8
»Dad, wir haben Besuch.« Sophia duckte sich in den Aufenthaltsraum hinein.
»Hafenpolizei?« Steve legte das iPad zur Seite. Er musste zugeben, dass es ihn genauso langweilte wie die Mädchen, einfach nur im Hafen herumzusitzen. Aber er wollte auch nicht wegfahren, solange Tom nicht die Anweisung dazu gab.
»Kleines, schnelles Boot«, sagte Sophia. »Offen. Fischerboot mit Mittelkonsole, denke ich. Ich seh nur einen Kerl.«
»Wir improvisieren«, entschied Steve und ging nach oben zur Plicht. Er nahm ein Fernglas und beobachtete das näher kommende Boot. Wahrscheinlich fuhr nur jemand durch die Gegend, aber die Leute nutzten häufig Segelboote, um sich aus dem Staub zu machen. Durchaus möglich, dass es jemand auf ihres abgesehen hatte. Er betrachtete den Bootsführer, als es näher kam. Großer Kerl ... »Haltet euch zurück! Es ist Tom ...«
»Du hättest anrufen können, Onkel Tom«, tadelte Faith. Sie trug noch immer die hastig übergeworfene Panzerweste. »Wir hätten dir beinahe das Licht ausgeblasen.« Sie nahm das zugeworfene Seil und sicherte es an einem der Poller.
»Warum überrascht mich das nicht?«, grinste Tom. »Das ist so ein ›Feind hört mit‹-Auftrag. Zuerst einmal bin ich gekommen, weil ich Geschenke bringe.«
»Ich hoffe, da ist die Grippe nicht dabei.« Steve blieb skeptisch. »Wir haben uns exakt an die Protokolle gehalten und ich möchte sie mir nicht über meinen Bruder einfangen.«
»Ich bin sauber«, versicherte Tom, hob einen großen Tragekoffer vom Boden hoch und wuchtete ihn auf das Deck des Segelboots. »Und das hier ebenfalls. Das wurde alles entgiftet. Und ein Teil der Geschenke ist der Impfstoff.«
»Halleluja«, lachte Stacey. »In den Nachrichten haben sie gesagt, er wird erst in einigen Monaten fertig!«
»Und darüber müssen wir reden.« Tom hob einen weiteren Koffer ins Segelboot.
»Was ist das für ein Zeug?«, erkundigte sich Faith.
»Mehr Waffen«, antwortete Tom. »Munition. Gesetzliche Freigaben, um sie führen zu dürfen. Erste-Hilfe-Material. Masken und Filter. Und ...« Er hob eine kleinere Kühlbox über die Seite. »Die erste Lieferung Impfstoff. Und jetzt ...« Er kletterte über die Reling. »Steve, Stacey, wir müssen uns unterhalten. Allein.«
»Mädels, in die vordere Kajüte«, befahl Steve.
»Ach, Dad!«, jammerte Faith.
»Das ist mein Ernst.« Tom wies mit dem Finger in die entsprechende Richtung. »Es wird nicht lange dauern. Sophia, nicht lauschen.«
»Werd ich nicht.« Sophia nahm Faith am Arm. »Komm mit. Wir finden es letztendlich ja eh raus.«
»Zu einem Drink sag ich übrigens nicht Nein, wenn ihr mir was anbietet.« Tom hatte Durst.
»Wie jetzt, bist du gekommen, um mir die Bar leer zu saufen?« Steve winkte ihn in den Aufenthaltsraum.
»Wir sollten uns zwar besser hier draußen unterhalten, aber ...« Tom folgte ihm trotzdem hinein. »Stacey, ich hab dich noch gar nicht richtig begrüßt.«
»Impfstoff, Medizin und Munition. Schöner hättest du mich kaum begrüßen können.« Stacey umarmte ihn. »Wie geht’s dir?«
»Ging schon mal besser.« Tom nahm den Whiskey entgegen. »Wahrscheinlich hätte ich euch davon auch was mitbringen sollen.«
»Davon haben wir genug.« Steve machte eine Handbewegung aus dem Aufenthaltsraum hinaus. »Wenn wir anfangen, aus lauter Langeweile zu trinken, sind wir erledigt.«
»Wie ist es gelaufen?«, fragte Tom und sie setzten sich in die Plicht. Steve schloss diskret die Tür.
