13

Josephine hatte zum Abendessen einen Lammschlegel gebraten, den sie aßen, nachdem Helen und Kerr gegangen waren.

Als er satt war, lächelte sie ihm zärtlich zu. »Heute hat es dir ordentlich geschmeckt, Bob.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Seit die beiden weg sind, muß ich ständig daran denken, in welcher Gefahr Helen geschwebt hat. Mir wird ganz kalt dabei.«

Er nickte. »Das kenne ich. Sie scheint bis jetzt nicht zu begreifen, was für ein unverschämtes Glück sie hatte. Vielleicht ist das ganz gut so.« Er gähnte und stand auf. »Ich arbeite noch ein Weilchen.«

»Muß das sein?« fragte sie und runzelte die Stirn. »Warum gönnst du dir nicht auch mal Ruhe? Schließlich ist heute Sonntag.«

»Josey, ich könnte schwören, daß Stretleys Aussage beweist, daß sein Auftraggeber ein Einheimischer ist und der gestohlene Whisky hier vor meiner Nase verkauft wird. Aller Voraussicht nach ist Sharman der Mann, den wir suchen, weil er genügend Läden hat, um den Whisky abzusetzen. Aber seine Bücher und sein Warenlager sind überprüft worden, und man hat mir gesagt, daß er nichts mit dem Whisky zu tun haben kann.« Er zuckte die Achseln. »Wie erklärt sich das also? Das muß ich herauskriegen.«

Sie wollte etwas erwidern, ließ es dann aber bleiben. Sie wußte, daß er recht hatte. Früher fand er ja doch keine Ruhe. Einen weniger pflichtbewußten Mann hätte sie vielleicht gar nicht so sehr lieben können.

Fusil verschwand in seinem Arbeitszimmer. Auf seinem Schreibtisch lagen im Halbkreis die Unterlagen über den Mord an Finnigan, den letzten Überfall auf den Lieferwagen, die anschließenden Einvernahmen und sämtliche Fotokopien der Konten und Warenvorräte ausgebreitet, die Melchett ihm überlassen hatte. Unzählige Male hatte er den Stoß schon durchgeackert, um auf einen übersehenen Hinweis zu stoßen, der Licht in den Fall bringen konnte.

Nachdenklich blätterte Fusil den dicken Stoß Fotokopien durch. Leider verrieten die Zahlen keine Unregelmäßigkeiten. Vom Parkplatz des Herzbuben war Whisky im Wert von zehntausend Pfund gestohlen worden. Bei den vorangegangenen Überfällen hatte es sich ungefähr um die gleiche Menge gehandelt. Trotzdem wies keines der Konten ungeklärte zehntausend Pfund auf, und auch beim Wareneingang waren keine zusätzlichen dreitausendfünfhundert Flaschen. Wütend schlug er mit der Faust auf die Tischplatte. Es gab keine Widersprüche. Und doch mußten sie vorhanden sein, wenn er recht behalten wollte.

Endlose Zahlenreihen starrten ihn an. Er kam zu den Bankauszügen. Manche Schecks beliefen sich auf Tausende von Pfund. Er selbst hatte noch nie einen Scheck über tausend Pfund ausgestellt. Die Seite vor ihm trug eine kleine Bleistiftnotiz. Er stutzte. Dann fiel ihm ein, daß Melchett ein oder zwei auf kleine Beträge lautende Schecks erwähnt hatte, die nicht eingereicht worden waren. Angeblich war daran nichts Ungewöhnliches. Kann man wirklich derart blasiert werden? fragte sich Fusil. Er jedenfalls hatte sich immer jeden erhaltenen Scheck prompt gutschreiben lassen. Er stöberte die restlichen Kontenauszüge durch. Aus bitterer Erfahrung wußte er, daß er dabei nichts Aufschlußreiches finden würde. Zeitweise war das Konto beachtlich überzogen worden. Angeblich ließ sich ein Konto leichter um zehntausend Pfund überziehen als um lächerliche hundert. Immer wieder waren kleinere Schecks vom Konto abgebucht und nicht gutgeschrieben worden.

Verdammt, war er müde! Er konnte kaum mehr richtig sehen. Die Augen fielen ihm fast zu. Einmal brachte er sie nicht mehr auf und nickte sekundenlang ein.

