20. KAPITEL

 

Vanda schwebte durch die Falltür hinauf und landete im Erdgeschoss der Hütte. Eine kühle Brise fuhr über ihre Haut, und sie schloss eilig das Fenster, das Phil offen gelassen hatte.

Sie hörte hinter sich ein Geräusch und drehte sich um. Phil stand neben der Falltür. »So hoch kannst du springen?«

Er nickte.

So hatte er es also geschafft, im Lagerhaus in New Orleans in den ersten Stock zu kommen. Sie sah misstrauisch zu den Fenstern. Keine Fensterläden. Keine Vorhänge. Willkommen zur Wyoming Peepshow. Sie verschränkte die Arme vor ihren Brüsten. »Jemand hätte uns hier drinnen sehen können.«

»Ein Eichhörnchen mit viel Glück vielleicht.« Phil lächelte. »Der nächste Nachbar ist meilenweit weg.«

»Die Werwölfe sind da draußen.« Sie ging schnell in die Küche, wo es keine Fenster gab.

Phil folgte ihr. »Lykaner ziehen sich immer aus, ehe sie sich verwandeln. Nacktheit ist für uns keine große Sache.«

Ihr Blick glitt an seinem nackten Körper hinab. »Du hast leicht reden, so wie du aussiehst. Aber ich könnte mir vorstellen, einige eurer Männer haben es nicht so leicht, ihre... Mängel zu präsentieren.«

»Lykanischen Männern mangelt es nie an etwas«, klärte er Vanda auf.

»Klar. Ihr seid so groß wie eure Egos, also ziemlich riesig.« Sie zog ein Küchentuch aus einer Schublade und griff nach der Pumpe.

»Hier, lass mich.« Er betätigte die Pumpe, und Wasser spritzte auf ihr Tuch.

Sie rieb sich Gesicht und Hals ab und fröstelte, denn das Wasser war sehr kalt.

»Was ist in Polen geschehen, nachdem du zum Vampir geworden bist?«

Der Sarg der Schrecken nahm in ihren Gedanken Gestalt an. Vanda wehrte sich noch immer dagegen. »Ich... ich brauche noch mehr Wasser.« Sie hielt ihr Handtuch unter die Pumpe.

Er pumpte mehr Wasser für sie. »Was ist geschehen?«

Sie wusch sich ihre Brust und ihren Oberkörper. »Ich habe meine kleine Schwester begraben.« Der Sarg klapperte und versuchte aufzubrechen. »Mehr Wasser.«

»Und was dann?«

Sie wischte sich die Arme ab. »Ich hatte mir eine Schaufel von einem Bauernhof in der Nähe geborgt. Ich habe sie gerade in den Schuppen zurückgestellt, als der Bauer mich gefunden hat. Sofort hat mich der Hunger überwältigt.«

»Du hast ihn gebissen?«

Sie beugte sich vor, um ihre Beine zu waschen. »Ich bin nach draußen gerannt und habe seine Kuh gebissen. Die ersten paar Wochen war ich so verwirrt. Ich war so hungrig, und ich hatte solche Angst, jemanden umzubringen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich habe mich in Höhlen versteckt und von Tieren getrunken. Ich habe mich so gefühlt, als würde ich selbst zum Tier werden.«

»Dein... Erschaffer hat dir nicht geholfen, dich anzupassen?«

»Sigismund?« Sie schnaubte vor Ekel. »Ich wollte mit ihm und Marta nichts zu tun haben. Ich habe sie noch in der Nacht, in der ich erwacht bin, verlassen.«

»Da ist etwas, was ich dir sagen muss.« Phil legte die Stirn in Falten. »Der Gefangene bei Romatech, den sie in Apollos Ferienanlage gefasst haben - das war Sigismund.«

Erschrocken sah Vanda ihren Geliebten an. Ihre Haut wurde kalt. »Bist... bist du dir sicher?«

»Ja. Er war einer der Malcontents, die sich als Götter verkleidet haben, um von den Mädchen zu trinken und sie zu... vergewaltigen.«

