* 16 *
Im Inneren der Zikkurat wandte sich Tash ab, als der Rodianer seine Transformation zum Knubbel abschloß. Sie hatte mit angesehen, wie die Sturmtruppen des Imperiums ihn verhaftet hatten, unter dem Vorwand, er sei ein Pirat. Vermutlich hatten sie ihn absichtlich mit dem Virus infiziert und ihn dann in diese Zelle gesperrt. Und langsam hatte das Virus seinen Körper übernommen.
Tash begann von Kopf bis Fuß zu zittern, als ihr Wedges Warnung einfiel. Erwartete Zak das gleiche Schicksal? Hatte Dr. Kavafi ihren Bruder ebenfalls mit dem Virus infiziert?
Und wie war Onkel Hoole in diese Sache verwickelt? Wie konnte er zulassen, daß man Zak so etwas antat?
All diese Fragen schwirrten Tash wie brummende Grasfliegen durch den Kopf. Überschattet wurden sie nur noch von ihrer plötzlichen, unbeherrschbaren Wut. Nie zuvor hatte Tash wirklich gewalttätigen Zorn verspürt, und sie dachte, daß er sich ungefähr so anfühlen mußte. Das Imperium hatte ihre Eltern getötet. Und nun hatte es auch noch ihren Bruder mit einem Virus infiziert! Dessen war sie sicher. Am liebsten hätte sie das ganze Krankenhaus mit bloßen Händen in seine Einzelteile zerlegt.
Die Beule an ihrem Arm pochte, als sie die Muskeln anspannte. Am Ende des Gangs befand sich eine Tür. Tash legte das Ohr daran und lauschte. Da sie nichts vernahm, drückte sie auf den Öffner. Das Zischen der aufgleitenden Tür dröhnte laut in ihren Ohren, aber in dem Raum hielt sich niemand auf.
Tash betrat eine große, runde Kammer. Vom Fußboden bis zur Decke war alles mit Schimmel bedeckt. Die Steine unter ihren Füßen waren wegen der Feuchtigkeit schlüpfrig, und die Luft erinnerte sie an eine Sauna.
Schlimmer noch als die Hitze war die Angst, auf die Tash prallte wie auf eine Wand aus Durastahl. In diesem Raum befand sich etwas Böses. Ihre Haut kribbelte. Sie fühlte sich, als würden sie eine Million Augen anstarren.
Tash suchte alles ab, konnte jedoch nichts entdecken. Dennoch verschwand dieses Unbehagen nicht.
Sie überlegte, ob sie lieber wieder zurückgehen sollte… nur wohin? Nach dem, was sie wußte, war jeder andere Raum in der Zikkurat von den Wissenschaftlern des Imperiums besetzt. Wenigstens befanden sich hier keine Sturmtruppen.
Sie trat vor, und die Tür schob sich hinter ihr flüsterleise zu. Dann verriegelte sie sich mit einem Klicken. Tash warf sich dagegen, doch der Durastahl war mehrere Zentimeter stark, und sie würde ihn bestimmt nicht aufbrechen können.
„Dies“, dröhnte eine Schlimmes ahnen lassende Stimme über einen versteckten Lautsprecher, „ist der letzte Test für das Gobindivirus.“
Auf der gegenüberliegenden Seite der Kammer glitt eine Tür auf. Mehrere Soldaten stießen einen Mann in die Kammer, und sofort rauschte die Tür wieder zu. Der Neuankömmling trug die Uniform des Imperiums, aber sie war zerrissen und von oben bis unten mit Dreck besudelt. Sein Gesicht wirkte ausgezehrt und dünn, und sein Haar war zu einer dichten Matte verklebt. Trotzdem erkannte ihn Tash sofort.
Dr. Kavafi.
„Was… was ist denn mit Ihnen passiert?“ fragte Tash verwirrt. Der Arzt sah aus, als hätte man ihn einige Monate lang in den Kerker eines Hutt eingesperrt.
„W-wer bist du?“ fragte Kavafi zurück.
Tash runzelte die Stirn. „Tash Arranda. Sie wissen doch, wer ich bin. Hooles Nichte.“
Kavafi strich sich eine Haarsträhne aus den Augen. „Ich kannte mal einen Shi’ido namens Hoole, nur dich habe ich noch nie gesehen.“ Plötzlich erstarrte er. „Gleichgültig. Ändert sowieso nichts. Ich fürchte, wir sitzen zusammen in derselben fürchterlichen Patsche.“ Er blickte sich nervös um.