»Langweilig, im Ernst«, sagte Stacey. Sie hatte sich ein Glas Wein eingeschenkt. »Die Hafenpolizei hat uns bereits zweimal angewiesen, den Standort zu wechseln.«
»Die haben nicht viel zu sagen«, versicherte Tom. »Das Schlimmste, was sie einem aufhalsen können, ist eine Geldbuße. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dafür ohnehin zu beschäftigt sind ...« Er hielt inne und nahm einen weiteren Schluck. »Der ist gut. Weich.«
»Bushmills Honey«, verriet Steve. »Warum zögerst du?«
»Weil ich nicht weiß, wo ich anfangen soll«, antwortete Tom. »Was weißt du über Impfstoffe?«
»Hängt vom Impfstoff ab.« Steve überlegte. »Es gibt eine Reihe verschiedener Impfstoffe und es gibt unterschiedliche Verfahren, um sie herzustellen. Warum?« Steve wurde misstrauisch.
»Erinnert ihr euch daran, wen ihr anrufen sollt, wenn ihr Leichen verschwinden lassen müsst?«, fragte Tom.
»Ja.« Stacey klang zurückhaltend. »Sollen wir dir helfen, eine verschwinden zu lassen? Wen musstest du töten, um an den Impfstoff zu kommen?«
»Eine Reihe von Menschen.« Tom nahm einen Schluck. Seit der Impfstoffmission hatte er nichts mehr getrunken. »Und ich werde noch einige töten müssen.«
»Ist das dein Ernst?«, fragte Steve. »Tom ...«
»Es ist komplizierter, als ihr denkt.« Tom schaute die beiden an. »Und auch wieder nicht. Der schnellste und einfachste Weg, einen Impfstoff herzustellen, erfolgt durch einen abgetöteten Virus. Die einzige Quelle für den Virus, der einzige Wachstumsort, ist das Rückenmark. Und die einzige Spezies, die er infiziert, sind Primaten. Und die einzigen verfügbaren Primaten sind ...?«
»Menschen.« Staceys Gesicht nahm eine leicht grünliche Färbung an. »Oh Gott, Tom. Gütiger Himmel.«
»Die Rechtfertigung ist, dass es im Gegensatz zur Tollwut keine Möglichkeit gibt, den Schaden rückgängig zu machen.« Tom trank erneut von seinem Whiskey. »Einmal ein Zombie, immer ein Zombie. Und der Impfstoff wird Menschenleben retten, ähm, wie euch und mich und die Mädchen. Aber die unfreiwilligen Spender sind ebenfalls Menschen. Daher ist es unzweifelhaft Mord. Ich habe Leute ... die mir helfen, wenn es etwas Schweres zu heben gibt. Und sedierte Zombies sind extrem schwer. Aber der Biologe, der den Impfstoff herstellt, hat keinerlei Hilfe. Daher habe ich überlegt, wo ich jemanden finden kann, der vertrauenswürdig genug ist, zu verschweigen, was dort geschieht ...«
»Wie viel brauchst du?«, fragte Stacey. »Ich meine ...«
»Unser erster Einsatz hat nur 40 Dosen ergeben«, sagte Tom. »Und nachdem ich erwähnte, dass ich 200 Dosen brauche, eigentlich sind es 400, weil es einen Primer und einen Booster gibt, musste ich die Schätzung erhöhen. Die Antwort lautet deshalb: viele. Das Grundkonzept lautet, die Produktion am Laufen zu halten, bis wir den Schleudersitz betätigen. Oder vielmehr: bis kurz davor.«
»Ich kann ...« Steve sah sich um.
