IX
Nie hatte Randy einen so vergnüglichen Tag verbracht wie beim Angeln mit Julian. Alles was er tat oder sagte, war unbeschwert und lustig. Er flirtete mit ihr, neckte sie, legte den Arm um sie, um ihr zu zeigen, wie man den Köder auf den Haken spießte. Er brachte sie zum Lachen wie ein junges Mädchen.
Doch immer wieder mußte Randy verstohlen zu Frank hinüberblicken, der gelassen und allein in der Nähe stand und unablässig einen Fisch nach dem anderen an Land zog. Mit seinem eingegipsten Arm mußte das ebenso schmerzhaft wie schwierig sein, aber nie ließ er sich auch nur das Geringste anmerken.
»Doch an ihm interessiert? « erkundigte sich Julian, nachdem sie zum tausendstenmal zu Frank hinübergesehen hatte.
»Nie im Leben. Ich bin keine Frau, die an einem Mann wegen seines Geldes interessiert ist. «
»Ich verstehe. Und was erwarten Sie dann von einem Mann? « fragte er gespielt anzüglich.
»Liebe. Tiefe Liebe. Ich möchte seiner ganz sicher sein können. « Sie lächelte. »Und ein großes Haus inmitten ausgedehnter Obstgärten. «
»Täuschen Sie sich nicht in Frank. Er ist der loyalste Mensch, den ich kenne. Wenn er Sie erst einmal unter seine Fittiche nimmt, beschützt er Sie auch. «
Wieder sah sie zu Frank hinüber. Er war groß, breitschultrig, und seine dunklen Augen waren faszinierend, aber... Aber er war so merkwürdig. An einem Tag machte er ihr einen Heiratsantrag und am nächsten würdigte er sie keines Blickes,
»Ich würde wirklich gern wissen, was Sie denken. «
»Ich dachte gerade, daß er gar nicht weiß, daß ich hier bin. «
Julian lachte. »Frank haßt Angelausflüge. Er ist nur hier, um aufzupassen, daß ich Sie nicht anfasse. «
Sie sah ihn ungläubig an. »Aber er fängt doch soviel. Es muß ihm doch Spaß machen«
»Frank ist in allem gut, was er anfängt. Nur mit Frauen hat er gewisse Probleme. «
Randy sah kurz auf den schnellfließenden Bergbach, griff dann nach der Thermosflasche und ging hinüber zu Frank. »Macht es Ihnen Spaß? « fragte sie, während er den heißen Kaffee trank.
»Ungeheuer. Und Sie? Amüsieren Sie sich gut? «
Sie sah, daß an seiner Schläfe ein Muskel zuckte. »Bestens. Julian ist wirklich ein bemerkenswerter Mann. So locker, lustig und witzig. Eine Frau könnte sich sehr leicht in ihn verlieben. « Randy ließ ihn nicht aus den Augen. Trotz seiner Distanziertheit fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Aber welche Frau fühlte sich nicht von einem Mann angezogen, der ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte? Sag doch etwas, dachte sie. Vielleicht könntest du mich sogar küssen.
Aber Frank küßte sie nicht. Er gab ihr die leere Tasse zurück und blickte aufs Wasser. »Julian ist ein tadelloser Mann. Hervorragender Arbeiter. «
»Bei seinem Aussehen, seinem Charme und seinen Talenten muß er von Frauen doch förmlich umschwärmt sein. « Randy wußte, daß sie Frank herausforderte, aber sie wollte ihm irgendeine Reaktion entlocken - falls er überhaupt etwas für sie empfand.
»In seinem Privatleben kenne ich mich nicht aus. « Er wandte den Blick von ihr ab.
Randy trat noch einen Schritt näher. »Und wie ist es mit Ihnen? Gibt es in Ihrem Leben viele Frauen? Machen Sie viele Heiratsanträge? «
»Nur einen«, erwiderte er leise.