Das war noch ein Grund gewesen, warum sie vor Sigismund geflohen war. Sie wusste, er würde sie missbrauchen. Sie konnte sehen, dass er Marta missbraucht hatte, auch wenn ihre Schwester anscheinend damit einverstanden gewesen war. »Ich bin ihm einige Male begegnet, als ich mich in den Höhlen versteckt habe. Er hat mich immer ausgelacht und gesagt, ich wäre verloren. Es gab kein Entkommen vor dem allmächtigen Casimir. Dann habe ich mich davonteleportiert, ehe er Jedrek Janow verständigen konnte.« Sie schauderte. »Sigismund ist ein gewalttätiges Schwein. Ich hoffe, ihr habt ihn leiden lassen.«

»Haben wir«, sagte Phil. »Als ich herausgefunden habe, wer er ist, habe ich ihn fast umgebracht.«

Aber er hatte es nicht getan, dachte sie. Phil tötete nur aus Selbstverteidigung. Er war ein ehrenhafter Mensch, im Gegensatz zu ihr.

Vanda spülte das Tuch aus. »Marta ist in Amerika. Ich habe sie im Lagerhaus in New Orleans gesehen. Sie hat auf Seiten der Malcontents gekämpft.«

Phil zuckte zusammen. »Das muss ein Schock für dich gewesen sein.« Er nahm ihr das Tuch ab und rieb ihr damit den Rücken.

Mit geschlossenen Augen genoss sie die Arbeit seiner Hände.

»Wie bist du mit dem Untergrund in Kontakt gekommen?«, wollte Phil jetzt wissen.

Lieber Gott, der Mann gab wohl nie auf. »Weißt du, wo die Kleider sind, die deine Schwester mitgebracht hat?«

»Die Tasche liegt auf dem Küchentisch.« Er legte das Tuch auf die Anrichte. »Du lenkst vom Thema ab.«

»Darauf kannst du wetten.« Sie ging zum Tisch und zog einige Sachen aus der Plastiktüte. Ein Slip und ein BH, die fast die richtige Größe hatten, Jeans und ein Hemd im Westernstil.

»Mir ist klar, dass es schmerzhaft sein muss.«

»Sich wie ein Cowgirl anzuziehen?«, fragte sie trocken.

»Nein, über deine Vergangenheit zu reden.«

»Oh, glaubst du wirklich? Kannst du es dir vorstellen, deinen Vater, deine Schwester und vier Brüder im Krieg zu verlieren? Jozef war erst zwölf! Ich konnte nicht herausfinden, ob er in der Schlacht gestorben ist oder gefangen genommen wurde. Ich hatte gehofft, dass sie Gefangene waren, dass sie noch lebten, aber als ich die Konzentrationslager gesehen habe, habe ich mir fast gewünscht, sie wären tot.«

Sie ging zurück an die Spüle. »Ich habe nur durch Zufall gelernt, wie man sich teleportiert. Eines Nachts stand ich vor einem der Lager und habe durch den Stacheldraht geschaut. Ich habe mir gewünscht, ich könnte hineinkommen, um zu sehen, ob mein Vater oder meine Brüder dort waren. Und plötzlich wurde alles schwarz und ich war im Lager.«

»Ich bin durch die Baracken gerast und habe nach meiner Familie gesucht, aber sie waren nicht dort. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. So viele Gefangene auf so engem Raum.«

Der Sarg öffnete sich einen Spalt. Lieber Gott, nein, sie wollte sich nicht erinnern. All die Gefangenen, die hageren, ausgezehrten Körper, die verfolgten Augen voll Schmerz und Verzweiflung.

»Was ist dann passiert?«, flüsterte Phil.