»Macht es dir etwas aus, wenn ich für dich vorausdenke?«, unterbrach Tom. »Das Boot muss gesichert werden. Auch wenn du den Mädchen und Stacey alles Notwendige beibringst, kann man sie nicht mit dir oder mir vergleichen. Ich könnte jemanden abstellen, der das Boot sichert, aber in Anbetracht der Umstände weiß ich nicht, wem ich ein Boot im Hafen anvertrauen will. Daher musst du hierbleiben. Und Stacey ist deine Technikerin, ganz zu schweigen davon, dass sie die netteste Person in der ganzen Familie ist. Ich kann sie mir unmöglich als Assistentin unseres verrückten Arztes vorstellen.«
»Ist er verrückt?«, wollte Stacey wissen.
»Nicht mehr als Steve oder ich.« Tom wirkte unschlüssig. »Ein kleines Arschloch, aber das sind Steve und ich ebenfalls«, fügte er mit einem Lächeln hinzu.
»Du redest also von einem der Mädchen.« Steve grübelte. »Das dir beim Morden unter die Arme greift.«
»Angenommen, es kommt nie heraus«, begann Tom, »und angenommen, dass es die Menschen nicht einfach ignorieren, und angenommen, dass Sophias Rolle bei der Sache nie bekannt wird, könnte sie höchstens wegen Beihilfe angeklagt werden. Die einzigen Personen, die wissen, dass sie weiß, was sie tut, tragen ungleich größere Schuld. Und du kannst dir sicher sein, dass ich Himmel und Erde in Bewegung setzen werde, um zu garantieren, dass sie nicht eingesperrt wird, wenn es zum Schlimmsten kommt. In einem solchen Fall würde ich mich sogar um die Pläne für einen Gefängnisausbruch kümmern.«
»Den du schwerlich durchziehen kannst, wenn du selbst im Knast hockst«, gab Steve zu bedenken.
»Darum würde ich euch einen solchen Plan zur Aufbewahrung geben.« Tom lächelte. »Das ist der andere Grund, warum du hier draußen bleiben wirst, mein Bruder. Jetzt mal im Ernst. Ich brauche Sophia. Ich versichere dir als ihr Onkel, dass sie während ihres Aufenthalts auf der Insel in Sicherheit ist. Oh, und sie wird großzügig entlohnt. In Gold.«
»Wieso sollten die Leute das ignorieren?«, fragte Stacey, um Zeit zu schinden.
»Weil ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, der auf diese prächtige Idee gekommen ist«, erwiderte Tom. »Ich kann es nicht mit Fakten untermauern, aber ich garantiere euch, dass das NYPD das Gleiche tut. Die Cops werden es nicht riskieren, ohne den Impfstoff weiterzumachen. Genauso wenig das NYFD. Es gelten immer die gleichen logischen Grundprinzipien. Erstens: Holt die gefährlichen Zombies von der Straße, ohne sie in dauerhafte Isolation stecken zu müssen. Letzteres beansprucht so viele Ressourcen, dass es ineffektiv ist. Zweitens: Es rettet Menschen. Klar, es erfordert, dass einige sterben, damit andere überleben, aber im Grunde genommen sind es eh schon keine Menschen mehr. Zumindest rede ich mir das ein, wenn ich nachts wach liege. Oh, und noch ein Grund, um Sophia freizustellen: Sie kommt dadurch vom Boot runter. Das bedeutet weniger Ressourcenverbrauch und ich bin mir sicher, dass sie und Faith euch allmählich in den Wahnsinn treiben.«
»Es wäre mir lieber, du nähmst Faith mit.« Steve blickte ihn ernst an. »Wenn ich sie noch einmal ›langweilig‹ sagen höre, werfe ich sie über Bord.«
»Wer von beiden sollte eurer Meinung nach lieber euren Impfstoff herstellen?«, fragte Tom.
»Sophia«, antworteten Steve und Stacey gleichzeitig. Dann kicherten sie.
»Schickt beide«, schlug Tom vor. »Ich werde den Teufelsbraten mit etwas beschäftigen, das mit einem BERT nichts zu tun hat.«
»BERT?«, wiederholte Stacey.
