Erstes Intermezzo
Pfui, das war aber knapp.
Sie sagen es. Das Problem bei den Menschen ist, daß wir sie zwar drängen, nicht aber zwingen können. Es kostet uns nur wenig Mühe, jemanden beispielsweise aufstehen, durch ein Zimmer auf und ab gehen oder ausrutschen zu lassen, damit er sich das Genick bricht; aber jemanden etwas tun zu lassen, das seinen Gefühlen zuwiderläuft, ist einigermaßen schwierig.
Menschen sind keine Marionetten, sie haben einen eigenen Willen, und ehe man sich’s versieht, sind sie einem entwischt.
Man denke an die Begegnung von Max und Onno.
Die hast du geregelt?
Wer denn sonst?
Es hätte ja auch Zufall sein können.
Natürlich, war es aber nicht.
Ein starkes Stück. Wenn Delius nur eine halbe Minute später vorbeigefahren wäre, wäre Onno vielleicht von jemand anderem mitgenommen worden.
Dann wäre wirklich alles ins Wasser gefallen. Ich danke Ihnen für das Kompliment, aber solche Dinge sind nun mal Routine für meine Abteilung; das ist für uns fast ebenso einfach wie die eine oder andere mechanische Operation, das Umstürzen eines Baumes zum Beispiel, oder das Einschlagen eines Meteoriten, um nur irgend etwas zu nennen, obwohl wir auch in diesem Bereich mit Unsicherheitsfaktoren konfrontiert werden. Aber wir hatten natürlich einen ausführlichen Aktionsplan, zuerst mußten wir dafür sorgen, daß Max an dem Tag nach Rotterdam fuhr, an dem Onnos Vater Geburtstag hatte, und so weiter und so fort, aber was das anbelangt, war kein Widerstand zu erwarten.
Aber warum wäre sonst alles ins Wasser gefallen? Worin lag eigentlich der Sinn dieser Begegnung? Sie hat die Dinge doch nur komplizierter gemacht. Du hättest dieses ganze Onno-Kapitel aus dem Spiel lassen können, Max einfach Ada begegnen und sie ein Kind bekommen lassen.
Erstens hätte er sie dann aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geschwängert, und zweitens wird sich noch herausstellen, daß Onnos Anwesenheit für das Erreichen unseres Zieles essentiell war. Wenn man an einem derartigen Projekt arbeitet, beschäftigt man sich nicht nur mit dem Moment, der gerade aktuell ist, sondern hat auch ständig im Kopf, was alles schon passiert ist, wie es später werden soll, was schiefgehen kann, wie das aufgefangen werden soll, und was in diesem Fall vorbereitet sein muß, um zu verhindern, daß alles außer Kontrolle gerät. Es ist wie mit dem Krieg: hinterher, im Geschichtsbuch, ist es eine schöne, abgeschlossene Geschichte, deren Ausgang feststeht; solange der Krieg jedoch lief, hatte der Feldherr zwar einen Schlachtplan, aber die chaotische Abfolge von Ereignissen, Dummheiten und unvorhergesehenen Überraschungen erforderte jeden Augenblick neue Entscheidungen. Und drittens … ja, was war das noch? Verzeihen Sie, aber da haben Sie einen grundsätzlichen Punkt berührt, über den wir vielleicht von vornherein offen reden sollten. Sie haben mich gebeten, die Geschichte ausführlich und detailliert zu erzählen, also habe ich damit angefangen. Aber offen gestanden habe ich keine Lust, eine Geschichte zu erzählen und gleichzeitig zu begründen, weshalb es so ist, wie es ist, an welcher Stelle ich eingegriffen habe und an welcher nicht und warum.
Habe ich dich jetzt auf dem falschen Fuß erwischt?
Zum einen habe ich gar keine Füße, denn in unserer pneumatischen Domäne bestehen wir rein aus Intelligenz – und zum anderen –.
Zum anderen?
Lassen Sie’s mal gut sein. Ich bin durchaus bereit, hin und wieder Rechenschaft abzulegen oder etwas näher zu erläutern, aber ich habe nicht die Absicht, mir währenddessen ständig in den eigenen Schwanz zu beißen.
Hast du denn einen Schwanz?
Vielleicht hat die Geschichte einen.
Ich weiß nicht, oh du es weißt, aber der Ouroboros, eine Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt, ist auf der Erde ein Symbol der Ewigkeit.