»Ein Wächter hat mich erwischt.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich war so geschockt vom Anblick der Gefangenen und so hungrig. Ich habe ihn gebissen.« Tränen flossen ihr die Wangen hinab. »Ich habe die Kontrolle verloren und ihn umgebracht.«

Sie sah Phil durch einen Tränenschleier an. Wie sehr musste er sich vor ihr ekeln. Doch da war kein Ekel. Das konnte nicht stimmen. Er begriff noch nicht, was sie wirklich getan hatte. »Ich musste jede Nacht trinken. Warum eine arme unschuldige Kuh quälen, wenn ich auch einen Nazi umbringen konnte? Und das habe ich getan. Jede Nacht. Ich habe mich der Untergrundbewegung angeschlossen. Ich habe mich in ein Lager teleportiert, einige Gefangene befreit und einen Nazi umgebracht, alles in einer Nacht.«

Phil sagte nichts, er sah sie nur eindringlich an.

Sie wich zurück. Verdammt. Jetzt stand der Sarg ganz offen, und all ihre schrecklichen Vergehen kamen ans Licht. »Eines Nachts, nachdem ich einen Wachmann umgebracht hatte, tauchte ein Vampir vor mir auf. Er hatte mich seit mehreren Wochen beobachtet und gratulierte mir dazu, eine geborene Mörderin zu sein. Er hat mir ein Ultimatum gestellt - schließ dich den Wahren an, oder sie bringen den Anführer des Widerstands um.«

»Karl«, sagte Phil leise.

Sie nickte. »Der Vampir war Jedrek Janow. Er hat mir alles von den Wahren erzählt, die wir jetzt Malcontents nennen. Er hat gesagt, sie arbeiten mit den Nazis zusammen. Wenn Deutschland erst über die Welt herrschte, würden die Wahren die Nazis kontrollieren. Ich könnte Teil von all dem sein. Ich könnte über die Welt herrschen.«

Sie rieb sich die Stirn. »Ich konnte nur an meinen Vater und meine Brüder denken, die wahrscheinlich irgendwo im Kampf gegen die Nazis umgekommen waren. Ich habe Jedrek gesagt, er soll zur Hölle gehen. Und dann hat er geschworen, er schickt seine Haustiere, um mich zu zerstören.« Sie schüttelte sich. »Seine Wölfe.«

Vanda ging in die Küche. »Ich bin zu Karl gerannt, um ihm alles zu berichten. Drei Wölfe sind in der Nacht gekommen, es ist mir aber gelungen, Karl zu teleportieren. Doch jeden Monat bei Vollmond kamen sie wieder. Und es waren immer und immer mehr. Dann, eines Nachts, hat Karl einen von ihnen umgebracht, und er hat sich in einen Menschen verwandelt.«

»Und da ist dir klar geworden, dass es Werwölfe waren?«, fragte Phil.

»Ja. Karl hat uns silberne Kugeln gekauft.«

»Hast du die Werwölfe je in ihrer menschlichen Gestalt gesehen?«, fragte Phil. »Bis auf den, den ihr umgebracht habt?«

»Nein.«

Er nickte. »Das erklärt es.«

»Erklärt was?«

»Warum du meinen Duft nie erkannt hast. Formwandler riechen nicht wie normale Menschen. Aber wir haben unseren spezifischen Duft nur in menschlicher Form. Wenn wir Wölfe sind, riechen wir wie Wölfe.«

Sie seufzte. »Du sprichst so sachlich davon, aber du verstehst es einfach nicht. Ich hatte schreckliche Angst. Jeden Monat suchten wir uns ein neues Versteck, und die Wölfe haben uns trotzdem immer wieder gefunden. Sie waren gnadenlos.«

»Ich habe gemerkt, wie viel Angst du draußen hattest.«

»Ich habe gesehen, wie sie Karl in Stücke gerissen haben! Sie hätten auch mich erwischt, aber ich konnte mich teleportieren. Und dann war ich ganz allein, habe mich wie eine Ratte in den Höhlen versteckt, nach meinem Vater und meinen Brüdern gesucht, sie nie gefunden, mich jede Nacht von Nazis ernährt. Ich... ich habe so viele umgebracht.« Sie sackte auf einem Küchenstuhl zusammen und bedeckte ihr Gesicht, als Tränen ihr die Wangen hinabliefen. »Ich bin ein Monster.«

Im Raum war es bis auf ihr Schluchzen still. Sie hatte es getan. Sie hatte ihn in ihren Sarg des Schreckens blicken lassen. Hatte ihn sehen lassen, was sie wirklich war. Und jetzt würde er nur noch Ekel für sie empfinden.

