18. KAPITEL
Lucy war oben im Haus, als die Männer mit dem Baum ankamen. Die Hälfte ihrer Kleider lag im Zimmer verteilt, und es war deutlich, dass sie wieder einen Wutanfall erlebt hatte.
Jetzt war sie erschöpft. Genau wie Giles’ Geduld mit ihr? Wie seine Liebe? Tränen traten ihr in die Augen. Wieso sollte sie sich um Giles und seine Gefühle Gedanken machen, oder besser um die Gefühle, die es nicht mehr gab? Sie konnte bald einen anderen Mann finden. Verbittert stellte sie fest, zu wie vielen sie während ihrer Ehe mit Giles Nein gesagt hatte.
In dieser Hinsicht war Giles immer etwas leichtgläubig gewesen. Er hatte nie bemerkt, dass die Kollegen, denen er sie voller Stolz vorstellte, unter den Komplimenten und dem verbindlichen Lächeln abschätzten, welche Chancen sie hatten, Lucy in ihr Bett zu bekommen. Sie war stolz auf ihre Treue zu Giles gewesen, auf ihre Ehe und darauf, dass sie sich geweigert hatte, sich von den Flirts beeindrucken zu lassen. Sie hatte es als Zeichen ihrer Reife gesehen und als Beweis der tiefen Liebe zu Giles, die für sie rein und klar war.
Sie hätte nie gedacht, dass es Giles sein würde, der ihr untreu wurde. Und dann noch mit Davina James. Davina, deren eigener Ehemann kein Geheimnis daraus gemacht hatte, dass er seine Frau betrog. Er hatte mit Lucy geflirtet und ihr gesagt, wie sehr er es genießen würde, mit ihr zu schlafen. Und sie würde es auch genießen.
Es war ihr leichtgefallen, Gregory James abzuweisen. Unruhig ging sie im Zimmer umher und achtete nicht auf die Kleider, die sie in ihrer verzweifelten Wut aus den Schränken gerissen hatte.
Sie war rasend vor Zorn hier heraufgekommen, nachdem Giles zur Arbeit gegangen war. Vorsicht und Selbstbeherrschung, langsame, bedachte Bewegungen, das alles war nichts für sie. Und jetzt lösten die Monate der Unentschlossenheit, in denen sie irgendwie auf den Ausbruch der aufgestauten Gefühle gewartet hatte, sich so plötzlich in einem Schwall von Wut auf, dass Lucy sich nicht wehren konnte.
Wieso sollte sie noch länger darauf warten, dass Giles sich entschied, welche von ihnen beiden er wollte? Verächtlich lachte sie auf. Glaubte er wirklich, dass Davina ihm dieselbe sexuelle Anregung und Befriedigung schenkte wie sie? Hatte er es ihnen beiden nicht schon dadurch gezeigt, indem er mit ihr statt mit Davina geschlafen hatte?
Als sie sich jedoch im Spiegel ansah, bemerkte Lucy nicht nur den verächtlichen und höhnischen Ausdruck ihres Lächelns, sondern auch den Kummer und die Selbstzweifel, die in ihrem Blick lagen. Welche anderen Dinge, die er von Davina bekam, konnten ihm wichtiger sein?
Diese Angst, die immer in ihr gelauert hatte, erschreckte sie, und unwillkürlich ging sie zum Fenster hinüber. Und der Anblick von den beiden Männern, die ein Loch mitten in Giles’ makellosen Rasen gruben, ließ sie Davina einen Moment vergessen.
Sie lief hinunter und riss die Küchentür auf. Die anerkennenden Blicke der Männer berührten sie kaum. Dieser Rasen war Giles’ ganzer Stolz, und tief drinnen überkam sie die entsetzliche Angst, dass Giles sich von ihr bereits so weit entfernt hatte, dass ihm diese Entweihung des Rasens gleichgültig war.
Ja, sie seien sicher, dass dies die richtige Adresse sei, sagten die beiden Männer, als Lucy sie zur Rede stellte.
„Es ist schon in Ordnung, Lucy. Ich habe den Baum bestellt.“
Der unerwartete Klang von Giles’ Stimme ließ sie erzitternd herumfahren.
„Giles … Was machst du hier zu Hause?“ Ein kurzes Gefühl panischer Angst machte ihr wieder zu schaffen, und es wurde durch Giles’ angespanntes Gesicht nur noch verstärkt. Er war nach Hause gekommen, um ihr zu sagen, dass er sich entschieden hatte und sie verließ. Die Schutzmauern, die sie um sich herum errichtet hatte, stürzten schlagartig ein. Sie konnte sich weder bewegen noch sprechen und nichts anderes tun, als ihn wortlos anzustarren.
„Lass uns hineingehen“, hörte sie ihn sagen.
Er berührte sie am Arm, doch sie wand sich los und konnte den Gedanken nicht ertragen, von ihm angefasst zu werden. Sie wusste, dass an die Stelle der Liebe und des Verlangens jetzt Mitleid und Abscheu getreten waren.
