6.

 

Han­ni­bal sag­te kein Wort, son­dern blick­te mich nur ru­hig an. Wir hat­ten ge­nug Thea­ter ge­spielt. Ehe wir nicht al­lein wa­ren und ernst­haft mit­ein­an­der dis­ku­tie­ren konn­ten, hat­te es kei­nen Sinn, wei­te­re Ge­sprä­che zu füh­ren.

Fern­se­hen, Ste­reo­funk und die Spät­aus­ga­ben der in­ter­na­tio­na­len Pres­se brach­ten un­se­ren Fall si­cher­lich in großer Auf­ma­chung. Mehr hat­ten wir nicht in die We­ge lei­ten kön­nen.

Ich mus­ter­te den zwei­mo­to­ri­gen Tur­bo­bom­ber, der mit aus­ge­fah­re­nen Ro­tor­krän­zen auf dem Dach stand. Auch große Ma­schi­nen wur­den seit et­wa zehn Jah­ren grund­sätz­lich so kon­stru­iert, daß sie wie Hub­schrau­ber star­ten und lan­den konn­ten. Das Pro­blem der da­für not­wen­di­gen Se­kun­där­trieb­wer­ke war ein­wand­frei ge­löst wor­den. Die im Au­ßen­ring der Ro­to­ren an­ge­ord­ne­ten Staustrahl­trieb­wer­ke wa­ren tech­nisch durch­kon­stru­iert und von ho­her Schub­leis­tung. Der er­for­der­li­che Luft­stau wur­de bei ei­ner Ro­tor­dreh­zahl von 587 Um­dre­hun­gen er­reicht. Der Wert war je nach Durch­mes­ser der ge­gen­läu­fi­gen Hub­krän­ze va­ria­bel.

Die­ser Bom­ber war ei­ne »Mar­tin-XB-1298«. Es han­del­te sich um ein ver­al­te­tes Mo­dell, das nur die fünf­fa­che Schall­ge­schwin­dig­keit er­reich­te. An dem hoch­auf­ra­gen­den Sei­ten­leit­werk be­merk­te ich die In­itia­len »GWA« mit dem cha­rak­te­ris­ti­schen Atom­mo­dell.

Die Ma­schi­ne diente als Pas­sa­gier­flug­zeug. An Stel­le der Bom­ben­schäch­te war ei­ne Ka­bi­ne ein­ge­baut wor­den, die not­falls sechs Per­so­nen auf­neh­men konn­te.

Vor der XB-1298 be­ob­ach­te­te ich zwei un­auf­fäl­lig ge­klei­de­te Män­ner. Ih­re Ge­sich­ter wur­den von den le­bens­echt wir­ken­den Bio­syn­th­fo­li­en be­deckt. Wenn sich GWA-Schat­ten di­rekt in ih­rer Ei­gen­schaft als ZBV-Agen­ten zei­gen muß­ten, wa­ren sie ver­pflich­tet, die Mas­ken zu tra­gen.

Ma­jor Gar­ry sa­lu­tier­te und ließ sich von den GWA-Leu­ten die Aus­lie­fe­rungs­be­stä­ti­gung un­ter­schrei­ben. Von da an be­fan­den wir uns in der Ob­hut der ei­ge­nen Leu­te. In dem einen Mann er­kann­te ich je­nen Oberst Mil­ler, der mir im Ge­richts­saal das An­ge­bot ge­macht hat­te.

Mei­ne Hand­schel­len wur­den über­prüft. Man for­der­te uns auf, in die Ma­schi­ne zu stei­gen. In dem schlan­ken Rumpf, kurz vor den scharf­ge­pfeil­ten Stum­mel­trag­flä­chen, öff­ne­te sich ei­ne ova­le Ka­bi­nen­tür. Nach­dem ich den Raum be­tre­ten hat­te, setz­te ich mich in einen Schaum­stoff­ses­sel.

Ich konn­te nach vorn zur Pi­lo­ten­kan­zel se­hen. Dort be­fand sich nur ein Mann. Der Co-Pi­lot fehl­te noch. Han­ni­bal folg­te und schimpf­te über einen der Be­am­ten, der ihn an­geb­lich zu fest am Ober­arm er­grif­fen hat­te.

»Zer­bre­chen Sie mir nicht die Kno­chen«, be­schwer­te er sich.

Die Män­ner wink­ten noch ein­mal nach drau­ßen, ehe sie die Ka­bi­nen­tür schlos­sen und si­cher­ten. Sie nah­men eben­falls Platz. Ei­ner von ih­nen sprach in das Ver­bin­dungs­mi­kro­phon zum Pi­lo­ten­raum.

»Start frei. Ge­hen Sie so­fort auf hun­dert­tau­send Fuß Hö­he und hal­ten Sie den vor­ge­schrie­be­nen Kurs.«

Der Pi­lot be­stä­tig­te. Un­mit­tel­bar dar­auf be­gan­nen die An­las­ser der bei­den Strahl­tur­bi­nen zu sum­men.

Das Ge­räusch stei­ger­te sich zu ei­nem schril­len Heul­ton, der in ein dump­fes Don­nern über­ging. als der Pi­lot den Brenn­stoff in die Brenn­kam­mern ein­spritz­te. Er zün­de­te, und die Tur­bos lie­fen.

