3
Als Karen erwachte, fiel ihr Blick auf einen atemberaubenden Mann, der nur mit einem weißen Handtuch um die Hüften im Bad vor dem Spiegel stand und sich rasierte. In den kurzen Momenten, bis sie hellwach war und sich erinnerte, wo sie sich befand, hatte sie die Vision, daß er auf sie zukam, sie küßte, das Handtuch fortschleuderte und zu ihr ins Bett kletterte. Und in diesen wenigen Sekunden konnte sie sich ganz genau daran erinnern, wie es war, einen Mann im Arm zu halten: an seine Größe, die Wärme seiner Haut, sein Gewicht, sein ...
»Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie gerade denken?« fragte er und sah sie im Spiegel an.
Sie wandte sich ab, damit er ihr errötendes Gesicht nicht sehen konnte, stand auf, griff nach ihrem Morgenrock und ging zum Schrank hinüber.
»Was haben Sie für heute vor?« fragte er, als er aus dem Bad kam und sich den restlichen Rasierschaum vom Gesicht wischte.
Karen riß die Schranktür auf, um ihn nicht mehr sehen zu müssen. Ging er eigentlich täglich ins Fitneßcenter? Er mußte es, sonst könnte sein Körper nicht so durchtrainiert aussehen. Und war dieser warme Honigton seine natürliche Hautfarbe? »Einkaufen«, murmelte sie.
»Einkaufen?« wiederholte er und kam um die Tür herum. »Was denn? Weihnachtsgeschenke?«
»Ich ... äh ...« machte sie, blickte angestrengt auf die Kleiderbügel und sah doch nichts. »Ja, Weihnachtsgeschenke. Und ein Hochzeitsgeschenk.« Sie atmete tief durch. Sie mußte sich wirklich zusammenreißen! Karen drehte sich um und sah ihm in die Augen, aber keinen Zentimeter tiefer. »Morgen ist Weihnachten, und wenn ich das Fest mit diesen Menschen hier verbringe, kann ich nur schlecht mit leeren Händen auftauchen. Wissen Sie vielleicht eine gute Shopping Mall hier in der Nähe?«
»Tysons Corner«, erwiderte er schnell. »Eine der besten weit und breit. Und da auch ich Geschenke brauche, werde ich Sie begleiten.«
»Nein!« platzte Karen heraus. »Ich meine, allein kann ich mich sehr viel besser konzentrieren.«
»Wieviel und für wen wollen Sie denn einkaufen? Sie wissen doch nicht einmal, wie viele Kinder es hier gibt.
Ich nehme doch an, daß Sie die Kinder beschenken wollen?«
»Schreiben Sie mir einfach die Namen auf.« Sie wollte den Tag nicht mit diesem Mann verbringen - und es war sehr schwer, die Augen von den Muskeln seines Oberkörpers fernzuhalten.
»Ich besitze leider keinen Stift«, lächelte er. »Ich habe alles im Kopf.«
Um ein Haar hätte sie zurückgelächelt. »Sie können Sie mir ja diktieren. Abgesehen davon ... würden Sie nicht viel lieber hierbleiben und mit den anderen Football spielen?« »Ich bin ein fetter, unfitter Schreibtischhengst. Man würde mich doch nur verspotten.«
Jetzt mußte Karen lachen, denn es gab niemanden, der besser in Form wäre.
Ohne auf ihre Zustimmung zu warten, zog er sich einen Frotteemantel an und küßte sie leicht auf die Wange. »Würden Sie mir bitte ein paar Sachen herauslegen? Ich muß unbedingt telefonieren. In einer halben Stunde bin ich wieder für Sie da.«
Bevor Karen protestieren konnte, hatte er den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen. Jede Feministin wäre bei der Zumutung vor Ekel erstarrt, einem so autoritären, arroganten Mann wie Mac Taggert die Kleidung bereitzulegen, aber wenig später hatte sie dunkle Wollhosen, ein italienisches Hemd und einen englischen Sweater auf dem Bett ausgebreitet. Verächtlich über sich selbst den Kopf schüttelnd, ging sie ins Bad.
Eine Stunde später liefen Mac und Karen nach einem schnellen Frühstück auf den Mietwagen zu. Auf dem Rasen spielte Steve mit ein paar anderen Ball und rief Mac zu, ob er nicht mitspielen wolle.