Mag ja sein, aber wenn ich nicht so erzählen kann, wie es die Ereignisse erfordern, dann müssen Sie sich eben mit der Mitteilung zufriedengeben, daß die Sache tatsächlich rund ist. Sie können mir hundert Fragen stellen, oder tausend, oder hunderttausend, Sie können mich fragen – sagen wir einfach mal, warum Kuba mit Gewalt in die Geschichte hineingezogen werden mußte, und ich weiß nicht, was noch alles, das wird sich alles klären. Sie können ruhig davon ausgehen, daß nichts passiert ist, was nicht unbedingt notwendig war, zumindest nichts, was meine Interventionen betrifft. Es ist nicht von ungefähr so, daß ich noch kein einziges Mal »ich« gesagt habe.
Bis auf dreimal. Und jetzt will ich dir mal was sagen: Die Tatsache, daß auch du dich an der Spitze der Hierarchia Caelestis befindest, gibt dir noch lange nicht das Recht, einem Funktionär gegenüber, der immer noch ein ganz kleines bißchen über dir steht, einen derart frechen Ton anzuschlagen. So stehen die Dinge hier nun mal. Es macht mich allmählich trübsinnig, aber vielleicht liegt das auch an deiner Geschichte. Klar, keiner von uns überblickt das ganze Pleroma, aber wenn man wie wir am Rande des Lichtes operiert und den Blick auf die dämonische Welt der Dunkelheit richtet, dann hat man es doch schwerer als die höheren Entitäten, die davon kaum einen Schimmer haben; und du stehst sogar noch mehr mit dem Rücken zum Licht und mit dem Gesicht zur Dunkelheit als ich.
Wenn ich mich recht entsinne, hast du dich früher sogar einige Male in diesem archontischen Areal gezeigt, das sich weiß Gott nicht rühmen kann, vom Chef erschaffen worden zu sein, wie die meisten von diesen Schaumschlägern dort glauben – die anthropische Lichtexplosion, die zu ihnen führen sollte, war das Werk unserer Zentrale. Im Vergleich zu mir bist du fast schon einer von ihnen, auch wenn du für sie ein unendlich weit Entfernter bist, vorausgesetzt, sie haben überhaupt noch eine Ahnung von deiner Existenz. Die meisten kennen Wesen wie uns nur noch in Gestalt infantiler Phantasien wie Superman oder Batman. Und möchtest du wissen, wieso? Weil sie inzwischen nahezu all unsere Fähigkeiten in Form ihrer Technik selbst besitzen. Und das ist unsere eigene Schuld. Jahrhundertelang haben wir hier selbstgenügsam geschlafen, währenddessen Satan-El hart gearbeitet hat.
Satan-El? Was höre ich da? In welcher Gestalt?
Diese ganzen Typen sind sowieso das letzte Pack: Belial-Satan, Beelzebub-Satan, Asmodee-Satan, Azazel-Satan, Samael-Satan, Mephistopheles-Satan, wen du auch nimmst, sie sind alle gleich. Aber es war natürlich wieder Luzifer-Satan.
Was hat dieses Scheusal denn gemacht?
Das haben wir erst vor kurzem herausbekommen. Ohne daß wir es bemerkten, hat er vor vierhundert Jahren einen Pakt mit der Menschheit geschlossen. Eine Art teuflisches Gegenstück zum Testimonium des Chefs.
Was Sie nicht sagen! Ich kenne nur die Geschichte, daß Mephistopheles einen Pakt mit einem gewissen Doktor Faust geschlossen und dieser ihm seine Seele verkauft haben soll, aber das schien mir eher in den Bereich der Literatur zu gehören.
Das ist auch der Fall, aber dahinter verbirgt sich offenbar ein sehr gefährlicher Aspekt. Darf ich deinem Gedächtnis ein wenig nachhelfen? Der historische Johannes Faust war ein umherreisender deutscher Magier aus Württemberg mit einem berüchtigten Ruf, solche Typen gab es in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts mehrere. 1587, als er bereits vierzig oder fünfzig Jahre tot war, begann seine Legende mit dem Erscheinen einer Chronik, Historia von D. Johann Fausten dem weitbeschreiten Zauberer und Schwarzkünstler, in der die Geschichte dieses Teufelspaktes auftaucht. Die Faust-Legende selbst geht unserer Meinung nach auf eine dieser umherziehenden Personen zurück, schon eintausendfünfh undert Jahre vorher, sie wird in den Berichten der Apostel erwähnt: Simon Magus. Er hatte Streit mit Petrus, weil er den Heiligen Geist kaufen wollte. Dieser Mensch, ein Samariter, war nämlich auf die Idee gekommen, daß er selbst der Chef sei.