Über uns be­gan­nen sich die klei­nen und doch hub­star­ken Ro­tor­krän­ze zu­dre­hen. E-Mo­to­ren be­wirk­ten die An­lauf­pe­ri­ode. Als die Um­dre­hungs­ge­schwin­dig­keit hoch ge­nug war, um den vor­ge­schrie­be­nen Stau­druck in den mit­schwin­gen­den Trieb­wer­ken zu ge­währ­leis­ten, zün­de­ten sie eben­falls. Das Don­nern der bei­den Haupt­tur­bi­nen mä­ßig­te sich zum Leer­lauf­sur­ren.

Leicht hob die Ma­schi­ne von der Dach­pis­te ab. Nur mit Hil­fe der wir­beln­den Dop­pel­krän­ze stieg sie in die Luft und nahm gleich­zei­tig Fahrt auf. Erst et­li­che hun­dert Me­ter über dem FBI-Haupt­quar­tier be­gan­nen die Haupt­trieb­wer­ke mit stär­ke­rer Schub­leis­tung zu ar­bei­ten. Von die­sem Mo­ment an ver­wan­del­te sich der Hub­schrau­ber in einen Tur­bo­bom­ber.

Die Be­schleu­ni­gung war so enorm, daß die Hub­krän­ze be­reits nach we­ni­gen Au­gen­bli­cken ein­ge­fah­ren wer­den konn­ten. Sie klapp­ten zu­sam­men und ver­schwan­den in dem ae­ro­dy­na­misch ver­klei­de­ten Rücken­wulst. Zwei Mi­nu­ten spä­ter durch­s­tieß der leich­te Bom­ber noch wäh­rend des Steig­flu­ges die Schall­mau­er. Wir ver­lie­ßen Wa­shing­ton. Der wei­te Him­mel nahm uns auf.

In der Ma­schi­ne war es still ge­wor­den. Das Ge­räusch un­se­rer ei­ge­nen Trieb­wer­ke konn­ten wir nicht mehr hö­ren. Der Schall blieb weit hin­ter uns zu­rück. Trotz­dem konn­te ich fest­stel­len, daß der Pi­lot noch nicht auf vol­le Ge­schwin­dig­keit ge­gan­gen war.

Als ich mich ge­ra­de um­dre­hen woll­te, tauch­te er in der schma­len Ver­bin­dungs­tür auf. Er muß­te die Ro­bot­steue­rung ein­ge­schal­tet ha­ben. In der Hand hielt er ei­ne Plas­tik­mas­ke. Zu mei­ner größ­ten Über­ra­schung er­kann­te ich den Al­ten, der die Ma­schi­ne al­so höchst­per­sön­lich ge­st­ar­tet hat­te.

Der Chef blick­te uns ver­hal­ten schmun­zelnd an und gab sei­nem Kol­le­gen einen Wink. Das muß­te dem­nach der ei­gent­li­che Pi­lot sein.

Wort­los schritt er nach vorn und ver­schwand im Cock­pit.

»Ich woll­te nicht er­kannt wer­den«, sag­te Ge­ne­ral Re­ling ge­müt­lich. »Mil­ler, neh­men Sie ih­nen end­lich die Hand­schel­len ab. Wir ha­ben kei­ne Zeit mehr für sol­che Scher­ze.«

Han­ni­bal hielt »Mil­ler« die Hän­de hin.

»Wird aber auch Zeit, Chef! Wenn ich ge­wußt hät­te, was uns al­les be­vor­steht, hät­te ich mich recht­zei­tig krank ge­mel­det.«

»Hal­ten Sie Ih­ren Mund, Hollak«, brumm­te der Al­te. »Ich bin nicht hier, um mir Ih­re selt­sa­men Ar­gu­men­te an­zu­hö­ren.«

Auch mei­ne Hand­schel­len wur­den ge­löst. An­schlie­ßend hol­te Mil­ler ei­ne schwe­re Ta­sche.

»Un­se­re Spe­zi­al­aus­rüs­tung?« er­kun­dig­te ich mich.

»Ja. Wir flie­gen nur mit dem drit­ten Teil un­se­rer Ge­schwin­dig­keit. Weit über uns steht ein Io­no­sphä­ren-Atom­bom­ber, der uns un­abläs­sig in sei­nem Ra­dar­ge­rät hat. Seit et­wa drei Mi­nu­ten wer­den wir von ei­ner frem­den Ma­schi­ne ver­folgt. Es muß sich um ein Pri­vat­flug­zeug han­deln, das die Fahrt un­se­rer Ma­schi­ne hal­ten kann. Wis­sen Sie, was das be­deu­tet?«

Mein Atem ging schnel­ler. Mei­ne Bli­cke husch­ten zwi­schen dem Al­ten und der Ak­ten­ta­sche hin und her.

»Et­wa die­ser Mis­ter Tho­ma­son, der mir durch den An­walt einen Gruß aus­rich­ten ließ?« frag­te ich ge­spannt.

»Was dach­ten Sie? Den Bur­schen ha­ben wir be­reits un­ter die Lu­pe ge­nom­men. Wir wis­sen al­les über ihn. Mein Ver­dacht wur­de be­stä­tigt. Al­les läuft bes­tens. Un­se­re Mit­tel­chen ha­ben ih­re Wir­kung nicht ver­fehlt, Dr. Ten­sin! Die Fi­sche ha­ben prompt an­ge­bis­sen, zu­mal Sie Ih­nen einen recht fet­ten Kö­der hin­ge­wor­fen ha­ben. Sie ha­ben bis­her her­vor­ra­gend ge­spielt.«

Ich at­me­te er­leich­tert auf. Nur gut, daß der Al­te über die­sen Tho­ma­son in­for­miert war.