»Sie zwingt mich dazu, mit ihr einkaufen zu gehen«, schrie er zurück.
»Ha!« spottete Karen über das Autodach hinweg. »Er fürchtet sich hierzubleiben - aus Angst, Sie könnten ihm weh tun!«
Mac ignorierte das Lachen der anderen. »Was sollen wir dir als Hochzeitsgeschenk mitbringen?«
»Von dir, Taggert?« fragte Steve. »Einen Lamborghini. Aber von ihr nehme ich alles, was sie zu bieten hat.«
»Dem kann ich nur zustimmen«, rief ein anderer.
Zutiefst geschmeichelt strahlte sie die jungen Männer an, und sie strahlte sogar noch mehr, als sie sah, wie Mac die Stirn runzelte. »Eine sehr sympathische Truppe«, stellte sie fest, als sie sich neben ihn ins Auto setzte.
Mac drehte sich um und blickte durch das Rückfenster, während er den Rückwärtsgang einlegte und den Wagen um die anderen Autos herummanövrierte. Er sagte kein Wort.
Vielleicht lag es am unbeschwerten Flirten der Männer, vielleicht an Macs schmollendem Schweigen, aber als sie die Shopping Mall erreicht hatten, war Karen bester Stimmung. »Wo wollen wir anfangen?« fragte sie, sobald sie Tysons Corner betreten hatten. Sein Schulterzucken sagte ihr, daß die Entscheidung bei ihr lag. »Wieder ein Elefant«, murmelte sie.
»Wie bitte?« erkundigte er sich spröde.
»Das habe ich immer gesagt, wenn ich mit meinem Mann einkaufen ging. Er weigerte sich, irgendeine Entscheidung über die Geschenke zu treffen, trug aber bereitwillig alles, was ich ihm auflud. Ich nannte ihn immer meinen Elefanten.« Einen Moment lang schien Mac zu überlegen, dann hob er folgsam den rechten Arm, ballte die Faust und spannte die Muskeln an. »Ich kann alles tragen, was Sie mir aufladen können.«
Karen lachte. »Das bleibt abzuwarten. Übrigens: Sie sagten, daß >wir< die Geschenke kaufen ... Wer zahlt nun eigentlich?«
»Ich?« stöhnte er gespielt komisch auf, als hätte er stets alles bezahlt, was sie kaufte.
»Hervorragend«, sagte sie über die Schulter hinweg und strebte bereits den Auslagen von Nordstrom's zu. »Ihr Geld, mein Geschmack.« ..Wenn Sie mir dann und wann eine Erdnuß zuwerfen, bin ich schon zufrieden«, murmelte er hinter ihr.
Drei Stunden später war Karen erschöpft, aber höchst erheitert. Sie hatte ganz vergessen, wie es war, mit einem Mann einkaufen zu gehen. Kein einziges Mal hatte er sich die Zeit zu Überlegungen darüber genommen, welches Geschenk passender war. »Das da«, hatte er gesagt oder: »Ist doch egal.« Und wenn sie ihn um Vorschläge gebeten hatte, schien er über den Schallplattenladen kaum hinausdenken zu können. Zweimal hatte sie ihn, umgeben von Einkaufstüten, auf einer Bank abgesetzt, während sie Seifen und Lotionen sowie Obst- und Delikatessenkörbe aussuchte. Aber aus dem Geschäft von Rand McNally bekam sie ihn kaum wieder heraus. Schließlich kaufte er ein riesiges 3-D-Puzzle mit dem Motiv des Empire State Building. Sie suchten alle neun Spielwarengeschäfte auf und wählten in jedem Geschenke aus - so viele, daß Karen insgeheim befürchtete, mehr Geschenke zu haben, als sich Kinder unter dem Weihnachtsbaum versammeln würden.
»Ist in diesen Ausflug eigentlich ein Lunch eingeschlossen?« erkundigte er sich, als sie den letzten Spielwarenladen verlassen hatten.
»Wollen Sie wirklich etwas essen? Ich glaube, in dem letzten Geschäft steht noch ein Spielzeugauto im Regal. Vielleicht sollten Sie zurückkehren, um es auch noch zu holen.«
»Ich bin am Verhungern«, knurrte er, lief ihr voran Richtung Cafeteria und suchte ihnen einen Tisch in einer Ecke, in der er alle Tüten und Pakete abstellen konnte.
