflusst werden sollte. Die Bewerber um die niedrigen Ämter demonstrierten Volksnähe und schritten durch die Menge, die höheren Anwärter scharten auf ihrem Weg ein Häuflein aus Bekannten und Bewunderern um sich. Die Kandidaten auf das Amt des Konsuls hielten sich ganz im Hintergrund und empfingen am Rande des Marsfeldes ihre engsten Vertrauten und Anhänger.
Zwei Kandidaten waren es in diesem Jahr, die die Gedanken der Wähler ganz besonders beschäftigten und für den meisten Gesprächsstoff gesorgt hatten. Kaum tauchte einer von ihnen an einer Stelle des Platzes auf, so wandten sich alle Köpfe ihm zu und die Menschen zeigten mit den Fingern um sich gegenseitig auf ihn aufmerksam zu machen. In der näheren Umgebung der beiden gab es fast schon Tumulte begeisterter Anhänger, und so war es nur gut, dass die beiden sich eher aus dem Weg zu gehen schienen. Allerdings war es auch möglich, dass sich ihre Wege zwangsläufig nicht kreuzten, da der eine nur für das niedrigste Amt des Quästors kandidierte, der andere dagegen sich der Wahl zum Konsul stellte.
Gaius Marius war der eine der beiden. Jener Gaius Marius, der in einem winzigen Kaff namens Arpium vor fast fünfzig Jahren das Licht der Welt erblickt hatte. Zum ersten Mal war er an die römische Öffentlichkeit getreten, als er sich in Hispania, bei der Belagerung von Numantia durch seine Tapferkeit und sein strategisches Können ausgezeichnet hatte. Doch sollte es noch zehn Jahre dauern, bis Rom sein Verdienst mit dem Amt des Quästors belohnte. Danach glaubte Marius den Sprung geschafft zu haben und wurde drei Jahre später zum Volkstribunen gewählt, das politische Sprungbrett für einen einfachen Ritter. Doch Marius’ Geschick in innenpolitischen Fragen konnte mit seinen militärischen Fähigkeiten nicht mithalten. Er schaffte es zwar, zusammen mit anderen Mitgliedern der Volksversammlung eine Reform des Wahlrechts durchzuziehen, doch dieser Vorstoß kostete ihn die wenigen Sympathien, die er sich hatte schaffen können. Seine Unsicherheit auf der Rednertribüne ließ ihn arrogant wirken, sein Mangel an Bildung war nicht zu übersehen, nicht selten entzog er sich einer Diskussion, indem er seinen Gesprächspartner einfach stehen ließ und ging. Seine Stärken, die Fähigkeit schnell Entscheidungen zu treffen, eine Legion Soldaten auf sich einzuschwören und zu lenken, nützten ihm im zivilen Leben der Hauptstadt nichts. Als er zwei Jahre später für das Amt des Ädils kandidierte, fiel er mit Pauken und Trompeten durch, und erst im nächsten Jahr schafften es einige treue Anhänger, immerhin soviel Wähler für ihn zu bestechen, dass er eine Stufe weiter kommen konnte. Marius aber litt unter dem Gedanken, dass zotige Bänkelsänger und Pantomimen seinen Sieg bewirkt statt dass die Römer seine Fähigkeiten erkannt und gewürdigt hatten.
Den nächsten Wahlgang zum Prätor schaffte er mit knapper Not, dann hatte Rom genug von ihm und lobte ihn mit einer Statthalterschaft in Hispania aus der Hauptstadt. Man atmete auf, den hölzernen Menschen los zu sein und dachte nicht mehr an ihn. Marius machte, was alle Römer machten, die eine Statthalterschaft in den Provinzen übertragen bekommen, er scheffelte Geld - in die eigenen Taschen. Die Silberbergwerke Hispanias machten ihn zum reichen Mann. Als seine Zeit um war, kehrte er nach Rom zurück, doch die Türen hatten sich für ihn geschlossen. Niemand dachte auch nur daran, ihn wieder auf die politische Bühne zurückzuholen. Sechs lange Jahre versuchte er vergeblich, den Blick der Öffentlichkeit auf sich zu lenken, und doch gelang ihm der Durchbruch erst, als einer der ihm so verhassten städtischen Aristokraten ihm die Hand reichte: Metellus.
Der hatte sich an den hervorragenden Feldherrn erinnert, der in dem unzufriedenen Ritter steckte und hatte ihn für den Krieg in Numidien angefordert. Endlich war Marius wieder in der Lage seine Talente einzusetzen. Der Feldzug gegen Jugurtha wurde von neuer Hoffnung belebt, und Metellus und Marius errangen zusammen eine Reihe militärische Erfolge. Doch ein Sieg kam trotzdem nicht in Sicht. Jugurtha schaffte sich Verbündtete, eröffnete die Gefechte an völlig unerwarteten Stellen und schien mit seinen Truppen überall zugleich zu sein.
Trotzdem lief nun alles deutlich besser als unter den bisherigen Feldherrn. Für Marius war nun der richtige Zeitpunkt gekommen seine schleppende politische Karriere anzustoßen. Er wurde langsam ein wenig zu alt für Politik, und eine Gelegenheit wie diese würde so schnell nicht wieder kommen. Deshalb begann er einen regen Briefwechsel mit Freunden in Rom, als er die nötigen Formalitäten erledigt hatte, eröffnete er Metellus, dass dieser nun erst mal allein weiter die Stellung halten könne. Er, Marius, würde in die Hauptstadt zurückkehren und sich der Wahl zum Konsul stellen. Metellus tobte vor Wut, doch Marius ließ sich nicht aufhalten.
Zurück in Rom baute Marius seinen Wahlkampf auf der einzigen Sache auf, von der etwas verstand: auf Kriegsführung. Er bezichtigte Metellus der Unfähigkeit und des Versagens als Oberbefehlshaber der Truppen, womit es ihm gelang, die Kaufleute und Steuereintreiber um sich zu scharen. Diese wollten schon lange wieder in die einträgliche numidische Provinz zurückkehren, um ungestört ihren Geschäften nachgehen zu können, wobei Marius ihnen genau der richtige Mann zu sein schien das zu ermöglichen. Sie unterstützen seinen Wahlkampf mit reichlichen Geldern, und heute, an dem Tag, der die Entscheidung bringen sollte, umlagerten sie seine Ecke auf dem Marsfeld und zitterten mit ihm dem Ausgang der Wahl entgegen.
In der Mitte des Gedränges auf dem Platz entstand eine Bewegung. die Menschen traten sich gegenseitig auf die Füße um einem Kandidaten, der erst spät erschienen war, die Hand schütteln zu können oder zumindest sein Gewand zu berühren. Er schien von einem Magnetfeld umgeben, das die Neugierde und die Sympathien seiner Umgebung anzog. Auch in den Logen der Senatoren war man jetzt auf ihn aufmerksam geworden. Als er vor einigen Monaten verkündet hatte, dass er sich der Wahl zum Quästor stellen wollte, war ein ungläubiges Lachen durch die Reihen der Aristokraten gegangen. Man fand sein Ansinnen impertinent, hatte aber leider keine Handhabe gefunden ihm sein Vorhaben zu vereiteln, denn er hatte alle Bedingungen erfüllt. Er war aus bester Familie, er hatte das nötige Mindestalter und er war reich. Kopfschüttelnd hatte man seinem Antrag stattgegeben und sich damit getröstet, dass die Farce wohl bald vorbei sein würde. Wer würde schon einen stadtbekannten Lebemann und Nichtstuer in ein öffentliches Amt wählen, einen Mann, der vor Jahren sogar sein Bürgerrecht aufs Spiel gesetzt hatte und nur dank der Intervention seines bemitleidenswerten, vor Gram verstorbenen Vaters nicht verurteilt worden war.
Doch die Aristokraten sollten sich getäuscht haben. Lucius Cornelius Sulla kannte die Bürger der Stadt sehr gut, er spielte mit ihnen. Er dachte nicht daran, mit irgendeinem politischen Konzept eine Interessengemeinschaft um sich zu scharen, stattdessen befriedigte er die Neugierde und den Vergnügungshunger aller. Sein Wahlkampf verschlang Unsummen. Er investierte in öffentliche Gelage, in denen jeder, der sich einen Platz erkämpfen konnte, sich mit Wein und Delikatessen voll stopfen konnte. Der Andrang wurde von mal zu mal größer, und bei seiner letzten Veranstaltung hatte es im Gedränge mehrere Tote gegeben, weshalb der Magistrat eingeschritten war um ein Verbot auszusprechen. Doch Lucius hatte noch viele Ideen. Mit Hilfe seiner Freunde aus der Jugendzeit organisierte er spektakuläre Theatervorstellungen mit den besten Schauspielern der Stadt. Lucius wäre nicht Lucius gewesen, wenn er kleinlicherweise Geld für die Eintrittskarten genommen hätte. Die Karten wurden von prächtig ausstaffierten Reitern in den Straßen von Rom in die Menge geworfen, wo der Plebs sich darum prügelte. Die Schauspieler sahen sich in der Vorstellung einem entsprechend buntgemischten Publikum gegenüber und murrten nicht wenig über den Mangel an Ruhe und Aufmerksamkeit. Eine Sondergratifikation tröstete sie darüber hinweg. Lucius liebte es, als Letzter kurz vor Beginn der Aufführung durch die vollbesetzten Reihen zu schreiten, schlicht, aber elegant gekleidet, und den Jubel der Menge entgegenzunehmen. Er amüsierte sich königlich bei dem Gedanken, dass das, was ihm einst seinen Rest an Reputation gekostete hatte, ihn nun zurück in das gesellschaftliche Leben bringen würde. Denn dass er mit seinen Bemühungen Erfolg hatte, war sehr bald klar. Wo immer er sich zeigte, stand er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Seine Eskapaden waren schon früher stadtbekannt gewesen, aber nur wenige Bürger hatten ihn je von Angesicht zu Angesicht gesehen. Nun waren alle überwältigt von dem gutaussehenden Mann mit dem bräunlichen Teint und den dunkelblauen Augen. Wenn er auftauchte, kam Bewegung in die Menge. Die Frauen kicherten wie Schulmädchen, und wenn sie meinten, dass er in ihre Richtung blickte, verrenkten sie sich um eine möglichst vorteilhafte Figur abzugeben. Die Männer bewunderten ihn, neideten ihm seine Abenteuer und versuchten, seine Haltung und seinen Gesichtsausdruck zu imitieren.