»Das steht für Biological Emergency Response Team. Eine Einsatztruppe, die bei biologischen Notfällen zum Einsatz kommt«, erklärte Tom. »Und ich werde sicherstellen, dass beide den gleichen Schutz genießen wie unsere Führungskräfte. Sie werden in Sicherheit sein. Sie können bei mir wohnen. Ich habe genug Platz.«
»Das wirst du bereuen.« Steve sah zu Stacey.
»Wir müssen mit ihnen darüber sprechen.« Stacey zögerte. »Das ist ...«
»... eine schreckliche Bitte«, führte Tom den Satz zu Ende. »Aber es ist notwendig.«
»Ich werde sie holen«, sagte Steve.
»Wir kommen vom Boot runter?«, freute sich Faith.
»Lass mich das noch mal klarstellen.« Sophia sprach bedächtig. »Mein Onkel zerschnippelt Menschen, um Impfstoff herzustellen?«
»Möglicherweise.« Tom klang gefasst. »Und ja.«
»Und ihr wollt, dass ich ihm dabei helfe?«, hakte Sophia nach.
»Du bist nicht direkt in die Tötung involviert«, sagte Tom. »Oder in das Extrahieren des Knochenmarks. Ebenso wenig wie in bestimmte andere Aspekte. Es geht allein darum, zusammen mit Dr. Curry den Impfstoff herzustellen. Der schlimmste Teil kommt gleich zu Anfang. Darum kümmert sich Curry allein. Danach geht es nur noch um ein wenig Zentrifugieren und um das Bestrahlen der Materialien.«
»Ich helfe«, beschloss Faith. »Wenn ich damit von diesem Boot runterkomme!«
»Für dich finden wir eine andere Arbeit«, versprach Tom. »Auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie die aussehen wird. Ich kann ja schlecht eine 13-Jährige für den Wachdienst einteilen ...«
»Vertraust du mir nicht?« Faith schien beleidigt zu sein. »Vielen Dank auch!«
»Dass du mir den Rücken freihältst? Jederzeit.« Okay, eine kleine Notlüge. Er hätte sie lieber vor sich gehabt, um nicht von einem AD erschossen zu werden. »In einem Labor? Mal ehrlich, Faith, du hast nicht gerade ein Auge für Details.«
»Stimmt«, lachte Faith. »Aber du traust mir zu, dir den Rücken freizuhalten? Echt?«
»Echt«, sagte Tom. »Ich werde mir etwas ausdenken, womit du dich nützlich machen kannst. Aber nichts, was mit Sicherheit, Terminierung oder Ernte zu tun hat. Ach ja, und wenn das rauskommt und sich die Behörden einschalten, weiß keiner über irgendwas Bescheid. Verstanden?«
»Na klar.« Faith zog sich die Finger über den Mund, als ziehe sie einen Reißverschluss zu. »Fest versiegelt.«
»Ich mache es.« Sophia klang teilnahmslos. »Es muss getan werden und ich verstehe, warum du mich dafür ausgesucht hast. Ich ... weiß dein Vertrauen zu schätzen, aber ... ich bin echt nicht scharf darauf, Menschen in Stücke zu schneiden. Dennoch ... okay.«
»Es tut mir leid, dass ich darum bitten muss.« Tom machte die Sache ohnehin schon genug zu schaffen. »Aber ... klar. Vielen Dank. Da ist noch eine Kleinigkeit.« Er zog einige Dokumente aus der Tasche.
»Du musst mich anstellen?«, fragte Sophia.