„Ich weiß!“ stimmte ihm Tash zu, plötzlich schrecklich deprimiert. Sie bekam Kopfschmerzen, und ihre Haut glühte und juckte wegen der Hitze hier im Raum. „Ich dachte, Sie würden hinter dieser Virusgeschichte stecken!“
„Ich doch nicht!“ entgegnete der Doktor. Er erschien ihr noch viel freundlicher als vorhin. „Natürlich bin ich wegen einer Virusforschung auf diesen Planeten gekommen. Und ich habe auch gute Arbeit geleistet. Vor einigen Wochen allerdings wurde ich entführt, direkt aus dem Krankenhaus heraus, von jemandem, der genauso aussah wie ich. Haargenau. Ein Hochstapler!“
Ein Hochstapler? Tash fiel es schwer, das zu glauben. „Nein, das waren Sie. Mein Onkel Hoole hat uns hergebracht, weil er meinen Bruder Zak wegen einer Virusinfektion behandeln lassen wollte.“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich sag dir, die letzten sechs Wochen habe ich in einer Zelle am Grunde dieser Zikkurat verbracht. Jemand hatte sich meine Identität angeeignet, das Krankenhaus übernommen und dabei mein gesamtes Personal durch sein eigenes ersetzt.“
„Und aus welchem Grund?“ wollte Tash wissen.
Ihr Gegenüber zeigte auf die Mauern, zwischen denen sie gefangen saßen. „Ich habe Gobindi für meine Forschungen ausgewählt, weil das feuchte Klima hier optimal für das Wachstum von Viren ist. Als ich meine Arbeit begann, entdeckte ich, daß die Gobindi bereits eigene Forschungen betrieben hatten, bevor sie verschwanden. Sie wußten, der Dschungel unterhalb ihrer Stadt war die reinste Brutstätte für Viren, Bakterien und alle möglichen anderen Organismen. Ihre Entdeckungen haben sie leider das Leben gekostet. Sie setzten ein Virus auf der Planetenoberfläche frei, das zu tödlich ist, um es mit Worten zu beschreiben. Selbst die Gobindi kannten keine Möglichkeit, es zu besiegen!“
„So sind sie also untergegangen“, flüsterte Tash.
„Sie wurden regelrecht davon ausgerottet!“ sagte Kavafi. „In ihrem letzten Versuch, das Virus unter Kontrolle zu bringen, markierten die Gobindi jeden seiner Herkunftsorte. Höhlen, stehende Gewässer und Wälder – Orte, wo sich das Virus von Pflanzen auf Tiere und zurück auf Pflanzen übertrug und auf seinen nächsten Wirt wartete, der ihm helfen würde, die Krankheit zu verbreiten. Da sie das Virus nicht vernichten konnten, bauten sie riesige Pyramiden, die – so hofften sie – es für immer unter Verschluß halten würden.“
„Diese Zikkurats“, flüsterte Tash. „Sie wurden gebaut, damit das Virus sich nicht weiter verbreitet?“
Der Mann nickte. „Als ich dies begriff, schickte ich alle Informationen an meine Vorgesetzten im Imperium und verlangte, daß über Gobindi eine ewige Quarantäne verhängt würde. Und dann tauchte plötzlich ein Sternkreuzer auf. Ich wurde in einen Kerker geworfen. Jemand anders übernahm die Kontrolle über meine Experimente. Statt die Forschungen zu beenden, begannen sie in den Zikkurats zu graben und suchten nach dem Virus!“ Er schauderte. „Ich glaube, sie haben meine Ergebnisse mißbraucht, um eine galaxisweite Seuche hervorzurufen.“
Tash betrachtete Kavafis Kleidung, sein verklebtes Haar und seine blutunterlaufenen, geschwollenen Augen. Ganz gewiß sah er aus, als hätte er mehrere Wochen in einem Kerker verbracht. Außerdem klang seine Geschichte überzeugend.
„Aber wer könnte so etwas tun? Wer könnte Sie so perfekt imitieren?“ fragte sie.
Zehn Meter weit oben in der Wand glitt ein Paneel zurück und enthüllte ein Beobachtungssichtfenster. Hinter dem Stahlglas stand jemand. „Ich könnte es“, sagte die Gestalt.
Tash glaubte ihren Augen nicht zu trauen.
Es war Onkel Hoole.