Obwohl die Sonne durch die Fenster hereinschien, war es in der Küche eiskalt. Lucy schlang die Arme um sich herum und beobachtete Giles, der sich in dem Zimmer umsah.
Was tut er? überlegte sie und versuchte, das Zimmer mit seinen Augen zu sehen. Verglich er die Unordnung und die Frühstücksreste, die immer noch auf dem Tisch standen, die ungeöffnete Post und die zahllosen Dinge überall mit dem tadellos aufgeräumten, fast kalt wirkenden Haus von Davina?
Die Ordnung bei Davina hatte Lucy schon immer leicht abgestoßen. Einmal hatte sie ihr Blumen gebracht, und Davina hatte die Blüten vorsichtig berührt und sich mit zitternder Stimme bedankt. Als Lucy am nächsten Tag wiedergekommen war, waren die Blumen nirgends zu sehen gewesen. Davina hatte ihr errötend gestanden, dass Gregory Blumen nur dann mochte, wenn sie für eine Dinnerparty zurechtgemacht waren.
War das tatsächlich das Zuhause, nach dem Giles sich sehnte? Ein Haus, wo alles kontrolliert und steif war?
Lucy sah ihm zu, wie er in der Küche hin- und herging, und die schreckliche Angst hatte eine betäubende Wirkung auf sie, damit sie den Schmerz nicht so sehr spürte, den sie jetzt erwartete.
„Ich kann nicht verstehen, was heute Morgen geschehen ist“, hörte sie Giles wütend sagen. „Und dann noch Davina! Ich weiß, dass sie nicht ganz die Zwänge begreifen will, die die Situation nach sich zieht, aber sich so einzumischen … Sie hat buchstäblich die einzige Chance zunichtegemacht, Carey’s zu verkaufen. Dass sie überhaupt denken konnte, sie komme mit solchen Forderungen durch … Und ohne mich zurate zu ziehen. Sie hat niemanden vorher gefragt.“
Lucy sah ihn starr an. Sein Gesicht war rot vor Zorn und Wut. Eine Wut, die sich nicht auf sie, sondern auf Davina richtete. Während sie noch versuchte, das alles zu verstehen, blieb er stehen und drehte sich zu ihr um.
„Ich begreife es immer noch nicht. Wie konnte Davina sich so aufführen. Sie war … Sie war wie ein anderer Mensch“, sagte er ihr, und aus seinem Tonfall klangen nicht nur Verwunderung und Schock, sondern auch Wut und Missfallen. „Und dann kommt sie in dieser Aufmachung zu dem Treffen! Das hätte sie doch wissen müssen.“
„In was für einer Aufmachung?“, wollte Lucy wissen. Ihre Angst ebbte ab und wurde von einem Gefühl ersetzt, das Lucy noch nicht recht deuten konnte, aber sie spürte die Veränderung. Und Giles’ Bemerkung hatte ihre Neugier so weit geweckt, dass sie nachfragte.
„So ein blasses Kostüm …“, sagte Giles ausweichend. „Es war für ein Geschäftstreffen wie dieses absolut unpassend. Überall waren Ziernähte aus Gold.“ Sein Missfallen war jetzt noch deutlicher. Lucy wusste genau, was Davina angehabt haben musste, und einen Moment lang gestattete sie sich die Erinnerung daran, dass unter der pflichtbewussten und zurückhaltenden, langweiligen Ehefrau eine andere Davina steckte. Die hatte einen sehr bissigen Humor, und ihre Freundlichkeit rührte daher, dass sie selbst schon so viel gelitten hatte. Sie machte sich lieber über sich selbst lustig, als andere lächerlich zu machen, und sie hatte Lucy versprochen, eine der wenigen wirklichen Freundinnen zu sein, die Lucy je gehabt hatte.
Und sie hatte Lucy den Ehemann weggenommen. Aber es war nicht diese Davina, nach der Giles sich sehnte, sondern die andere. Die angesehene, ruhige und öde Frau, die anscheinend niemals einen eigenen Gedanken hatte fassen können. Die Frau, die die perfekte Ehefrau gewesen war, die über die Untreue ihres Mannes hinweggesehen hatte, so wie sie alles Unangenehme im Leben nicht hatte sehen wollen. Diese Frau hatte lieber die geschenkten Blumen weggeworfen, als einen Streit mit ihrem Ehemann zu riskieren. Nach dieser Davina sehnte Giles sich.
Zum ersten Mal in ihrem Leben beherrschte Lucy sich und hielt die Gefühle zurück, die sie dazu drängten, Giles all die Dinge an den Kopf zu werfen, die sie bedrückten. Sie hielt ihre Wut und ihren Kummer zurück und hörte stattdessen auf die leiseren Anweisungen ihres Verstands, die ihr sagten, dass dies hier ihre Gelegenheit war, die Situation zu ihren Gunsten zu verändern.