»Du wirst Praktikantin. Den Papierkram erledigen wir in der Bank. Mit diesen Schriftstücken werden eure Eltern ›assoziierte Vertragspartner für die Sicherheit‹ der Bank – und dann sind da noch Unterlagen, um die Massen von Waffen zu genehmigen, die Steve sicherlich mitgebracht hat, um sie rechtmäßig im New Yorker Hafen mit sich zu führen ...«
»Man darf nicht einmal im Hafen von New York Waffen mit sich führen?«, wunderte sich Steve. »Was zum Teufel ist verkehrt mit dieser Welt?«
»Das entsprechende Gesetz ist nicht eindeutig formuliert«, präzisierte Tom. »Aber die Küstenwache wird ein paar Sicherheitskräfte der NYPD-Hafenpolizei zu euch an Bord kommen lassen. Wenn es Waffen gibt, werden sie diese zwar nicht rechtmäßig beschlagnahmen können, aber sie werden euch verhören und nach einem Vorwand suchen. Derzeit heuern die Stadt und verschiedene Unternehmen händeringend, äh, ähm, Sicherheitsunternehmen an. Das sind die entsprechenden Dokumente. Ihr füllt sie aus, ich reiche sie ein und bringe euch später die Bescheinigung. Eigentlich bewegt ihr euch nicht ganz auf der legalen Seite, bevor euch die Zertifizierungsstelle nicht bei den entsprechenden Bürokraten autorisiert hat. Aber solange die Zertifizierungsstelle die Überprüfung durchführt, seid ihr zumindest ausreichend geschützt. Und das Büro, das die Zertifizierungen durchführt, ist derzeit überlaufen, daher sollte keiner allzu neugierig werden.«
»Wann fahren wir los?« Faith stand auf. »Ich muss mich anziehen.«
»Sobald eure Eltern die Formulare ausgefüllt haben und ihr gepackt habt.« Tom schaute sie fragend an. »Was glaubst du, warum ich das große Boot genommen habe? Was willst du denn anziehen?«
»Ich muss mich für Zombie-New-York zurechtmachen!«, gackerte Faith. »Du glaubst doch nicht, dass ich in Straßenklamotten durch die von Infizierten geschwängerten Straßen von New York laufe, oder?«
»Doch.« Tom formulierte seine Worte mit Bedacht. »Doch, das tue ich. Weil du ein 13-jähriges Mädchen bist. Wenn du durch die Straßen von New York läufst und dabei angezogen bist wie ein Zombiejägersöldner in Falludscha, stecken sie dich sofort in die Jugendstrafanstalt. Dort wird sich höchstwahrscheinlich eines der Kinder in einen Zombie verwandeln und dich beißen. Also ja, du wirst dir normale Straßenkleidung anziehen. Ich habe den Sicherheitsdienst angewiesen, uns am Dock abzuholen.«
»Gibt es in Falludscha Zombiejägersöldner?« Steve konnte es nicht glauben.
»Ja«, antwortete Tom. »Und wie ich schon sagte, findet diese Idee in den Vereinigten Staaten zunehmend Befürworter. Besser, man lässt sich von einem Söldner beschützen als von der Polizei. Man zahlt einfach eine Abschussprämie. Klar gibt es rechtliche Hürden. Die gibt es eigentlich immer. Egal, packt eure Sachen für ein paar Tage in Onkel Toms Hütte. Oder in diesem Fall in Onkel Toms Eigentumswohnung.«
»Darf ich meine Ausrüstung mitnehmen?«, bettelte Faith. »Nur für den Fall?«
»Keine Schusswaffen.« Tom verdrehte die Augen. »Ansonsten könnt ihr alles einpacken, was ihr schleppen könnt.«
»Ooooh! Verstanden!« Faith schoss davon.
»Und keine Bogen, Armbrüste oder Blasrohre!«, rief Tom ihr hinterher.
»Ich hasse dich, Onkel Tom ...!«
»Tja.« Kaplan fing das ihm zugeworfene Seil. »Die Familienähnlichkeit ist unverkennbar ...«
Sophia hatte ein ›schickes‹ Outfit mitgenommen: einen cremefarbenen Anzug mit passenden Schuhen. Das trug sie, dazu einen Aktenkoffer in der Hand und einen Rucksack über der Schulter. Und weil sie nicht blöd war, hing ein Atemschutzgerät über Mund und Nase.
Faith hingegen ...
