16

»Allmächtiger, sie kommen doch nicht etwa zu früh?« Ich spähte durch die Glasscheibe neben der Haustür. Ein Auto hatte vor dem Haus angehalten. »Ich bin noch nicht fertig! Wir haben die Getränke noch nicht rausgebracht, von den Canapés ganz zu schweigen!«

»Ich helfe dir bei den Canapés«, bot Jim an, der einen großen Korb aus der Küche hinter sich herzog. Er leckte sich über die Lippen. »Oh, Gäste?«

»Wenn deine Dämonenherrin zu früh kommt, um uns zu überraschen – oh, nein!«

»Wer ist es denn?«, fragte Jim und spähte an mir vorbei. Er zog die Augenbrauen hoch. »He! Das wird bestimmt lustig!«

»Was denkt sich Savian dabei, jedem in der Anderwelt zu erzählen, wo ich bin?«, murmelte ich. Ich stellte das Tablett mit den geschliffenen Kristallgläsern ab und öffnete die Tür. »Guten Tag, Dr. Kostich.«

»Tully«, sagte er und legte den Kopf schräg. »Hoffentlich verzeihen Sie meinen unangekündigten Besuch. Ich muss über äußerst wichtige Angelegenheiten mit Ihnen sprechen.«

»Eigentlich bin ich heute sehr beschäftigt. Könnten Sie ein anderes Mal wiederkommen? Sagen wir, nächstes Jahr?«

Er warf mir einen vielsagenden Blick zu, der nichts Gutes verhieß. Dann ging er an mir vorbei ins Haus und sagte beiläufig über die Schulter: »Ich nehme an, Sie haben das Von-Endres-Schwert mittlerweile. Ich bin gekommen, um es abzuholen.«

»Du lieber Himmel«, sagte ich und verdrehte einen Moment lang die Augen. »Warum gerade ich?«

»Was ist hier los … oh, Mann. Ich begrüße Sie, Eure Eminenz«, sagte Jim beinahe unterwürfig zu Dr. Kostich. Ich fragte mich nicht, warum der Dämon auf einmal so respektvoll war. Anscheinend war er schon einmal mit Dr. Kostich in Berührung gekommen.

Langsam wandte ich mich zur Eingangshalle und überlegte mir, wie ich dem Vorsitzenden der Anderwelt am diplomatischsten beibringen sollte, dass ich Baltics Schwert nicht entwenden würde.

»Was tust du hier?«, fragte Kostich und starrte Jim an, der mitten in der Diele saß.

Jim verbeugte sich. »Ysolde verwendet mich als Packesel. Ich wusste allerdings nicht, dass Sie hier sein würden. Nicht, dass Sie nicht hier sein dürften«, fügte er rasch hinzu und wich ein paar Schritte zurück.

»Ich kann Dämonen nicht ausstehen«, sagte Dr. Kostich. Er kniff die Augen zusammen, und seine Finger zuckten, als wolle er einen Zauber aussprechen.

»Ysolde!« Jim jaulte auf und drückte sich an mein Bein. »Du hast Ash versprochen, auf mich aufzupassen! Lass nicht zu, dass er mir etwas tut.«

»Du bist ein Dämon«, sagte ich und tätschelte ihm den Kopf. »Er kann Dämonen keinen Schaden zufügen. Jedenfalls keinen dauerhaften. Das kann nur ein Dämonenfürst.«

»Wollen wir wetten?« Jim spähte an meinem Bein vorbei auf meinen früheren Arbeitgeber.

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Sie können einem Dämon Schaden zufügen? Nicht nur der Gestalt, sondern dem Dämon selbst?«

Dr. Kostich lächelte nur.

»Keine Sorge, ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht«, erklärte ich mit Nachdruck. »Jim ist mein Gast, Dr. Kostich.«

Der Dämon trat ein paar Schritte vor. »Geisel würde es besser treffen. Ysolde hat mich gekidnappt. Aber es macht mir nichts aus, weil sie cool ist.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie das tun sollte …« Die Worte erstarben Kostich auf den Lippen, als Baltic plötzlich aus einem der hinteren Zimmer auftauchte. Als er Kostich sah, blieb er stehen. Die beiden Männer starrten einander an.

»Oh, oh«, sagte Jim und wich wieder zurück.

»Du!«, sagte Kostich und zeigte dramatisch auf Baltic. »Du bist das!«

Baltic warf mir einen irritierten Blick zu.