Der Wahltag nahm seinen Fortgang, die Sonne brannte bereits unerbittlich vom Himmel, als die Patrizier und die Ritter endlich ihre Stimmen abgegeben hatten und die ersten einfachen Bürger Roms zur Stimmabgabe ins Ovile eingelassen wurden. Die Vornehmeren hatten es gut, sie zogen sich in den Schatten der Villa Publica zurück. Die Massen der Wähler allerdings mussten auf dem staubigen Marsfeld ausharren, bis am Ende des Tages die Herolde das Ergebnis der Wahl verkündeten.
Erst als die Fanfaren bei sinkender Sonne zum zweiten Male erklangen, kamen die Kandidaten erfrischt und in neue Tuniken gehüllt wieder hervor, um sich feiern zu lassen oder schnell und unauffällig wieder abzutreten, wenn sie nicht genug Stimmen auf sich hatten versammeln können. Zuerst wurden die Namen derer verkündet, die die Wahl um die niederen Ämter gewonnen hatten. Und obwohl Lucius keinen Rückhalt durch Patrizierstimmen aus der eigenen Familie hatte, hatte er seine Mitbewerber weit hinter sich gelassen. Donnernder Beifall erklang auf dem staubigen Feld, als sein Name genannt wurde. Unter den Arkaden wurde säuerlich gelächelt.
Als die Namen der neuen Ädilen und der Prätoren verkündet worden waren, warteten alle mit großer Spannung, wer denn nun die beiden neuen Konsuln sein würden. Der erste Name der genannt wurde war Gaius Marius. Die Hoch- und Hurrarufe aus den Reihen der Anhänger breiteten sich aus seiner Loge über die Menge aus, bald jubelte der ganze Campus aus Freude am Jubel, und Rom feierte den Mann, den es eigentlich noch nie zuvor zur Kenntnis genommen hatte. In der allgemeinen Hochstimmung ging der Name des ersten Konsuls, des eigentlich mächtigsten Mannes für die Dauer des nächsten Jahres etwas unter. Cassius Longinius Ravilla war ein angesehener Mann, der nie mit einem Skandal in Verbindung gebracht worden war. Er winkte freundlich und zog sich bald zurück.
Am Abend dieses aufregenden Tages fanden in den Villen der Sieger Gastmähler für Freunde und Unterstützer statt. Lucius betrachtete zwar niemanden als seinen Freund, das hinderte ihn aber nicht daran, in der Villa, die er von Nikopolis geerbt hatte ein rauschendes Fest zu veranstalten. Männer, die sich für seine Vertrauten hielten, mutige Aristokraten, die zukünftigen Erfolg witterten und alte Bekannte aus zweifelhaftem Milieu drängten sich in den eleganten Räumen. Die Damenwelt wurde durch die schönsten und teuersten Kurtisanen Roms vertreten. Das Speisezimmer bot nicht genug Platz sie alle aufzunehmen, weswegen im ganzen Atrium Sofas und Tische verteilt waren. Sklavinnen gingen umher und boten Erfrischungen an, Fackeln spendeten ein weiches Licht. Der Wein wurde nur wenig gemischt und ununterbrochen nachgeschenkt, so dass das Gelächter der Gäste schon bald lauter und die Stimmen der Mädchen schriller wurden. Lucius hatte die schlichte weiße Tunika gegen ein Gewand aus türkisgrüner Seide mit Goldstickereien eingetauscht. Im Haar trug er wie die anderen Gäste einen Kranz von Efeu und Rosen, und ein Witzbold hatte von einem Lorbeerbäumchen aus dem Garten einen Zweig abgerissen und dazu gesteckt. Lucius hatte ihn nicht wieder entfernt.
Auf dem Höhepunkt der Stimmung erhob er sich, und die Gespräche verstummten. Beifällige Rufe begrüßten die Ansprache, die nun fällig war.
„Meine lieben Freunde“, begann Lucius. „Ich bin glücklich diesen Abend mit euch zusammen verbringen zu können und hoffe, dass die Zukunft uns noch mehr dieser Feste bescheren wird. Für mich ist diese Nacht die richtige Gelegenheit einen Irrtum einzugestehen.“
Eine kleine, berechnete Pause folgte diesen Worten, und die erwartete Stille trat ein.
„Dreißig Jahre lang habe ich zu Fortuna gebetet, sie möge mir zu Glück verhelfen und mir die Gelegenheit verschaffen, meinen Wert zu zeigen. Dreißig Jahre lang blieb sie unerbittlich. Bis ich erkannte, dass meine Göttin nicht jene wankelmütige Patronin ist, sondern eine, zu der ich bis heute kaum die Augen zu heben wagte: Venus! Sie selbst hat sich meiner erbarmt und mir den Weg geebnet und deshalb, meine lieben Freunde, ist es nur recht und billig, ihrer heute zu gedenken und ihr ein Opfer zu bringen.“
Mit diesen Worten griff er das Mädchen, das seine Liege geteilt hatte, am Arm, zog sie zu sich und küsste sie auf den Mund. Dann trug er sie zu einem Tisch in der Mitte des Atriums. Mit einem Tritt flogen Teller und Platten scheppernd zu Boden und auf dem Tisch, vor den Augen seiner Gäste begann er mit der Kurtisane das zu treiben, wofür sie bezahlt wurde. Syrus, ein alter Saufkumpan, der niemals jemandem einen Auftritt gönnen konnte, bemächtigte sich eines anderen Mädchens und tat es ihm nach. Als sie fertig waren tauschten sie die Partnerinnen und begannen unter den anfeuernden Rufen der Gäste nochmals von vorne.
In den frühen Morgenstunden war Lucius neben Metrobius auf ein Sofa gesunken. Langsam fielen sogar ihm die Augen zu und wie von weitem hörte er die Stimme seines ehemaligen Liebhabers.
„Nun, Lucius, verrate mir doch mal, wie das ganze Spiel weitergehen soll. Morgen wird das Los entscheiden, welcher Magistrat dich im nächsten Jahr unter seine Fittiche nehmen soll. Welcher Ädil oder Prätor wird sich wohl über einen Helfer wie dich freuen?“
„Ach Metrobius, ich glaubte heute doch schon deutlich genug gesagt zu haben, dass Fortuna nicht meine Schutzpatronin ist. Wie sollte ich mich bei meinen weiteren Planungen denn auf ihren Beistand verlassen? Nein, meine Entscheidung ist gefallen, und alle notwendigen Schritte sind eingeleitet, so dass mich das Los morgen meinem alten Freund Metellus zuweisen wird. Ich werde mein Bündel schnüren und nach Numidien gehen. Hier in Rom würde ich doch niemals eine offene Tür finden, und die Witzfigur für den Stadtadel abzugeben, dafür bin ich mir zu schade. Außerdem braucht Metellus nun jede Unterstützung, nachdem ihn dieser Dreckskerl Marius nicht nur im Stich gelassen hat, sondern auch noch versucht, von Rom aus seinen Ruf zu ruinieren.“
Metrobius nahm einen Schluck Wein.
„Ich glaube, dass du ein wenig zu unbedeutend bist, um hier irgendetwas ändern zu können.“
„Das glaube ich nicht. Wer hätte vor ein paar Jahren darauf gewettet, dass ich eines Tages Prätor sein würde? Jetzt aber muss ich einen Schritt weiter gehen. Ich wäre nicht der Erste, der sich in der Schlacht von alten Fehlern reinwäscht und als ein ganz anderer angesehen wird als in seinem alten Leben. Erst wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, werde ich mich den Aufgaben in Rom selbst zuwenden.“
Metrobius schüttelte den Kopf.
„Und was, wenn du verwundet wirst? Du könntest auch sterben.“
„Was wenn...? was wenn...? Dann hoffe ich, dass es schnell geht und dass Venus mich im Jenseits begrüßt.“
In einem anderen Stadthaus viele Straßen weiter war die Atmosphäre bei weitem nicht so entspannt. Marius konnte sich über seinen Sieg noch lange nicht freuen, denn er befand sich erst auf halber Strecke in der Verwirklichung seiner Pläne. Er stand an dem Zedernholztisch, den er für seine Schlachtaufstellungen verwendete, und ringsum standen seine engsten Mitstreiter. Obwohl Becher mit verdünntem Wein herumgereicht wurden, war die Stimmung gedrückt. Marius lächelte verkniffen.
