Epilog

Seattle, neun Monate später

I

Westmores erster Kater seit fast vier Jahren erwies sich unzweifelhaft als der schlimmste seines ganzen Lebens. Warum trinken die Menschen?, fragte er sich. Als er vom Bett aufschaute, saß Debbie auf der altersschwachen Couch, futterte Kekse und sah fern. Sie trug einen Morgenmantel. Ihr schwangerer Bauch ruhte wie ein mächtiger Beutel auf ihrem Schoß. Noch im Halbschlaf streifte er sich ein T-Shirt über und angelte nach seinen Zigaretten. »Guten Morgen ... äh, ich meine, Mahlzeit.«

»Guten Abend wäre passender«, berichtigte sie ihn, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. Das kann nicht ihr Ernst sein. Er öffnete die Tür und trat hinaus. Hinter der schmalen Veranda ihres armseligen Zimmers prasselte der Regen von Seattle in all seiner Pracht herab. In keinem anderen Zimmer des Motels brannte Licht. Debbie und er schienen die einzigen Gäste zu sein. Tatsächlich war bereits der Abend angebrochen.

Du meine Güte, habe ich echt 24 Stunden lang im Bett gelegen? Das nenne ich mal einen Rausch ausschlafen!

Westmore fühlte sich unverantwortlich und nutzlos. Er musste Debbie doch beschützen. Und zwar so lange, bis ...

Er beobachtete, wie auf der regennassen Straße die Autos vorbeizogen. Die Schnellstraße lag nur 20 Meter von dem schäbigen Motel entfernt, in dem sie sich einquartiert hatten. Das schnelle, kratzige Zischen der Reifen half ihm zwar, den Kopf freizubekommen, Trost bot es jedoch wenig. Ich habe lange genug den Kopf in den Sand gesteckt, dachte er. Spätestens morgen wird sie das Kind zur Welt bringen.

Und was dann?

Westmore kannte die Antwort auf diese Frage bereits.

Lautes Hupen ertönte, als sich wenige Meter entfernt beinahe ein Unfall ereignete. Als ein Bus mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit vorbeirauschte, pflügten seine Reifen durch eine Pfütze und wirbelten einen gewaltigen, schwarzen Wasserschwall vom Asphalt auf.

Westmore ging wieder hinein und schloss die Tür hinter sich.

Eine ausgiebige Dusche brachte ihn wieder unter die Lebenden zurück. Trotzdem blickten ihm aus dem Spiegel blutunterlaufene Augen entgegen. Scheiße ... Westmore spielte mit dem Gedanken sich zu rasieren, verwarf die Idee jedoch, als er bemerkte, wie heftig seine Hände zitterten.

Schwere, getragene Pianomusik drang aus einem kleinen Uhrenradio auf der Fensterbank. Irgendwie fühlte er sich dadurch weniger wie ein Versager. Eigentlich hatte er ja nicht wirklich versagt, oder? Er war so weit gekommen und beschützte Debbie, so gut er konnte. Sein einziger Fehltritt war ein Rückfall gewesen. Könnte schlimmer sein, befand er.

Westmore wusste, dass er auf keinen Fall die Nerven verlieren durfte, wenn sie das Baby zur Welt brachte.

Seine frischen Klamotten hatte er mit ins Badezimmer genommen – er fühlte sich nach wie vor nicht wohl dabei, splitterfasernackt vor ihr herumzulaufen. In seinem verkaterten Zustand bedurfte es einiger Anstrengung, in die Hose zu schlüpfen. In dem schmalen Spalt zwischen Dusche und Waschbecken kippte er um ein Haar um. Seine Hose war noch nicht vollständig trocken; er fühlte, dass die Pistole noch in der feuchten Tasche steckte. Schließlich kämmte er sich die Haare, putzte sich die Zähne und gurgelte. Der nächste Blick in den Spiegel stimmte ihn deutlich optimistischer. Wenigstens sehe ich nicht mehr wie ein Toter aus.

Als die letzten Töne des Klavierkonzerts verklangen, verließ Westmore das Badezimmer ... und sah sich mit einer Pistole vor dem Gesicht konfrontiert.

»Setzen Sie sich.«

Westmore gehorchte. In der rechten Hand hielt Mack eine ziemlich große Knarre. In der Linken hielt er nichts ... denn er hatte weder eine linke Hand noch einen linken Arm. Narben von den Schrotkugeln eines Kaliber-12-Geschosses überzogen eine Hälfte seines Gesichts.