»Vanda.« Er hockte sich neben sie.

Sie bedeckte ihre Augen, wollte nichts sehen.

»Vanda, du bist durch eine Hölle gegangen, die niemand durchmachen sollte. Du hast deine Familie verloren, deinen Liebhaber, deine Sterblichkeit. In diesen Lagern hast du die schrecklichste Grausamkeit gesehen, die ein Mensch einem anderen antun kann. Du hast ständig in Angst und Verzweiflung gelebt.«

Sie senkte ihre Hände. »Ich habe sie umgebracht. Ich musste es nicht tun. Ich habe genau wie ein Malcontent gehandelt. Ich bin nicht besser als sie. Ich weiß, dass du sie hasst. Also wirst du jetzt auch mich hassen.«

»Komm her.« Er nahm ihre Hand, zog sie hoch und führte sie an die Spüle. Er pumpte Wasser auf das Küchentuch. »Das war im Krieg, Vanda. Der Krieg ist ein hässliches Monster, das die Menschen zwingt, schreckliche Dinge zu tun, die sie normalerweise nie tun würden.«

»Das ist keine Entschuldigung.«

»Doch, ist es.« Er wrang das Tuch aus. »Als du diesen Wächtern im Lager über den Weg gelaufen bist, warst du ein Eindringling. Sie hätten dich umgebracht, wenn du sie nicht zuerst getötet hättest. Es war Selbstverteidigung.« Mit dem Tuch wischte er ihr die Tränen aus dem Gesicht.

Doch es schien, als kamen alle ungeweinten Tränen jetzt zum Vorschein, und sie konnte nicht aufhören zu weinen. »Du... du kannst mir vergeben?«

»Natürlich. Ich...« Er legte den Kopf zur Seite. »Oh, ich verstehe.«

»Was verstehst du?« Dass sie es nicht verdient hatte, geliebt zu werden?

Er befeuchtete das Tuch noch einmal. »Ich verstehe, warum du so viel Wut und Frustration in dir hast. Nicht, weil ich dir vergeben muss. Ich habe nichts zu vergeben.« Er wischte ihr wieder das Gesicht ab. »Vanda, das Problem liegt in dir selbst. Du kannst dir selbst nicht vergeben.«

»Ich habe schreckliche Dinge getan.«

»Das war im Krieg. Und du hast getan, was du tun musstest, um zu überleben.«

»Du glaubst nicht, dass ich ein Monster bin?«

»Nein. Ich denke, du bist eine unglaublich mutige und schöne Frau.«

Nie gefühlte Erleichterung durchflutete sie. Die schwere Last der Schuld und der Reue fiel von ihr ab. »Ich hatte solche Angst, dass du mich hassen würdest.«

Er lächelte. »Ich liebe dich. Und ich sage es so oft, bis du mir endlich glaubst.«

Und zum ersten Mal glaubte sie es wirklich, tief in sich drinnen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren glaubte sie daran, dass sie es wert war, geliebt zu werden. Sie lächelte zurück. »Ich glaube dir. Und ich liebe dich auch.«

»Ich bin froh, dass du mir endlich alles gesagt hast.«

Vanda nickte. Der Sarg stand weit offen. Er war immer noch da, und das würde er immer sein, aber er hatte seinen Schrecken verloren.