„Die Position des zweiten Konsuls ist ein schöner Erfolg, und ich möchte mich bei euch allen für eure Unterstützung bedanken. Dennoch wisst ihr genauso gut wie ich, dass unser eigentliches Ziel nicht erreicht wurde. Der Senat hat es abgelehnt Metellus den Oberbefehl in Numidien zu entziehen und auf mich zu übertragen. Genau das aber erwarten die Männer, die uns zu unserem Sieg verholfen haben. Sie haben viel Geld in unsere Sache investiert und rechnen fest damit, dass wir ihnen Numidien als römische Provinz zurückbringen, damit sie ihre Verluste über Steuereinnahmen und Geschäfte ausgleichen können. Wenn uns das nicht gelingt, sind wir diese Unterstützer ein für alle mal los. Noch schlimmer wäre es allerdings, wenn Metellus doch noch Erfolg hätte und sich den Sieg zuschreiben könnte. Das würde das endgültige Aus für uns alle bedeuten, und die Aristokraten hätten wieder einmal geschafft, ihren Führungsanspruch zu untermauern...“ Memmius, einer der Volkstribunen unterbrach ihn.
„Es wurden bereits Schritte eingeleitet. Der Großteil meiner Freunde ist mit mir einer Meinung, dass es absolut notwendig ist die Volksversammlung einzuberufen um die Frage des Oberbefehls zur Abstimmung zu bringen. Unsere Chancen stehen nicht schlecht, aber um von einem sicheren Sieg ausgehen zu können, müssten noch mehr Mittel fließen.“ „Daran soll es nicht scheitern“, ließ sich Valerius, ein ehemaliger Steuerpächter der numidischen Provinz vernehmen. „Meine Freunde und ich sind uns klar darüber, dass man alle Reserven mobilisieren sollte um den Sieg unserer Seite zu ermöglichen. Wir sind bereit, weitere dreihunderttausend Sesterzen vorzustrecken, um ein sicheres Ergebnis der Volksabstimmung zu gewährleisten.“
Marius hob seinen Becher.
„Dann wollen wir hoffen, dass unsere gemeinsamen Anstrengungen zum Erfolg führen. Wenn ihr mir zum Oberbefehl verhelft, verhelfe ich euch zu Numidien.“
Am nächsten Tag fand die Verlosung der niedrigen Beamtenstellen statt. Lucius zog das Los eines Offiziers in Numidien; man beglückwünschte ihn allgemein und war froh ihn nicht in Rom haben zu müssen. Die anderen frisch gewählten Quästoren allerdings neideten ihm sein Glück nicht wenig, da hier finanzieller Gewinn und Ruhm winkten, während sie selbst sich das nächste Jahr mit irgendwelchen Verwaltungsaufgaben herumzuschlagen hatten. Doch Ärger oder Freude währte nicht lange, zu aufregend war das, was sich kurz darauf herumsprach: die Volksversammlung war einberufen worden und hatte Metellus den Oberbefehl über die Truppen in Numidien aberkannt. Der neue Befehlshaber hieß Gaius Marius.
Lucius war außer sich. Er wollte es nicht glauben, dass es diesem Emporkömmling geglückt sein sollte, den aufrechten Metellus, seinen Förderer und Beschützer, so zu verraten. Und jetzt musste Lucius diesem Mann auch noch zuarbeiten. Denn das Los hatte ihn ja nicht Metellus als Person zugeteilt, sondern dem Oberbefehlshaber der Truppen in Numidien. Zum ersten Mal, seit Lucius sein neues Leben begonnen hatte, blickte er mit wenig Zuversicht in die Zukunft.
Einige Tage später stand Marius wieder einmal an seinem bevorzugten Platz an einem schweren Zedernholztisch auf dessen Platte Sand gehäuft und eine Vielzahl von Steinchen aufgebaut waren. Doch Marius hatte heute keine Augen dafür, sondern ging die Listen mit den Namen seiner neuen Offiziere durch. Die dazugehörigen Männer standen in einigem Abstand vor ihm, ungefähr zwanzig an der Zahl, die in verschiedenen Rangstufen den Feldzug mit ihm zusammen leiten würden. Einige Korrekturen am Losverfahren hatten dafür gesorgt, dass es sich in erster Linie um Wunschkandidaten aus dem eigenen Lager handelte. Marius zeigte sich ganz als souveräner Anführer und fand für jeden ein persönliches Wort der Anerkennung oder des Ansporns, bis er auf den Namen Sulla stieß. Er blickte auf und fand schnell den Mann, den er hier zu allerletzt erwartet hatte: „Sulla? Jener Sulla, der im ganzen römischen Reich eine Berühmtheit ist?“
Die Reihe der Offiziere kam in Bewegung, das versprach amüsant zu werden, und man sah sich nach Lucius um.
„Ich glaube fast, wir hatten bereits einmal das Vergnügen einer persönlichen Begegnung, obwohl ich mir im Moment an keine Situation erinnern kann, in der sich unsere Wege gekreuzt haben könnten. Dein Betätigungsfeld unterscheidet sich doch ein wenig zu sehr von meiner Welt.“
Lucius war auf der Hut, keinesfalls durfte er sich vor den anderen Offizieren bloßstellen lassen. Doch Marius kannte seine Grenzen.
„Ich kann mir zwar nicht vorstellen, welche deiner Ruhmestaten dich für diesen Feldzug qualifizieren soll, doch man sagt ja, du wärst ein guter Reiter. Unglücklicherweise hat unsere Reiterei in den letzten Gefechten aufgrund der zweifelhaften Fähigkeiten des vorigen obersten Feldherrn stark gelitten. Wir werden also schweren Herzens auf deine Begleitung verzichten. Stattdessen wirst du dafür sorgen, dass unsere Kavallerie mit guten Pferden und Reitern aus dem Umland Roms verstärkt wird. Wenn du ausreichend Nachschub organisiert hast, kannst du nachkommen.“
Damit war Lucius militärische Karriere vorläufig beendet. Jeder andere hätte sich vor den Problemen, die sich hier auftürmten zurückgezogen. Lucius ursprünglicher Plan war perfekt gewesen. Er hätte versucht, im Umkreis des Metellus militärische Ehren auf sich zu versammeln. Sein Name wäre dann in einem Atemzug mit dem des meist respektierten Mannes der römischen Aristokratie genannt worden, und nichts hätte seinen zweifelhaften Ruf schneller vergessen gemacht. Er wusste, dass er sich auf die Unterstützung durch den alten Freund seines Vaters hätte verlassen können. Ohne ihn sichtbar vor den anderen zu bevorzugen, hätte er ihm Chancen verschafft und ihm geholfen, seine Vorzüge ins rechte Licht zusetzen.
Doch nun war alles ins Gegenteil verkehrt. Die Kluft zwischen ihm und Marius war nicht nur eine gesellschaftliche, eine zwischen einem Aufsteiger und einem Angehörigen des alten Stadtadels. Die Kluft zwischen ihnen entsprach der Spaltung der politischen Welt in Optimaten und Popularen. Die Optimaten waren die Verfechter der Senatsherrschaft und versuchten damit die Macht im Wesentlichen in den Händen der Patrizier zu halten. Die Popularen dagegen waren diejenigen Angehörigen des Senats, zumeist aus der Ritterschaft, die die Interessen des Plebs vertraten - soweit es ihnen nützlich erschien und sie damit die Massen für ihre Ziele instrumentalisieren konnten. Die ersten schweren Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen hatten vor dreißig Jahren durch die Reformversuche des Gracchus zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt, und in der unmittelbaren Vergangenheit hatten die Bestechungsskandale um Jugurtha für neue Krisen gesorgt. Ohne dass Lucius bisher politische Aktivitäten entfaltet hätte, befand er sich aufgrund seiner Herkunft und seiner Freundschaft zu Metellus zwangsläufig im Lager der Optimaten. Der Ritter Marius hatte sich zwar von einem Optimaten fördern lassen, hatte sich dann aber über seine Loyalitätspflicht hinweggesetzt und seine Karriere unter den Popularen fortgesetzt. Lucius wusste, dass man in den Reihen der Popularen noch nicht vergessen hatte, dass Marius auch schon einmal bei den politischen Gegnern untergekommen war, und so musste dieser in Zukunft jeden Anschein der Optimatenfreundlichkeit vermeiden, um seine neuen Freunde nicht zu verärgern. Ein ganzes Bündel an Gründen, Lucius jegliche Möglichkeit zur Profilierung vorzuenthalten. Doch Lucius schwor sich, einen Weg zu finden, Marius seinen Verrat an Metellus heimzuzahlen. Zunächst aber war er mit der wenig heldenhaften Aufgabe betraut, Pferde und Reiter auszuheben um sie den Truppen in Nordafrika zuzuführen.