»Sie sind ein sehr guter Elefant«, sagte sie lächelnd, als sie endlich saßen.
»Welche Pläne haben Sie eigentlich für Ihre berufliche Zukunft?« wollte er unvermittelt von ihr wissen.
Karen war viel zu guter Stimmung, um lügen zu können. »Es besteht kein Anlaß für Sie, mich unter Ihre Fittiche zu nehmen, falls Sie das Vorhaben sollten. Ich komme sehr gut allein zurecht. Wir beide wissen nur zu gut, daß alles vorbei ist, wenn wir wieder nach Denver zurückkehren. Sie sind der Chef und ich bin nur eine Stenotypistin.«
»Nur eine Stenotypistin?« wiederholte er, hob die Brauen, griff in den Halsausschnitt seines Pullovers und zog einige zusammengefaltete Faxbögen aus der Hemdtasche. »Sie, Ihr Mann und Stanley Thompson besaßen sechs Jahre lang Thompsons Hardware Store. Sie und Ihr Mann waren die Seele des Geschäfts, Stanley Thompson nur Ballast.«
Karen sah ihn nur überrascht an.
»Nach Ihrer Heirat übernahm Ray zwei Jobs, während Sie zu Hause Manuskripte tippten. Sie legten jeden Cent auf die hohe Kante, bis sie Thompson die Hälfte seines Geschäftes abkaufen und das Unternehmen auf Vordermann bringen konnten. Ray kannte sich mit technischen Dingen aus, Sie mit allem anderen. Sie lockten die Kunden mit gutformulierten Anzeigen in das Geschäft. Sie kümmerten sich um die Buchhaltung und sagten Ray, welche Investitionen Sie sich leisten konnten und welche nicht. Ihre Idee war es, dem Laden ein kleines Gartencenter anzufügen, um auch weibliche Kundinnen anzuziehen, und es entwickelte sich schnell zum erfolgreichsten Bereich des Unternehmens. Nach Rays Tod stellten Sie fest, daß Thompson sechs Jahre zuvor nur unter der Bedingung zum Verkauf der Hälfte bereit gewesen war, daß er Sie nach Rays Tod mit fünfzigtausend Dollar abfinden konnte.«
»Zu dem Zeitpunkt war es ein faires Angebot«, entgegnete Karen schnell, als wollte er andeuten, Ray hätte einen schlechten Vertrag abgeschlossen.
»Ja, zum Zeitpunkt des Verkaufs war die Hälfte nur dreißigtausend wert, aber nach Ihrem Einsatz wesentlich mehr als fünfzigtausend.«
»Ich hätte als gleichberechtigter Partner im Geschäft bleiben können«, sagte Karen leise.
»Wenn Sie mit Stanley Thompson ins Bett gegangen wären.«
»Sie sind tatsächlich ein Schnüffler, was?« ..Nur neugierig«, erwiderte er augenzwinkernd. Nachdem die Kellnerin ihren Lunch gebracht hatte, fuhr er fort: »Aber nicht nur neugierig, vielleicht auch ahnungsvoll. Sie haben die fünfzigtausend Dollar aus dem Verkauf bisher noch nicht angerührt, und nun vermute ich ganz unverblümt, daß Sie sich damit auf irgendeine Weise selbständig machen wollen.«
Karen zögerte. »Da gibt es nur ein paar sehr vage Ideen«, wich sie aus und spielte mit dem Strohhalm in ihrem Eistee.
Prustend vor Lachen schob ihr Mac eine Serviette und einen Stift zu. »Nehmen wir an, Ihnen würden die Räume eines Textilgeschäfts gehören. Was würden Sie tun, wenn Sie unbegrenzt Geld zur Verfügung hätten?«
Diesmal zögerte Karen keine Sekunde. »Ich würde mitten im Verkaufsraum einen Spielbereich einrichten, damit Mütter ihre Kinder im Auge behalten und dennoch in Ruhe neue Sachen anprobieren können. Und ich würde die Kinder mit diesen Etiketten versehen, die man in Warenhäusern benutzt, um Diebstähle zu verhindern. Sie lösen einen Alarm aus, sobald jemand mit einem unbezahlten Kleidungsstück das Geschäft verlassen will. Nur in meinem Fall ertönt der Alarm, sobald ein Kind den Spielbereich verläßt.«
Nachdem sie einen Happen gegessen hatte, fuhr Karen fort: »Rund um das Spielzentrum würde ich unterschiedliche Verkaufsbereiche einrichten: Umstandskleidung, Möbel, Babyausstattung, Bücher über Kindererziehung und so weiter. Und mein Personal wäre sehr erfahren. Und mollig.« Macs Lächeln hatte etwas Herablassendes.