»Ich habe ihm nicht gesagt, wo wir sind«, antwortete ich. »Das war Savian.«

»Jetzt wirst du für deine Verbrechen gegen das Au-delà bezahlen«, verkündete Dr. Kostich und begann, einen Verwandlungszauber auszuführen.

»Ich hätte dich wirklich töten sollen, als ich die Chance dazu hatte«, knurrte Baltic und streckte die Hand aus. In einem Schwall blauweißen Lichts materialisierte sich das Lichtschwert.

»Nein!«, schrie ich und stellte mich zwischen sie. »Das lasse ich nicht zu! Jetzt nicht! Nicht heute! Nicht, solange ich das Zitronensorbet noch nicht gemacht habe!«

Baltic, der gerade das Schwert über dem Kopf schwang, vermutlich um Dr. Kostich niederzuschlagen, hielt inne und blickte mich stirnrunzelnd an. »Zitronensorbet?«

»Für nach dem sárkány. Ich dachte, ein bisschen Zitronensorbet und ein paar Löffelbiskuits wären doch erfrischend.«

Er senkte sein Schwert und presste die Lippen zusammen. »Das ist keine Party, Ysolde.«

»Ein bisschen Zitronensorbet macht noch lange keine Party«, erwiderte ich.

»Wie auch immer, ich werde jedenfalls meine Feinde nicht füttern!«

»Dürfte ich eine ernste Note in diese bizarre Unterhaltung …«, setzte Dr. Kostich an.

»Ich glaube nicht, dass das etwas nützt«, fiel Jim ihm ins Wort. Ich drängte mich an Dr. Kostich vorbei zu Baltic.

»Sie sind unsere Gäste, und ich will nicht, dass es heißt, die Leute kämen in mein Haus und würden nicht einmal die übliche Gastfreundschaft erfahren.«

»Sorbet hat mit üblicher Gastfreundschaft nichts zu tun«, widersprach er. »Das ist doch nur Dessert.«

»Ich dachte, dass es nach den Canapés eine willkommene Erfrischung wäre!«, sagte ich und schlug mir auf die Oberschenkel. »Tut mir leid, wenn ich dir zu kultiviert bin.«

»Canapés? Jetzt hast du auch noch Canapés?« Sein Gesicht rötete sich, immer ein Zeichen dafür, dass ein Wutausbruch bevorstand. »Was kommt noch, Champagner?«

Pavel trat aus der Tür, die zum Keller führte, in den Händen einen Pappkarton, der den Aufdruck einer berühmten Champagnermarke trug. Baltic blickte ihn ungläubig an, dann wandte er sich mit finsterem Gesichtsausdruck an mich. »Das ist mein Jahrgangs-Bollinger!«

»Es wird dir nicht schaden, wenn du ihn mit anderen teilst.«

»Mit Leuten, die mich lieber tot sehen wollen!«, schrie er.

»Ich kann deine Gefühle sehr gut verstehen«, sagte Dr. Kostich. »Was das Von-Endres-Schwert angeht …«

»Das reicht«, sagte Baltic und hob erneut sein Schwert. »Ich bringe ihn um; und dann komme ich zu dir, Gefährtin.«

Dr. Kostich trat einen Schritt zurück, während seine Hände weiter den komplizierten Verwandlungszauber woben.

»Du wirst ihm nichts tun! Wenn du ihm etwas tust, verzeihe ich dir das nie!«, sagte ich zu Baltic.

Seine Augen funkelten schwarz wie Onyx, die Lippen hatte er fest zusammengepresst. »Du übst zu viel Druck auf mich aus, Frau!«

»Ich will doch nur, dass alle miteinander auskommen!«, schrie ich frustriert. »Warum können die Leute nicht einfach aufhören, einander zu töten und Dinge zu stehlen, und so wahr mir Gott helfe, Dr. Kostich, wenn Sie diesen Verwandlungszauber vollenden, dann kriegen Sie einen Zauber von mir zu spüren!«

Mein früherer Arbeitgeber rümpfte die Nase. Seine Finger tanzten in der Luft, und ein besonders ausgefeilter Verwandlungszauber würde Baltic jeden Augenblick in eine andere Gestalt verwandeln. »Sie stehen unter einem Verbot. Ihre magischen Kräfte funktionieren nicht.«

»Wollen wir wetten?«, knurrte ich und griff auf das Drachenfeuer in mir zu, während auch meine Finger einen kleinen Zauber vollführten.

Eine Banane materialisierte sich aus der Luft und fiel Kostich vor die Füße.

Er hielt inne. Alle starrten die Banane an.