Mit einer wenig glanzvollen Begleitung von zweihundert Mann machte Lucius sich eine Woche später auf den Weg nach Kampanien um dort Gestüte zu besuchen. Die Versuche der Gutsherren, ihm die minderwertigen Tiere anzudrehen, scheiterten kläglich. Mit Pferden kannte er sich aus. Nur die besten und ausdauerndsten Pferde sortierte er aus, um sie auf die Galeeren nach Numidien bringen zu lassen. Hin und wieder boten sich ihm auch komplette italische Reiterverbände als Verbündete an, die vollständig bewaffnet und beritten unter römischem Befehl nach Neapel gebracht wurden. Lucius schlechte Stimmung wurde noch weiter gereizt durch den ländlichen Akzent dieser Hilfstruppen, die übertrieben prächtigen Rüstungen und ihre Angewohnheit sich in der Öffentlichkeit das Schamhaar abzurasieren. Mit missgelaunter Energie stürzte er sich in seine Aufgabe, und erst nach und nach konnte er zu seiner Rolle als souveräner und gelassener Anführer finden. War man ihm anfangs ausgewichen, so gut es ging, um seinen Zorn nicht zu erregen, so hatte er es irgendwann geschafft, die Legionäre seines Kommandos für sich einzunehmen. Es fiel ihm nicht schwer, sich auf ihre Sprache und ihren Sinn für Humor einzustellen und sie mit kleinen Gefälligkeiten an sich zu binden. Bald galt er als Anführer mit einem offenen Ohr für die Nöte und Sorgen seiner Soldaten, und ohne es überprüft zu haben, war sich jeder seiner Legionäre sicher, dass er sich auf den Offizier Sulla verlassen konnte.
Unerwartet schnell, nämlich kaum drei Monate später, hatte er die geforderte Anzahl an Pferden und Reitern ausgehoben, und mit der letzten abgehenden Galeere schiffte er sich selbst nach Numidien ein. Das Wetter auf der Überfahrt war ruhig. Dennoch war die Reise in der Enge des Schiffs eine Tortur, Rudersklaven, Pferde, Matrosen und Soldaten drängten sich auf dem engen Raum. Die Sonne brannte auf das Deck, und der Gestank nach Schweiß und Pferd war bald kaum noch auszuhalten. Zwei Tiere krepierten und wurden über Bord geworfen, wo die Kadaver von Haien zerfetzt wurden. Eine Durchfallerkrankung machte die Runde, und die, die es erwischt hatte, saßen den ganzen Tag auf der Reling und schissen ins Meer.
Ein junger Zenturio empfing sie, als sie nach vier Tagen Überfahrt in einem schäbigen Hafen an der Nordküste Afrikas anlegten. Er begrüßte Lucius respektvoll und bot ihm an, ihn in ein Bad zu führen. Lucius war dieses rasch erfolgte Angebot ein wenig peinlich, doch gab es nichts, was ihm hätte lieber sein können, und so schwitzte er in der folgenden Stunde in den Schwaden des kleinen Hammam den ganzen Dreck der Galeere aus. Ein schwarzer Gehilfe rieb seine Haut mit Sand und einem Handschuh aus grober Wolle, bis sie einen Ton heller und merklich dünner geworden war und knetete ihn anschließend mit Olivenöl durch. Lucius wusste, dass der Zenturio draußen auf ihn wartete, doch als man ihn gestützt wie einen Kranken in einen Ruheraum brachte um ihn auf einen Diwan zu betten, schlief er auf der Stelle ein.
Eine Stunde später erwachte er erfrischt, hatte aber Mühe sich zurecht zu finden. Er kleidete sich an und ging zusammen mit dem Zenturio in die Karavanserei, die die Römer als ihr Quartier besetzt hatten. Hier fanden sich die Pferde und Reiter der letzten drei Transporte sowie eine kleine Einheit der Haupttruppe unter der Führung seines Begleiters. Im Hof des Gebäudes waren einige Teppiche ausgebreitet, wo sie nach Landessitte ihr Abendessen serviert bekamen. Gekochte Stücke von Hammel schwammen in einem See aus Öl und Hammelfett, umgeben von einem Ring aus Grütze. Das Ganze war lauwarm, wodurch sich das Fett an den Rändern zu weißlichen Schollen verfestigte. Man musste sehr hungrig sein, um das Mahl genießen zu können. Lucius, an die feinste und eleganteste Küche Roms gewöhnt, hatte Schwierigkeiten seinen Ekel zu überwinden. Der Zenturio schien seine Probleme nicht zu bemerken sondern formte kleine Bällchen aus Gries und Fleisch, tauchte sie in Fett und schnippte sie sich in den Mund, wobei es ihm dank seiner Geschicklichkeit gelang, innerhalb kürzester Zeit eine beachtliche Menge zu verzehren. Währenddessen fand er auch noch Gelegenheit Lucius über die Vorgänge im vergangenen Vierteljahr zu informieren.
„Jugurtha hat natürlich vom Wechsel in der Führung der römischen Truppen erfahren und sich daraufhin für eine abwartende Haltung entschieden.“
Ein ordentliches Bällchen verschwand im Mund des Zenturio. Kauend fuhr er fort: „Seit wir hier angelangt sind, sind uns die gegnerischen Truppen ausgewichen. Wir haben zwar immer wieder Informationen über ihre Verstecke, aber es kam bisher noch zu keiner Auseinandersetzung.“
Luicus drehte nachdenklich eine Kugel aus den Resten der Grütze, hielt zögernd inne und legte sie dann an den Rand des Tellers.
„Und was plant Marius?“
Der Zenturio griff den Happen und sah Lucius fragend an. Der machte eine einladende Handbewegung, und der Bissen folgte seinem Vorgänger in den Mund des Zenturio.
„Das weiß im Moment noch niemand so genau. Wir erhalten nur teilweise Einblick in die Lage und in die Pläne. Marius lässt die Truppen am Rande der Wüste zusammenziehen. Dorthin werden wir morgen auch reiten. Soweit ich informiert bin, gibt es dann eine Lagebesprechung. Du als Offizier wirst also aus erster Hand erfahren, wie es weitergehen soll.“
Noch vor Morgengrauen machten sie sich am nächsten Tag auf den Weg, um die kühlen Stunden des frühen Morgens zu nutzen. Es war empfindlich kalt, und das Licht des Mondes beleuchtete den Weg, der sie von der Stadt weg in ein ödes Gebiet weiter landeinwärts führte. Der Boden war mit Schotter und Geröll bedeckt, so dass die Pferde größte Mühe hatten voran zu kommen. Langsam wurden die Brocken kleiner, doch erst bei Tagesanbruch waren sie in ein Gebiet vorgedrungen, in dem der Boden mit einer dünnen Schicht feinen, fliegenden Sandes bedeckt war. Der Wind trieb den Staub vor sich her und verwischte die Spuren der Pferde, die voran gingen, so dass bereits die dritten oder vierten nach ihnen sie nicht mehr ausmachen konnten. Der Wind und der feine Staub brannten unter den Lidern, das grelle Licht der Sonne wurde von dem weißen Sand zurückgeworfen und stach in den Augen. Lucius spürte bald nur noch ein Brennen, die Tränen liefen ihm salzig über die Wangen, und er konnte kaum noch sehen. In der Karavanserei hatten die Männer Tücher nach Art der Eingeborenen gekauft, die sie sich um Kopf und Hals wickelten, bis nur noch ein schmaler Schlitz die Augen freiließ. Damit konnten sie zwar die Augen ein wenig schützen, gegen die mörderische Hitze aber gab es kein Mittel. Die Sonne brannte auf ihre Köpfe, und der helle Boden warf die Glut in Wellen von unten zurück. An einem Dornengestrüpp hielten sie an um zu rasten. Nachdem sie ihren Proviant verzehrt hatten, breiteten sie die Mäntel über die Büsche, um Schatten für die Mittagsruhe zu bekommen. Doch kaum waren sie ein wenig eingenickt, war der kleine Fleck Schatten auch schon weitergewandert und hatte der sengenden Sonne wieder das Feld überlassen. Verärgert wachten sie auf und rutschten dem bisschen Schutz hinterher, bis sie am späten Nachmittag aufbrachen, um den Rest des Tages weiter zu reiten. Als die Sonne unterging, rasteten sie erneut. Sie verzichteten darauf ein Feuer anzufachen, um keine Kundschafter der Feinde auf sich aufmerksam zu machen sondern hüllten sich zum Schutz gegen die nächtliche Kälte in ihre Mäntel. Lucius legte sich in eine flache Kuhle im Sand und versuchte alle Gedanken an Schlangen und Skorpione zu verbannen.
Das Quartier der römischen Truppen erreichten sie, bevor die Sonne am nächsten Tag ihre volle Kraft entfaltet hatte.
Eine ausreichend ergiebige Quelle bildete das Zentrum des Lagers, in dem sich Tausende von Fußsoldaten und eine inzwischen wieder beachtliche Reiterei drängten. Nachdem sie die Zelte aufgeschlagen hatten, begab sich Lucius in das Hauptquartier. Dieselben Offiziere wie in Rom standen an den Rändern des Raumes und unterhielten sich mit anderen, die Lucius nicht kannte, die aber wohl schon seit längerem an diesem Feldzug teilnahmen. Die Gruppen hatten sich scheinbar zwanglos zusammengefunden und plauderten in halblautem Ton. Niemand nahm Notiz von ihm, alle anderen schienen sich zu kennen und zu schätzen. Lucius stellte sich an eine Ecke nahe dem Ausgang und versuchte die Gruppen einzuordnen. Die strebsamen Aufsteiger, die lockeren Freigeister und die alten Hasen, die nichts aus der Ruhe bringen konnte, hatten sich zusammengefunden und stellten Mutmaßungen über das weitere Vorgehen in diesem Feldzug an. Jeder entwarf seine Theorien mit dem größten Selbstbewusstsein und war sich sicher, dass seine Einschätzung die letztlich richtige sein würde. Die Gespräche verstummten abrupt, als eine Plane an der Rückseite des Zeltes zurückgeschlagen wurde und Marius gefolgt von seinen beiden Adjutanten das Zelt betrat. Die Gruppen verloren wie durch Zauberei ihren inneren Zusammenhalt, weil die einzelnen Personen versuchten, eine gute Position für die folgende Besprechung einzunehmen. Das heißt, sie versuchten sich möglichst vorne im Blickfeld des Kommandeurs zu platzieren.