Ganz schön frech. Steckte Satan-El auch damals schon dahinter?
Das vermuten wir heute, ja. Er trieb es mit einer phönizischen Hure, von der er behauptete, sie sei die Inkarnation der Helena von Troja.
Wie kann man nur so etwas behaupten?
Auf der Erde kann man alles behaupten, und es gibt immer Menschen, die einem glauben. Aber Vorsicht, unterschätze ihn nicht. Er meinte, das Weibliche Prinzip sei der allererste Gedanke des Denkens – das heißt also des Chefs, und der sei infolgedessen er selbst. Dieses Prinzip erschuf danach uns, woraufh in wir unsererseits die Welt erschufen. Aber seiner Meinung nach wollten wir nicht als Geschöpfe angesehen werden, sondern nur als Schöpfer, also hätten wir unsere Schöpferin aus dem Licht in die Dunkelheit gerissen und in das Fleisch einer jahrhundertelangen Reihe von Frauen gezwungen, darunter auch Helena, und schließlich in eine Hure in einem Bordell von Tyrus, wo der niedergefahrene und fleischgewordene Vater die gefangene Mutter schließlich befreit haben soll.
Merkwürdige Geschichte! Das mit der Entführung und all diesen Frauen ist natürlich eine schändliche Lüge – aber wie ist der Magier hinter die Wahrheit der Schöpfung gekommen?
Hat Luzifer ihm das alles eingeflüstert?
Kennst du eine andere Erklärung?
Und was führte er damit im Schilde?
Es war ein Ablenkungsmanöver für das, was er eigentlich vorhatte. Ohne daß es irgend jemand bemerkte, kehrte Simon Magus demnach Ende des sechzehnten Jahrhunderts in der Sage von Faust zurück, jenes ruhelosen Suchers, der einen Pakt mit dem Teufel schloß. Die erste literarische Bearbeitung dieses Themas stammte von Christopher Marlowe, The Tragicall History of Doctor Faustus, die um 1950 in London aufgeführt wurde.
Das war der Anfang einer ununterbrochenen Reihe von Bearbeitungen, die bis zum heutigen Tage fortdauert: als Höhepunkt natürlich die von Goethe, in der auch Helena wieder erscheint. In einer der letzten, dem Doktor Faustus von Thomas
Mann, taucht übrigens auch wieder eine syphilitische Hure als Gefährtin des Helden auf – und die war, deutlich genug, einer verhängnisvollen Hure im Leben Nietzsches nachempfunden, über den wir vorhin bereits sprachen. Sie verursachte seine fatale Geistesgestörtheit.
Ich weiß. Ich habe das Weibsbild seinerzeit auf ihn angesetzt. Man erklärt den Chef eben nicht für tot. Aber worin bestand nun Luzifers Ablenkungsmanöver? Wovon sollte abgelenkt werden?
Die Absicht lag darin, die Menschheit davon zu überzeugen, daß ein Pakt mit dem Teufel eine literarische Angelegenheit sei: die Geschichte eines erfundenen, nach Wissen dürstenden Individuums, das seine Seele verkauft. Dadurch konnte ein schreckliches, keineswegs literarisches, sondern äußerst reales Ereignis bis zum heutigen irdischen Tag unbemerkt bleiben, daß nämlich Luzifer im letzten Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts, und ebenfalls in London, einen Pakt mit der Menschheit geschlossen hat: einen kollektiven Vertrag, in dem ihm die gesamte Menschheit ihre Seele verkauft hat.
Du liebe Güte! Wie soll ich mir das vorstellen? Hat jemand diesen Vertrag im Namen der Menschheit unterzeichnet?
In der Tat.
Und wer war das?
Francis Bacon.
Francis Bacon?