»Offenbar hat Clements Sie nur knapp verfehlt«, konstatierte Westmore.

»Belarius beschützt diejenigen, die sich vor ihm verneigen.« Mack grinste. »Heute ist eine ganz besondere Nacht.«

Debbie hockte mit schreckgeweiteten Augen auf dem Bett. Jemand leistete ihr auf der Matratze Gesellschaft.

»Denk gar nicht daran, abzuhauen, Herzchen«, sagte Vivica Hildreth. »Dir werden wir nichts antun. Bei deinem Freund, Mr. Westmore, sieht die Sache schon anders aus.«

Diamanten funkelten um den Hals der Millionärin, im v-förmigen Ausschnitt ihres Burberry-Regenmantels. Außerdem trug sie die ausgefallenen, mit Edelsteinen besetzten Flipflops, die sie schon an dem Tag getragen hatte, als Westmore sie in ihrem Penthouse kennenlernte. »Schön, Sie zu sehen, Mr. Westmore. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet, unseren kostbaren Schatz zu beschützen.«

»Debbie?« Dann sagte Westmore etwas zutiefst Albernes. »Sie müssen mich schon umbringen, um sie mitzunehmen.«

Sowohl Mack als auch Vivica lachten.

»Alles hat perfekt funktioniert.« Vivicas Augen funkelten im Einklang mit den Diamanten. »Und auf Ihre Weise haben Sie erheblich dazu beigetragen.«

»Wir sind Ihnen etwas schuldig«, meinte Mack nach wie vor grinsend.

»Und dasselbe gilt für unseren Herrn ...«

Westmore seufzte. »Wie haben Sie mich gefunden? Ich habe immer nur bar bezahlt, nie eine Kreditkarte benutzt, und wir haben nur in Absteigen übernachtet, in denen man beim Einchecken keinen Ausweis vorzeigen muss. Wir ziehen seit neun Monaten durchs ganze Land, ohne Spuren zu hinterlassen.«

»Tja, wie haben wir Sie gefunden?«, wiederholte Vivica die Frage gedehnt. Sie lächelte Mack an. »Zeig es ihm.«

Mack öffnete die Eingangstür und rief jemandem zu: »Komm rein.« Eine zarte Gestalt in dunkler Regenjacke betrat das Zimmer. Zuerst erkannte Westmore sie nicht.

»Cathleen?«

Ausdruckslose Augen musterten ihn. Sie wirkte abgemagert und das einst hellblonde Haar war strähnig und von grauen Schlieren durchzogen.

»Um Himmels willen, was ist mit Ihnen passiert?«

»Oh, wir haben sie mit Heroin für unsere Sache gewonnen«, antwortete Mack. Er schob einen ihrer Jackenärmel hoch, wodurch hässliche Ansammlungen von Nadeleinstichen zum Vorschein kamen. »Wir kontrollieren das kleine Miststück nach Belieben.«

Bei dieser Bemerkung schaute Cathleen auf. Verachtung trat in ihre stumpfen Augen.

»Weil wir gerade davon reden«, fuhr Mack fort. »Es ist fast an der Zeit für sie, sich einen weiteren Schuss zu setzen. Sie können gerne dabei zusehen, Westmore.«

»Sie ist von Natur aus eine suchtanfällige Persönlichkeit«, meldete sich Vivica zu Wort. »Abhängigkeit liegt ihr im Blut. Jetzt ist es eben Heroin statt Sex. Seit sie unter unserer Kontrolle steht, hat sie sich als recht nützlich erwiesen.«

»Mein Gott, Cathleen«, stieß Westmore stöhnend hervor. »Wie konnten Sie zulassen, dass die Ihnen das antun?«

»Es tut mir leid«, flüsterte Cathleen und senkte beschämt den Kopf.

»Sie ist ziemlich schnell umgekippt«, sagte Mack. »War ein Kinderspiel. Und außerdem hat sie einen tollen Knackarsch. Sie hätten die Gelegenheit nützen sollen, als Sie in der Villa in einem Raum übernachtet haben.«

Ein weiterer hasserfüllter Blick von Cathleen traf Mack.