Lucius fühlte sich völlig isoliert und ungewohnt befangen. Er zog es vor, sich an seinem Platz am Ausgang zu verschanzen um alles Weitere aus sicherer Entfernung zu beobachten. Die Bewegungen der Offiziere kamen in dem Moment zum Stillstand, als Marius den Zedernholztisch erreicht hatte und seine beiden Gefolgsleute sich rechts und links von ihm aufgepflanzt hatten. Marius schwieg einen Moment, bis alle gespannt auf ihn blickten. Während er sprach, hingen die Männer an seinen Lippen, so dass man eine Nadel hätte fallen hören können. Lucius war völlig überrascht, denn mit Marius schien eine komplette Wandlung vorgegangen zu sein. Alles Unsichere und Arrogante war von ihm abgefallen, wodurch er eine Souveränität ausstrahlte, die man in Rom nicht einmal hatte vermuten können. Er schien sich seiner Autorität und seiner Kompetenz vollkommen sicher und wirkte dabei auch noch völlig entspannt. Lucius konnte sich erst nach einigen Sekunden auf den Inhalt der Worte dieses Mannes konzentrieren, der ihm hier zum ersten Male wirklich bemerkenswert vorkam.
„Heute habe ich euch hier zusammengerufen, um das weitere Vorgehen in diesem Feldzug zu klären. Jugurtha versucht, uns hinzuhalten und unsere Vorstöße ins Leere laufen zu lassen. Trotz aller Bemühungen unserer Späher konnten wir keinen Anhaltspunkt für seinen Aufenthalt und den seiner Hauptkontingente erhalten. Wir haben uns daher entschlossen, einen Angriff zu beginnen, der ihn aus seiner Deckung locken muss.“
Marius machte eine kurze Pause, niemand wagt eine Bewegung.
„Vor sechs Jahren wurde die Stadt Cirta zum Symbol des Versagens der römischen Führung. Römer und Italiker wurden hier zusammen mit Einheimischen hingemetzelt und die Stadt dadurch zu einer Schande für Rom und die römische Armee. Auch wenn wir nicht wissen, wo die Mehrheit des jugurthinischen Heeres sich befindet, so wissen wir doch, dass sich die Stadt Cirta in ein wichtiges Lager der aufständischen Truppen verwandelt hat. Darüber hinaus ist die Stadt an einem strategisch ausgesprochen günstigen Punkt angelegt, sie befindet sich auf einem Hochplateau, an dem sämtliche Wege zwischen Küste und Hinterland vorbeiführen.“
Marius deutete auf den Tisch, auf dem mit Sand die Umgebung nachgebildet war.
„In weniger kriegerischen Zeiten ist Cirta der Hauptumschlagsplatz für den Warenhandel; unter strategischen Gesichtspunkten profitiert sie von ihrer erhöhten Lage, die eine Einnahme stark erschwert. Diese Stadt zu halten, stellt für Jugurtha eine Frage des Prestiges dar, und so befinden sich hier nur ausgesuchte Kämpfer und Truppeneinheiten. Cirta selbst ist durch den Einfall vor sechs Jahren und die nachfolgenden Plünderungen vollständig verwüstet, was eine Versorgung aus der näheren Umgebung völlig unmöglich macht. Die Truppen sind auf ununterbrochenen Nachschub aus dem Umland angewiesen. Wenn es uns gelingt, diesen durch eine Belagerung zu unterbinden, wird Jugurtha zum Handeln gezwungen. Er kann es sich nicht leisten, die Kampfkraft seiner Elitetruppen durch längere Perioden des Hungers zu schwächen. Der einzige Spielraum, der ihm dann bleibt ist, den genauen Zeitpunkt des Angriffs festzulegen, doch ich bin sicher, dass wir gerüstet sein werden. Vor Cirta bietet sich uns nicht nur die Gelegenheit Jugurtha zu provozieren, sondern auch die Schmach abzuwaschen, die die Ehre Roms befleckt.“
Ein Raunen des Beifalls ging durch den Raum. Mit Erleichterung nahmen die Offiziere den Plan zur Kenntnis, alle waren durch den Schwebezustand der vergangenen Monate angespannt, so dass der Plan, eine Schlacht herbeizuführen, allgemein begrüßt wurde. Marius wartete einen Moment und hob dann die Hand zum Zeichen, dass er noch etwas zu sagen hatte. Sofort trat Stille ein.
„Bevor wir uns mit den genauen Schritten befassen, die für die Belagerung Cirtas nötig werden, möchte ich allen hier versammelten meinen Dank aussprechen für die Leistungen, die sie bisher vollbracht haben. Jeder der hier Anwesenden hat die Erwartungen, die ich an meine Offiziere stelle, bisher in vollem Umfang erfüllt, weshalb ich mir sicher bin, dass jeder auf seinem Posten sein wird, wenn die Reihe an ihn und seine Männer kommt. Eine besondere Freude ist es mir heute aber, einen Mann begrüßen zu dürfen, dessen Einsatz das übliche Maß mehr als überschritten hat und dessen unermüdliches Wirken dazu geführt hat, dass unsere Reiterei heute den Truppen Jugurthas wieder ebenbürtig sein dürfte. Ich begrüße ihn hier und heute als den neuen Kommandeur der Kavallerie.“
Er deutete zum Eingang. Lucius drehte sich suchend um. „Tritt doch näher, Sulla!“
Die Köpfe der Versammelten wandten sich ihm wie an Fäden gezogen zu. Die Offiziere waren genauso überrascht wie Lucius selbst, der glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Er war sich sicher gewesen, dass er von einem Hilfsposten zum nächsten hetzen würde und nur gegen erbitterten Widerstand die eine oder andere verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen könnte. Und jetzt war er zum Kommandierenden der Kavallerie befördert worden. Leicht benommen trat er an den Tisch und wurde von Marius mit Handschlag begrüßt. Die Blicke der übrigen bohrten sich in seinen Rücken.
Die nächsten Tage erlebte er wie in einem Trancezustand. Er war überwältigt von dem Vertrauen, das Marius in ihn setzte, und der Wunsch sich würdig zu erweisen, war übermächtig. Seine Freude und sein Stolz übertrugen sich auf seine Untergebenen. Obwohl sie ihn schon zuvor akzeptiert hatten, gelang es Lucius,, sie in den folgenden Tagen völlig für sich einzunehmen. Er schien überall zugleich zu sein, nichts entging seinem Blick. Er war sich nicht zu schade, selbst Hand anzulegen, wenn das Lager aufzuschlagen war, und seine Fähigkeit die störrischsten Pferde zur Raison zu bringen wurde von allen bewundert.
Nachdem die Euphorie der ersten Stunden abgeklungen war, meldeten sich in ihm allerdings Zweifel; er war sich seiner Unerfahrenheit nur zu bewusst. Um genau zu sein, hatte er absolut keine Ahnung, was in den kommenden Gefechten von ihm erwartet werden würde. Natürlich konnte er seine Offizierskollegen nicht direkt um Rat fragen, ohne sich völlig bloßzustellen. Daher versuchte er immer wieder mit kundiger Miene das Gespräch auf strategische Überlegungen zu bringen um sich aus den so gesammelten Bruchstücken ein Bild zu machen. Er war höchst erleichtert, dass die Aufstellung der Truppen und der Zeitpunkt des Losschlagens ganz im Ermessen des Oberkommandierenden bleiben würden. Er musste erst einmal nur dafür sorgen, dass das Signal sicher und unverzüglich an seine Einheiten weitergehen würde. Die nächsten Minuten wären dann sowieso außerhalb jeder menschlichen Kontrolle, erst wenn sich an einigen Stellen des Schlachtfeldes ein Ungleichgewicht herauskristallisieren würde, wäre für ihn wieder der Zeitpunkt zum Eingreifen gekommen. Seine Aufgabe wäre es dann, Truppenteile an die umkämpften Punkte umzuleiten. Lucius tröstete sich mit dem Gedanken, dass es wohl wenige Möglichkeiten gab, sich auf diese Situation vorzubereiten. Er zog es vor, auf seine Intuition zu vertrauen und Venus ein Opfer zu versprechen.