»Äh, das sollte eigentlich ein Tiger werden«, sagte ich und berührte die Frucht mit der Schuhspitze. »Wahrscheinlich macht das Verbot meine Zaubersprüche nicht so treffsicher.«

Jim schnüffelte daran. »Soll ich so tun, als sei ich ein Tiger und den Erzmagier damit stechen?«

Wir ignorierten Jim.

»Sie sollten eigentlich überhaupt nicht in der Lage sein, einen Zauber durchzuführen«, sagte Kostich und blickte mich eindringlich an. »Das Verbot müsste das unterbinden.«

»Meine Gefährtin ist eben keine normale Frau«, sagte Baltic und zog mich mit seinem freien Arm an seine Seite. Mit der anderen schwenkte er das Schwert. »Sie ist ein Lichtdrache. Das geht über deinen Verstand hinaus.«

»Du!«, fuhr Kostich Baltic an. Seine Augen funkelten böse, während er arkane Magie zu einer bläulich weißen Kugel formte.

»Nun geht das schon wieder los«, sagte Jim. Er nahm die Banane und zog sich an den Fuß der Treppe zurück. »Na, wenigstens habe ich jetzt Verpflegung für die Show.«

»Wagen Sie es nicht!«, sagte ich zu Kostich, aber er hatte die Kugel bereits auf Baltic geschleudert, der sie mit seinem Lichtschwert parierte.

»Na, du Wunderfrau«, sagte Jim mit vollem Mund, »wie kannst du denn so mit Kugeln umgehen?«

»Oh!«, schrie ich und krempelte die Ärmel hoch. Baltic hielt mich zurück, als ich mich auf meinen früheren Arbeitgeber stürzen wollte. »Lass mich los, Baltic. Niemand bewirft meinen Mann mit magischen Kugeln!«

»Drachen«, korrigierte Jim.

»Gehen Sie aus dem Weg«, warnte Kostich mich und formte eine weitere Kugel. »Ich werde den Drachen vernichten!«

Ich wand mich in Baltics Griff und stieß ihn fest in die Seite. Kostichs Powerball schoss an uns vorbei und schlug in eine Vase auf einem Sockel ein. Sie zersprang in Billionen winziger Stücke.

»Geeetroffen!«, jubelte Jim und warf die leere Bananenschale Kostich vor die Füße.

»Was zum Teufel tust du da?«, fragte Baltic, als ich ihn in Richtung Wohnzimmer schob. »Lass mich in Ruhe, Gefährtin. Ich muss den irren Magier jetzt ein für alle Mal ruhigstellen.«

»Ich bin nicht irre!«, brüllte Dr. Kostich und ballte noch mehr Macht zwischen seinen Händen zu einer bläulich schimmernden Kugel. »Bleib stehen, du verfluchter Drache, damit ich dich zerschmettern kann!«

»Oh nein, er ist nicht irre«, stellte Jim klar und zog spöttisch eine Augenbraue hoch.

»Hör auf!«, schrie ich, aber Baltic zerrte mich zur Seite, aus der Schusslinie der Kugel hinaus. Sie fuhr durch das Fenster, das in Abermillionen von Scherben zersprang.

»Das Fenster werden Sie uns bezahlen!«, schrie ich und stürmte auf Kostich zu.

»Gefährtin, gehst du jetzt endlich mal aus dem Weg, damit ich den Magier töten kann?«, knurrte Baltic. Sein Schwert blitzte, während Dr. Kostich winzige Lichtfunken auf ihn abschoss.

»Hier wird niemand getötet – du Bastard!« Ich keuchte. Eine Tür war vom Wind zugeschlagen worden, und Dr. Kostich wirbelte herum und zerstörte mit einem arkanen Magiestoß meine kostbaren Kristallkelche. »Die waren für das Zitronensorbet nach dem sárkány. Jetzt reicht’s! Jetzt ist Schluss mit nett.«

»Drache«, sagte Dr. Kostich im gleichen Moment, als Baltic »Gefährtin« sagte. Jim fügte fast unhörbar hinzu: »Verrücktes Weibsbild?«

Ich ergriff einen kleinen Chippendale-Stuhl mit einem blau-beige bezogenen Sitz und sprang damit wie ein Löwenbändiger auf den Magier zu. »Zurück! Zurück!«, fauchte ich. »Sie können das Schwert nicht haben! Sie können auch Baltic nicht haben, er gehört mir! Gehen Sie weg und belästigen Sie uns nie wieder! Äh … bezahlen Sie mich eigentlich noch für die letzten beiden Wochen, obwohl Sie mich mit dem Verbot belegt haben? Ich habe nämlich gesehen, dass Sie mir noch kein Gehalt überwiesen haben. Ich habe Brom versprochen, dass er sich zum Geburtstag einen großen Dehydrator aussuchen kann, und das ist schon in ein paar Wochen.«