Als Phil das nasse Tuch plötzlich zwischen ihre Beine drückte, keuchte Vanda auf. »Was machst du da?«

Er rieb das Tuch sanft hin und her. »Ich glaube, du hattest zwei Runden bestellt: einmal mit dem Biest und einmal mit dem Gentleman.« Er spülte das Tuch aus und begann dann, sich selbst zu waschen. »Der Gentleman steht dir zu Diensten.«

****

»Phil, wach auf.« Sie stupste ihn. »Telefon für dich.«

Er war mit einem Ruck wach und setzte sich auf.

»Es ist Connor.« Sie reichte ihm das Handy. Als sie das Klingeln gehört hatte, war sie in Vampirgeschwindigkeit zum Telefon gerast, das in seiner Jeans im Keller gewesen war.

Sie hatte geantwortet, während sie zurück ins Loft geeilt war, wo sie und Phil sich einige Stunden zuvor geliebt hatten.

»Hey, Connor.« Phil lauschte ins Telefon. Er richtete sich auf. »Das ist großartig!«

Vanda hockte sich an den Rand des Bettes und hörte zu. Anscheinend hatte Laszlo den Peilsender fertiggestellt. In etwa fünf Minuten ging die Sonne an der Ostküste auf. Sobald Sigismund in seinem Todesschlaf lag, würde man ihm den Sender einsetzen. Dann stand dem Plan, ihn nach Sonnenuntergang versehentlich entkommen zu lassen, nichts mehr im Wege. Hoffentlich führte er sie dann direkt zu Robby.

»Ja, ich kämpfe«, sagte Phil. »Schickt einfach jemanden her, der mich holt.«

Vanda musste schlucken. Natürlich wollte Phil kämpfen. Er war wahrscheinlich gut mit Robby befreundet. Sie waren beide bei Jean-Luc in Texas stationiert.

Wenn Phil etwas zustieß, wie sollte sie das dann ertragen? Sie hatte schon so viele geliebte Menschen an den Krieg verloren.

»Ich brauche ein Schwert«, fuhr Phil fort. »Ich habe hier nur eine Handfeuerwaffe.«

Er würde nicht sterben, wie Karl gestorben war, erkannte Vanda plötzlich. Er hatte Superkraft und war sehr schnell. Sie konnte dankbar dafür sein, dass er ein Werwolf war. Ein normaler Sterblicher hätte keine Chance.

»Okay. Ich werde bereit sein.« Phil legte auf.

»Dann findet der Kampf heute Nacht statt?«, fragte Vanda.

»Wir hoffen es.« Er musterte sie. »Deine Haare sind nass.«

»Mir war langweilig. Hier gibt es nichts zu tun. Wenigstens nicht, wenn du schläfst.« Sie stieß gegen seinen Fuß. »Ich habe Shampoo gefunden und mir in der Küchenspüle die Haare gewaschen.« Sie hatte auch die Westernkleidung angezogen, die Brynley mitgebracht hatte.

Sie stand auf. »Wie sehe ich aus?«

»Du bist das hübscheste lilahaarige Cowgirl, das ich je gesehen habe.«

»Ich sollte dir meine Peitsche zeigen.«

»Ich sollte dir diese Jeans ausziehen.«

Ihre Mundwinkel zuckten. »Du denkst nur an das eine.«

»Ich kann nicht anders. Ich bin ein Tier.« Er zog sie zu sich aufs Bett, und sie kicherte.

»Warte.« Sie legte ihre Hand auf seine. »Haben wir noch Zeit? Ich fände es schrecklich, wenn deine Schwester zu uns hereinplatzt.«

»Lass mich nachsehen.« Er kletterte aus dem Bett und spähte durch das kleine Loftfenster. Er mochte sich den Mond ansehen, Vanda hingegen betrachtete seinen himmlischen Körper. Starker Rücken, wunderschön geformter Hintern. Ihre Haut begann zu kribbeln. Lieber Gott, allein ihn anzusehen reichte aus, sie zu erregen.

»Wir haben fast eine Stunde.« Er drehte sich zu ihr um.