Schon eine Woche später sollte Lucius den Schutz der Göttin dringend benötigen. Seit vier Tagen lagen sie bereits in der Ebene vor der Stadt Cirta. Ein scharfer Wind hatte eingesetzt und blies den leichten Sand vor sich her. Die Gesichter der Männer waren von einer feinen Schicht Staub verkrustet, die Augen waren trocken und entzündet. Die Pferde standen gesattelt unter provisorischen Unterständen, die ein wenig Schutz vor der sengenden Sonne boten. Sie hatten es geschafft, die Stadt von drei Seiten her zu umstellen und warteten nun auf den Ausfall, den die Truppen Jugurthas früher oder später wagen mussten. Von den Einheiten aus westlicher Richtung war bereits ein kleineres Scharmützel mit einem Versorgungstross gemeldet worden, doch gab es keinen Hinweis darauf, wann und wo der Angriff aus der Stadt zu erwarten war.
Lucius stand mit der Mehrheit der Reiterei südlich von Cirta, wo sich eine weite Ebene erstreckte. Nur auf diesem Gelände konnten die Reiter ihre Schlagkraft entfalten, und nur hier war deshalb ein Ausbruch der Kavallerie aus der Stadt zu erwarten. Die lange Untätigkeit und Unsicherheit wirkte zermürbend. An erholsamen Schlaf war nicht zu denken, und nicht nur die Soldaten in der Stadt hatten mit Nachschubproblemen zu kämpfen. Da sie davon ausgegangen waren, dass sie keine längere Belagerung vor sich hatten, hatte Marius nur wenige Truppenteile für die Organisation der Versorgung abgestellt und lieber jeden verfügbaren Mann vor Cirta positioniert. Wasser war an einigen Brunnen der Umgebung ausreichend zu bekommen, doch die Nahrungsmittel wurden schnell knapp. Sie würden keine weiteren drei Tage aushalten können, ohne einen Teil der Truppen für die Versorgung frei zu machen. Marius aber blieb bei seiner Entscheidung, er selbst war so anspruchslos, dass es fast den Eindruck machte, er käme ganz ohne Nahrung aus. Diese Haltung erwartete er auch von jedem seiner Soldaten.
In den frühen Morgenstunden des fünften Tages meldeten Späher eine Bewegung am Rande der halbzerstörten Stadtmauern. Die Reiter rannten zu ihren Pferden, die Fußsoldaten griffen zu den Waffen. Innerhalb von wenigen Minuten standen die Reihen so, wie Marius es festgelegt hatte. Lucius stand in der vordersten Front der Reiterei, den Offizier im Blick, der ihm Marius’ Zeichen zu Angriff weiterleiten würde. Seine rechte Hand umklammerte den Griff des Schwertes, mit der Linken hielt er die Zügel, den schweren Helm hatte er über das unvermeidliche Kopftuch gezogen.
Am östlichen Horizont erhob sich die Sonne in tiefem Rot. Jedes Steinchen, jede Welle des Bodens warf einen langen Schatten, was das Land in einen scharfen Wechsel von Hell und Dunkel tauchte. Lucius schien es einen Moment lang so, als wäre die Stadtmauer ein ganzes Stück weiter in die Ebene hineingerückt. Die Sonne stieg schnell, und ihr Licht gewann an Kraft. Er erkannte, dass die dunkle Masse, die er für Teile der Mauer gehalten hatte, eine riesige Schar Reiter aus der Stadt waren. Nun wusste er, weshalb der Ausfall sich so lange verzögert hatte: die Truppen Jugurthas hatten gewartet, bis sie in einer mondlosen Nacht unbemerkt auf die Ebene kommen und Aufstellung beziehen konnten. Aus dem Augenwinkel sah Lucius eine Bewegung des Unteroffiziers, die er für das Zeichen zum Angriff hielt. Er riss sein Schwert hoch, brüllte Unverständliches und galoppierte auf die unscharfe Masse numidischer Reiter zu. Ein Gebrüll aus Tausenden Kehlen antwortete ihm, und eine Schrecksekunde später starteten seine Gefolgsleute.
Als hätte er plötzlich die Fähigkeit bekommen, das Geschehen verlangsamt wahrzunehmen, erkannte Lucius Einzelheiten der auf ihn zudonnernden Gegner. Sie waren in blaue und weiße Umhänge gehüllt und schwangen Schwerter, die länger waren als die römischen Waffen. Ihre Pferde waren nicht allzu groß, aber kräftig und schnell. Lucius wusste nicht, in welchem Abstand ihm seine Reiterei folgte, doch er hatte das deutliche Gefühl, dass er sich zu weit vorgewagt hatte, dass er völlig isoliert dem Ansturm entgegen ritt. Auf der Stadtmauer waren Bogenschützen aufgetaucht und ließen einen Hagel von Pfeilen auf die Ebene niedergehen. Jetzt erkannte Lucius, dass er sterben würde. In seiner Unerfahrenheit würde er in seinem ersten Gefecht niedergemacht werden, und die Hufe der kleinen Pferde würden seinen Körper in den Sand der Ebene stampfen. In derselben Sekunde wurde ihm nun der Grund für seine überraschende Bevorzugung klar: Marius hatte genau damit gerechnet. Er würde ihn loswerden und auch noch einen weitern Beweis aristokratischer Unfähigkeit in die Hand bekommen. Er lachte lauthals, als ihm das bewusst wurde. Im selben Moment hatte ihn der erste der gegnerischen Reiter erreicht. Die Schwerter trafen mit voller Wucht aufeinander, doch Lucius hatte das Gefühl für die Gefahr verloren. Ein Wutanfall hatte ihn gepackt, und jeder, der ihm in die Quere kam, war ihm als Ventil willkommen. Er schlug wild um sich, als könnte er damit einen ganz anderen Feind niedermachen, und doch wäre er dem erfahreneren Gegner unterlegen, wenn ihm nicht die Reiter aus den eigenen Reihen beigesprungen wären.
Obwohl seine Dummheit offensichtlich war, hatte sein wütender Angriff ein Beispiel gegeben, und die Gefahr, in die er sich begeben hatte, hatte den Mut der übrigen angestachelt. Keiner wollte hinter Lucius zurückstehen oder seinen Untergang zu verantworten haben. Die Männer stürzten sich auf die Reiter Jugurthas und achteten weniger auf ihre eigene Deckung als auf jede Blöße, die sich der Gegner gab. Bald war der Tumult völlig unbeherrschbar, und das Chaos wurde durch die ledigen Pferde, die versuchten, sich nach irgendeiner Richtung aus dem Gewühl zu befreien noch unübersichtlicher. So heftig der erste Angriff der jugurthinischen Truppen auch gewesen war, die römischen Reiter zeichneten sich durch größere Ausdauer aus, wodurch sie bald den Gegnern entscheidende Verluste beigebracht hatten. Nachdem die ersten heftigen Zusammenstöße ausgefochten waren, kämpfte die numidische Reiterei in der Defensive und konnte nur noch den Rückzug zu decken. Dadurch wurde der Raum frei für die Fußsoldaten, die nun in Richtung auf die Stadt vordringen konnten. Die Legionäre hoben die Schilde über die Köpfe um den Pfeilhagel abzuhalten und rannten durch den ungedeckten Raum der großen Ebene auf die Stadtmauer zu.
Die numidische Reiterei war geschlagen oder geflüchtet, es waren zu wenig Verteidiger in den Mauern zurückgeblieben um Cirta halten zu können. Der Widerstand, den die Römer zu überwinden hatten, war heftig, konnte aber nicht lange aufrechterhalten werden. Die Reste der Stadtmauern wurden geschleift, und die Legionäre drangen ein. Sie richteten ein Massaker unter den Besatzern an, doch zu plündern fanden sie nichts. Cirta war eine geisterhafte Ruine.
Vor den Toren der Stadt hatten sich die letzten numidischen Reiter vor den Verfolgern aus dem Staub gemacht. Es waren nur wenige Krieger, die entkamen, denn der Großteil der Kavallerie Jugurthas war in dieser Schlacht vernichtet worden. Die römischen Reiter brachen in ein Jubelgeheul aus, als sie erkannten, dass sie es gewesen waren, die die Schlacht um Cirta entschieden hatten. Sie sprangen von den Pferden und fielen sich in die Arme. Man drängte sich zu Lucius, den man ohne Ansehen seines Ranges scherzhaft als Hasardeur und Wahnsinnigen beschimpfte, wobei man ihm mit der Faust auf die Brust oder den Bizeps schlug. Andere nahmen ihn in ihrer Begeisterung kurz in den Schwitzkasten oder knufften ihm in den Bauch. Der Taumel nahm kein Ende, und irgendwann hoben sie ihn auf die Schultern und trugen ihn zurück ins Lager, wobei jeder versuchte, ihn zumindest einmal mit der Hand zu berühren. Er hatte nicht einmal einen Kratzer abbekommen.