Sie hatten eine Panzerweste angelegt. Und eine Atemschutzmaske, die ihr ganzes Gesicht bedeckte. Und einen Kampfhelm. Und eine vollständige Tarnuniform. Und Kampfstiefel. Und Kampfhandschuhe. Und ein Sprechfunkgerät. Und eine Machete. Und ein Kukri. Und zwei oder drei weitere Messer. Und drei, er hatte sie gezählt, drei Taser, weil Onkel Tom Taser nicht ausdrücklich erwähnt hatte.
»Kannst du dich in all dem Zeug bewegen, Kleine?«, fragte Durante.
»Logisch.« Faiths Stimme klang etwas gedämpft. Sie beugte sich hinunter und hob einen von Sophias Kleidersäcken auf, schleuderte ihn durch die Luft und traf den ehemaligen NCO der Special Forces an der Brust. »Schießen, in Bewegung bleiben und kommunizieren. Ist das angekommen?«
»Klar und deutlich, Kleine.« Durante musste lachen. »Lass mich raten: Du bist die Laborratte.«
»Als ob die eine Pipette von einem Reagenzröhrchen unterscheiden könnte.« Sophia trat grazil aufs Deck. »Ich sehe, du kümmerst dich um die Taschen, liebe Faith.«
»Verdammte Scheiße, niemals«, brüllte Faith. Der Schrei wurde von der Atemschutzmaske gedämpft, was den Effekt etwas minderte. »Komm zurück und leg ausnahmsweise selbst Hand an!«
»Wir erledigen das schon.« Kaplan kletterte aufs Boot. »Lauft einfach zum Auto.«
»Wo sind die Zombies?« Faith lief in Richtung Dock.
»Faith.« Tom unterdrückte ein Lachen. »Steig endlich in den Expedition.« Er zeigte zu dem Wagen.
»Wo sind die schreienden Menschenmassen?«, entrüstete sich Faith und warf die Hände in die Luft. »Wo sind die vereinzelten Schüsse?«
»In Queens«, sagte Kaplan. »Aber dort ist das normal.«
»Das ist echt scheiße!«, maulte Faith. »Mir ist langweilig.«
»Oh, fang nicht wieder so an.« Sophia konnte es inzwischen nicht mehr hören.
»Das wird sicher lustig«, sagte Tom. »Ich hätte vorher im Telefonbuch unter ›gestörter Protegé‹ nachschlagen sollen.«
»Craigslist«, korrigierte ihn Durante. »Da gibt es eine ganze Latte solcher Typen ...«
»Mr. Smith«, begann der Wachmann vorsichtig. Der pensionierte NYPD-Cop sprach immerhin mit seinem Boss. »Ihnen ist bewusst, dass es in New York illegal ist, die meisten dieser Sachen mit sich zu führen, oder etwa nicht?«
»Halten Sie sie einfach bei Laune«, gab Tom zurück. »Es ist die Diskussion nicht wert.«
Sie hatten das Gebäude durch einen Nebeneingang betreten, an dem es trotzdem einen bewachten Sicherheitskontrollpunkt gab, an dem Faith unter Protest gezwungen wurde, sich selbst zu entwaffnen.
»Gott, ist das peinlich.« Sophia ließ den Kopf hängen.
»Du schämst dich?« Faith zog ein weiteres Messer. Dann den Schlagring ... »Ich werde entwaffnet! In New York! Während einer Zombieapokalypse!«
»Ich bin für die Gebäudesicherheit verantwortlich«, betonte Tom. »Ich. Und ich sorge dafür, dass du in meinem Gebäude nicht gegen Zombies kämpfen musst.«
»Als würde sich so ein Freund verhalten.« Faith ließ einen mit Sand gefüllten Totschläger auf den Stapel fallen. »Bitte sehr. Fertig. Ich brauche eine Empfangsbestätigung.«
»Geben Sie ihr einfach den Vordruck, auf dem ›ein Sack voll Waffen‹ steht«, witzelte Durante. »Ich wünschte, du wärst schon volljährig, Mädchen. Ich würde dir einen Antrag machen.«
»Als ob ich mit alten Säcken ausgehe«, spottete Faith, bevor sie ihm auf die Schulter klopfte. »Hey, ich mach nur Spaß. Sie sind ganz süß für ’nen alten Furz.«
»Du bist also die Nichte des Chefs.« Dr. Curry klang gereizt.