»Sie ha­ben den An­walt über­wa­chen las­sen?«

»Nicht nur das! In sei­ner Ka­bi­nen­gon­del war so­gar ein Mi­kro-Sprech­funk­sen­der ein­ge­baut, der uns al­les ver­mit­tel­te, was in dem Wa­gen ge­spro­chen wur­de. Noch be­vor Ih­nen die freund­li­chen Grü­ße aus­ge­rich­tet wur­den, wuß­ten wir, wie das Spiel aus­sah. Der An­walt hat üb­ri­gens einen Scheck über zehn­tau­send Dol­lar be­kom­men. Hat er Ih­nen das auch ge­sagt?«

»So ein Gau­ner«, mur­mel­te Han­ni­bal.

»Au­gen­blick­lich voll­kom­men gleich­gül­tig«, fuhr Re­ling fort. »Ten­sin, die schrift­li­chen For­schungs­un­ter­la­gen über den Strah­ler be­fin­den sich in Ih­ren an­geb­li­chen La­bo­ra­to­ri­en, und zwar in dem Ver­steck, das von den FBI-Leu­ten nicht ent­deckt wur­de. Sie sind doch ori­en­tiert?«

Na­tür­lich war ich das. Wir hat­ten es lan­ge ge­nug ein­stu­diert.

»Gut. Die Un­ter­la­gen sind ein­wand­frei, bis auf ei­ni­ge Ab­än­de­run­gen, die aber nur sehr schwer fest­zu­stel­len sind. Auf Grund die­ser Do­ku­men­te wird man al­ler­dings nie­mals einen Pho­to­nen­strah­ler bau­en kön­nen. Kom­men wir auf die bei­den Agen­ten zu­rück, mit de­nen sich Ten­sin vor et­wa vier Wo­chen zum letz­ten­mal un­ter­hal­ten hat und von de­nen Sie in der Ver­hand­lung be­haup­te­ten, es hät­te sich um In­dus­tri­el­le ge­han­delt.«

Mil­ler reich­te mir Fo­to­gra­fi­en von den bei­den Män­nern. Ich konn­te mich er­in­nern, die Auf­nah­men be­reits ge­se­hen zu ha­ben.

»Be­trach­ten Sie die Bil­der ge­nau. Der klei­ne Schwarz­haa­ri­ge ist Do­nald Fera­son. Der Grob­kno­chi­ge nennt sich Hank Gu­tris. Es ist gut, daß wir die Bur­schen trotz der voll­stän­di­gen Be­wei­se nicht gleich ver­haf­tet ha­ben. Sie ge­hö­ren zu ei­nem Spio­na­ge­ring, des­sen Zen­tra­le wahr­schein­lich in Ka­li­for­ni­en liegt. Oh­ne Zwei­fel sind sie Agen­ten des ›Großasia­ti­schen-Staa­ten­bun­des‹. Of­fi­zi­ell al­ler­dings sind sie In­ha­ber ei­ner Fir­ma in Salt La­ke Ci­ty und be­fas­sen sich mit dem Groß­ver­leih von Hub­schrau­bern und schnel­len Rei­se­flug­zeu­gen. Sie ha­ben al­so ei­ne sehr gu­te Ope­ra­ti­ons­ba­sis und kön­nen zu je­der Zeit in der Ge­gend her­um­flie­gen. Denn sie ha­ben im­mer plau­si­bel klin­gen­de Aus­re­den zur Hand. Sie er­pro­ben die Ma­schi­nen, ver­ste­hen Sie?«

Al­ler­dings, ich ver­stand sehr gut. Die Agen­ten sa­ßen dem­nach in un­mit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft der Ne­va­da-Fields, in de­ren Nä­he sich auch die wich­ti­gen, neu­er­bau­ten Fa­bri­ken zur Her­stel­lung mo­der­ner Raum­schif­fe be­fan­den.

Was hat­ten sie nun aber mit un­se­rem Fall zu tun? Wo war die Ver­bin­dung zwi­schen ih­rem Auf­ga­ben­be­reich, dem Phy­si­ker Dr. Ten­sin und den ver­schwun­de­nen Vi­ren­kul­tu­ren?

Ge­ne­ral Re­ling schi­en mei­ne Ge­dan­ken zu ah­nen. Er blick­te auf die Uhr.

»Wir ha­ben kei­ne Zeit zu ver­lie­ren. Hö­ren Sie al­so zu. Die bei­den Bur­schen bil­den das ei­ne En­de des Fa­dens, der zu der Spio­na­ge­zen­tra­le mit dem un­be­kann­ten Chef und da­mit zu den ver­schwun­de­nen Vi­ren-Kul­tu­ren führt. Sie wis­sen aus den An­ga­ben des Groß­com­pu­ters, daß in den staat­li­chen La­bo­ra­to­ri­en ein jun­ger Bak­te­rio­lo­ge be­schäf­tigt war, der seit je­ner Un­glücks­nacht spur­los ver­schwun­den ist. Er hat­te in der frag­li­chen Zeit Dienst im Zucht­la­bor. Der Mann heißt Dr. Fres­ko. Hier ist sein Bild.«

Wir be­sa­hen uns in­ten­siv die Auf­nah­me. All­mäh­lich merk­ten wir, wor­auf der Al­te hin­aus woll­te.