Sie hatte noch nie etwas vom Pläneschmieden gehalten und fand so etwas nur berechnend und gefühllos. Lieber ließ sie sich von ihren Stimmungen treiben, und je stärker die Stimmung, desto wichtiger und bedeutender waren auch die Gefühle, die dahintersteckten. Aber merkwürdigerweise hörte sie sich jetzt beinahe beruhigend sagen: „Das klingt überhaupt nicht nach Davina. Vielleicht liegt das an der Belastung durch die Firma. Wieso setzt du dich nicht hin, Giles. Dann mache ich uns beiden einen Kaffee.“
Sie sah die Überraschung in seinem Blick. Er blinzelte und blickte sie fast verunsichert an, bevor er sich setzte.
„Ich bin sicher, wenn sie erst in Ruhe nachgedacht hat, wird Davina erkennen, dass sie dich vorher hätte fragen sollen“, fügte sie hinzu, während sie den Kaffee aufsetzte.
„Ich kann einfach nicht glauben, was sie getan hat“, beschwerte Giles sich. „Dieses … Dieses … Dieses Schreiben, das sie verfasst hat. Sie muss verrückt sein, wenn sie denkt, dass irgendjemand auf diese Forderungen eingeht. Ich bewundere ihren Einsatz für die Angestellten, aber sie kann nicht ernsthaft erwarten, dass sich irgendjemand damit einverstanden erklärt, der gesamten Belegschaft für mindestens drei Jahre die Arbeitsplätze zu garantieren.“
Giles fuhr sich durchs Haar. „Niemand würde sich auf so etwas einlassen. Natürlich werden Leute ihre Arbeit verlieren. So ist das Leben. Und dann verlangt sie von dem Käufer die Zusage, dass er einen Kindergarten mit ausgebildetem Personal für die Arbeitnehmer mit Kleinkindern einrichtet. Außerdem soll er Mindestlöhne für alle Gehaltsklassen garantieren.“
Giles verstummte einen Augenblick fassungslos. „Sie hat das tatsächlich getan. All diese Forderungen. Damit macht sie sich, Carey’s und uns alle zum Gespött. Oh, ich wette, dass Jardine es nicht abwarten kann, in London davon zu erzählen. Und natürlich fällt das auf mich zurück. Wer wird mir noch Arbeit geben, wenn sich herumspricht, dass ich zugelassen habe, dass sie auch den letzten Arbeitsplatz wegen dieses blödsinnigen Forderungskatalogs aufs Spiel setzt?“
„Hier ist dein Kaffee“, beruhigte Lucy ihn.
Er sagte nichts mehr und blickte zu ihr hoch. Sein Blick war so musternd, dass ihr mit einem Mal ihre Tränen wieder einfielen. Sie musste schrecklich aussehen. Ihr Aussehen, das ihr sonst immer so wichtig gewesen war und sie immer vor der Welt geschützt hatte, hatte sie bei der panischen Angst über die Zerstörung von Giles’ prächtigem Rasen völlig vergessen. Dabei hatte ihre Angst eher der Zerstörung von Giles’ Gefühlen für sie gegolten.
„Giles, der Rasen … dieser Baum“, fragte sie ihn. „Was …?“
„Ja, es tut mir leid. Ich hätte es dir sagen sollen“, entschuldigte er sich. Lucy sah, dass er verlegen war und leicht rot anlief. Er wandte sich ab und sah sie nicht an, als er sagte: „Ich habe ihn für Nicholas gekauft. Es ist ein richtiger Baum … Und ich dachte …
Lucy rührte sich nicht. Sie sah, dass er sich umdrehte, um sie anzusehen, und ihr blieb keine Zeit, ihre Gefühle zu verbergen.
Sofort stand Giles auf und berührte unbeholfen ihre Schulter, als wisse er nicht genau, ob sie es zuließ, dass er sie anfasste. „Es tut mir leid“, sagte er. „Ich hätte etwas sagen sollen. Dich vorher fragen. Es war ein plötzlicher Einfall. Ich dachte, dass ein Baum etwas ist, das für immer da ist, weißt du? Er wird immer dort stehen, auch wenn wir sterben. Ich wollte dich nicht verletzen, Lucy. Bestimmt nicht.“
Er konnte spüren, wie sie sich unter seiner Berührung verkrampfte. Ihre Schulterknochen traten so deutlich hervor, dass sie kaum noch von Muskeln bedeckt sein konnten. Sie war schon immer schlank gewesen, aber jetzt war sie fast dünn. Unvermittelt überkam ihn eine beschützerische, zärtliche Liebe.
„Hör zu, ich sage ihnen, sie sollen ihn wieder abholen“, setzte er mit rauer Stimme an. „Ich hätte niemals …“
„Nein … Nein. Lass den Baum. Du … Du hast das Richtige getan“, sagte Lucy.
Er konnte sehen, dass sie gegen die Tränen ankämpfte. Lucy, die immer so schnell geweint und ihren Gefühlen wie ein Kind freien Lauf gelassen hatte. Und in gewisser Weise war ihm dieses Ankämpfen dagegen jetzt unerträglich. Er wollte sie im Arm halten und beschützen, ihr sagen, dass alles wieder gut werden würde. Er würde dafür sorgen, dass alles wieder in Ordnung war, doch wie konnte er das, wenn er ihr so viele Schmerzen bereitete?