Die folgenden Wochen erlebte Lucius in einem inneren Zwiespalt. Einerseits genoss er seine Popularität unter den Kavalleristen und nutzte jede Gelegenheit sich unter seine Leute zu mischen. Andererseits war er auf der Hut vor Marius. Die Eingebung, die er im Moment des Angriffs gehabt hatte, beschäftigte ihn, ständig suchte er im Verhalten seines Vorgesetzten nach Anzeichen der Ablehnung, ja des Verrats. Aber Marius war von gleich bleibendem Wohlwollen. Lucius’ Eindruck von seiner ersten Begegnung am Beginn dieses Feldzuges bestätigte sich jeden Tag aufs Neue. Marius war in seinem Element und im Vergleich zu dem Mann in Rom wie ausgewechselt. Sein Auftreten war immer selbstbewusst, er war entspannt und ruhig, und nichts schien seiner Aufmerksamkeit zu entgehen. Seine Entscheidungen waren intelligent und wurden schnell und sicher gefällt. Sein Verhalten Lucius gegenüber war ausgesprochen kollegial, verließ aber nie eine nüchterne und professionelle Ebene. Genau diese respektvoll-sachliche Haltung war es, die Lucius als eine besondere Wohltat empfand. Die Anerkennung, die er in Rom erhalten hatte, war immer mit einem Augenzwinkern einher gekommen, jeder meinte, ihm gegenüber auf seine amourösen Abenteuer und seinen Ruf als Lebemann anspielen zu dürfen, egal um welches Thema das Gespräch sich letztlich drehte. In diesem Kreis jedoch hatte sein Einsatz in der Schlacht sein bisheriges Leben aufgewogen, und niemand hätte es wagen dürfen ihm mit Kumpelhaftigkeit oder gar Herablassung zu begegnen, er hätte sofort die gesamte Legion gegen sich gehabt. Nach und nach rang Lucius sich zu der Einsicht durch, dass auch Marius keine Hintergedanken hegte und keine Fallen für ihn bereithielt, dass die politischen Zwistigkeiten Roms im Angesicht des Feindes ohne Bedeutung waren.
Zusammenhalt war auch bitter nötig. Sie hatten es geschafft, in einer zweiten Schlacht Jugurtha wiederum schwere Verluste zuzufügen und ihn mit seinen restlichen Truppen weiter ins Landesinnere zu treiben. Aber sie waren weit davon entfernt den Feldzug beenden zu können. Die Gegner waren in den Weiten des Landes verschwunden, und sie selbst waren gezwungen, ihre Truppen auseinander zu ziehen. Die Sicherung der Stadt Cirta, die bald nach ihrer Rückeroberung von den ersten wagemutigen Händlern aus Rom wiederaufgebaut wurde, benötigte eine große Anzahl an Soldaten. Außerdem mussten sie ihre Legionen über die ganze Strecke bis zum Meer verteilen um den Nachschub aufrecht zu erhalten. Sie hatte ursprünglich damit gerechnet, mit gering besetzten Posten die Verbindung gewährleisten zu können. Bald aber hatte Jugurtha, der ihre Schwachpunkte sofort erkannt hatte, begonnen die Posten anzugreifen, um sofort danach wieder in der Wüste zu verschwinden und einen weiteren Angriff vorzubereiten. Da niemand vorhersagen konnte, welchen Posten es als nächstes treffen würde, waren sie gezwungen, die Besatzung der einzelnen Lagern deutlich zu erhöhen, was wiederum ihre Schlagkraft an der Front verringerte. Obwohl die gegnerische Armee entscheidend geschwächt sein musste, konnte niemand vorhersagen, wie lange sie hier noch festgehalten wären. In der Zwischenzeit allerdings hatte Jugurtha die Möglichkeit neue Verbündete zu finden und seine Armeen wieder aufzufüllen.
Die Situation erschien völlig ausweglos, als eines Abends Späher eine Gruppe von Menschen und Kamelen in der Wüste meldeten. Sofort wurden Reiter ausgeschickt, um die Karawane anzuhalten und zu durchsuchen. Außer den üblichen Waffen der Männer wie Dolch und Schwert waren die Reisenden jedoch unbewaffnet, und da sie darüber hinaus in Begleitung ihrer Weiber, Kinder und Schafherden unterwegs waren, erlaubte man ihnen, ihre Zelte in der Nähe des Brunnens aufzustellen, der auch die römischen Truppen versorgte. Man hatte ein Auge auf die Gruppe, aber in den folgenden Tagen war keine verdächtige Handlung zu erkennen.
Am Morgen des dritten Tages ihrer unfreiwilligen Nachbarschaft meldeten die Wachen, dass eine Abordnung der Nomaden den Kommandeur zu sprechen wünschte. Die Morgenbesprechung war fast zu Ende, und so ließ Marius die beiden Männer ins Zelt bringen. Sie trugen bodenlange, staubige Gewänder, die wohl einmal weiß gewesen waren und hatten farbige Tücher um den Kopf gewunden. Die Waffen hatten sie auf Verlangen der Wache wenn auch widerwillig abgelegt. Die Offiziere hatten ihnen eine Gasse zu Marius Tisch freigemacht, doch die beiden blieben am Eingang stehen und hoben die Hände zu Gruß. Marius Stimmung befand sich bereits seit Tagen auf einem Tiefpunkt, weswegen er sich zu keinerlei übermäßigen Höflichkeiten hinreißen ließ, sondern die Besucher nur etwas barsch nach ihren Wünschen fragte. Lucius, der dicht neben dem Eingang stand, bemerkte den Schatten von Unmut, der über die Gesichter der beiden huschte, doch sie hatten sich schnell wieder in der Gewalt. Der Ältere verneigte sich fast übertrieben.
„Das Gesetz der Wüste verlangt, dass Freundschaft herrsche zwischen denen, die sich denselben Brunnen teilen, und so bitten wir den großen Anführer der römischen Befreier und seine Ratgeber um die Ehre, heute Abend unsere Gäste zu sein.“
Marius war deutlich anzumerken, wie ungelegen ihm diese Einladung kam, aber er wusste genug über die Gebräuche des Landes um abschätzen zu können, dass er sich mit einer Ablehnung zusätzliche erbitterte Feinde machen würde. Etwas zu knapp antwortete er: „Ihr werdet verstehen, dass nicht alle meine Ratgeber ihren Posten verlassen können, doch werde ich zusammen mit zehn meiner Männer heute Abend euer Gast sein. Seid bedankt.“
Die Besucher zogen sich schnell zurück, wonach Marius die noch verbliebenen Punkte der Tagesordnung abhandelte. Danach winkte er zehn seiner Offiziere aus der Gruppe, unter ihnen sein Legat Manlius und auch Lucius, und befahl ihnen, sich gegen Sonnenuntergang bereitzuhalten, um ihn zu den Nomaden zu begleiten.
Die Würde verlangte es, dass sie die kurze Strecke zum Lager ihr Gastgeber auf dem Pferd zurück legten, und so warteten Lucius und die anderen neun Offiziere beritten bei Sonnenuntergang vor dem Zelt auf Marius. Der erschien, sichtbar gereizt, aber immerhin im Parademantel, und schwang sich auf sein Ross, dann setzten sie sich in Bewegung. Am Rande des Lagers der Beduinen wurden sie von einigen Jugendlichen und einer Horde Schaulustiger empfangen. Die Knaben griffen die Halfter der Pferde, führten die Gäste in gemessenem Schritt zu einem Zelt, dessen Vorderfront zurückgeschlagen war und den Blick freigab auf den Innenraum, der mit sämtlichen Teppichen der Beduinen ausstaffiert war. Vor dem Prunkzelt warteten die beiden Männer, die die Einladung überbracht hatten, mit einer Gruppe der Älteren und der Kleidung nach zu urteilen angeseheneren Männer. In respektvollem Abstand lugten einige Kinder hinter Zelten hervor, und die allerkleinsten, die völlig nackt waren, kamen unsicher ein paar Schritte näher. Einige scharfe Rufe aus den umliegenden Zelten brachten sie allerdings schnell dazu wieder umzukehren um das Schauspiel aus sicherer Entfernung zu beobachten.
Unter vielen Verneigungen und blumenreichen Wendungen bat man die Gäste, es sich auf den Teppichen im Zelt bequem zu machen, und um die eintretende, etwas peinliche Stille zu beleben, wurde ein mausernder Falke herbeigeschleppt und von den Römern gebührend bewundert. Lucius beobachtete einen der Gastgeber, der in gar nicht so schlechtem Latein eine Geschichte von einer Heldentat des Vogels zu besten gab. Ohne genau auf den Inhalt der Erzählung zu achten, fielen Lucius die gemessenen Gesten auf, mit denen der Erzähler die Bedeutung des Gesagten unterstrich. Der Mann hatte gerade geendet, als eine Bewegung vor dem Zelt die Aufmerksamkeit auf sich zog. Begleitet von den bewundernden Ausrufen der versammelten Zuschauer brachten zwei Sklaven eine riesige flache Schale, die sie vor ihnen in den Sand stellten. Andere folgten ihnen mit dampfenden Kesseln voll gekochtem Hammel und Grütze. Vorsichtig schaufelten sie den Inhalt der Kessel in die Schale und kippten zum Abschluss die Brühe über die aufgetürmten Fleischstücke, bis sie über den Rand lief und im Sandboden versickerte. Nach diesem krönenden Effekt wurde die Schale vorsichtig angehoben und ins Zeltinnere getragen. Die Gastgeber baten ihre Gäste zuzulangen, doch die Römer zierten sich eine Weile anstandvoll. Erst nach mehreren Aufforderungen rutschten alle an den Rand der Schüssel und begannen mit dem Festmahl. Den ganz oben aufgetürmten Köpfen nach zu urteilen, hatte man zwei Hammel für die Schlemmerei geopfert. Zwischen den bleckenden Zähnen der gehäuteten Schädel hingen die Zungen aus den Mäulern, die Augen waren durch das Kochen milchig trübe. Da an der Stelle, an der Lucius saß nur Fleischstücke zu sehen waren, an denen noch Fetzen der haarigen Haut klebten, hielt er sich erst einmal an die Beilage und versuchte, wie seine Gastgeber saubere Bällchen aus der weichen Grütze zu drehen. Er beobachtete amüsiert die angewiderte Miene von Marius, der sich gerade noch so weit im Griff hatte, dass man ihm seinen Unmut nur ansah, wenn man ihn gut genug kannte. Als in der Soßenpfütze vor Lucius ein Stück Luftröhre mit einem Teil des Lungenflügels auftauchte, konnte er sich nicht beherrschen und reichte den Bissen mit großer Geste an seinen Kommandanten weiter. Beifälliges Gelächter der Speisenden quittierte den Witz, und es hätte nicht viel gefehlt, dass Marius ihm einen Knochen an den Kopf geworfen hätte. Die Stimmung wurde ausgelassener, langsam hatten alle große Schneisen in die Haufen vor ihnen geschlagen. Einer nach dem anderen bekundete schließlich vollkommen satt zu sein und ließ die rechte Hand über dem Rand der Schüssel hängen, um sie abtropfen zu lassen.