»Das ist nicht unwichtig. Meine Schwägerin hat gerade ein Baby bekommen, und sie beschwerte sich ständig über anämische Verkäuferinnen, die sie fast mitleidig ansahen, wenn sie etwas in einer größeren Größe verlangte. Und ich hätte ausgebildete Miederwarenverkäuferinnen sowie kostenlose Broschüren von Organisationen wie der La Leche League, an die sich die Frauen wenden können, wenn sie Informationen oder Hilfe brauchen. Selbstverständlich stünden wir für den Fall unvorhergesehener Ereignisse im Geschäft auch mit der Praxis eines Geburtshelfers in Verbindung. Und ...<<
Ein Blick in sein Gesicht ließ sie verstummen. Er lachte sie aus!
»Nur ein paar sehr vage Vorstellungen, was?«
Sie lächelte. »Nun ja, vielleicht nicht ganz so vage.«
»Und wie sind Ihre finanziellen Vorstellungen? Und sagen Sie bloß nicht, Sie hätten es nicht längst auf Heller und Pfennig ausgerechnet.«
Wieder aß Karen einen Happen. »Ich habe da schon ein paar Berechnungen angestellt
»Legen Sie sie mir vor, wenn wir wieder in Denver sind, und ich werde sehen, was ...« Er brach ab, als Karen eine Diskette aus der Handtasche zog. »Seit wann haben Sie vor, mir das zu präsentieren?« fragte er stirnrunzelnd und nahm sie entgegen.
Hastig entriß ihm Karen die Diskette wieder. Sie wußte, was er dachte: Daß sie nur aus diesem Grund diesem Ausflug nach Virginia zugestimmt hätte. »Ich hatte nie vor, sie Ihnen oder irgendeinem anderen Menschen zu zeigen«, zischte sie. »Millionen Leute haben Träume in ihren Köpfen, und da bleiben sie auch: in ihren Köpfen.«
Zornig griff sie nach Handtasche und Mantel. »Entschuldigen Sie, aber ich glaube, das alles war ein großer Fehler. Ich denke, ich sollte jetzt lieber gehen.«
Mac griff nach ihrem Arm und drückte sie wieder auf ihren Sitz zurück. »Es tut mir leid. Ich entschuldige mich. Ernsthaft!«
»Würden Sie mich bitte loslassen?«
»Nein, denn dann laufen Sie mir davon.«
»Dann schreie ich.«
»Nein, das werden Sie nicht. Sie haben zugelassen, daß Stanley Thompson Sie über den Tisch zieht - ohne zu «schreien<, weil Sie vor seiner Familie keine Szene machen wollten. Nein, Sie gehören nicht zu den -Schreiern-, Karen.«
Sie sah auf seine kräftige braune Hand, die ihr Handgelenk umklammerte. Er hatte recht. Sie war keine Kämpferin. Vielleicht brauchte sie Ray, damit er ihr sagte, sie würde es schon schaffen, bevor sie an sich glauben konnte.
Mac ließ ihr Handgelenk los, verflocht sich mit ihren Fingern, und Karen unternahm keinen Versuch, sie ihm zu entziehen.
»Hören Sie, Karen, ich weiß, was Sie von mir halten, aber damit tun Sie mir unrecht. Haben Sie schon einmal mit irgend jemandem über Ihre Pläne für dieses Geschäft gesprochen?«
»Nein«, erwiderte sie leise.
»Aber das alles muß Ihnen doch schon vor Rays Tod durch den Kopf gegangen sein. Haben Sie ihm davon erzählt?« »Nein.« Ray und sie waren mit der Führung des Eisenwarengeschäfts mehr als ausgelastet gewesen. Und sie hatte ihm nie das Gefühl vermitteln wollen, sich etwas anderes -oder gar mehr - zu wünschen.