»Durch un­se­re pau­sen­lo­se Ar­beit ha­ben wir er­mit­telt, daß Dr. Fres­ko schon Wo­chen vor der Ka­ta­stro­phe mit den bei­den Agen­ten ver­han­delt hat, dir Ih­re Spur be­deu­ten.«

Han­ni­bal pfiff durch die Zäh­ne.

»So hängt das zu­sam­men«, mur­mel­te ich. »Wei­ter!«

»Weil ich mir über den in­ne­ren Zu­sam­men­hang schon vor Ta­gen klar war, muß­ten Sie die Rol­le von Dr. Ten­sin über­neh­men. Sie ha­ben al­so ein stich­hal­ti­ges Mo­tiv, nach Ih­rer er­folg­rei­chen Flucht die bei­den Män­ner auf­zu­su­chen, die nicht nur mit Ten­sin, son­dern auch mit Dr. Fres­ko in Ver­bin­dung ge­stan­den ha­ben. Fres­ko ist – wie ge­sagt – seit der Un­glücks­nacht ver­schwun­den. Wir ha­ben al­len Grund an­zu­neh­men, daß er durch sei­ne An­ga­ben den ver­we­ge­nen Dieb­stahl er­mög­licht hat. Er wird es auch ge­we­sen sein, der den ver­seuch­ten Staub aus der Agen­ten­ma­schi­ne ab­ge­bla­sen hat. Dr. Fres­ko war nicht un­ter den To­ten. Die­se Tat­sa­che läßt die Schluß­fol­ge­rung zu, daß er zu­sam­men mit den Agen­ten un­ter­ge­taucht ist. Nur er wuß­te so­viel über das Vi­rus, daß er es wa­gen konn­te, den ge­fähr­li­chen Staub fach­ge­recht ab­zu­bla­sen. Man wird Fres­ko mit­ge­nom­men ha­ben, da man sei­ne Kennt­nis­se be­nö­tigt. Zur Zeit sind wir noch da­mit be­schäf­tigt, sein Vor­le­ben zu durch­leuch­ten. Die er­mit­tel­ten Da­ten müs­sen Ih­nen je­doch vor­erst ge­nü­gen. Über die bei­den Agen­ten in Salt La­ke Ci­ty kön­nen Sie an Fres­ko her­an­kom­men. Wie Sie vor­ge­hen, ist Ih­re An­ge­le­gen­heit. Wei­te­re Hin­wei­se, kann ich Ih­nen nicht ge­ben. Wie ich be­reits aus­führ­te, sind un­se­re An­halts­punk­te äu­ßerst dürf­tig. Sie sind GWA-Schat­ten ›Zur be­son­de­ren Ver­wen­dung‹. Sie ha­ben nach ei­ge­nem Er­mes­sen zu han­deln, so­bald Sie den Kon­takt auf­ge­nom­men ha­ben. Al­les klar?«

Han­ni­bal und ich hat­ten noch ei­ni­ge Fra­gen. Der Al­te be­ant­wor­te­te sie nach bes­tem Wis­sen.

»Mil­ler, neh­men Sie Ih­re Mas­ke ab, da­mit Sie von Ten­sin und Hollak je­der­zeit er­kannt wer­den kön­nen«, be­fahl er ab­schlie­ßend.

Mil­ler zog die Bio­haut vom Ge­sicht und lä­chel­te uns an. Wir be­trach­te­ten ihn ein­ge­hend und wun­der­ten uns gar nicht mehr über die eben­falls sehr un­ge­wöhn­li­che Maß­nah­me. Der Al­te schi­en al­les auf ei­ne Kar­te zu set­zen. Es war in der Ge­schich­te der GWA nur äu­ßerst sel­ten vor­ge­kom­men, daß sich ei­ni­ge Mit­ar­bei­ter per­sön­lich ken­nen­lern­ten.

»Das ist Leut­nant TS-19, der den ech­ten Dr. Ten­sin im Zu­ge sei­ner Auf­ga­be er­schos­sen hat. Er ist al­so ge­naues­tens über den Phy­si­ker und sei­ne For­schun­gen ori­en­tiert. Au­ßer­dem kennt er auch die Agen­ten. Er wird Ihr Ver­bin­dungs­mann sein, der sich im­mer in Ih­rer Nä­he auf­hält. Sie kön­nen mit ihm über Ih­ren Mi­kro­sen­der in Ver­bin­dung tre­ten. Kenn­zei­chen sind Ih­re ge­gen­sei­ti­gen Ko­de­num­mern, die Sie bei je­der Sen­dung zu nen­nen ha­ben. Zu­sätz­lich ha­ben Sie noch das GWA-Stich­wort des be­tref­fen­den Ta­ges zu sen­den. TS-19 ist Ih­nen un­ter­stellt. Er wird Ih­re For­de­run­gen oh­ne Ge­gen­fra­ge aus­füh­ren. Mit sei­ner GWA-Mar­ke kann er das je­der­zeit er­wir­ken. Den­ken Sie an Ih­re Voll­mach­ten, Ten­sin, die ich im Ro­bot­ge­hirn zu Ih­rer Rücken­de­ckung fest­ge­hal­ten ha­be.«

Der Al­te sprach mich grund­sätz­lich mit mei­nem an­ge­nom­me­nen Na­men an. Er hat­te noch nicht ein­mal »Kon­nat« ge­sagt.

