Kapitel 5: Delia
Ich schaue in den Rückspiegel und winke Sophia zu, die nach mir den Tennisplatz verlässt. Das Spiel hat mich auf andere Gedanken gebracht, aber jetzt, wo ich allein bin, setzt sich sofort wieder das Kopfkino in Gang. Gregor hat erstaunlich gelassen reagiert, als ich ihm von der Kreditkarte erzählt habe. So gelassen, dass es mich nur noch misstrauischer macht. Verheimlicht er mir etwas? Ist eines der Konten nicht ausreichend gedeckt? Musste mein Mann einfach nur für Bewegung bei unseren vielen Bankkonten sorgen? Peinlich, ich weiß noch nicht einmal, um wie viele es sich überhaupt handelt. Alles habe ich mir abnehmen lassen, und nun bekomme ich womöglich die Quittung für meine Naivität geliefert. Die Lösung ist bestimmt ganz simpel, und ich werde mich für meinen Argwohn schämen. Dennoch, ich will wissen, was los ist und steuere die nächste Tankstelle an. Mal gucken, ob mein Ehemann sich erfolgreich um das Problem gekümmert hat oder ob ihm mein Anliegen wieder einmal egal war. Immerhin ist bereits Mittagszeit, und er wollte sich gleich heute Morgen beim Kreditinstitut melden.
Da ich den Tank erst neulich befüllt habe, passen nur wenige Liter hinein. Damit der Tankstellenmitarbeiter mich nicht für komplett bescheuert hält, lege ich zwei Schokoriegel, eine Tüte Weingummi und einen Energydrink auf den Tresen, daneben die nicht funktionierende Kreditkarte. Die nun ja vielleicht doch funktioniert, und ich sehe bloß Gespenster. Der dunkelhaarige Jüngling mit Baseballkappe, höchstens zwanzig Jahre alt, schaut mich nicht an, während der Bezahlvorgang läuft. Ihm ist es scheißegal, ob ich zehn, dreißig oder fünfzig Liter tanke. Ich hätte die Süßigkeiten gar nicht zu kaufen brauchen.
»Die Karte geht nicht.«
Erschrocken fahre ich zusammen. Die tröstlichen Sekunden, in denen ich mich in Sicherheit wähnte, sind vorüber. Der Bursche wirft mir einen Blick zu, in dem keinerlei Regung zu erkennen ist. Er ist die Gleichgültigkeit in Person. Gott sei Dank ist kein anderer Kunde hinter mir, so bleibt der Peinlichkeitsfaktor niedrig.
»Wie – die Karte geht nicht?«, stelle ich mich doof. »Ich benutze die immer.«
»Das Lesegerät der Kasse akzeptiert die Kreditkarte nicht. Der Vorgang konnte nicht abgeschlossen werden, steht hier. Kann ich auch nichts für.«
»Können Sie es bitte noch mal probieren?«, frage ich und bemühe mich um Fassung. Nur keine Hysterie. Ich wusste doch, dass es vermutlich Probleme gibt. Warum raste ich jetzt gleich aus? »Es ist eigentlich unmöglich, weil sie erst kürzlich gecheckt wurde. Sie ist wieder voll funktionsfähig, nachdem sie an einen Magnetstreifen gekommen war.«
»Ich habe es bereits zweimal probiert. Sie müssen trotzdem bezahlen.«
»Ach, was Sie nicht sagen«, gifte ich den unfreundlichen Bubi an. »Hier, nehmen Sie diese Karte.«
Ich pfeffere ihm das andere Teil hin. Langsam bekomme ich Routine darin. So ähnlich müssen sich Kreditkartenbetrüger fühlen. Keine Ahnung, wieso ich die dämliche Ausrede mit dem Magnetstreifen gebracht habe, zumal es den Kerl nicht im Geringsten interessiert. Mir ist es nun mal zuwider, wie eine Mittellose dazustehen. Ohne eine Antwort zu geben, setzt er seine Tätigkeit fort und reicht mir die intakte Karte zurück.
»Danke«, nuschle ich. »Tschüss.«
Da er nicht reagiert und mich grußlos aus der Tür spazieren lässt, murmle ich »Arschloch« beim Rausgehen.