Randy hätte sich ohrfeigen können. Wie unbedacht und rücksichtlos von ihr. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Mr. Taggert, ich möchte... «
Seine zornigen Augen ließen sie verstummen. »Was möchten Sie? Sich über mich lustig machen? «
»Keineswegs. Wie kommen Sie darauf? «
»Was dann? Was möchten Sie von mir? «
»Ich... Ich weiß es nicht. «
Abrupt wandte er sich ab. »Sagen Sie es mir, wenn Sie es wissen. «
Verlegen und verwirrt lief Randy zur Hütte zurück. Als Julian sie aufhalten wollte, rief sie ihm zu, sie wolle allein sein, Julian schlenderte zu Frank hinüber, der zwar so tat, als würde er angeln, aber bedauerlicherweise vergessen hatte, seinen Haken mit einem Köder zu versehen.
Julian kannte seinen Boß gut genug, um zu wissen, wann er zornig war. Jetzt beispielsweise. Also sagte er kein Wort, sondern suchte Reisig und Äste für ein Lagerfeuer zusammen. Vielleicht würde Randys Essen Franks Stimmung verbessern.
Eine knappe Stunde später hockten sie sich ans prasselnde Feuer. In den vergangenen mehr als zehn Jahren war ihre Beziehung zueinander eine rein geschäftliche gewesen. Doch Julian spürte, daß sich das jetzt änderte. In ihm änderte sich etwas. Und in Frank auch.
Er holte Luft. »Haben Sie Randy gesagt, daß Sie sie lieben? «
Frank schwieg.
»Sie können vielleicht den Rest der Welt täuschen, aber mich können Sie nicht hinters Licht führen. Wann haben Sie gemerkt, daß Sie sie lieben? «
Frank ließ sich Zeit mit der Antwort. »Als ich merkte, daß sie mich nicht mag. «
»Eine Menge von Leuten kann Sie nicht leiden, Frank. «
Er verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln. »Aber die lehnen das ab, was ich repräsentiere, oder sie sind dagegen, daß ich Geld habe und sie nicht. Sie haben nichts gegen mich persönlich. «
Julian warf einen Tannenzapfen ins Feuer. »Machen Sie sich nichts vor, Frank. Sie persönlich sind es, den man nicht mag. Verglichen mit Ihnen ist ein Kühlschrank eine Wärmequelle. «
»Das sehen Frauen ein bißchen anders. « Frank lächelte.
»Stimmt. Frauen machen sich zum Narren, wenn sie Sie kennenlernen. Das hat mich schon immer verwundert. «
»Geld und Macht sind dem Sex ebenbürtig, darüber hinaus verfüge ich über gewisse Qualitäten im Bett. «
»Haben sich getummelt, um Ihre Erfahrungen zu sammeln, oder? «
»Selbstverständlich. Wie sonst... « Er brach ab, wollte offenbar nicht mehr sagen.
»Randy ist anders, stimmt’s? « Julian wartete gespannt auf die Antwort. Wie würde Frank auf eine so persönliche Frage reagieren?
»Sie ist alles, was ich nicht bin. Sie ist warmherzig, während ich kühl bin. Sie liebt leicht, während es mir schwerfällt. Wenn Miranda einen Mann liebt, dann bedingungslos. Es ist ihr gleichgültig, ob er Geld hat oder nicht. Ich brauche diese... diese Sicherheit. Frauen verändern ihre Einstellung zu einem Mann. Heute lieben sie ihn, aber wenn er ihren Geburtstag vergißt, entziehen sie ihm ihre Liebe. «
»Randy könnte keinen Mann lieben, der ihren Geburtstag vergißt. «
»Wenn ich das genaue Datum vergesse, fliege ich eine Woche später mit ihr nach Paris. Dann wird sie mir vergeben. «
»Wahrscheinlich. Aber wie würde eine Frau wie Randy in Ihr Leben passen, Frank? Wenn ich mich recht erinnere, hatte Ihre letzte Liebe einen Doktor in chinesischer Lyrik und sprach vier Sprachen. «
»Sie war zum Gähnen langweilig«, erwiderte Frank abfällig- »In den letzten zwei Jahren ist etwas mit mir geschehen.