Der Sum­mer klang auf. Die klei­ne Bild­flä­che der Bord­ver­bin­dung er­hell­te sich. Der Pi­lot mel­de­te sich.

»Es wird Zeit, Sir. Wir nä­hern uns dem Ab­sprung­ge­biet.«

»Dan­ke! Los, Ten­sin, ver­stau­en Sie Ih­re Aus­rüs­tung. Mil­ler, hel­fen Sie Ih­ren Kol­le­gen und be­ei­len Sie sich. Ich wer­de in der Zwi­schen­zeit ein neu­es Ver­bre­chen Tens­ins vor­be­rei­ten.«

Er schau­te mich düs­ter an und run­zel­te die Au­gen­brau­en. Was soll­te das wie­der hei­ßen? Dar­über hat­ten wir noch nicht ge­spro­chen.

Ich zog mich rasch aus. TS-19 wühl­te in sei­ner Ta­sche her­um und hol­te mei­nen Mi­kro­sen­der her­vor.

Er muß­te an mei­nem Kör­per so an­ge­bracht wer­den, daß er auch bei ei­ner ge­nau­en Un­ter­su­chung nicht ge­fun­den wer­den konn­te.

Ich hielt Mil­ler mein rech­tes Bein hin. Kri­tisch be­trach­te­te er die tie­fe Nar­be in mei­nem Ober­schen­kel dicht un­ter­halb des Hüft­kno­chens. Ehe­mals war das ei­ne harm­lo­se Schuß­wun­de ge­we­sen, die ei­ne ge­ring­fü­gi­ge und un­re­gel­mä­ßig ge­form­te Ver­tie­fung hin­ter­las­sen hat­te. Dann hat­ten die GWA-Chir­ur­gen das Wund­mal ent­deckt – und ich war ihr Pa­ti­ent ge­wor­den.

Es war nur ei­ne klei­ne Ope­ra­ti­on ge­we­sen. Bei die­sem Ein­griff hat­ten sie mir die ver­heil­te Ver­let­zung wie­der auf­ge­schnit­ten, um sie zu ei­nem qua­dra­ti­schen Loch zu er­wei­tern, in das ein Mi­kro-Tran­sis­to­ren­sen­der von den Aus­ma­ßen ei­nes Spiel­wür­fels gut hin­ein­paß­te. Die Wun­de war an­schlie­ßend durch Ge­we­be­plas­tik sau­ber ab­ge­deckt wor­den; doch das Loch im Bein­mus­kel blieb mir für im­mer er­hal­ten.

»Sehr gut«, mur­mel­te Mil­ler. »Ei­ne der bes­ten Ope­ra­tio­nen, die ich je ge­se­hen ha­be. Kom­men Sie be­quem an die Sen­de­tas­te her­an, wenn Sie in die Ho­sen­ta­sche grei­fen?«

»Schon tau­send­mal pro­biert. Ma­chen Sie schon.«

Das Wun­der­werk aus den Spe­zi­al­werk­stät­ten der GWA ver­schwand in dem Ver­steck. Es drück­te et­was, doch das Ge­fühl ließ gleich wie­der nach. Sorg­fäl­tig kon­trol­lier­te er die haar­dün­ne An­ten­ne, die dicht un­ter mei­ner Bein­haut bis zum Fuß hin­a­b­lief. Er ver­band das En­de mit dem Sen­der und träu­fel­te dann die Bio­mas­se in die Wun­de, bis das Loch mit dem Sen­der voll­stän­dig ver­deckt war. Dar­über wur­de ein ste­ri­ler Haut­ge­we­be­strei­fen ge­legt, der je­doch so na­tür­lich wirk­te, daß man nur mit ei­ner star­ken Lu­pe die win­zi­gen Be­rüh­rungs­fel­der fest­stel­len konn­te. Ich war­te­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke, bis sich das Ma­te­ri­al ver­dich­tet hat­te und elas­tisch wur­de.

»In Ord­nung, ta­del­los«, sag­te Mil­ler. »Die Mikro­bat­te­rie ist frisch. Die Auf­la­dung wird durch Ih­re Kör­per­elek­tri­zi­tät er­fol­gen, so­bald Sie ei­ne ge­wis­se Men­ge Strom ver­braucht ha­ben. Es han­delt sich um das neues­te Ge­rät. Al­so kei­ne Angst, daß die Ener­gie nach­las­sen könn­te. Es ar­bei­tet auf Sup-Ul­tra-Kurz­wel­le, die erst we­ni­gen For­schern be­kannt ist. Ih­re Sen­dun­gen kön­nen da­her nicht ab­ge­horcht wer­den. Scha­de, daß Sie nicht auch emp­fan­gen kön­nen, doch da­für wä­re der ver­füg­ba­re Raum­in­halt nun doch zu klein ge­we­sen. Tes­ten wir das Ge­rät.«

Er nahm sei­nen win­zi­gen Emp­fän­ger aus der Ta­sche. Ich be­gann auf die Stel­le an mei­nem Bein zu drücken, wo sich un­ter der Bio­mas­se der Sen­de­kon­takt be­fand. We­gen der klei­nen Mor­se­tas­te be­nö­tig­te ich ein sehr gu­tes Fin­ger­spit­zen­ge­fühl.