Weißblaues Licht flammte vor mir auf, und der Stuhl, den ich festhielt, zerbarst in winzige Stückchen. Überrascht starrte ich auf meine Hand, die noch ein Stuhlbein umklammert hielt, dann blickte ich Dr. Kostich an. »Sie haben auf mich gezielt!«, sagte ich entsetzt.

Ein leises, wütendes Grollen kam von Baltic, und plötzlich befand sich ein weißer Drache im Raum, der sich Feuer speiend auf Dr. Kostich stürzte. Die beiden taumelten in einem Gewirr von Drachengliedmaßen und strampelnden Magierbeinen auf den Marmorboden.

»Niemand kommt meiner Gefährtin zu nahe«, knurrte Baltic und drückte Kostich zu Boden. Grauer Qualm zog über das Gesicht des Magiers.

»Ooh. Er sabbert. Das ist ja eklig«, sagte Jim, der aus sicherer Entfernung zuschaute.

»Wer im Glashaus sitzt«, sagte ich zu dem Dämon. Ich trat zu Dr. Kostich und stach ihn mit dem Stuhlbein. »Und das bezahlen Sie uns auch! Das war ein antiker Stuhl!«

Kostich krächzte etwas. Sein Gesicht war knallrot, und er wand sich unter Baltic, um Luft zu bekommen.

Niemand hörte, dass die Haustür aufging, bis eine Stimme sagte: »Kommen wir zu früh? Oh. Äh, hallo, Dr. Kostich.«

»Hey, Ash«, sagte Jim. Er sprang von der Treppe herunter, um seine Dämonenherrin zu begrüßen. »Das Zitronensorbet ist noch nicht fertig. Willst du nicht in einer Stunde noch mal vorbeikommen?«

»Äh …« Ich blinzelte, als immer mehr Leute sich durch die Tür drängten. Aisling, Drake und seine beiden rothaarigen Bodyguards blickten sich überrascht um. »Hi.«

»Hi«, sagte Aisling und sah zu Baltic, der Dr. Kostich immer noch auf dem Boden festhielt. »Hallo, Baltic. Ich glaube, wir sind uns noch nicht offiziell vorgestellt worden.«

»Weißt du überhaupt, wer ich bin?«, spuckte Dr. Kostich, wenn auch ein wenig atemlos. »Ich leite das Komitee.«

Ich richtete mich auf und lächelte die Drachen an. Aisling trat vorsichtig über die Scherben der Kristallkelche, Drake folgte ihr. »Ihr seid ein bisschen zu früh, aber es ist schon in Ordnung, obwohl, wie Jim bereits gesagt hat, das Sorbet noch nicht fertig ist. Oh, zum Teufel! Jim!«

»Ich kann euch alle nach Akasha verbannen! So viel Macht besitze ich!«, keuchte Dr. Kostich.

Ich ignorierte ihn und warf dem Dämon einen finsteren Blick zu.

»Was? Wer? Ich? Ich habe nicht an seinem Hintern geschnüffelt!«, sagte Jim rasch und wich zurück.

»Ihr werdet alle bestraft werden für diese schändlichen Verbrechen an meiner erhabenen Person!«

Baltic drehte den Kopf, um einen kleinen Feuerring auf den Dämon zu pusten. Ich fing das Feuer auf, als es an mir vorbeiflog, und warf es stirnrunzelnd zu ihm zurück.

»Du solltest doch ganz woanders sein, damit Aisling bei Drake erreicht, dass er tut, was sie sagt!«, sagte ich zu dem Dämon. »Du kannst doch nicht das Pfand für ihr gutes Benehmen sein, wenn du hier bist!«

»Das ist doch nicht meine Schuld«, erwiderte Jim und setzte sich auf Kostichs Fuß.

»Und der Dämon, der meinen Fuß gebrochen hat, wird gleich mit verbannt! Runter da, du seelenloses Biest aus Abaddon!«

»Aisling ist zu früh gekommen«, fügte Jim hinzu.