***
Am liebsten bin ich allein zu Hause – auch wenn ich bis heute mit den Räumen nicht richtig warmgeworden bin. Der Einrichtungsstil entspricht größtenteils Gregors Geschmack. Kalt, männlich, Posterdrucke hinter Glas von modernen Künstlern, die er für wenig Geld im Internet bestellt hat. Wenn Besucher sich ehrfurchtsvoll danach erkundigen, ob die Lithografien in der Gästetoilette aus Originalbeständen stammen, hebt er die Augenbrauen und lächelt gespielt bescheiden. Natürlich hänge ich keinen billigen Scheiß an die Wände, bedeutet diese Geste. Dann gibt er noch mit Kunstwerken von James Rizzi an, die er angeblich in New York erstanden hat. Dabei habe ich sie bei Ikea gekauft. Die protzige Attitüde gefällt mir gar nicht, obwohl ich sie anfangs sogar witzig fand. Nur er und ich kannten unser kleines Geheimnis, nur wir beide wussten, dass wir viel zu clever waren, um Unsummen für kostbare Schätze auszugeben. Selbsternannte Kunstkenner ließen sich von uns hinters Licht führen und zeigten sich beeindruckt. Ich fühlte mich Gregor nahe, bewunderte seinen Charme. Inzwischen ist er mir manchmal fremd, auch wenn ich ahne, was in seinem Kopf vorgeht.
Mein Ehemann ist ein Blender. Mein Erbe kommt ihm gelegen – aber ich verscheuche den traurigen Gedanken, dass er mich nur des Geldes wegen geheiratet hat. Ich frage mich nur, ob ich ihn mehr liebe als er mich. Und ob ich ihn überhaupt noch liebe. Würde ich mit ihm wieder vor den Traualtar treten oder befindet sich unsere Ehe in einer Sackgasse?
Den Raum neben dem Schlafzimmer nennen wir Bügelzimmer, weil Gregor beim Einzug der Meinung war, jeder gute Mann würde seiner Frau für den Vorgang des Bügelns ein Extrazimmer zur Verfügung stellen. Wahrscheinlich hielt er sich dabei wirklich für großzügig, zumindest erklärte er mir in zärtlichem Ton, seine Eltern hätten das ebenso gehandhabt. Dafür, dass ich noch nicht ein einziges Mal gebügelt habe – weder im Bügelzimmer, noch irgendwo anders –, hasst er mich ein bisschen. Aber ich kann nun mal nicht mit einem Bügeleisen umgehen und lasse die Wäsche einmal wöchentlich von Herta abholen. Herta war die Haushälterin meiner Eltern und hat das seit jeher für unsere Familie gemacht. Ich hoffe sehr, dass sie hundert Jahre alt wird und ich nie in die Verlegenheit gerate, mir jemand anderen für meine Bügelwäsche zu suchen.
Immerhin dient mir das Bügelzimmer als Rückzugsort. Hübsch ist es hier zwar auch nicht – beiger Teppichflor, weiße Wände und langweilige schwarze Pinselstriche von Picasso aus dem Baumarkt –, ich sitze jedoch gern auf dem rotbraunen Ledersessel vorm Fenster und blättere in Zeitschriften.
Das Licht habe ich eingeschaltet, obwohl es erst früh am Abend ist. Mir ist kalt, und ich lege mir gerade eine Wolldecke über, als Gregor die Tür aufreißt. Ich fahre zusammen, weil ich ihn nicht habe kommen hören.
»Oh, du bist schon da?«, frage ich dämlich. Es ist später als sonst, aber er hatte ja heute Morgen eine Besprechung um siebzehn Uhr angekündigt. Normalerweise geht er anschließend mit zwei Mitarbeitern etwas trinken. Um diese Zeit habe ich ihn noch nicht erwartet, und sofort meldet sich das schlechte Gewissen, weil ich nichts zu essen vorbereitet habe. »Ich koche dir gleich was.«
»Keine Eile, ich springe sowieso erst mal unter die Dusche.« Er macht eine kurze Pause und überlegt. Wie auf Knopfdruck zeigt er sein Strahlelachen. Es ist ein falsches Lachen. »Bin gespannt, was du Leckeres zauberst, Schatz.«
Ich stehe auf und gebe ihm einen Kuss. Bevor ich in die Küche runtergehe, halte ich inne.
»Liebling, hast du mit der Kreditkartenfirma gesprochen?« Das Erlebnis an der Tankstelle verschweige ich.