Ich funk­te mein Er­ken­nungs­zei­chen und ver­nahm gleich­zei­tig die ho­hen Pfeif­tö­ne, die aus sei­nem Emp­fän­ger ka­men.

»Ein­wand­frei«, lach­te er lei­se. »Ih­re Reich­wei­te liegt zwi­schen hun­dert­sech­zig und zwei­hun­dert Mei­len. Das ge­nügt voll­kom­men. Hier sind Ih­re an­de­ren Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­de. Ich wer­de Hollak be­hilf­lich sein. Er hat es schwe­rer als Sie.«

Das stimm­te, denn Han­ni­bal ver­füg­te über kein Schuß­loch im Bein. Ihm wur­de der win­zi­ge Wür­fel un­ter der lin­ken Ach­sel­höh­le ein­ge­baut. Über die Stel­le ka­men Ge­we­be­plas­tik­strei­fen, die mit ei­nem ech­ten Haar­wuchs ver­se­hen wa­ren.

Der Klei­ne fluch­te und mein­te, nun brau­che er wie­der ei­ne Wo­che, bis er sich an den stän­di­gen Druck ge­wöhnt hät­te.

Ich hat­te in­zwi­schen mei­ne Spe­zial­uhr um das lin­ke Hand­ge­lenk ge­legt. Es war ei­ne schö­ne, un­auf­fäl­li­ge Uhr, der man es nicht an­sah, daß sie aus ei­ner win­zi­gen Sprüh­dü­se je­ne Säu­re aus­spei­en konn­te, die so­gar bes­ten Stahl in ko­chen­de Ma­te­rie ver­wan­del­te. Es han­del­te sich um ei­ne Not­wehr­waf­fe, die höchs­tens für drei Sprüh­schüs­se ge­eig­net war. Es ge­nüg­ten win­zigs­te Men­gen, um das Ge­sicht ei­nes Geg­ners zu ver­nich­ten.

An­schlie­ßend griff ich nach dem Zi­ga­ret­ten­päck­chen, das nur halb ge­füllt war und einen sehr zer­knautsch­ten Ein­druck mach­te. In ihm be­fan­den sich auch drei Zi­ga­ret­ten, die nur an ei­nem win­zi­gen Zei­chen zu un­ter­schei­den wa­ren. In­ner­halb des Ta­baks steck­ten je drei ro­te Kü­gel­chen, die win­zi­ge Men­gen je­nes grau­en Pul­vers ent­hiel­ten, das un­se­re Wis­sen­schaft­ler Ther­mo­ni­tal nann­ten. Ther­mo­ni­tal ist ein Wirk­stoff, der dem alt­be­kann­ten Ther­mit gleicht. Er ent­zün­det sich, so­bald er mit dem Sau­er­stoff der Luft in Be­rüh­rung kommt und ent­wi­ckelt beim Ab­bren­nen ei­ne Hit­ze von zwölf­tau­send Grad. Wir brau­chen die Kü­gel­chen not­falls nur zu zer­schla­gen. Un­ter zwölf­tau­send Hit­ze­gra­den zer­floß selbst mas­si­ves Ge­stein.

Das wa­ren nur ei­ni­ge Din­ge, die zu den Spe­zi­al­aus­rüs­tun­gen ei­nes GWA-Agen­ten ge­hör­ten. Die Wis­sen­schaft stand Pa­te bei im­mer neu­en Ent­wick­lun­gen. Nicht um­sonst nann­ten wir uns »Wis­sen­schaft­li­che-Ab­wehr«.

Ich ver­stau­te die Ge­gen­stän­de in mei­nen Ta­schen. Han­ni­bal folg­te mei­nem Bei­spiel. Zu­letzt er­grif­fen wir die Schul­ter­half­ter mit den plump wir­ken­den, kurz­läu­fi­gen Ther­mo-Rak-Pis­to­len. Sie stell­ten die ge­fähr­lichs­ten Waf­fen dar, die au­ßer ato­ma­ren Waf­fen je­mals her­ge­stellt wa­ren. Mit die­sen Pis­to­len wa­ren nur hö­he­re Be­am­te der Ge­hei­men Bun­des­kri­mi­nal­po­li­zei und die ak­ti­ven ZBV-Schat­ten der GWA aus­ge­rüs­tet. Sie stan­den nicht ein­mal dem Heer zur Ver­fü­gung.

Ich öff­ne­te das Dop­pel­ma­ga­zin und kon­trol­lier­te die Fül­lung, die in der Nor­mal­aus­füh­rung aus fünf­und­zwan­zig Ge­schos­sen be­stand. Die­se Pis­to­len schos­sen nicht mehr mit nor­ma­len Pa­tro­nen. In­fol­ge­des­sen er­folg­te auch kein Hül­sen­aus­wurf. Die Pro­jek­ti­le wa­ren nichts an­de­res als win­zi­ge Ra­ke­ten. Die fünf Zen­ti­me­ter lan­gen Rak-Ge­schos­se, Ka­li­ber sechs Mil­li­me­ter, wur­den elek­trisch ge­zün­det und er­reich­ten ih­ren Brenn­schluß, 1,020 Me­ter von der Mün­dung ent­fernt. Die End­ge­schwin­dig­keit be­trug bei V-1,020 ge­nau 2,784 Me­ter pro Se­kun­de. Die Auf­tref­f­ener­gie be­trug zum Zeit­punkt E-1,020 ex­akt 834 Me­ter­ki­lo­pond. Das ent­sprach dem Wert ei­ner Spe­zi­al-Groß­wild-Ma­gnum­büch­se di­rekt an der Mün­dung.