»Dann fühle ich mich über Ihr Vertrauen in mich sehr geehrt«, sagte Mac, und als Karen ihn argwöhnisch ansah, fügte er hinzu: »Das meine ich aufrichtig.« Er blickte einen Moment lang auf ihre verschlungenen Finger, dann sagte er: »Mit all diesen vorehelichen Vereinbarungen wollte ich nur herausfinden, ob sie unterschreiben würden.«
Ungläubig sah Karen ihn an.
»Ehrlich. Wenn eine dieser Frauen unterschrieben hätte, hätte ich die Vereinbarung sofort zerrissen. Aber alles, was ich hörte, waren Ausflüchte. >Daddy glaubt, ich sollte das nicht unterschreiben«, oder >Mein Anwalt rät mir, das nicht zu unterzeichnen«. Ich wollte lediglich ganz sicher sein, daß es der Frau um mich und nicht um mein Familienvermögen geht.«
»Ein ziemlich häßlicher kleiner Trick, finden Sie nicht auch?«
»Nicht so häßlich, als mich zu heiraten und vier Jahre später die Scheidung einzureichen. Und wenn wir nun Kinder bekommen hätten?«
»Und was war mit Elaine?« fragte sie fast wider Willen. »Elaine war anders«, erwiderte er und entzog ihr seine Hand.
Als Karen den Mund zu einer weiteren Frage öffnete, meinte er: »Fertig?« Und so, wie er es sagte, klang es wie ein Befehl.
Als sie zum Haus zurückkehrten, schien dort das blanke Chaos zu herrschen. Alle liefen in der Vorbereitung auf die Hochzeit durcheinander und riefen einander unzusammenhängende Sätze zu. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, kam Karen »ihr« Raum wie eine Oase der Ruhe vor. Sie ging ins Bad, und als sie wieder herauskam, türmten sich auf dem Bett Unmengen von Kartons und Paketen.
»Das wurde alles geliefert, während Sie im Bad waren«, erklärte er, und als Karen einwenden wollte, sie hätte niemanden das Zimmer betreten hören, eilte Mac hastig ins Bad.
In einem Karton entdeckte sie weiße Unterwäsche aus Seide: Spitzen-BH, Hemdhöschen und weiße, halterlose Strümpfe. Noch nie hatte Karen von einer Hochzeit gehört, zu der neben dem Kleid auch die Unterwäsche zur Verfügung gestellt wurde.
»Sie haben keine Zeit, das alles zu inspizieren«, sagte Mac, als er den Raum wieder betrat.
»Aber
»Ziehen Sie sich an!«
Sie griff zur Unterwäsche, dann zu dem voluminösen Kleid, das aus Hunderten Meter Chiffon gemacht schien - und warf einen verunsicherten Blick in das enge Bad.
»Ich werde Sie schon nicht überfallen, wenn ich Sie in Unterwäsche sehe - aber nur, wenn Sie mir das gleiche versprechen«, erklärte Mac mit todernster Miene.
Karen wollte protestieren, lächelte dann aber nur durchtrieben. »Okay, ganz wie Sie wollen«, sagte sie und verschwand im Bad. Als sie wenig später zurückkehrte, trug sie nur ihr Make-up und die seidene Unterwäsche und wußte, daß sie hinreißend aussah. Oberhalb der Taille war sie nicht sehr füllig, hatte aber - wie ihr immer wieder versichert worden war - die langen Beine eines Showgirls. „Wissen Sie, wo ...«, fragte Mac und drehte sich zu ihr um. Und dann sah Karen mit ungeheurer Genugtuung, daß ihm jede Farbe aus dem Gesicht wich.
„Was soll ich wissen?« erkundigte sie sich unschuldig. Aber Mac brachte keinen Ton heraus. Wie erstarrt stand er da, eine Hand ausgestreckt, während die andere gerade einen Manschettenknopf befestigen wollte.
»Soll ich Ihnen damit vielleicht helfen?« fragte sie und ging ganz langsam auf ihn zu. So behutsam wie möglich befestigte sie erst den einen, denn den anderen Manschettenknopf. Dann lächelte sie zu ihm auf. »Kann ich vielleicht sonst noch etwas für Sie tun? <
Als er nicht reagierte, lächelte sie noch einmal und wandte sich in dem sicheren Wissen von ihm ab, daß ihre Rückseite genauso ansehnlich war, wie sie von vorn war.