„Ich wollte nur irgendetwas tun, um ihm zu zeigen, dass er nicht vergessen wurde“, sagte er mit unsicherer Stimme und suchte nach Worten, um ihr zu verstehen zu geben, was ihn dazu gebracht hatte. Und gleichzeitig wusste er, dass sie ihn früher auch ohne Worte und mühsame Erklärungen verstanden hätte.
„Oh, Giles.“
Beim Klang der Gefühle in ihrer Stimme blickte er sie an. Es lag keine Wut darin, kein Anzeichen für einen weiteren Ausbruch, den er erwartet hatte. Obwohl ihre Augen vor Tränen glänzten, entdeckte er darin kein Anzeichen von Abneigung oder Ablehnung.
„Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich der einzige Mensch, der sich überhaupt daran erinnert, dass er gelebt hat. Als wolle sich niemand sonst daran erinnern.“ Der Schmerz in ihrem Tonfall traf ihn tief und zerriss ihn innerlich fast. „Niemand spricht je seinen Namen aus oder redet von ihm.“
Er konnte all ihre Empfindungen aus ihrer Stimme heraushören, auch ihren Schock darüber, dass sie ihm sagte, was in ihr vorging. Wieder einmal überkam ihn das Gefühl, sie enttäuscht zu haben, weil er ihre wichtigsten Bedürfnisse nicht erkannt hatte.
Wie war es nur gekommen, dass er ihren Gefühlen gegenüber so blind gewesen war? Weshalb hatte er sich auf andere verlassen, die ihm gesagt hatten, wie er sich zu verhalten hatte? Wieso hatten sie ihren Schmerz und Kummer über den Tod ihres Kindes nicht miteinander teilen können? Sie hatten es doch auch zusammen gezeugt, weshalb hatten sie den Verlust nicht teilen können?
„Es stimmte nicht, dass ich ihn nicht wollte“, sagte Lucy ihm mit heiserer Stimme. „Ich hatte Angst, das war alles. Angst.“
„Ich weiß“, sagte Giles ihr, und während er es aussprach, wusste er, das es die Wahrheit war. Er hob den Kopf und sah aus dem Küchenfenster.
Die Männer waren gegangen. Der Baum stand dicht an dem stützenden Pfahl, als fürchte er sich noch etwas in der neuen Umgebung und in seiner Rolle. Er war jung und verletzlich, und er brauchte Unterstützung, damit er wachsen und seine Stärke entwickeln konnte, genau, wie alle verletzlichen Lebewesen Halt brauchten.
„Was ist los?“, fragte Lucy, als Giles ihre Hand nahm und sie mit sich aus der Hintertür zog. Doch sie folgte ihm.
Ein bisschen unsicher runzelte sie die Stirn, als er sie zu dem Baum führte, und sie wirkte noch verunsicherter, als er den Baum berührte, als würde er ihn streicheln. Die Rinde war dünn und weich. Sie konnte den Baum noch nicht schützen. Lucy berührte sie auch vorsichtig und wusste selbst nicht genau, wieso sie das tat. Es fühlte sich warm an, wie ein lebender Körper, und sie blickte zu Giles.
„Er braucht unsere Liebe“, sagte er ihr ernsthaft. „Um wachsen zu können, um ihn zu schützen und ihm zu helfen.“
„Ja“, stimmte sie mit zitternder Stimme zu. Tränen des Schmerzes und des Kummers standen ihr in den Augen, aber jetzt kam auch noch etwas anderes dazu.
Ein Wissen, eine Hoffnung. Liebe? Sie war sich nicht sicher. Aber sie wusste mit einem Mal, dass sie es Davina nicht leicht machen würde, ihr Giles wegzunehmen. Und mit diesem Entschluss erlangte sie auch ihre Energie und ihre Durchsetzungsfähigkeit wieder.
Müde hatte Davina das Kostüm ausgezogen. Zuerst hatte sie ein Hochgefühl darüber empfunden, sich durchgesetzt und das Treffen geleitet zu haben, indem sie die Überraschung ausgenutzt hatte, die sie mit ihrem Verhalten hervorgerufen hatte. Aber danach war eine lähmende Erschöpfung über sie gekommen.
Während sie sich Jeans und ein Sweatshirt anzog, fragte sie sich, wie lange Giles brauchen würde, um seinen Schreck und seinen Verdruss zu überwinden. Nach dem Treffen war er ihr bis zu ihrem Wagen gefolgt und hatte sich kaum beherrschen können.
„Davina, was, um alles in der Welt, hast du dir dabei gedacht?“, hatte er wütend wissen wollen. Und sie hatte ihn ruhig angelächelt und gesehen, wie er vor fassungsloser Wut rot anlief. Er hatte eher wie ein zorniger kleiner Junge ausgesehen als wie ein erwachsener Mann, und unwillkürlich hatte sie sein Verhalten mit dem von Saul Jardine verglichen.