»Sie haben immer noch nicht meine Frage beantwortet«, erinnerte ihn Westmore. »Wie haben Sie Debbie und mich gefunden?«

»Cathleen ist zwar berühmt für ihre Tricks beim Verbiegen von Löffeln, aber für uns waren ihre anderen Talente wesentlich praktischer«, erwiderte Vivica.

Westmore lächelte gequält. »Ich verstehe nicht ganz.«

»Sie ist nicht nur ein Medium, Mr. Westmore. Das wissen Sie. Und sie beherrscht auch nicht nur Telekinese und Wahrsagen.«

»Sie beherrscht Divination, Arschloch«, stellte Mack klar. »Sie kann mit ihren Gedanken Dinge aufspüren.«

Vivica schlug anmutig die Beine übereinander und fügte hinzu: »Das Heroin hat zerstört, was von ihren telekinetischen und medialen Kräften noch übrig war. Aber Cathleen kann immer noch in die Zukunft blicken. Wir haben sie einfach gezwungen, uns zu verraten, wo Sie sich am heutigen Tag aufhalten.« Die Frau streichelte Debbie auf eine Weise das Haar, die beinahe mütterlich anmutete. »Und heute Nacht holen wir unsere kostbare Debbie zurück – für das Wunder, dass Belarius und sie uns bescheren werden.« Ihr aristokratisches Gesicht richtete sich auf Westmore. »Zu schade, dass Sie nicht mehr am Leben sein werden, um die Geburt des Sohnes unseres Herrn mitzuerleben. Aber Sie werden in die Geschichte eingehen, Mr. Westmore – als Beschützer der ersten Mutter der Hölle, als Akoluth des Belarius und als Wegbereiter des ersten Kindes, das jemals in der Hölle gezeugt wurde.«

Westmore starrte sie nur an.

»Wir wussten schon vor einigen Tagen, dass Sie hier sein würden«, fuhr Vivica fort. »Kam es Ihnen nicht seltsam vor, dass niemand sonst in diesem Motel wohnt?«

»Ist mir gar nicht aufgefallen.«

»Wir haben hier jedes Zimmer außer Ihrem gebucht.«

»Warum?«

»Damit es niemand hört, wenn ich Ihnen das Gehirn wegpuste, Sie Genie«, erklärte Mack kichernd.

Westmores Schultern sackten herab. Was soll ich jetzt bloß tun? Das Einzige, was ihm blieb, war, Zeit zu schinden. »Kann ich wenigstens noch eine Zigarette rauchen?«

»Der letzte Wunsch des Verurteilten«, scherzte Vivica. »Selbstverständlich.«

»Aber erst«, schränkte Mack ein, »nachdem ich Ihnen Ihr Schießeisen abgenommen habe.« Damit fasste er in Westmores Tasche und holte den kleinen Revolver heraus. Er legte die Waffe auf der schäbigen Kommode ab. »So. Damit Sie auf keine dummen Gedanken kommen.«

Verdammt. Westmore zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief.

Cathleen sah ihn unverwandt an.

Was hat sie denn?, fragte er sich.

Sie vollführte mit den Augen eine unmerkliche Geste.

Westmores Erregung brodelte in seinen Eingeweiden wie ein Topf mit kochendem Wasser. Was wollte Cathleen ihm damit sagen? Als er die Asche der Zigarette in den Glasaschenbecher abklopfen wollte ...

Heilige Scheiße!

... schoss der Aschenbecher wie von einem Katapult abgefeuert quer durch den Raum. Bevor Mack begriff, was passierte, krachte ihm der Aschenbecher mit voller Wucht ins Gesicht. Eine abgerundete Glasecke traf ihn mitten ins Auge.

Macks Pistole fiel ihm aus der Hand. Westmore hechtete los.

»Du Miststück!«, brüllte Mack. Blut strömte aus einem Auge über sein Gesicht.

Vivica war aufgesprungen. »Verräterische Hure!«

»Debbie!«, schrie Westmore, als er auf Macks Pistole auf dem Boden zustürzte. »Hau sofort ab!«

Sie sprang wie befohlen vom Bett auf. Vivica kreischte und wollte sie packen, aber im selben Augenblick fixierte der Blick von Cathleen einen großen Spiegel über der Kommode. Er löste sich von der Wand und zerbarst über Vivicas Kopf. Die Frau fiel zu Boden.