Francis Bacon. Der als der Mann gilt, der die moderne, wissenschaftlich-technologische Welt prophezeit hat. In einigen epochemachenden Werken zeichnete er die Konturen einer Welt, in der Wissenschaft und Technik nicht mehr in den Händen einiger Amateure sein würden, wie das bis ungefähr 1600 der Fall war, sondern sich in ein international organisiertes, kollektives Unternehmen verwandelten, von der Obrigkeit subventioniert, mit Konferenzen und systematischen Veröffentlichungen. Nur so könne eine vollständige Herrschaft her die Natur erreicht werden ; die wissenschaftliche Methode müsse die der Induktion sein, wobei man vom Besonderen zum Allgemeinen aufsteige, von den empirischen Erscheinungen hin zu den Naturgesetzen – obwohl du und ich natürlich wissen, daß die einzig wahre Methode die umgekehrte ist : die der Deduktion. Am Ende seines Lebens schrieb er Nova Atlantis, ›Das neue Atlantis‹, das Fragment geblieben ist und postum veröffentlicht wurde. Darin beschreibt er das zentrale Institut auf einer utopischen Insel namens Bensalem, die er ›Salomons Haus‹ nennt, aber das ist etwas vollkommen anderes als der gebenedeite Tempel Salomons in Jerusalem, der uns so am Herzen liegt, und es ist auch keine christliche Kirche, sondern eher ein modernes Forschungszentrum, wo sogar neue biologische Arten hergestellt werden.
Aus menschlicher Sicht klingt das alles sehr selbstverständlich.
So selbstverständlich, daß im zwanzigsten Jahrhundert auf der Erde eigentlich gar nicht mehr darüber geredet wird. Das ist die Gefahr des Rechthabens : kaum ein Mensch ist sich noch bewußt, daß es je anders war. Stell dir vor, das wissenschaftliche Experiment war zu Bacons Zeit noch so gut wie unbekannt !
Darum hat es uns immer gewundert, daß gerade dieser rationale Begründer der wissenschaftlich-technologischen Moderne mehr als irgend jemand sonst von Mysterien umgeben ist. Unter anderem soll er der Begründer der Freimaurerei gewesen sein, außerdem verkappter Rosenkreuzer und in zahlreiche andere Geheimbünde involviert. Seit Jahr und Tag gibt es die Sekte der Baconianer, die mit numerologischer Müh und Not zu beweisen sucht, daß er die Dramen und Sonette von Shakespeare geschrieben haben soll. Alles Unsinn natürlich, aber warum hat sich das alles gerade an die Fersen dieses kühlen, realistischen Bekämpfers von Trugbildern geheftet ? Er soll auch nicht nur der tatsächliche Autor von Burtons Anatomy of Melancholy sein, sondern, hergeleitet aus diversen an den Haaren herbeigezogenen Akrostichons, auch des Œuvres von Edmund Spenser – und, wie kann es anders sein, auch von Marlowe. Bacon als der Verfasser des ersten Faust-Dramas ! Bei seiner Beerdigung soll ein leerer Sarg in die Erde gelassen worden sein, denn danach habe er noch einundzwanzig Jahre unter anderem Namen in Deutschland gelebt.
Bestimmt in Württemberg !
In der Hauptstadt, in Stuttgart. Diese sogenannte Entdeckung hat uns schließlich wachgerüttelt, und wir können jetzt rekonstruieren, wie das Ganze abgelaufen ist. Die Baconianer behaupten immer wieder, er sei das legitime Kind von Königin Elizabeth und des Grafen von Leicester, tatsächlich aber wurde er 1561 als Sohn von Elizabeths Großsiegelbewahrer geboren.
Da er das jüngste Kind war, blieb er nach dessen Tod mittellos zurück ; als dreiundzwanzigjähriger Jurist bekam er einen Sitz im Parlament. Er wollte ebenso reich und mächtig werden wie sein Vater, aber es wollte nicht so recht vorangehen mit seiner Karriere. Sein Busenfreund, der Graf von Essex, Liebhaber der Königin, tat für ihn, was er konnte, aber Elizabeth traute Bacon nicht. Als all seine Versuche, seinem Freund einen hohen Posten zu beschaffen, gescheitert waren, schenkte der brave Essex ihm als Trostpflaster ein Landgut aus seinem eigenen Besitz. Das war 1595. Vier Jahre später jedoch fiel Essex selbst in Ungnade, es wurde ein Prozeß wegen Hochverrats gegen ihn vorbereitet, und plötzlich ließ auch Elizabeth von sich hören. Ob Bacon die Freundlichkeit hätte, die Anklage abzufassen. Damit hatte die Stunde des Teufels geschlagen, denn was glaubst du ? Er tat es obwohl er wußte, daß das zur Hinrichtung seines Wohltäters führen würde. Die Bestie versprach ihm, daß er noch höher aufsteigen würde als sein Vater, aber dafür sollte er zunächst seine Unterschrift unter die Anklage setzen und danach einige Bücher veröffentlichen, die ihm diktiert werden würden.