»Ja, klar. Das sind solche Schnarchnasen, du glaubst es nicht. Bis ich den richtigen Sachbearbeiter an der Strippe hatte, waren mindestens fünf Minuten vergangen. Die Zeit, in der ich in der Warteschleife hing, nicht gerechnet. Na ja, jedenfalls hat die Firma massive Probleme mit defekten Magnetchips. Der Typ hat mir versprochen, uns schnellstmöglich eine Ersatzkarte zur Verfügung zu stellen.«
»Ah, dann ist das ja geregelt. Danke.«
Ich war also doch zu misstrauisch. Alles ist gut.
»Das kann allerdings eine Weile dauern aufgrund einer größeren Austauschaktion. Wir sind wohl beileibe nicht die einzigen Kunden mit dem Problem.«
In meinem Magen grummelt es, aber ich spiele die unbesorgte Ehefrau.
»Das ist mir egal. Hauptsache, jemand nimmt sich der Sache an. Ich koche dann mal schnell.«
Er hält mich am Arm fest. Weder grob, noch liebevoll. Das ist neu, so fasst er mich sonst nie an.
»Ja?«, frage ich und blicke in sein breites Grinsen.
»Ich brauche deine Karte, um sie zurückzuschicken. Wenn der Austausch stattfinden soll, geht es schließlich nur auf diese Weise.«
»Selbstverständlich. Ich lege sie gleich auf deinen Platz.«
***
Schlafen konnte ich kaum. Die halbe Nacht wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Die Grübeleien und Gregors Geschnarche führen dazu, dass ich mich auch nach zwei Tassen Kaffee wie gerädert fühle. Angespannt winke ich ihm hinterher, als er nach einem schweigsamen Frühstück endlich zur Arbeit aufbricht. Seit Stunden lässt mich ein Verdacht nicht mehr los, und ich kämpfe gegen die aufkeimende Panik an. Ganz ruhig, Delia, spreche ich mir selbst leise Mut zu, als ich den Computer hochfahre, nachdem ich vorsichtshalber den Schlüssel von innen in der Haustür steckengelassen habe. Falls Gregor umkehren sollte, weil er etwas vergessen hat, muss er mich vorher telefonisch um Hilfe bitten, um reinzukommen. Ich werde in dem Fall natürlich behaupten, dass ich aus Schusseligkeit den Schlüssel im Schloss gelassen habe. Er darf die Schnüffelei nicht mitbekommen, denn das hasst er wie die Pest. Vertrauen sei das A und O in einer Beziehung, meint er. Bisher war ich der gleichen Ansicht – dachte dabei aber eher an Treue. Ob es ihm dabei eher darum geht, niemals aufzufliegen, egal, was er anstellt? Besonders eine Sache macht mich misstrauisch: Als wir uns kennenlernten, steckte er noch mitten in seiner Spielsucht. Nur mithilfe einer Verhaltenstherapie schaffte er den Absprung. Dass ich ihm durch diese schlimme Phase geholfen habe, erwähnt er nur selten. Bis heute habe ich keine Ahnung, wie viel Geld er bei Pferdewetten verloren hat. Aber es war sehr viel. Fünfstellig mindestens. Was soll ich nur tun, wenn er wieder mit dem Zocken angefangen hat? Sein seltsam aufgesetztes Verhalten in der letzten Zeit deutet für mich immer heftiger auf eine heimliche Leidenschaft hin.
Wie man einen Browserverlauf überprüft, weiß ich nach einer Viertelstunde googeln, doch die Ausbeute ist ernüchternd. Gregor hat offensichtlich den Cache regelmäßig gelöscht oder surft wirklich nur auf Wetter- und Nachrichtenseiten. Auch in seinen E-Mails finde ich nichts Verdächtiges. Keine Online-Tippscheine, keine Links zu Pferderennbahnen – nichts. Ich gebe die virtuelle Spionage auf und fahre ratlos den Computer runter. Mein Misstrauen wächst. Jemandem hinterherzuschnüffeln ist so suchtmachend wie zu wetten. Ich kann einfach nicht aufhören und muss Hinweise ergattern. Wo soll ich nur suchen? Und was verspreche ich mir davon?
Klarheit. Ich will Klarheit.
Wie von der Tarantel gestochen renne ich nach nebenan und durchwühle Gregors Hälfte des Kleiderschranks. Ich fasse in Sakkotaschen, greife in den Stapel mit Winterpullis und schüttle lange Unterhosen aus. Keine Quittung, kein Lotteriezettel. Sämtliche Klamotten befinden sich an ihrem Platz, nichts weist auf einen Vertrauensbruch hin – und dennoch will ich mehr. Ich bin mir sicher, dass er mir etwas vorenthält, etwas Wichtiges. Irgendeine Abscheulichkeit, etwas Schreckliches.