Als Westmore die Hand nach der Pistole auf dem Teppich ausstreckte ...

»Auaaa!«

... stampfte ihm Mack heftig auf die Finger, bevor er die Waffe wegtrat. Dann hechteten beide gleichzeitig der Pistole hinterher.

Mack erreichte sie als Erster.

Er lag auf dem Bauch, hatte die Hand am Abzug.

»Cathleen!« Westmore deutete auf die andere Waffe, die auf der Kommode lag.

Die Pistole flog in seine Richtung. Aha, ihre telekinetischen Kräfte sind also zerstört, was?, dachte Westmore. Er fühlte sich herrlich, als er die Pistole aus der Luft auffing und Mack mit einem ohrenbetäubenden Knall ansatzlos in den Rücken schoss.

Mack sackte zusammen. »Sie Stück Scheiße«, stieß er mühsam hervor. »Man schießt einem Mann nicht in den Rücken.«

Westmore schoss ihm erneut in den Rücken ...

PENG!

... und dann noch einmal.

PENG!

Ein letzter Schuss zertrümmerte Macks Hinterkopf.

Dann dachte Westmore: Debbie ...

Er reichte Cathleen die Waffe. »Bewachen Sie Vivica! Ich hole Debbie.«

Das Weiß ihrer Augen war nach dem intensiven Einsatz der telekinetischen Kräfte von blutroten Adern durchzogen. Mack ergriff Westmores Handgelenk. »Sie ... werden es nicht schaffen ...«

Westmore riss sich von ihm los und rannte aus dem Motel.

Regen prasselte auf ihn ein. Wo ist sie? Der Lärm des Verkehrs auf der nassen Schnellstraße hörte sich für ihn ohrenbetäubend laut an. Dann entdeckte er sie, völlig durchnässt.

Sie stand unmittelbar am Rand der Schnellstraße.

»Debbie! Nicht!«

Sie drehte sich um und sah ihn an. Nackte Angst sprach aus ihren Augen.

»Bitte! Tu’s nicht!«, brüllte Westmore erneut durch den Regen.

Kraftlos stand sie da und hob unterbewusst eine Hand an ihren Bauch. »Ich muss. So oder so könnte ich es nicht ertragen, weiterzuleben.«

»Bring es zur Welt! Dann töte ich es!«

Der Regen hatte ihre Frisur in eine wirre Ansammlung schwarzer Strähnen verwandelt. Sie schüttelte den Kopf. »Das könnte ich mir niemals verzeihen.«

Die Wörter explodierten förmlich aus Westmores Kehle. »ES IST KEIN BABY!«

Debbie lächelte matt, drehte sich um und trat auf die Fahrbahn. Sofort wurde sie von einem Sattelzug erfasst, der mit fabrikneuen Luxuslimousinen beladen war. Dem Fahrer blieb nicht einmal Zeit zu hupen.

Nach einem flüchtigen Blick auf Deborah Rodenbaughs Körper, der von den mächtigen Rädern regelrecht zermatscht wurde, wandte sich Westmore ab.

Ich vermute, das war es, was sie von Anfang an wollte, dachte er, als er zurück ins Zimmer ging. Cathleen brauchte ihn nicht zu fragen. Sie gab ihm die Pistole zurück. Vivica lag immer noch ohnmächtig in der Ecke in einem Meer von Scherben.

»Es ist vorbei«, verkündete er.

Cathleen zögerte. »Haben Sie ... es gesehen?«

»Nein.«

Westmore hob den blutverschmierten Aschenbecher auf und zündete sich eine weitere Zigarette an. »Fahren wir nach Hause«, schlug er erschöpft vor.

Cathleen standen die Tränen in den Augen. »Ich bin völlig im Arsch, Westmore. Ich glaube nicht, dass ich es schaffe.«

»Blödsinn. Wenn Sie mit der Kraft Ihrer Gedanken Aschenbecher durch einen Raum schleudern können, dann kommen Sie auch von Drogen los. Ich kümmere mich um Sie.«

Cathleen schenkte ihm die Andeutung eines Lächelns.

»Aber was machen wir mit ihr?«, fragte er.