Warum suchte sich Luzifer hierzu gerade Bacon aus ?
1597 hatte er eine Sammlung intelligenter Essays veröffentlicht, die noch immer gelesen werden, aber nicht so sind, daß sie sofort die Aufmerksamkeit des Teufels auf sich ziehen. Jedoch viel früher, 1583, hatte er im Alter von zweiundzwanzig Jahren ein Pamphlet das Licht der Welt erblicken lassen mit dem Titel Temporis partus maximus, ›Die großartige Geburt der Zeit‹.
Es hat unser Mißtrauen erregt, daß davon kein einziges Exemplar mehr erhalten ist ; und wir vermuten nun, daß darin ein Ton angeschlagen wurde, der den Teufel die Ohren spitzen ließ.
Aus irgendeinem Grund hat er später dann alle Exemplare davon unterschlagen. Wie dem auch sei, nachdem der Prophet der neuen Zeit den Teufelspakt mit der Menschheit unterzeichnet hatte, indem er seinen Namen unter das faktische Todesurteil seines besten Freundes setzte, war es plötzlich vorbei mit der Stagnation seiner Laufb ahn. 1600 wurde Essex im Tower geköpft , 1607 wurde Bacon stellvertretender Generalstaatsanwalt, 1613 Oberstaatsanwalt, und 1617 zog er mit der Ernennung zum Großsiegelbewahrer mit seinem Vater gleich. Zwei Jahre später bestätigte er seine Hörigkeit gegenüber dem Teufel, indem er einen unschuldigen Gefangenen foltern ließ, weil König James ein Geständnis und eine Verurteilung wünschte ; kurz darauf wurde er Kanzler, und das ist das höchste Amt im Land, womit er seinen Vater übertroffen hatte. Als Baron Verulam wurde er in den Adelsstand erhoben, später zum Burggrafen von Saint Albans befördert. Inzwischen schrieb er die Bücher, die der Teufel ihm einflüsterte und die keineswegs prophetisch waren, sondern durchtriebene selffulfilling prophecies mit dem einen Ziel : die Vernichtung der Menschheit.
Das bedeutet also, daß dieser opportunistische Verräter
nicht nur die Werke von Shakespeare oder Marlowe nicht geschrieben hat, sondern auch seine eigenen nicht.
So ist es. Aber Luzifer wäre nicht Luzifer, wenn er es dabei belassen hätte. Auch der, der sich ihm unterwirft und ihm dient, muß letztendlich vernichtet werden. Denn nachdem Sir Francis schließlich mehr erreicht hatte, als er sich je hatte träumen lassen, erschien ihm eines Tages der Teufel in Gestalt eines Beamten, von dem er Schmiergelder akzeptierte, was zu einem Prozeß wegen Korruption führte und Gefangenschaft im Tower sowie seinen vollständigen gesellschaftlichen Untergang bedeutete.
Fünf Jahre später, im Alter von fünfundsechzig Jahren, fuhr er schließlich zur Hölle.
Es lebe die Freundschaft!
Auch deine Geschichte demonstriert einmal mehr, weshalb die Freundschaft hier fehlt – und es macht mich traurig, daß das so sein muß. Denn genau das ist es, was mir wider besseres Wissen immer gefehlt hat, hier, im Licht. Kein Mangel an Liebe, Glückseligkeit, Güte, Weisheit, Wahrheit, Frieden, Schönheit, alles zu unseren Diensten, aber keine Freundschaft .
Sie sind nicht mein Freund ?
Und auch nicht deine Freundin. In Organisationen gibt es keine Freundschaften, und schon gar nicht in unserer, und zwischen Höher- und Tiefergestellten erst recht nicht. Freundschaftbesteht nur in der Abys. Kennst du diese berühmten, herrlich verstiegenen Passagen über die Freundschaft , die Bacon kurz vor seinem Tode schrieb : No receipt openeth the heart but a true friend – ja, und die Halsschlagader ! Er, der seinen besten Freund hat köpfen lassen ! Hörst du ? Das Lachen des Teufels scheppert mit einer Temperatur um den absoluten Gefrierpunkt durch die Hallen aller Ewigkeiten.
Jetzt verstehe ich endlich, warum ich mich all die Jahre so angestrengt habe.
Fahre fort. Ich höre.