Hier ist nichts. Ich laufe ins Büro, reiße die große Schreibtischschublade unter der Arbeitsfläche auf. Stifte, Taschenrechner, Batterien, das Familienstammbuch. Wozu braucht man so was ohne Kinder? Ich durchblättere das samtige blaue Buch und verliere mich in einem Tagtraum. Bei unserer Hochzeit hatte ich mir die Zukunft anders vorgestellt. Fröhlich und energiegeladen sollte ich in einer gemütlichen Küche stehen und Blechkuchen backen. Zwar fehlten in meiner Fantasie Gesichter und Konturen, doch sie würden schon zum richtigen Zeitpunkt erkennbar werden.
Dachte ich. Falsch gedacht.
Hier sitze ich nun und grabble nach einem Kassenbon, der zweimal zusammengefaltet ist und in die hinterste Ecke der Schublade geschoben wurde. Noch bevor ich ihn auseinanderpule, weiß ich es. Dieser Zettel wird mein Leben verändern.
»Ich bin kein Typ, der Blumen oder Schmuck schenkt, das sage ich dir gleich«, hatte Gregor mir bei einem unserer ersten Dates mitgeteilt – nachdem es bereits gefunkt hatte. »Den albernen Schnickschnack brauche ich nicht, und ich hoffe, du kommst damit klar. Es passt einfach nicht zu mir. Ich gebe dir immaterielle Sachen. Mit mir zusammen zu sein, ist vielleicht anders, als du es aus früheren Beziehungen kennst. Ich lege dir dafür mein ganzes Herz in die Hände, Delia. Wahre Liebe benötigt keine der Erde entrissenen Pflanzen und protzige Klunker. Solltest du das nicht akzeptieren, haben wir ein Problem, denn ich bin, wie ich bin.«
Seine Finger hatten meinen Handrücken gestreichelt. Zwischen uns standen zwei Weißweingläser, sanfte Gitarrenklänge eines Livemusikers, der im spanischen Restaurant für romantische Atmosphäre sorgte, taten ihr Übriges. Ich war verknallt bis über beide Ohren und behauptete inbrünstig, dass ich mir nichts aus roten Rosen und Weißgoldringen machte.
Verliebte Frauen tun alles, um dem Objekt ihrer Begierde zu gefallen. Die Männer tun auch alles, allerdings nur, um einen ins Bett zu locken. Unter keinen Umständen würden sie jedoch der neuen Freundin andächtig zustimmen, wenn sie nach den ersten Nummern ankündigt, von nun an nur noch praktische Baumwollunterwäsche zu tragen. Aber wir tun das. Wir akzeptieren alles, ja, finden uns mit idiotischen Angewohnheiten ab, nur um ihn nicht zu verschrecken. Ich habe dem Blumenschwachsinn seit dem Date beim Spanier nicht widersprochen. Weil Gregor nun mal so ist, wie er ist.
»Quatsch, mir sind solche Dinge völlig unwichtig. Als ob es in einer ernsthaften Beziehung auf Geschenke ankäme. Da stehe ich echt drüber.«
»Super. Ich würde mich ohnehin nicht verbiegen lassen. Ich finde es nicht richtig, seinen Partner verändern zu wollen. Die meisten Frauen sind ja so. Du bist eine tolle Ausnahme und toleranter. Gut, dass wir uns gefunden haben.«
Ich strahlte ihn an. Und besiegelte damit, niemals schöne Präsente zu erhalten. Weder zum Hochzeitstag, noch zum Geburtstag oder Weihnachten. Er findet das überflüssig; wir können uns schließlich kaufen, was wir uns wünschen. Einmal startete ich den halbherzigen Gegenangriff und schenkte ihm zum Fünfunddreißigsten einen Heißluftballonflug an der Küste. Er machte »Puh, Schatz« und bat dann, das Event auf Ebay verkaufen zu dürfen, weil er angeblich unter Höhenangst leidet. Seitdem habe ich es aufgegeben.
Überraschungen gibt es für mich nicht.
Bis jetzt. Der Kassenzettel stammt vom Blumenladen am Ende der Straße. Die Besitzerin kann es sich als Frau des hiesigen Privatklinikchefs leisten, nur an drei Tagen die Woche zu öffnen – das Geschäft ist ihr Hobby.