Davina zweifelte nicht daran, dass Saul mindestens genauso aufgebracht und verärgert auf ihre Forderungsliste reagiert hatte, aber er hatte es nicht gezeigt und sich beherrscht. Und jetzt benutzte er sicher seine ganze Gerissenheit und Erfahrung, um einen Weg zu finden, wie er sie austricksen konnte. Wenn er es versuchte, würde sie dann stark genug sein, um etwas dagegenzuhalten?
Giles hatte immer noch vor ihr gestanden und auf eine Antwort von ihr gewartet.
„Ich wollte jetzt eigentlich nach Hause fahren, Giles“, hatte sie ihm ruhig gesagt.
Daraufhin hatte er nur verächtlich die Luft ausgestoßen und ungeduldig gesagt: „Ich will wissen, was das gerade in der Bank sollte. Diese Liste mit Bedingungen.“ Er suchte nach Worten. „So etwas tut man einfach nicht. Wir sind nicht in der Position, um solche Forderungen zu stellen. Meine Güte, Davina, du solltest auf Knien danken, dass jemand bereit ist, die Firma zu kaufen.“
„Wer sagt das? Saul Jardine?“, hätte sie ihn gefragt. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war Giles überzeugt davon, dass sie den Verstand verloren hatte. „Was hältst du von Jardine, Giles?“, hatte sie gefragt und ihre Taktik geändert. Sie wollte ihre Gefühle nicht an dem armen Giles auslassen.
„Offensichtlich ist er ein gerissener Verhandlungspartner“, hatte Giles knapp gesagt. „Und er ist gekommen, um Carey’s so unauffällig und billig wie möglich zu erwerben. Es hat keinen Sinn, dich ihm zu widersetzen, Davina. Solche Typen machen bei diesen Spielchen nicht mit.“
„So so. Würdest du sagen, dass er eine hohe Position in seiner Firma hat?“ Davina wusste, dass Giles ihr noch mehr sagen wollte und sie ihn unterbrochen hatte, aber sie hatte im Moment nicht die Geduld, ihn in aller Ruhe einen Vortrag halten zu lassen.
„Laut Philip ist er der zweite Mann hinter Sir Alex“, teilte Giles ihr förmlich mit.
„Eine recht bedeutende Stellung?“, hatte sie nachgefragt.
„Eine sehr bedeutende“, hatte Giles richtiggestellt.
„Dann ist es doch sehr seltsam, dass er hierherkommt, um die Verhandlungen für so eine eher unbedeutende Firmenübernahme zu leiten, oder?“
„Seltsam? Was meinst du damit?“
Davina hatte versucht, es ihm zu erklären. „Giles, ich meine, dass ich gern genau wüsste, wieso dieser Sir Alex Carey’s aufkaufen will. Und wenn dieser Kauf für ihn nicht so wichtig ist, wieso schickt er dann jemanden wie Saul Jardine, um die Verhandlungen für ihn zu fuhren?“
„Weil das seine Aufgabe ist“, hatte Giles eingeschnappt erwidert.
Davina hatte nur gelacht. „Wirklich?“
Aber jetzt lachte sie nicht und blickte vollkommen ernst in den Garten.
Schon vor sehr langer Zeit hatte sie festgestellt, dass Unkrautjäten eine sehr entspannende Tätigkeit sein konnte, wenn man unliebsame Spannungen loswerden wollte.
Der Himmel war bedeckt, und vielleicht fing es bald zu regnen an, aber dadurch ließ sie sich nicht abschrecken. Entschlossen kniete sie sich an das Ende eines Beets und fing mit der Arbeit an.
Sie konnte nichts für Carey’s tun, außer abwarten und hoffen, dass, aus welchem Grund Sir Alex die Firma auch haben wollte, es ihm wichtig genug war, um auf ihre Bedingungen einzugehen.
Und wenn er es nicht tat?
Stirnrunzelnd suchte sie unter der Erdoberfläche nach den Wurzeln eines Kriechkrauts.
Dann würden Giles und Philip Taylor ihr liebend gern erklären, wie dumm und ungeschickt sie sich benommen hatte.
Saul sah rasch auf die Liste, die Davina ihm während des Treffens gegeben hatte, aber jetzt, wo er die Zeit hatte, die Punkte in aller Ruhe durchzugehen, schwankte er innerlich zwischen Verwunderung und Unglauben. Dachte sie wirklich, dass bei dem Zustand der Firma auch nur ein Käufer diese Bedingungen annehmen würde?
Unterbewusst nahm er wahr, dass das Schreiben keinen einzigen Fehler enthielt, obwohl es auf einer einfachen Schreibmaschine ohne Fehlerkorrektur geschrieben worden war. Die Grammatik war fehlerfrei, die Zeichensetzung tadellos und die Ausdrucksweise genau und knapp. Einige Ausdrücke waren allerdings etwas veraltet und wirkten sehr dramatisch. Wusste sie eigentlich, dass niemand heutzutage mehr diese Ausdrücke verwendete? Hatte sie diese Ausdrücke trotzdem benutzt? Er runzelte die Stirn.