Seine Jeans war bereits ausgefüllt von seiner Schwellung. »Du hast ohne mich angefangen.«

Er betrachtete ihre Jeans, und seine Nasenlöcher blähten sich. »Nein, habe ich nicht.«

In Windeseile öffnete sie den Knopf ihrer Jeans und dann den Reißverschluss. Gleichzeitig zog Phil ihre Stiefel aus. Seine nackte Haut nahm durch das Glühen ihrer Augen einen roten Schimmer an.

»Du hast fünf Sekunden, um deine Unterwäsche auszuziehen, sonst zerfetze ich sie.«

Sie tat, als würde sie erbeben. »Oooh, ich habe solche Angst. Der große böse Wolf ist in der Stadt.«

Grinsend kam er auf Händen und Knien auf sie zu. »Oh, was hast du für schöne Beine.« Er schnappte nach ihrem Schenkel.

»Damit ich dich besser an mich drücken kann.« Sie setzte sich auf und zog ihren BH aus.

Seine Augen leuchteten blau. »Was für schöne Brüste du hast.«

»Damit ich dich besser verlocken kann.«

Mit einem Knurren schob er sie auf das Bett zurück. Er nahm eine Brustwarze in seinen Mund und saugte daran.

Sie stöhnte. »Was für eine geschickte Zunge du hast.«

Er sah sie mit funkelnden Augen an. »Damit ich dich besser verschlingen kann.«

Feuchtigkeit sammelte sich dort, wo ihre Schenkel sich trafen, gerade, als seine forschende, drängende Zunge dort ankam. Innerhalb von Sekunden wand sie sich und atmete schwer. Er neckte ihren Kitzler mit der Verbissenheit eines Tieres.

Als der Höhepunkt sie durchfuhr, schrie sie. Er sah ihr zu, und auf seinem schönen Gesicht bildete sich ein wölfisches Grinsen.

»Bereit?« Er legte sich zwischen ihre Beine.

»Warte. Nachdem ich wie ein Cowgirl angezogen war, habe ich das seltsame Bedürfnis zu reiten.«

Und das musste sie ihm nicht zweimal sagen. Er ließ sich auf den Rücken fallen. »Dann spring in den Sattel, Kleines.«

****

Eine Stunde später saß Vanda im Bett, entspannte sich und trank kaltes Blut aus der Flasche. Sie streckte ihre Beine aus und spürte den Schmerz ihrer beanspruchten Muskeln. Sie konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wie viele Orgasmen sie in dieser Nacht gehabt hatte. Es war eine lange, köstliche, verbotene Liebesnacht gewesen, vermischt mit herzzerreißenden Geständnissen, die den Sex danach nur noch süßer gemacht hatten.

Sie spürte, wie die Müdigkeit an ihr zerrte. Die Sonne musste sich schon dem Horizont nähern. Sie nippte noch mehr Blut. Phil hatte es ihr hinauf ins Loft gebracht. Er hatte sich an der Spüle gewaschen und war in den Keller gegangen, um seine Kleider wieder anzuziehen.

Am Klopfen seiner Cowboystiefel und dem Scheppern der Pfannen konnte sie hören, dass er jetzt in der Küche war. Ihre Nase zuckte, als sie den Duft von Kaffee wahrnahm.

Sie hoffte, der Morgen war für Robby bereits gekommen, wo er auch sein mochte. Der Todesschlaf würde nicht nur ihn befallen, sondern auch seine Folterer. Sein Körper konnte im Schlaf heilen. Hoffentlich konnte das auch sein Geist.

Mit einem Seufzen setzte sie sich auf und begann sich anzuziehen. Sie hatte gerade den Reißverschluss ihrer Jeans geschlossen, als sie Schritte hörte, die sich der Tür der Hütte näherten.

»Phil!«, rief Brynley. Die Tür schepperte. Der Riegel war noch vorgelegt.

Vanda hörte, wie Phil zur Tür ging. Sie zog sich schnell das Westernhemd an und schloss die Druckknöpfe.

Mit einem Quietschen öffnete er die Tür.