Ich warf ihr stirnrunzelnd einen Blick zu. Sie blieb vor Baltic und Dr. Kostich stehen. »Das hast du extra gemacht, oder? Du bist absichtlich zu früh gekommen, damit ich noch mitten in den Vorbereitungen stecke. Das ist wirklich nicht nett von dir, und dabei habe ich mir solche Mühe gegeben und extra noch Käsekuchen gebacken!«

»Was für Vorbereitungen?«, wollte Drake wissen und zog Aisling ein Stück zurück, als Dr. Kostich, der eine Hand freibekommen hatte, versuchte, nach ihr zu greifen. »Wolltest du Fallen für uns aufstellen? Hast du einen Hinterhalt geplant? Etwa schon wieder eine Bombe?«

»Zitronensorbet und Canapés«, ließ Jim ihn wissen und sabberte auf das Bein des Magiers. »Ich durfte auch die Lachsröllchen probieren. Apropos, ich gehe besser wieder in die Küche. Brom hilft Pavel bei den Gurken-Krabben-Häppchen, und das Kind hat ständig Appetit. Ich wette, er leckt gerade die Schüssel aus.«

»Ich bestehe darauf, dass sie mich loslassen!«, verlangte Dr. Kostich. »Wenn meine Rippen sich in meine Lunge bohren, kann ich keine Canapés essen!«

»Auf dem sárkány gibt es was zu essen?«, fragte Aisling und blickte mich ungläubig an.

»Siehst du? Selbst die Gefährtin des grünen Wyvern findet es albern, um diese Uhrzeit Essen zu servieren«, warf Baltic triumphierend ein.

»Ich serviere kein Essen«, sagte ich stirnrunzelnd. »Es gibt nur ein bisschen zu knabbern, während wir darüber diskutieren, ob sie mich hinrichten oder nicht.«

»Was?«, fragte Baltic und blickte mich an.

»Das erzähle ich dir später«, sagte ich und nickte den anderen zu.

»Du erzählst es mir jetzt!«, befahl er und tappte verärgert mit seinen Klauen.

»Ahh!«, schrie Dr. Kostich.

Baltic zog seinen Vorderfuß ein wenig zur Seite, damit die Klauen nicht direkt auf Kostichs Gesicht trafen. »Was soll das heißen, ob sie dich hinrichten oder nicht? Was für einen Grund hat der Weyr denn, dich zu töten?«

»Es reicht jetzt! Ich bin am Ende meiner Geduld angelangt. Ich werde dich jetzt selbst vernichten, wenn niemand mich vor diesem dicken Drachen rettet!«

»Er ist nicht dick!«, fuhr ich den Erzmagier an. »Alle Drachen sehen so aus!«

»Wenn Sie hier an meiner Stelle lägen, würden Sie das nicht sagen«, grummelte Kostich.

Jim öffnete das Maul, um eine Bemerkung loszulassen, klappte es aber wieder zu, als sowohl Aisling als auch ich ihn böse anfunkelten.

»Äh … warum liegt denn Baltic überhaupt auf Dr. Kostich?«, fragte Aisling.

»Nun, na ja, ich habe von dem Gerücht gehört, dass Ysolde es gern hat, wenn zwei Männer miteinander …«, begann Jim. Ich warf das Stuhlbein nach ihm, gefolgt von einer kleinen Magiekugel, die sich auf halbem Weg zu dem Dämon in eine Banane verwandelte. »Oh, noch mehr Snacks. Danke.«

»Gefährtin, antworte mir.«

»Ich kann nichts sehen. Alles wird schwarz. Wenn du mich tötest, werde ich euch allen als Gespenst erscheinen!«

»Hast du gerade eine Banane gezaubert?«, fragte Aisling und schaute zu Jim, der die Banane aß.

»Ja«, seufzte ich und zeigte auf meinen früheren Arbeitgeber. »Er hat mich mit einem Verbot belegt. Meine magischen Kräfte funktionieren nicht mehr richtig.«

»Sie sollten überhaupt keine mehr haben, und Sie werden auch keine mehr haben, wenn ich mit Ihnen und diesem übergewichtigen Höllentier …«

»In Herrgottsnamen.« Ich zupfte an Baltics Schwanz. »Lass ihn aufstehen. Wir sollten uns wie zivilisierte Menschen unterhalten.«

»Mit Zitronensorbet und in Schinken eingewickelten Pilzköpfchen«, ergänzte Jim.

Baltic warf Kostich, der sich nur noch schwach unter ihm bewegte, einen bösen Blick zu, verwandelte sich aber wieder in menschliche Gestalt. Er klopfte sich den Staub von der Kleidung, als er aufstand.