Diese Frau machte ihm Kopfzerbrechen, und sie verwirrte ihn. Auf eine sehr ungewöhnliche Weise forderte sie ihn heraus. Jedes Mal, wenn er meinte, sie richtig einschätzen zu können, tat sie etwas, das dieses Bild wieder völlig vernichtete.
Zum Beispiel dieser lächerliche Aufzug. Sie musste einfach gewusst haben, wie wenig so ein Kostüm zu einer solchen Sitzung passte. Weshalb hatte sie es dann angezogen? War es Mut oder eine Art seltsamer Humor? Sicher nicht Gedankenlosigkeit, das bewies die Liste, die er in Händen hielt.
Sie musste einfach wissen, dass weder Sir Alex noch sonst jemand diese Bedingungen annehmen würde. Garantie der Arbeitsplätze der gesamten Belegschaft für drei Jahre, dazu eine vollständige Erneuerung der Arbeitsbedingungen und Produktionsverfahren. Genau wegen dieser Verfahren hatte seine Schwester ihm gesagt, dass Carey’s die Sicherheitsbestimmungen missachte. Diese Verfahren hatte Davinas eigener Mann noch geduldet. Obendrein forderte sie einen Werkskindergarten und Teilzeitarbeitsplätze. Sir Alex hätte ihr ins Gesicht gelacht.
Es gab eines, worüber er aber nicht lachen würde, und das war die Tatsache, dass sich der Aufkauf der Firma verzögern würde.
Sir Alex war noch nie ein geduldiger Mann gewesen. Er wollte alles so schnell wie möglich bekommen und war es nicht gewohnt, es sich gefallen zu lassen, dass ihm jemand Steine in den Weg legte.
Natürlich musste sie wissen, dass wahrscheinlich keine ihrer Bedingungen angenommen würde. Sir Alex musste nichts anderes tun als warten.
Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Bank, die jetzt schon Anzeichen von Panik zeigte, auf die Schwierigkeiten der Firma reagierte, indem sie Davina James entweder in den Konkurs zwang oder zum Verkaufen brachte. Und dann würde Sir Alex die Firma für einen beliebig niedrigen Preis bekommen. Saul kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich nicht großzügig zeigen würde. Ganz im Gegenteil. Er hasste es, wenn ihm jemand einen Strich durch die Rechnung machte, ganz besonders, wenn es eine Frau war. Er würde es auskosten, Davina James zu demütigen und sie seine Überlegenheit spüren zu lassen.
Saul fragte sich, wieso ihn diese Erkenntnis so verärgerte. Es störte ihn, dass er es nicht geschafft hatte, Davina James beim ersten Mal auszutricksen. Und es machte ihn wütend, dass sie dumm genug war, um zu denken, sie könne Sir Alex dazu bringen, sich ihre unsinnigen Forderungen auch nur anzuhören.
Es war nicht seine Aufgabe, sie zur Vernunft zu bringen. Er beschloss, dass sie ruhig sehen sollte, was sie sich selbst eingebrockt hatte …
Er stutzte une erinnerte sich daran, dass er diesen Handel schnell hinter sich bringen musste. Sir Alex würde die lächerlichen Forderungen nicht annehmen, also musste er Davina James zum Einlenken bringen.
Als er bei Carey’s anrief, wurde ihm gesagt, dass Davina nicht dort sei. Er zögerte und trommelte mit den Fingern auf Christies Küchentisch herum, während er überlegte, was er tun sollte.
Ein Überraschungseffekt ist nie schlecht, beschloss er. Das hatte Davina selbst an diesem Morgen gezeigt. Wenn er sie zu Hause anrief, lehnte sie es womöglich ab, ihn zu sehen. Sie weigerte sich vielleicht sowieso, besonders, wenn ihr Liebhaber wieder bei ihr war. Allerdings hatte es heute Morgen keine Anzeichen einer Affäre in dem Verhalten der beiden gegeben.
Davina war zu weit vom Haus entfernt, um das Geräusch von Sauls Wagen zu hören.
Als er an der Vordertür klopfte und niemand kam, handelte Saul ganz unbewusst und ging um das Haus herum.
Davina kniete mit dem Rücken zu ihm am anderen Ende des Gartens. Sie sah ihn nicht und hörte ihn auch nicht näher kommen. Sein kühles „Sie haben hier noch ein paar Halme übersehen.“ ließ sie vor Schreck zusammenfahren.
Der Zorn ließ ihre Augen dunkler wirken, und auch an ihrer Haltung war ihr Ärger deutlich zu erkennen, doch sie schien nicht verlegen zu sein, dass er sie in Jeans und Sweatshirt sah. Sie musste vor Kurzem geduscht haben, denn Saul bemerkte, dass ihr Haar noch feucht am Kopf anlag. Sie stand auf, und es war fast rührend, wie wenig ihre Haltung zu ihrem Aussehen passte.
Einen Moment lang hätte er sie fast für ein junges Mädchen halten können, so zart wirkte die nackte Haut ihrer Schulter. Aber sie war eine Frau, und noch dazu eine sehr verwirrende.