Ther­mo-Rak-Pis­to­len ent­wi­ckel­ten kei­nen Rück­schlag. Die Ab­gas­ent­lüf­tung der Treib­la­dung ge­sch­ah na­he der Lauf­mün­dung. Sie schos­sen sehr ge­nau und konn­ten auf Dau­er­feu­er um­ge­stellt wer­den.

»Neh­men Sie die Waf­fen an sich«, sag­te Mil­ler knapp. »Wenn Sie ge­fragt wer­den, wo­her Sie sie ha­ben, so be­haup­ten Sie, Sie hät­ten sie den GWA-Be­am­ten ab­ge­nom­men, die Sie in der Trans­port­ma­schi­ne er­schos­sen ha­ben.«

Ich trau­te mei­nen Oh­ren nicht.

»Wie war das? Wen soll ich er­schie­ßen?«

»Den Chef, den Pi­lo­ten und mich. Se­hen Sie …!« Er deu­te­te nach hin­ten. Has­tig dreh­te ich mich um. In die­sem Au­gen­blick be­merk­te ich erst den Al­ten, der höchst­per­sön­lich drei be­we­gungs­lo­se Kör­per aus dem klei­nen La­de­raum in die Ka­bi­ne ge­schleppt hat­te. Sie sa­hen aus, als wä­ren sie mit Ther­mo-Rak-Pis­to­len er­schos­sen wor­den. Der Chef be­stä­tig­te mei­ne Ver­mu­tung.

»Se­hen Sie mich nicht so ent­geis­tert an. Sie wol­len doch flie­hen, nicht wahr? Da­zu müs­sen zu­erst ein­mal die Be­gleit­be­am­ten be­sei­tigt wer­den. Er­fin­den Sie ei­ne glaub­wür­di­ge Er­klä­rung, wie es Ih­nen ge­lin­gen konn­te, ei­nem der Män­ner die Waf­fe zu ent­rei­ßen. Die To­ten sind Ver­bre­cher, die bei ei­nem Aus­bruchs­ver­such in der Mond­straf­an­stalt er­schos­sen wur­den. In Ih­rer Waf­fe müs­sen spä­ter drei Ge­schos­se feh­len. Den­ken Sie dar­an, wenn Sie lan­den.«

»Wir sind über dem Ab­sprung­ge­biet«, teil­te der Mann im Cock­pit mit.

»Fer­tig, Ten­sin«, be­fahl der Chef. »Sie ver­schwin­den mit der Ma­schi­ne und flie­gen nach Salt La­ke Ci­ty. Sie wis­sen, wo Sie zu lan­den ha­ben. Dort steht ein klei­nes Land­haus, in dem zu­fäl­lig der Be­sit­zer an­we­send ist. Al­les ar­ran­giert. Über­wäl­ti­gen Sie ihn und neh­men Sie sich sei­nen Flug­schrau­ber. Den Bom­ber las­sen Sie ste­hen. Er wird plan­mä­ßig ge­fun­den wer­den. Ma­chen Sie sich auf ei­ne Groß­fahn­dung ge­faßt. Pas­sen Sie auf, daß Sie nicht von Po­li­zei­be­am­ten er­schos­sen wer­den. Sie gel­ten als Mör­der von GWA-Agen­ten. Sie soll­ten wis­sen, was das be­deu­tet! Man wird Sie oh­ne Mit­leid ja­gen, doch das kann für Ih­re Auf­ga­be nur vor­teil­haft sein. Wir sprin­gen jetzt ab. Noch Fra­gen?«

Nein, ich hat­te kei­ne Fra­gen mehr. In­ner­lich be­schäf­tig­ten mich je­doch vie­le Über­le­gun­gen. In fie­ber­haf­ter Ei­le stieg der Al­te in sei­nen druck­fes­ten Hö­hen­pan­zer, schloß die Helm­kap­pe und öff­ne­te die Ven­ti­le der Sau­er­stof­fat­mung. Ich kon­trol­lier­te den Sitz der brei­ten Gur­te und die wich­ti­gen Fall­schir­me, die spe­zi­ell für Ab­sprün­ge aus der obe­ren Stra­to­sphä­re kon­stru­iert wor­den wa­ren.

Die drei Män­ner zisch­ten durch die Druck­schleu­se hin­aus. Sie ver­schwan­den als wir­beln­de Pünkt­chen. Ich wuß­te, daß man sie un­ten er­war­ten wür­de.

»Ich bin seit vier Jah­ren bei der GWA, doch sol­che Maß­nah­men ha­be ich noch nie­mals er­lebt«, un­ter­brach Han­ni­bal das Schwei­gen, das seit dem Ab­sprung un­se­rer Be­glei­ter ein­ge­tre­ten war.