Julian. Ich habe mich grundlegend verändert. Ich weiß, daß viele meinen, ich hätte gar kein Herz, aber ich besitze eins -oder ich habe es erst kürzlich entdeckt, Viele Menschen wollten von mir wissen, wofür ich dieses ganze Geld ansammele, und ich fand nie eine Antwort. Ich glaube, es ging mir um die Herausforderung. Gerade Sie sollten doch wissen, daß ich nie etwas Großartiges Kaufen wollte. Nie wollte ich eine Yacht, deren Unterhalt allein täglich Tausende von Dollars verschlingt. Ich wollte nur... «
»Gewinnen«, warf Julian fast bitter ein. Vielleicht war es Neid, aber manchmal war er es wirklich überdrüssig, Frank immer nur gewinnen zu sehen.
»Ja, vielleicht. Vielleicht war es so. «
»Was ist vor zwei Jahren geschehen? «
»Ich habe einen Jungen kennengelemt. Er heißt Eli. Fast kam es mir vor, als begegne ich mir selbst. Er war so ehrgeizig, so wild auf Leistungen. « Frank lächelte. »Er stiehlt Firmenbriefpapier und schreibt darauf Bitt- und Drohbriefe. «
»Illegal. «
»Ja, aber damit hilft er anderen Menschen. Ich sah ihn an und dachte, daß ich gern einen Sohn wie ihn hätte. Zum erstenmal wünschte ich mir ein eigenes Kind. «
»Der Taggert-Bazillus hat schließlich doch zugeschlagen. «
Frank lächelte. »Oja, meine fruchtbare Familie. Sie scheint fast zwanghaft besessen, sich pausenlos zu vermehren. «
»Mit Ausnahme von Ihnen. Zumindest bis jetzt. Bis Sie Randy kennenlernten. «
»Ja, Randy. Eine echte Frau. Ich möchte, daß die Mutter meiner Kinder ihnen vor allem Mutter ist. «
»Und Ihre Frau, wenn ich es recht verstehe. «
»Ja. Ich... « Er holte tief Luft und deutete auf seinen gebrochenen Arm. »Als das hier passierte, hatte ich Zeit zum Nachdenken. Hätte ich mir statt dessen den Hals gebrochen, würde mich keiner meiner vielen Dollars vermissen. Keiner von ihnen hätte vor Trauer um mich geweint. Und noch schlimmer: Als ich das Krankenhaus verließ, erwartete mich keine sanfte, liebende Frau, auf deren Schoß ich mein Haupt hätte betten können, um mich auszuweinen. «
Ungläubig hob Julian eine Augenbraue.
»An diesem Tag hätte ich zu gern geweint. Wissen Sie, was mich diese Lyrikdame gefragt hat? Sie wollte wissen, ob mein Armbruch und die folgenden Schmerzen erregend gewesen wären. Sexuell erregend! «
»Erzählen Sie es ihr«, drängte Julian. »Erzählen Sie Randy von Ihren Gefühlen. «
»Was soll ich ihr erzählen? Daß ich mein ganzes Leben nach einer Frau gesucht habe, die so ist wie sie? Nach einer Frau, die so selbstlos und mitfühlend ist, daß sie in die tiefste Bergeinsamkeit reitet, um einen Mann zu pflegen, der sich verletzt hat? Man sagte ihr, sie werde gebraucht, also machte sie sich auf den Weg. Für eine lachhaft geringe Summe. «
»Dann sagen Sie ihr, daß Sie sie brauchen. «
»Das würde sie mir nie glauben. Wozu sollte ich sie brauchen? Einen Koch habe ich, Sex ist problemlos zu bekommen - also wozu brauche ich sie? «
»Kein Wunder, daß Frauen Sie verabscheuen, Frank. «
»Frauen verabscheuen mich, weil ich es ablehne, sie zu heiraten und zu Mitbesitzerinnen meines Unternehmens zu machen. «
»Sie haben tatsächlich kein Herz. « Sie schwiegen einen Moment lang, dann sagte Julian: »Wenn Sie es ihr nicht sagen, werden Sie sie verlieren. «
»Wissen Sie eigentlich, warum ich finanziell so erfolgreich hin, Julian? Weil ich gleichgültig in. Es ist mir gleichgültig, ob ich gewinne oder verliere. Wenn ich feststelle, daß ich mein Herz an ein Geschäft gehängt habe, steige ich aus. Sobald man emotional wird, ist man nicht mehr gelassen genug. «
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie Randy zu gern haben, um überhaupt den Versuch zu unternehmen, sie zu gewinnen? « Frank blickte Julian an. Und der sah eine Sekunde hinter die permanent vorhandene Kühle, und was er da entdeckte, ließ ihn den Atem anhalten. »Wenn ich verlieren würde, könnte ich nicht weiterleben. «
»So sehr lieben Sie sie? « fragte er leise.