Er erwachte mit dem Gefühl, ein paar Stunden geschlafen zu haben. Ein rascher Blick auf seine Uhr belehrte ihn eines Besseren. Um sich wach zu halten, räumte er die Unterlagen auf. Dabei bemerkte er auf einem Bankauszug eine Bleistifteintragung über fünfunddreißig Shilling für einen der nicht eingereichten Schecks. Endlich eine Unregelmäßigkeit! Der Scheck hatte die Nummer 247562 und lautete auf fünfunddreißig Shilling. Man muß schon ziemlich verzweifelt sein, wenn man sich auf der Suche nach fehlenden Shilling klammert.

Er legte die Auszüge aufeinander und schob sie zurecht. Auch der oberste Bankauszug trug eine Bleistiftnotiz über einen nicht eingezahlten Scheck. Diesmal hieß die Nummer 446792, und es handelte sich um drei Pfund, fünfzehn Shilling und vier Pence. Warum, zum Teufel, gab es keinen Scheck über zehntausend Pfund, die sich durch nichts erklären ließen?

Josephine kam in sein Zimmer und stellte eine Tasse Kaffee auf den Schreibtisch. »Ist schon gezuckert. Ich gehe zu Bett, Bob. Bleib nicht mehr zu lange auf.«

»Nein«, versprach er ohne Überzeugung.

Seufzend ging sie hinaus.

Er trank den Kaffee, stand auf und dehnte die Schultern. Irgendein vages Gefühl quälte ihn, aber er kam nicht dahinter, was es war. Na, jedenfalls höchste Zeit zum Schlafengehen. Alles andere war unwichtig. Er trat hinter seinem Schreibtisch vor und hatte schon die Tür geöffnet, als er plötzlich wußte, was ihn gequält hatte: die Nummern der beiden fehlenden Schecks über kleine Beträge hatten mit einer Zwei geendet. War das ein Zufall? Jedenfalls verdienten ein Zufall und eine Unregelmäßigkeit Beachtung. Er schloß die Tür und ging wieder zum Schreibtisch. Beim Durchblättern der Bankauszüge stieß er auf die dritte Eintragung eines nicht eingelösten Schecks. Auch diese Nummer endete mit einer Zwei. Jetzt ging er den Rest der Auszüge des laufenden Jahres durch und fand einen vierten fehlenden Scheck, dessen Endziffer ebenfalls eine Zwei war.

Die Aufregung ließ ihn jede Müdigkeit vergessen. So viele Zufälle gab es nicht! Das hatte etwas zu bedeuten. Im letzten Jahr hatte es zwei Raubüberfälle gegeben und für den selben Zeitraum fehlten vier Schecks auf kleinere Beträge. Aber was hatten diese unbedeutenden Summen mit dem Fehlen mehrerer zehntausend Pfund zu tun?

Achtlos schob er die anderen Unterlagen weg und legte die vier Bankauszüge nebeneinander. Während er sie forschend betrachtete, zündete er sich seine Pfeife an. Er hatte eben das Streichholz ausgeblasen, als ihm auffiel, daß jeder dieser Bankauszüge eine Entnahme von mehreren tausend Pfund zeigte. Die Schecknummern der hohen Beträge endeten alle mit einer Sieben.

Aufgeregt wanderte er in dem kleinen Zimmer auf und ab. Im Gehen fiel ihm das Denken leichter.

Man schrieb einen Scheck auf einen geringfügigen Betrag aus, schickte ihn ab und er wurde nicht eingelöst .. Man schrieb einen sehr hohen Scheck aus, schickte ihn ab und er wurde eingezahlt … Er blieb stehen und sah sich die Daten an Ein Scheck über fünfunddreißig Shilling war in der zweiten Juliwoche ausgestellt und nicht eingelöst worden. Am vierzehnten Juli war ein Scheck über dreitausendachthundert und etliche Pfund über das Konto gegangen. Genauso war es im August: am zwanzigsten war ein Scheck über viertausendachthundert abgehoben, und am sechzehnten August ein Scheck über zwei Pfund und zwei Shilling ausgestellt worden.

Wieder wanderte er auf und ab. Wie hingen diese Schecks zusammen? Hatte es etwas zu bedeuten, daß die Nummern der kleinen Schecks alle mit einer Zwei und die der hohen mit einer Sieben endeten?

Er zog sein eigenes Scheckbuch aus der Tasche und sah sich die unbenützten Formulare an. Die Nummern waren vorgedruckt. Für einen geübten Fälscher war es ein leichtes, die Zwei in eine Sieben zu verwandeln. Jetzt wußte er, wie Sharman den gestohlenen Whisky verkaufen konnte, ohne daß die Verkäufe in den Büchern auftauchten.