Sophias bisherige Laborerfahrung beschränkte sich auf den Chemieunterricht an der High School. Sie hatte wie üblich Bestnoten erzielt.
Trotzdem wusste sie nicht, wofür man das meiste Zeug in Dr. Currys Labor brauchte. Sie betrachtete die großen Kisten, auf denen Warnlichter flackerten. Stapel komplizierter Glaswaren. Überall schlängelten sich Computerkabel durch den Raum.
»Ja, Sir.« Sophia gab sich Mühe, nicht so eingeschüchtert zu wirken, wie sie sich in Wahrheit fühlte.
»Du kannst die Atemschutzmaske jetzt abnehmen.« Curry deutete mit dem Finger darauf. »Das ist der sichere Bereich. Die Kontaminationszone ist dort drüben.« Der Finger wanderte zu einer Tür, die großzügig mit Warnaufklebern zugekleistert war. »Warte. Haben sie dein Blut schon überprüft?«
»Nein, Sir.« Sophia nahm die Atemschutzmaske ab.
»Dann behalt sie noch eine Weile auf.« Curry zog eine Lanzette hervor. »Ich will mich keinen Keimen aussetzen, falls du infiziert sein solltest. Streck deine Hand aus.«
Er stach ihr in die Fingerspitze und drückte einen Tropfen Blut auf einen kleinen weißen Teststreifen. Das Blut verteilte sich durch eine Reihe von Rinnen und färbte sich dabei blau.
»Du bist sauber.« Curry atmete erleichtert durch. »Jetzt darfst du die Maske abnehmen.«
»Ja, Sir.« Sophia zog sie vom Kopf und schüttelte die Haare. »Puh. Das fühlt sich besser an.«
»Gewöhn dich nicht dran.« Curry klang freudlos. »In der Kontaminationszone wirst du volle Montur tragen. Okay, dreh wegen der ganzen Sachen nicht durch. Alles hat seinen Nutzen, aber du wirst mit dem meisten davon gar nicht arbeiten. Wahrscheinlich sogar mit nichts davon. Du wirst dich allein mit der Impfstoffherstellung beschäftigen.« Er machte eine Pause und sah sie prüfend an.
»Ich weiß, dass wir den Impfstoff, oder auch die Virenkörper, aus dem Rückenmark infizierter Primaten extrahieren.« Sophia wählte ihre Worte mit Bedacht.
»Das stimmt.« Dr. Curry nickte. »Konzentriere dich einfach auf diesen Ausdruck. Primaten. Ehrlich gesagt wirst du die ganzen Hilfsarbeiten erledigen. Es gibt zahlreiche Verfahren. Einige davon sind langweilig und darum wirst du dich kümmern müssen. Ich hab sie erledigt, als ich im College und an der Uni gewesen bin. Ich werde langsam zu alt, um den ganzen Tag zu pipettieren. Und dann ist da noch der Abwasch. Ich werde die meiste Zeit über da drin sein, anfangs die ganze Zeit, und mit dir arbeiten. Ich erledige die komplizierteren Prozeduren. Du tust einfach das, was ich dir sage, und dir passiert nichts. Da es sich bei dem Material um ein Blutpathogen handelt, ist die einzige wirkliche Gefahr, dass du das Zeug in eine Schnittwunde bekommst. Hast du irgendwo am Körper eine Schnittwunde?«
»Nicht an den Armen und auch sonst nirgends.«
»Okay.« Dr. Curry musterte sie eindringlich. »Ich hoffe doch, dass du andere Klamotten mitgebracht hast?«
»Die sind draußen«, wunderte sich Sophia. »Darf ich den Grund dafür erfahren?«
»Weil du keinesfalls mit einem Freizeitanzug und Stöckelschuhen in einem Schutzanzug arbeiten kannst ...«