50 Baccara-Rosen wurden in Rechnung gestellt. Plus Anbringung Detail. Was immer das bedeuten mag. Mein Mann hat fünfzig hochpreisige Schnittblumen erstanden und ein Detail anbringen lassen, was ebenfalls Kosten verursacht hat. Ich starre wie hypnotisiert auf den Bon. Die Informationen kommen tröpfchenweise in meinem Gehirn an. Von wann ist der Beleg? Da unten steht’s. Zweieinhalb Wochen alt. Für mich waren die Rosen nicht, so viel ist klar. Ich habe wie üblich nichts gekriegt, auch kein angebrachtes Detail.
Gregor hat eine andere Frau beschenkt.
Mein Mann hat eine Geliebte.
Ich bin eine betrogene Ehefrau.
Mechanisch lege ich das Corpus Delicti zurück. Fein verstecken, damit der Vertrauensbrecher den Vertrauensbruch nicht bemerkt. Er wäre mit Sicherheit stinksauer, wenn er von meiner Schnüffelei erführe. Aber jetzt erst recht. Bevor mir die Tränen in die Augen schießen, reiße ich mich zusammen und springe auf. Nein, ich werde nicht weinen. Noch nicht. Erst will ich weitere Beweise finden. Eine einzelne Quittung eines Blumenladens muss gar nichts bedeuten. Ich brauche Fakten.
Weiter geht’s in den seitlichen Schreibtischschubladen rechts von mir. Ich ziehe eine nach der anderen raus und beginne zu fluchen.
»Rosen. Er schenkt ihr Rosen. Was für ein verlogener Mistkerl. Sieben Jahre Ehe, und ich bekomme nichts. Einen Scheiß bekomme ich. Und was macht er? Bringt irgendeiner Schlampe Baccara-Rosen mit. Wie einfallslos, primitiv und billig!«
Inzwischen ist es mir egal, ob ich die Ordnung zerstöre. Ich bin rasend vor Wut. Was fällt ihm ein? Da … da ist was Auffälliges. Mit spitzen Fingern nehme ich eine angebrochene Rolle rotes Kräuselband und den Rest eines mit Herzchen verzierten Geschenkpapierbogens aus dem Schrank.
Damit dürfte wohl alles bewiesen sein. Gregor hat in unserem Haus ein Geschenk eingepackt, es zum Blumenladen gebracht und dort an einen Rosenstrauß anbringen lassen. Eine Träne löst sich aus dem Augenwinkel und tropft auf das silberne Papier. Noch eine Träne. Ich fange an, hemmungslos zu schluchzen, weil ich es nicht glauben mag. Wir sind miteinander verheiratet, das kann er nicht machen! Eine Scheidung war in meinem Lebensplan nicht vorgesehen, doch auf einmal werden die Karten neu gemischt.
Langsam lege ich die Fundstücke an Ort und Stelle zurück und verlasse das Zimmer. Weinend gehe ich die Treppe runter, ziehe den Schlüssel aus der Haustür und packe ihn auf die Kommode, wo er hingehört.
***
»Schatz, ich bin wieder da!« Gregors Begrüßungsruf hallt durchs Haus. »Hm, das riecht ja vielversprechend.«
»Bin in der Küche«, antworte ich und öffne den Backofen.
Die Wärme schlägt mir entgegen und ich weiche ein Stück nach hinten. Um für gute Stimmung zu sorgen, habe ich, nachdem ich die Heulspuren mit einer dicken Make-up-Schicht übertünchen konnte, eines seiner Leibgerichte gekocht.
»Schmorbraten mit Prinzessbohnen, ich fasse es nicht. Du bist so süß zu mir, danke!«
Überschwänglich nimmt er mich in den Arm und drückt mir einen Kuss auf den Hals. Dass ich die Lippen zusammenpresse, sieht er nicht. Unauffällig wische ich mit dem Handrücken über die Augen, um erneut aufsteigende Tränen wegzudrücken.
»Setz dich ruhig schon hin. Geht gleich los.«
Ich reiße mich zusammen und schenke uns Rotwein ein.
»Guten Appetit«, wünscht er und prostet mir zu. »Was für ein schöner Ausklang eines anstrengenden Tages. Du hast dir morgen deine Massage wirklich verdient, Liebling.«
Und du bist das größte Arschloch unter der Sonne.