»Phil!« Brynleys Stimme war aufgeregt. »Du bist Alpha! Das ist so unglaublich! Wie in aller Welt hast du das geschafft?«

»Bryn, wir müssen reden.«

»Wir reden doch. Du glaubst nicht, wie aufgeregt die Jungs sind. Wir haben den ganzen Weg zur Hütte darüber geredet, und wir können es uns nur so erklären, dass du es irgendwie allein geschafft hast, Alpha zu werden. Stimmt das?«

»Ich war nicht allein, aber ich war auch nicht im Rudel.«

Brynley war fassungslos. »Das ist einfach unglaublich fantastisch! Das hat vor dir noch niemand geschafft. Dad wird so was von...«

»Sag es ihm nicht.«

»Was?«

»Ich meine es ernst, Bryn. Sag es ihm nicht. Es geht ihn nichts an.«

»Natürlich tut es das. Phil, jeder Lykaner im Territorium wird dich als nächsten Obersten Rudelführer wollen. Ich sehe es schon vor mir. Dad wird eine riesige Party schmeißen, um den lange verlorenen Prinzen willkommen zu heißen.«

Prinzen? Das schon wieder. Vanda schlich an den Rand des Lofts. Brynley trug wieder ihre Jeans, ihr Tanktop und ein offenes Holzfällerhemd, aber Vanda bemerkte auch einige Blätter in ihrem Haar und einen Blutfleck auf ihrem Ärmel, als hätte sie ihren Mund daran abgewischt.

Brynleys Blick richtete sich auf das Loft, und sie kniff die Augen zusammen. »Sie ist noch hier.«

»Ja.« Phil verschränkte die Arme. »Und du solltest dich entschuldigen.«

Brynley schnaubte. »Wofür? Ich selbst zu sein?«

»Weil du absichtlich versucht hast, sie davonzujagen«, antwortete er.

Brynley starrte ihn finster an. »Ich habe ihr einen Gefallen getan. Sie musste die Wahrheit über dich erfahren.«

»Ja, das musste ich.« Vanda hatte es satt, dass man über sie sprach, als wäre sie nicht anwesend. Sie griff sich ihre Flasche Blut und schwebte zurück auf den Boden. »Danke, dass du mir eine Heidenangst eingejagt hast.«

»Jederzeit.« Brynley lächelte verbissen. »Also, warum bist du noch hier? Kannst du dir nicht einen Job in Hollywood suchen? Vampire sind doch jetzt der letzte Schrei.«

»Sie steht unter meinem Schutz«, sagte Phil. »Das hier ist mein Haus, und es dient Vanda als Zufluchtsort, wann immer sie einen braucht.«

Mit einem Schnauben stapfte Brynley in die Küche. Sie nahm sich einen Becher aus dem Schrank und goss sich Kaffee ein.

Vanda setzte sich an den Küchentisch und nippte an ihrer Flasche. Sie wurde immer schläfriger.

»Wer waren die Welpen, die letzte Nacht bei dir waren?«, fragte Phil, als er jetzt auch in die Küche kam.

Welpen? Für Vanda waren sie groß genug gewesen.

»Das sind Freunde.«

»Sie sind noch minderjährig.« Phil setzte sich an den Tisch neben Vanda. »Sie sollten in ihrem Rudel sein, wenn sie sich verwandeln.«

»Seit wann hältst du dich an die Rudel-Regeln? Die Jungs können sich nicht mit ihrem Rudel verwandeln. Sie können nicht einmal bei ihren Familien leben. Oder zur Schule gehen. Sie sind verbannt worden. Ich bin mir sicher, du verstehst, wie es dazu kommen kann.« Brynley starrte ihn an.

Vanda sah Phil fragend an.