Ich hat­te mich in den Pi­lo­ten­sitz ge­setzt und die plas­ti­sche Re­li­ef­kar­te ein­ge­schal­tet. Auf dem Bild­schirm tauch­te das Ge­biet auf, das wir in drei­ßig­tau­send Me­ter Hö­he über­flo­gen. Au­to­ma­tisch wur­de un­se­re der­zei­ti­ge Po­si­ti­on durch ein far­bi­ges Kreuz mar­kiert, das mit der wei­ter­flie­gen­den Ma­schi­ne über die Re­li­ef­kar­te wan­der­te.

Wir be­fan­den uns dem­nach be­reits über dem Staat Co­lo­ra­do. Nörd­lich von uns lag Den­ver, süd­lich Pue­blo. Deut­lich wa­ren die ge­wal­ti­gen Ge­birgs­ket­ten der Park- und Sa­watch-Ran­ge zu se­hen.

»Un­ge­sun­de Ge­gend für Fall­schir­mab­sprün­ge«, mein­te Han­ni­bal. »Ist die frem­de Ma­schi­ne noch hin­ter uns?«

»Ja. Die Mel­dung kam kurz vor dem Ab­sprung durch. Der Atom­bom­ber hängt drei­ßig Mei­len über uns, wo ein nor­ma­les Trieb­werk in­fol­ge der dün­nen Luft längst nicht mehr ar­bei­ten kann. Dort be­ginnt der Be­reich der Atom- und Ra­ke­ten-Strahl­trieb­wer­ke.«

»Wem sagst du das«, fuhr er mich an. »Du be­nimmst dich mir ge­gen­über wie ein Do­zent, der sei­nen Zu­hö­rern ei­ne Vor­le­sung hält. Gut, die ha­ben uns al­so lau­fend in ih­rem Ra­dar­ge­rät. Fan­gen wir an. Es wird Zeit.«

Ich preß­te die Zäh­ne zu­sam­men und kop­pel­te für ei­ni­ge Au­gen­bli­cke den Ro­bot-Steu­er­au­to­ma­ten ein.

Nach­dem wir un­se­re »Op­fer« auf die vor­ge­schrie­be­nen Plät­ze ge­setzt oder ge­legt hat­ten, da­mit spä­ter kei­ne Ver­dachts­mo­men­te auf­tau­chen konn­ten, schal­te­te ich die Ro­bot­steue­rung wie­der ab.

Han­ni­bal schwang sich in den Ses­sel des zwei­ten Pi­lo­ten. Die An­schnall­gur­te schnapp­ten au­to­ma­tisch um un­se­re Kör­per. In dem Au­gen­blick mein­te der Klei­ne:

»Al­so los, Lan­ger. Be­den­ke, daß wir zwar in ei­ner Druck­ka­bi­ne sit­zen, aber kei­ne Druck­an­zü­ge tra­gen. Wenn jetzt et­was pas­siert, ein win­zi­ger Riß nur, so pfeift un­se­re kom­pri­mier­te At­mo­sphä­re in das Va­ku­um hin­aus, und un­ser Blut be­ginnt zu ko­chen. Kannst du dir vor­stel­len, wie es ist, wenn man ei­ne ex­plo­si­ve De­kom­pres­si­on er­lebt?«

All­mäh­lich wur­de mir der Zwerg mit den selt­sa­men Vor­na­men und dem skur­ri­len Hu­mor sym­pa­thisch. Ich war über­zeugt, daß wir bei un­se­rem Ein­satz ein gu­tes Team sein wür­den.

Ich stieß die Schub­he­bel der bei­den Trieb­wer­ke nach vorn. Von der plötz­li­chen Be­schleu­ni­gung wur­den wir in die Ses­sel ge­preßt. Sehr scharf schwenk­te ich auf den neu­en Kurs, der uns di­rekt nach dem nicht mehr weit ent­fern­ten Salt La­ke Ci­ty im Staa­te Utah brin­gen muß­te. Lang­sam drück­te ich den Knüp­pel nach vorn. Der leich­te Bom­ber ging mit irr­sin­ni­ger Fahrt in den Sturz­flug über.

Ich be­ob­ach­te­te sorg­fäl­tig die Fern­ther­mo­me­ter der Au­ßen­zel­le, die beim Ein­drin­gen in die dich­te­re At­mo­sphä­re so­fort nach oben klet­ter­ten. Der Luftrei­bungs­wi­der­stand stieg sprung­haft. Die Kühl­an­la­gen be­gan­nen zu ar­bei­ten.

In zwan­zig Ki­lo­me­ter Hö­he fing ich die Ma­schi­ne ab. Dann ras­ten wir mit rot­glü­hen­den Flü­gel­kan­ten und ei­ner noch hel­ler glü­hen­den Bug­na­se nach Nord­west.

»Al­ler­hand«, mur­mel­te der Zwerg. Auf sei­ne Lip­pen schlich sich schon wie­der das be­kann­te Grin­sen. »Du ris­kierst et­was. Fünf­fa­che Schall­ge­schwin­dig­keit ist erst ab acht­zehn Mei­len er­laubt. Wir damp­fen ganz schön.«

»Mach mich nicht ner­vös mit dei­nen un­pas­sen­den Be­mer­kun­gen, sonst un­ter­läuft mir noch ei­ne Fehl­schal­tung.«

Er lach­te über mei­ne Zu­recht­wei­sung. Ich be­gann zu über­le­gen.