Die Maske war wieder da. »Ich weiß zwar nicht, warum ich, sie... mag, aber ich mag sie. «
»Daher werden Sie nichts unternehmen, um sie zu gewinnen. «
»Richtig. « Frank starrte ins Feuer.
Julian schwieg einen Augenblick lang. »Dennoch haben einige Frauen Sie aufrichtig gern gehabt. Sie persönlich, nicht Ihr Geld. Aber Sie haben sie ausnahmslos fallengelassen. Vielleicht sind Sie jeweils in dem Moment >ausgestiegen<, als Sie begannen, etwas für diese Frauen zu empfinden. Ich kenne zwar die Gründe nicht, weiß aber, daß ich stets derjenige sein mußte, der ihnen zuhörte, sie beruhigte und tröstete, der ihre Wutanfälle über sich ergehen ließ, nachdem Sie sich von ihnen getrennt hatten. Randy ist keine von den Frauen, die Affären mit zahllosen Männern hatte. Sie ist eine schlichte, ganz durchschnittliche Frau, und sie mag Sie. Sie wird das vielleicht nicht sagen, aber ich sehe es ihren Augen an. Heute habe ich mich nach Kräften bemüht, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, aber sie hatte nur Augen für Sie. Ein Zeichen von Ihnen, und sie könnte Sie lieben. «
Er drehte sich um und sah Frank direkt an. »Ich habe keine Lust, Sie bei Randy zu entschuldigen. Ich habe keine Lust, ihre Tränen mit einem Etui voller Smaragde zu trocknen. « Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »Eigentlich möchte ich in dieser Richtung gar nicht mehr tätig werden. «
Julian ließ Frank viel Zeit für seine Antwort. Als der noch immer schwieg, stand er auf. »Frank, ich habe zehn Jahre lang für Sie gearbeitet. Ich habe Sie respektiert, bewundert und manchmal auch beneidet. Aber in diesem Moment empfinde ich nur Mitleid mit Ihnen. « Er machte zwei Schritte, blieb dann aber wieder stehen. »Ich bin es leid, nur zu kaufen, zu verkaufen und kein eigenes Leben zu haben. Für dieses Wochenende war ich mit einer wundervollen Frau verabredet, aber dann riefen Sie an und sagten. Sie brauchten die Unterlagen. Sie haben mich nicht gebeten. Sie haben angeordnet. Ich sprach ihr eine Nachricht auf ihren Anrufbeantworter und kam hierher. Aber ich bezweifle, daß sie je wieder ein Wort mit mir sprechen wird. «
»Sie werden gut genug von mir bezahlt, um das zu tun, was ich von Ihnen verlange. «
»Ja, das tun Sie. Sie bezahlen mich so gut, daß ich nicht mehr zu arbeiten brauche. Ich könnte mich mit dem zur Ruhe setzen, was ich aus Zeitmangel bisher nicht ausgeben konnte«, entgegnete Julian und lächelte. »Und ich glaube, genau das werde ich tun. Am Montag erhalten Sie meine Kündigung. «
Einen Moment lang zögerte Julian, wartete darauf, daß Frank ihn zurückrief. Aber Frank sagte kein Wort, also lief Julian weiter.