Schließlich verabschiedeten sich die Gäste, was das Signal für die Zuschauer des Gelages war, an die Schüssel drängen um sich einen Anteil an den Resten zu sichern.
Da man die Nomaden vielleicht einmal als Verbündete gebrauchen konnte, bedankte sich Marius artig und sprach für den folgenden Tag eine Gegeneinladung aus, die nach einigem hin und her doch sichtlich befriedigt angenommen wurde.
Am nächsten Tag wurden im Lager der Römer einige Legionäre abkommandiert, um die Vorbereitungen für die Einladung zu übernehmen. Man wollte nicht hinter den Beduinen zurückstehen und schlachtete drei Hammel um die Gäste ausreichend zu würdigen und zu beeindrucken. Das Zelt des Kommandeurs wurde mit einigen Offiziersmänteln geschmückt um die Ausstattung mit Teppichen zu ersetzen, und die Umgebung sollte durch einige Fackeln einen festlichen Anstrich bekommen.
Bei Sonnenuntergang hielten sich Lucius und einige der Offiziere am Rande des Lagers bereit, um die Abordnung aus dem Nomadendorf zu empfangen. Fünfzehn Soldaten standen bereit, um die Gäste nach ihrer Sitte zum Zelt zu führen. Doch die Überraschung war groß, als sich bei Einbruch der Dunkelheit lediglich zwei Reiter bei der Gruppe der Römer einfanden. Es waren die beiden Männer, die sie eingeladen hatten und die auch bei dem Bankett am Vorabend die Hauptpersonen gewesen waren. Die römischen Offiziere versuchten, sich ihre Verblüffung nicht anmerken zu lassen, begrüßten die beiden unter allen Ehrenbezeigungen und führten sie zu dem festlich geschmückten Zelt. Dort wartete Marius auf die Gäste. Als er sah, dass nur zwei der Nomaden ihre Einladung angenommen hatten, entließ er den Grossteil Offiziere mit einem Wink, so dass nur er und drei weitere Männer zur Bewirtung und Unterhaltung der Gäste übrig blieben, unter ihnen Lucius.
Das Festmahl fand in einer weniger aufgeräumten Stimmung als am Vorabend statt, und in der etwas angespannten Atmosphäre verging allen schnell der Appetit. Schon bald kapitulierten Gäste und Gastgeber vor den aufgetürmten Fleischbergen. Die Schüsseln wurden abgetragen, woraufhin eine unbehagliche Stille eintrat. Die beiden Beduinen wirkten an diesem Abend absolut nicht mehr einfach und bäuerlich. Vielmehr hatten die Römer den Eindruck, dass vor ihnen zwei ausgesprochen wachsame und überlegte Männer saßen. Lucius wurde nervös. Wer waren die beiden? Warum fiel ihm erst jetzt auf, dass das keine einfachen Nomaden waren? Was hatten sie vor? Der Ältere der beiden Nomaden machte endlich der unbehaglichen Stille ein Ende.
„Nun, da wir uns endlich in einer Gruppe befinden, in der man frei reden kann, ist es an der Zeit dem Feldherrn der Römer ein Gesuch zu unterbreiten.“
Er kramte in seinem weiten Ärmel und zog ein eingerolltes Pergament hervor.
„Bocchus, der König Mauretaniens, hat uns ausgesandt um Marius, den Anführer der Römer für ein Gespräch an seinen Hof zu bringen.“
Er reichte die Rolle an Marius, der sie aber nicht öffnete, sondern das Schriftstück wie gleichgültig zwischen den Fingern drehte. Die anwesenden Offiziere vermieden es sich anzusehen und blickten an die Decke oder starr vor sich hin. Lucius war wie vom Blitz getroffen. Bocchus war der wichtigste Verbündete Jugurthas im Kampf gegen die Römer und außerdem dessen Schwiegervater. Durch Spione war bekannt, dass die Truppen der Aufständischen immer wieder aus Mauretanien Verstärkung erhalten hatten und so auch nach verlustreichen Gefechten nach kurzer Zeit wieder handlungsfähig geworden waren. Dass dieser Bocchus nun an Rom herantrat, war fast unglaublich. Lucius studierte die Soßenreste, die sich unter seinen Fingernägeln festgesetzt hatten und betete, dass Marius sein Temperament im Zaum halten würde. Seine Gebete wurden erhört. Die Offiziere verbargen ihre Aufregung unter dem Schein gleichmütigen Interesses. Marius spielte den freundlich, aber nur mäßig Interessierten. Er legte die Rolle beiseite, kratzte sich am Kinn und sah dann die Botschafter nachdenklich an.
„König Bocchus war lange Zeit nicht gerade ein Freund Roms. Es erstaunt uns, dass er beginnt Vernunft anzunehmen und nun das Gespräch sucht.“
Der Wortführer der Beduinen lächelte verbindlich: „ Die Weisheit des Fürsten sucht Gespräch und Freundschaft, wo immer ein vernünftiger Mann zu finden ist. Man kennt Marius, den Anführer der Römer als einen Mann, mit dem zu reden ist.“
„So sehr ich die Ehre schätze, die mir Euer Fürst damit erweist, Ihr werdet verstehen, dass ich nicht für ein Gespräch zur Verfügung stehe.“
„König Bochus hat in seiner Weisheit auch damit gerechnet. Die Pflichten des Anführers sind seine Fessel. Doch jeder Mann hat Vertraute, die er an seiner statt senden kann. Auch du wirst vertrauenswürdige Männer haben, die in deinem Namen sprechen werden.“
Marius nickte gemessen. „Der Wunsch des berühmten Königs Bocchus ist auch für Rom ein Befehl. Ich werde heute Abend zwei meiner Offiziere auswählen und zu euch ins Lager schicken. Sie werden mit den nötigen Vollmachten ausgerüstet sein und euch nach Mauretanien begleiten.“ Lucius war stolz auf Marius. Wie elegant sich sein Feldherr ausdrücken konnte, wenn er sich Mühe gab. Der Unterhändler lächelte bei dieser Schmeichelei, fügte aber hinzu: „Bitte erlaubt, dass wir die beiden hier in deinem Lager abholen. Es wir uns eine Ehre sein, für die beiden Kleidung und Kamele mitzubringen. Auch in der Wüste gibt es Augen, die im Stande sind, einen Römer zu erkennen, und häufig ist es besser, gewisse Vorgänge erst einmal für sich zu behalten. Auch harmlose Beduinen schwatzen gerne am Feuer, doch nicht alle die zuhören, sind immer harmlos.“
Marius nickte; ihm und allen anderen Römern war klar, was das zu bedeuten hatte: das Ganze war ein hochgeheimer Spezialauftrag, der für die beiden in Frage kommenden Offiziere alles andere als ungefährlich war.
Die beiden Unterhändler erhoben sich, die Römer sprangen ebenfalls auf und waren bei aller Aufregung geistesgegenwärtig genug, die beiden mit ausgesuchter Höflichkeit aus dem Lager zu geleiten.
Kaum waren die Mauretanier außer Sichtweite, rief Marius sämtliche Offiziere zu einer außerordentlichen Besprechung in sein Zelt. Jetzt endlich konnten sie sich Luft machen und Mutmaßungen darüber anstellen, was sich hinter dem Ansinnen verbarg. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, verlangte Marius mit einer Handbewegung Ruhe.
„Wir werden nur dann erfahren, was Bocchus im Schilde führt, wenn wir ihm die geforderten Unterhändler schicken. Das Unternehmen ist riskant und mit hohem persönlichem Risiko verbunden. Wer auch immer die Aufgabe übernimmt, sollte wissen, dass er auf keine Unterstützung aus den Truppen mehr hoffen kann, wenn er erst in Wüstenkleidern auf einem Kamel sitzt. Ich werde deshalb auch keinen Mann ohne sein Einverständnis in dieses Abenteuer schicken. Wer bereit ist, dieses Wagnis einzugehen, der trete jetzt vor.“
Die Männer waren nicht ohne Grund Offiziere in Marius Truppen - alle Anwesenden traten den geforderten Schritt vor. Marius musste sich schon zuvor sicher gewesen sein, wen er schicken würde, denn ohne zu zögern gab er im selben Moment seine Wahl bekannt: „Manlius, du wirst die Verhandlungen führen, Sulla wird dich begleiten.“