„Ich wusste ja, dass es bei Carey’s nicht sehr viel zu tun gibt“, sagte er langsam und beobachtete sie genau, „aber …“
„Was tun Sie hier, Mr Jardine?“, unterbrach Davina ihn kühl. „Ich meine mich zu erinnern, dass Sie sagten, sie bräuchten etwas Zeit, um die Meinung Ihres Chefs zu meinen Vorschlägen und Verkaufsbedingungen zu hören.“
„Da habe ich gelogen“, sagte Saul ruhig.
Einen Augenblick gestattete er sich, das Aufblitzen ihrer Augen zu genießen.
„Ich weiß jetzt schon, was Sir Alex davon halten wird“, fuhr er fort. „Er wird sich darüber wundern, dass Ihre Berater Sie nicht für unzurechnungsfähig erklären lassen“, sagte er in freundlichem Ton. „Sehen Sie, was wollen Sie denn eigentlich? Sie wissen so gut wie ich, dass niemand diese Forderungen annehmen würde. Ich schätze, das Ganze ist eine ziemlich fremde Welt für Sie, und sicher macht es Ihnen Spaß, da ein bisschen mitzuspielen.“
„Ich spiele nicht, Mr Jardine“, entgegnete Davina erbost. „Das überlasse ich Leuten wie Ihnen.“
Aus ihrem Blick sprach pure Verachtung, und seltsamerweise spürte Saul, dass ihn dieser Blick traf. Gerade noch rechtzeitig bekam er seine Gefühle unter Kontrolle.
„Was ich will, steht ausführlich in den Bedingungen, die ich für Sie aufgeschrieben habe.“
„Sicherheit für Ihre Angestellten. Nichts für sich selbst.“ Jetzt ließ er sie seine ungläubige Verachtung spüren. „Kommen Sie. Niemand ist so um das Wohl anderer besorgt.“
„Ich sehe das nicht ganz so wie Sie, Mr Jardine“, entgegnete Davina. „Ich nenne es Gewissen.“
Saul blickte sie an.
„Was ist los? Kennen Sie das Wort nicht?“, fragte sie ihn spöttisch. „Mein Vater und danach auch mein Mann haben die Leute, die für Carey’s arbeiten, ausgenutzt. Vielleicht konnte ich nichts ausrichten, solange sie lebten. Aber ich hätte es wenigstens versuchen können, und das habe ich nicht getan. Ich habe es hingenommen, dass mein Vater und auch mein Mann mir vorgeschrieben haben, ich hätte nichts mit der Firma zu tun. Jetzt ist es allein meine Angelegenheit, und wenn ich auch an der Vergangenheit nichts ändern kann, so kann ich wenigstens dafür sorgen, dass es nicht so weitergeht. Die Menschen sind wichtiger als Besitz, Reichtum oder Ehrgeiz. Und wenn man den Menschen diese Bedeutung abspricht, dann nimmt man ihnen eines ihrer menschlichen Grundrechte. Man setzt sie herab und wertet sie ab. Und damit verliert man auch den eigenen Wert als Mensch.“
Saul fuhr fort, sie anzustarren. Das Letzte, was er erwartet hätte, war, dass sie sich ihm so offen anvertrauen würde. Er hatte sich auf Tricks und Täuschungen eingestellt und darauf, dass sie nicht zugeben wollte, was sie mit alledem bezweckte. Aber er hatte nicht gedacht, dass es ihr mit diesen Forderungen tatsächlich ernst war. Sie wollte diese Bedingungen durchsetzen und sonst nichts.
Glaubte sie denn wirklich, Sir Alex zu solchen Eingeständnissen bewegen zu können? „Sir Alex wird sich darauf niemals einlassen“, sagte Saul ihr direkt.
Davina zuckte beim überzeugten Klang seiner Stimme zusammen. „Dann muss ich wohl jemanden finden, der sich darauf einlässt, oder?“, erwiderte sie abweisend.
„Den werden Sie nicht finden“, teilte Saul ihr mit. „Das ist uns allen längst klar.“
„Wenn Carey’s Ihrem Sir Alex so viel bedeutet, dann wird es auch jemand anderem etwas bedeuten. Oder denken Sie, ich sei so einfältig zu glauben, dass die Davidson Corporation keine Konkurrenten hat?“
„Sie verstehen immer noch nicht, stimmt’s?“, fuhr Saul sie verärgert an. „Sir Alex wird Carey’s am Ende bekommen, dagegen können Sie nichts unternehmen. Sie können lediglich jetzt mit ihm verhandeln und …“
„Aber ich dachte, das sei genau das, was ich versuche“, unterbrach Davina ihn.