Vivica kam in der Ecke gerade zu sich. Ihre Augen funkelten, der Rest ihres Gesichts jedoch wirkte völlig gefasst. »Sie glauben, Sie haben gewonnen – aber das haben Sie nicht.«

»Ich würde Sie echt liebend gern umbringen«, sagte Westmore. »Sie sind ein abgrundtief böser Mensch. Sie sind eine Mörderin und eine kaltherzige, berechnende Schlampe.«

»So wie mein Ehemann bin ich eine unerschütterliche Dienerin des Belarius, Mr. Westmore. Und Sie haben diese Schlacht nicht gewonnen. Mack und Karen waren nicht meine einzigen Helfer. Es gibt noch viele weitere.«

Westmore fühlte sich unbeschreiblich müde. »Wovon reden Sie?« Dann überlegte er es sich anders. »Nein, halten Sie einfach die Klappe. Es interessiert mich einfach nicht.« Damit hob er die Pistole an und jagte Vivica eine Kugel in den Bauch.

Sowohl Westmore selbst als auch Cathleen zuckten beim Knall des Schusses zusammen.

Vivica krümmte sich kurz vornüber, dann gelang es ihr, sich noch einmal aufzurichten und ihm ein unerklärliches Lächeln zu schenken. Sie schüttelte den Kopf und presste erstickt hervor: »Ich werde im Tempel meines Herrn ewig leben.«

»Nein. Sie werden sterben, und zwar in einem lausigen kleinen Motel in Seattle ...« Westmore feuerte eine weitere Kugel in ihren Bauch. »Du meine Güte! Hoffentlich alarmieren die Nachbarn nicht die Polizei!«

Trotz allem gelang es Vivica noch immer, ihr Lächeln aufrechtzuerhalten, so blutig es auch sein mochte. »Belarius ... bring mich nach Hause ...«

»Noch etwas«, fügte Westmore in anklagendem Tonfall hinzu. Er starrte auf Vivicas Füße. »Diese Flipflops sehen absolut idiotisch aus ... aber ich wette, einem Juwelier dürften die Diamanten eine hübsche Stange Geld wert sein.«

Ein letzter Schuss schlug ein Loch in Vivicas Stirn.

Westmore zog ihr die Flipflops aus und löste die Edelsteine von den Riemen. Danach nahm er Vivicas Halskette, Ringe und Geldbörse sowie Macks Brieftasche an sich.

Cathleen wirkte schockiert. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie zu so etwas fähig sind.«

»Bin ich im Grunde auch nicht. Ich habe diesen ganzen Mist nur wirklich satt und will endlich nach Hause.« Er half ihr auf die Beine. »Kommen Sie, gehen wir zur Bushaltestelle.«

Die Leichen einfach zurückzulassen, würde keine Probleme verursachen. Er hatte beim Einchecken keinen Ausweis vorgezeigt. In Vivicas Geldbörse befand sich neben Kreditkarten reichlich Bargeld, in ihrem Mietwagen entdeckten sie ein weiteres Bündel Scheine.

Minuten später brausten Cathleen und er durch den Regen davon.

Die Scheibenwischer bewegten sich rhythmisch über die Windschutzscheibe. Cathleen lehnte den Kopf an Westmores Schulter.

»Mit einem hatte sie allerdings recht«, murmelte Cathleen.

»Womit?«

»Wir haben nicht wirklich gewonnen. Es gibt wirklich noch weitere Helfer in ihrem Zirkel. So ist es bei reichen Leuten immer. Sie befinden sich im Augenblick alle in der Villa.«

Westmore warf ihr im Licht des Armaturenbretts einen verwirrten Blick zu. »Wie meinen Sie das?«

Sie stieß einen langen, frustrierten Atemzug aus. »Debbie Rodenbaugh war ihre ideale Wahl – sie war diejenige, die Hildreth für das Ritual vorbereitet hatte. Allerdings gab es eine Art Plan B ...«

Lediglich das Flackern von Kerzen erleuchtete die Villa.

Debbie Rodenbaugh war nicht als einzige Jungfrau vor neun Monaten, am 3. April, durch den Spalt getreten.

Die Hebammen und weiteren Helfer scharten sich um das große Himmelbett, das nach unten ins Scharlachrote Zimmer gebracht worden war. Darauf lag Faye Mullins und verkrampfte sich in den ersten Geburtswehen, um ihr Kind zur Welt zu bringen.

Sofern man das, was aus ihr herauskrabbeln würde, überhaupt als Kind bezeichnen konnte ...