Die beiden grünen Bodyguards halfen Dr. Kostich auf und schleppten ihn zu einem Stuhl, wo er schwer atmend in sich zusammensackte und missmutig in die Runde sah.

Es wurde still. Baltic und Drake starrten einander stumm an.

»Baltic«, sagte Drake schließlich, als Aisling ihn anstupste.

»Drake Vireo«, sagte Baltic.

Dann starrten sie einander weiter an. Sie knurrten zwar nicht, aber ihre Aggressivität war ihnen deutlich anzusehen.

»Drake«, sagte Aisling vielsagend und nickte zu uns hin.

Er seufzte. Ich musste ein Kichern unterdrücken, als ich seinen gequälten Gesichtsausdruck sah. »Du siehst gut aus, Ysolde. Dein Gefährte auch.«

»Danke«, erwiderte ich und blickte Baltic an, der Drake mürrisch musterte. Ich kniff ihn in den Arm. Er reagierte nicht. Ich bohrte meine Fingernägel so tief in sein Handgelenk, dass er mich anfuhr: »Du liebe Güte, Frau! Ich bin der Schreckenswyvern Baltic! Ich mache keine höfliche Konversation!«

»Jetzt schon. Los! Es tut gar nicht weh.«

Er blickte sogar noch gequälter drein als Drake. »Meine Gefährtin hat bestimmt, dass du in unserem Haus willkommen bist.«

»Das kannst du doch besser«, sagte ich und warf ihm einen meiner strengsten Mutterblicke zu.

»Eines Tages, Gefährtin, gehst du zu weit!«, drohte er mit zusammengekniffenen Augen und geblähten Nüstern.

Ich küsste ihn auf die Nasenspitze. Er verzog aufgebracht das Gesicht.

»Na los. Du kannst es!«

Eine kleine Rauchwolke stieg aus einem Nasenloch. Ich lächelte ihn an; sein Blick versprach Rache bei der nächsten Gelegenheit. Schließlich jedoch gelang es ihm, zu Drake zu sagen: »Du siehst genauso aus wie beim letzten Mal, als ich dich gesehen habe.«

»Na, das hat doch gar nicht weh …«

»Das heißt, beim letzten Mal hast du versucht, mich zu töten«, unterbrach Baltic mich. »Du hast mir ein langes Schwert durch den Leib gejagt und versucht, mir mit einer Streitaxt den Kopf abzuschlagen. Ich glaube, du hast auch ein paar Armbrustbolzen in meine Beine geschossen, um mir die Knochen zu brechen.«

Schweigen trat ein. Drake schnippte ein nicht existentes Staubflöckchen von seinem Ärmel.

»Und wenn ich mich nicht irre, hast du auch meine Milz mit einem Dolch bearbeitet.«

Aisling starrte ihren Gatten an, der angelegentlich ein Gemälde in der Eingangshalle studierte.

»Ganz zu schweigen von dem Enterhaken, den du äußerst kreativ benutzt hast, indem du …«

»Das ist deine Vorstellung von einem Willkommensgruß?«, unterbrach ich Baltic, bevor mir schlecht wurde.

Er zuckte mit den Schultern. »Die beiden Morgensterne, die er mir über den Schädel gezogen hat, habe ich gar nicht erwähnt. Das hätte ich durchaus tun können, aber mir war klar, dass du es lieber bei höflicher Plauderei belassen würdest.«

»Ich glaube, es steht eins zu null für unser Team«, sagte Jim und nickte zustimmend.

Aisling blickte ihn an. »Hallo! Du bist mein Dämon. Du bist in unserer Mannschaft, nicht in ihrer.«

»Soldie hat mich gekidnappt. Bis sie mich gehen lässt, bin ich in ihrem Team. Stimmt’s?«

»Kann es sein, dass du nur deshalb in meinem Team sein möchtest, weil ich Canapés in der Küche habe?«, fragte ich.

»Ein Dämon muss schließlich Prioritäten setzen.«

»Jim, bei Fuß«, sagte Aisling erschöpft.

»Oh, gut!« Ich hielt den Dämon zurück, als er gehorchen wollte. »Ruinier du nur meine Pläne! Du dürftest noch gar nicht hier sein. Jim muss erst noch versteckt werden. Da versuche ich, einen netten sárkány zu organisieren, aber nein, alle müssen ihn ruinieren.«

»Hallo«, sagte May, die hinter den beiden rothaarigen Bodyguards auftauchte. Sie schlüpfte zwischen ihnen hindurch und blickte sich interessiert um. »Sind wir zu spät?«