Saul fühlte sich hilflos angesichts ihrer Unfähigkeit zu verstehen, wie angreifbar sie war. Hilflos und wütend. Selbst ihre offene, ehrliche Art lehnte er in diesem Moment ab. Es regte ihn so auf, dass er ihr am liebsten genau erzählt hätte, was Sir Alex mit ihrer werten Firma vorhatte. Gleichzeitig verspürte er den Drang, sie vor diesem Wissen zu schützen. Sein Neid war beinahe so groß wie seine Verwirrung, denn er erkannte, wie lange es her war, seit er sich von so einer Selbstlosigkeit hatte antreiben lassen. Falls er so etwas überhaupt schon einmal erlebt hatte.
Es nützte ihm nichts, sich einzureden, dass die Geschäftswelt von Betrug und Täuschung angetrieben wurde und dass jemand wie Davina James in dieser Welt innerhalb weniger Tage untergehen würde. Ein Blick auf sie reichte, um die Last, die er auf den Schultern spürte, fast unerträglich zu machen.
„Es wird nicht klappen“, sagte er ihr barsch.
Sie neigte den Kopf zur Seite und blickte ihn an. „Weil Sie es nicht zulassen werden“, sagte sie herausfordernd.
„Wie Sie bereits festgestellt haben, besitze ich nicht die Macht dazu. Aber wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie doch Ihren Liebhaber.“
„Giles ist nicht mein Liebhaber.“
Das schnelle Leugnen erschreckte sie beide. Davina sah zur Seite und errötete.
„Sie können mich durch nichts davon abhalten, auf meinen Forderungen zu bestehen“, sagte sie ihm rasch.
„Wenn das stimmt, dann sind Sie verrückt“, sagte Saul.
Es war nur gut, dass sie nicht wusste, was Sir Alex mit Carey’s tun wollte. Dann hätte sie niemals verkauft, aber irgendwann würde sie keine andere Wahl haben. Andere werden sie zu einer Entscheidung zwingen, stellte Saul grimmig fest.
„Selbstverständlich werde ich Ihre Bedingungen an Sir Alex weiterleiten, aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass er nicht zustimmen wird.“
Als er sich gerade abwenden wollte, hielt er inne.
„Übrigens“, sagte er, „habe ich erfahren, dass Sie einige der Haftpflichtversicherungen der Firma gekündigt haben. Dadurch kommt Carey’s in eine ziemlich gefährliche Lage, falls einige Ihrer Angestellten beschließen, Sie wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen zu verklagen.“
Davina musterte ihn misstrauisch. Wie hatte er das herausbekommen? Die Beiträge dieser Versicherungen waren so hoch geworden, dass Giles darauf bestanden hatte, sie zu kündigen. Sie hatte sich dabei nicht wohlgefühlt, aber sowohl Giles als auch Philip hatten ihr gesagt, dass sie keine andere Wahl habe.
Es bedrückte sie, dass so viele der Frauen bei Carey’s einen Hautausschlag bekamen, obwohl Giles ihr versicherte, es sei keine Verbindung zwischen den Erkrankungen und der Arbeit entdeckt worden.
Saul ging bereits von ihr fort, doch dann blieb er stehen und wandte sich noch einmal um. „Eines noch.“ Er lächelte jetzt, und eine nervöse Unruhe kribbelte überall in ihr. Die feinen Härchen in ihrem Nacken richteten sich auf. „Zu diesem Kostüm. Nehmen Sie meinen Rat an. Wenn Sie es das nächste Mal tragen …“
Davina sah ihn starr an und weigerte sich, der Spannung nachzugeben, die sie erfasste.
„ … dann so, wie es gemeint ist. Ohne BH.“
Er blickte absichtlich auf ihre Brüste und musterte sie einen Augenblick, bevor er sich wieder abwandte und sie zitternd vor Wut und bitterer Verachtung zurückließ. Sie wusste, dass sie zu erbost war, um ein klares Wort herauszubekommen.
Diese letzte Bemerkung hatte sie tief getroffen und verletzt, und genau das hatte er beabsichtigt.
Sie hörte seine Wagentür zuschlagen und den Motor anspringen.
„Sir Alex wird sich darauf niemals einlassen“, hatte er ihr gesagt, und sie hatte erkannt, dass er das wirklich glaubte.
Mit einem Mal fühlte sie sich zu Tode erschöpft. Sie fühlte sich allein und sehr ängstlich. Machte sie alles nur noch schlimmer? Hätte sie weniger angriffslustig und eher passiv auftreten sollen? War es falsch, dass sie ihren Gefühlen vertraute, die ihr sagten, dass man ihr etwas verheimlichte? Sie vermutete, dass es Sir Alex viel wichtiger war, Carey’s zu kaufen, als er sie wissen lassen wollte.
Sie sehnte sich danach, mit jemandem zu reden und sich jemandem anzuvertrauen. Will ich, dass jemand mir die Last abnimmt? fragte sie sich selbst. Bin ich wirklich so schwach und verängstigt, dass ich bei den ersten Schwierigkeiten bereits aufgebe? Was war aus dem Hochgefühl geworden, das sie heute Morgen noch empfunden hatte? Ihrer Entschlossenheit?
Saul Jardine war also ein mächtiger und sehr gerissener Mann. Na und? Er war nur ein Mensch. Und er musste auch wunde Punkte haben, oder nicht?