Weit kam sie nicht. Mac griff nach ihren Schultern, zog sie in die Arme und senkte seine Lippen auf ihren Mund. Wie konnte ich nur vergessen, wie wundervoll ein Kuß sein kann, dachte sie merkwürdig verträumt.
Er küßte sie leidenschaftlich und lange, seine kräftigen Hände liebkosten ihren Körper und zogen sie fest an sich. Hätte es nicht an der Tür geklopft, hätte draußen nicht eine Stimme »Bereit für die Fahrt zur Kirche?« gerufen -Karen hätten für den weiteren Verlauf der Dinge nicht garantieren können. Und selbst so entwand sie sich nur sehr zögernd seinen Armen. Ihr Herz klopfte heftig, ihr Atem flatterte.
»Wir müssen uns anziehen«, brachte sie mühsam über die Lippen, während er sie schweigend anblickte. Mit bebenden Fingern versuchte sie ihr Kleid über den Kopf zu streifen, ohne sich die Frisur zu ruinieren, und es überraschte sie gar nicht, daß ihr Mac dabei behilflich sein mußte und den Reißverschluß im Rücken hochzog. Und es schien nur natürlich, daß sie ihm auch beim Anziehen seiner Smokingjacke half.
Erst als sie den Raum verlassen wollten, öffnete er den Mund. »Fast hätte ich vergessen, Ihnen Ihr Brautjungferngeschenk zu geben.« Er griff in die Tasche und zog eine zweireihige Perlenkette sowie einen Perlenohrring hervor. »Wunderschön«, sagte Karen. »Die Perlen sehen fast echt aus.«
»Finde ich auch«, sagte er, angelte den zweiten Ohrring aus der Tasche und schloß ihr die Kette im Nacken, während sie die Ohrringe befestigte.
»Sehe ich passabel aus?« wollte sie allen Ernstes wissen. »Niemand wird die Braut auch nur eines Blickes würdigen.« Es war ein Klischee, aber so, wie er es sagte, gab es ihr das Gefühl, wunderschön zu sein.
Die Hochzeit wurde ein Traum. Trotz des vorherigen Chaos lief alles glatt, und während des Empfangs herrschte eine herrlich unbeschwerte Atmosphäre. Mac verschwand mit einigen Männern, die er seit Jahren nicht gesehen hatte, und für ein paar Minuten blieb Karen sich selbst überlassen.
»Können Sie tanzen?«
Karen sah Mac an. »Steht das denn nicht in dem Bericht über mich? Oder haben Ihre Spione so unwichtige Dinge wie das Tanzen schlicht übersehen?«
Lachend zog er sie vom Sessel hoch und führte sie auf das Tanzparkett. Und wie nicht anders zu erwarten, paßten sie auch beim Tanzen ausgezeichnet zueinander.
Steve tanzte mit seiner jungen Frau an ihnen vorbei und riet Mac dringend, »diese« nicht wieder loszulassen.
»Du weißt doch, daß es keine Frau lange mit mir aushält«, lächelte Mac.
Als Steve sie nicht mehr hören konnte, sah Karen Mac stirnrunzelnd an. »Warum sagen Sie ihnen nicht die Wahrheit? Alle scheinen Sie für die Trennungen verantwortlich zu machen.«
Mac zog sie näher an sich heran. »Vorsicht, Mistress Lawrence, das klingt ja fast so, als fingen Sie an, mich zu mögen.« ,.Ha! Alles, was ich von Ihnen will, ist ...«
„Ein Kind«, sagte er fast unhörbar. »Sie wollen ein Kind von mir.«
„Nur weil Sie ...«
„Was bin ich denn? Intelligent? Ein Prinz unter schlichten Männern?«
„Eine Art umgekehrter Prinz. Wenn Sie eine Frau küßt, verwandeln Sie sich in einen Frosch.«
„Beim ersten Kuß war das nicht der Fall. Wollen wir es noch einmal versuchen?«
Einen Moment lang sah er so aus, als wollte er sie küssen. Aber er tat es nicht, und sie wußte, daß ihr die Enttäuschung anzusehen war.