Er zuckte mit den Schultern. »Ich wurde mit achtzehn verbannt. Nachdem ich ein Jahr lang fast verhungert wäre, habe ich Connor gefunden, und er hat mir einen Job verschafft und einen Ort zum Leben.«

Das war, als er im Stadthaus gelebt und sie ihn geärgert hatte. »Wie konntest du verbannt werden? Ich meine, wenn du wirklich ein Prinz bist, wer hätte dann die Macht, dir so etwas anzutun?«

Seine Lippen wurden dünner. »Mein Vater.«

Ungeduldig winkte Brynley ab. »Er wollte nur, dass du eine Lektion lernst. Er hat erwartet, dass du nach einem Monat oder so zurückkommst.«

»Mit eingekniffenem Schwanz«, murmelte Phil. »Was für einen Obersten Rudelführer würde ich abgeben, wenn ich wirklich so ein Schwächling wäre?«

»Ich weiß, dass es schwierig ist, Dad in allen seinen Wünschen und Befehlen nachzukommen. Genau deswegen haben diese Jungs auch Ärger bekommen. Sie haben die Autorität ihres Rudelführers infrage gestellt. Dann haben ihre Anführer sich an Dad, den Obersten Führer, gewendet, und er hat sie rausgeworfen.«

»Klingt, als hätte der gute alte Dad sich nicht geändert«, murmelte Phil.

»Sie sind erst Teenager«, fuhr Brynley fort. »Sie konnten nirgendwo hin. Ich wusste, dass deine Hütte leer steht, also habe ich sie hier wohnen lassen.«

Phil schnaubte. »Das sind deine verlorenen Jungs? Und du bist sicher, dass du nicht Wendy heißt?«

Sie schnitt ihm eine Grimasse. »Sie sind eher verdammte Nervensägen, ehrlich gesagt. Ich brauche mein halbes Monatsbudget, um sie durchzufüttern. Sie sind wie Löcher ohne Boden. Und verdammt aufmüpfig.«

»Würdest du nicht ziemlichen Ärger mit eurem Vater bekommen, wenn er wüsste, was du tust?«, fragte Vanda.

Brynley kniff ihre Augen zusammen. »Drohst du damit, mich zu verpetzen?«

»Nein. Ich finde es nur interessant«, sagte Vanda. »Es klingt für mich so, als würdest du gegen deinen Vater rebellieren, genau wie Phil es getan hat.«

»Glaub mir, wenn Dad sagt, ich soll springen, frage ich, wie hoch. Ich... mir haben diese Jungs nur so leidgetan. Sie konnten nirgendwo hin.« Ihre Augen leuchteten auf. »Aber das ist jetzt, wo Phil wieder da ist, anders. Phil, sie wollen, dass du ihr Rudelführer wirst!«

Phils Miene versteinerte sich. »Das... das kann ich nicht.«

»Natürlich kannst du«, ließ Brynley sich nicht abwimmeln. »Du kannst ohne Rudel kein Alpha sein.«

»Ich habe andere Dinge zu tun. Wichtige Dinge. Heute Nacht, nach Sonnenuntergang, könnte es zu einer Schlacht kommen.«

»Einer Vampirschlacht?« Brynleys Augen blitzten vor Wut. »Denen willst du helfen und deine eigene Art ignorieren?«

»Ich werde tun, was ich kann, um den Jungs zu helfen, aber ich kann nicht ihr Leitwolf sein.«

Brynley machte ein frustriertes Geräusch. »Du hast dir nicht einmal die Mühe gemacht, sie kennenzulernen. Sie sind so aufgeregt wegen dir. Du bist ihr erster Hoffnungsschimmer seit Monaten.«

Er stand auf. »Wo sind sie?«

»Im Stall. Sei nicht überrascht, wenn sie jubeln, sobald du reinkommst. Du bist ihr Held.«

»Toll.« Er lächelte Vanda ironisch zu. »Genau was ich jetzt brauche.«

Sie lächelte zurück. »Mein Held bist du auch.«

Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn. »Ich komme bald wieder.«

Brynley goss sich noch einmal Kaffee nach und setzte sich dann Vanda gegenüber an den Küchentisch. »Endlich allein. Wir müssen uns unterhalten.«