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Während Schroeder auf Mrs. O’Rourke, die Putzfrau, wartete, ging er durch Hendryx’ Apartment und versuchte, ein Gespür für die Wohnung und den Mann zu bekommen, der in ihr gelebt hatte.

Ein Makler hätte es als Drei-Zimmer-Apartment bezeichnet, aber ein zukünftiger Mieter hätte sicher entgegnet, die Küche wäre winzig und eines der Zimmer kaum größer als ein Schrank. Der kleinere Raum war offenbar das Arbeitszimmer des Professors gewesen, denn dort standen sein Schreibtisch und ein Bücherschrank. Der andere Raum diente als Wohn- und Schlafzimmer. In ihm waren eine große Couch, eine Kommode, der Fernsehapparat, ein Schaukelstuhl und ein gewaltiger Sessel aus Kunstleder mit einem passenden Fußkissen. Neben dem Sessel stand ein Rauchtisch aus Mahagoni. Im großen Glasaschenbecher lagen eine Pfeife und das halbe Dutzend Streichhölzer, mit dem sie angezündet worden war. Ein aufgeklapptes Buch lag mit dem Rücken nach oben auf einer der breiten Armlehnen des Sessels. An einem Wandtisch standen mehrere Bücher zwischen Buchstützen aus Bronze, eine große Messingschale und ein Pfeifenständer, in dem fünf Pfeifen hingen, und der sechste Platz leer war.

Schroeder ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Er enthielt einen Pappbehälter Milch, ein Päckchen Speck, eine Schachtel mit Eiern und ein Stück Schmelzkäse. Offenbar hatte der Professor zu Hause gefrühstückt und die anderen Mahlzeiten in der College-Kantine oder in Restaurants eingenommen.

Schroeder verließ die Wohnung und ging durch den kurzen, schlecht beleuchteten Flur zur Tür, die zum Hintereingang des Hauses führte. Sie war nicht abgeschlossen. Der Schlüssel, den man in Hendryx’ Tasche gefunden hatte, passte nicht nur in die Wohnungstür, sondern auch ins Haustürschloss. Schroeder war immer wieder verblüfft, wie genau die Menschen auf der einen Seite Sicherungsvorschriften einhielten, um auf der anderen so leichtsinnig zu sein. Zum Beispiel bauten sie Spezialschlösser in Türen und hatten dafür an den Parterrefenstern billige Riegel, die man bequem hochschieben konnte.

Er kehrte in die Wohnung zurück und prüfte sie nun sehr viel systematischer. Anscheinend war Hendryx sauber und ordentlich gewesen. Die Anzüge hingen gerade im Schrank, die Kommode mit der Wäsche war gut aufgeräumt. In einer flachen, oberen Schublade lagen die Taschentücher, in einer Schale war der übliche männliche Kleinkram: Manschettenknöpfe, Krawattennadeln, zwei abgelegte Feuerzeuge, eine ausrangierte Brieftasche, eine Armbanduhr, eine Taschenuhr; in einem Glasschälchen lag Kleingeld, nicht mal im Wert eines Dollars. In der nächsten Schublade lagen die Hemden, dann kam die Unterwäsche, aufgeteilt in Fächer für Unterhemden, Hosen und Socken. Darunter waren dann die Pyjamas. Die unterste Schublade war leer. Schroeder nahm an, dass Hendryx sich nicht gern bückte, wenn es sich vermeiden ließ.

Der Schreibtisch war ähnlich ordentlich. In den Schubladen lagen Notizen und Manuskripte, Letztere in Heftern, auf deren Umschlag das Thema vermerkt war.

Ein Polizeiwagen setzte Mrs. O’Rourke ab; sie war eine magere, abgearbeitete Frau von etwa sechzig. Obwohl es ein warmer Tag war, trug sie einen schweren Webpelzmantel und einen formlosen, aus lila Wolle gehäkelten Hut.

«Nur ein paar Fragen», sagte Schroeder. «Sie haben am Freitag hier gearbeitet?»

«Ja, Sir.»

«Wann haben Sie angefangen?»

«Ich komme gegen zehn, ein paar Minuten davor oder danach. Genau weiß ich das nicht. Ich will um zehn kommen, aber es hängt vom Bus ab.»

«Und wann sind Sie gegangen?»

«Kurz vor drei, Sir, vielleicht schon um Viertel vor.»

«Sind Sie sicher? Überlegen Sie’s nochmal genau. Es ist wichtig.» Man musste mit der Art Frauen streng umgehen, wenn man etwas genau wissen wollte.

«Ja, Sir. Ich fahre am liebsten mit dem Drei-Uhr-Bus von der Ecke ab, darum gehe ich immer ein paar Minuten vor drei hier weg. Sonst muss ich nämlich fast eine halbe Stunde warten. Sie wissen ja, wie unregelmäßig die Busse fahren.»

«Ja, ja. Und Sie haben den Drei-Uhr-Bus bekommen?»

«Ja, Sir.»

«Gut. Was haben Sie hier in der Wohnung gemacht?»

Sie sah ihn etwas erstaunt an. «Wieso? Ich putze hier und wische Staub, ich poliere die Möbel, ich mache das Bett und räume im Bad auf. Ich mache die ganze Wohnung.»

«Räumen Sie auch die Kommodenschubladen auf?»

«Nein, Sir!» Sie war beleidigt. «Ich mache keine Schublade auf, und das kann mir keiner vorwerfen. Professor Hendryx hat mir gesagt, ich soll die Schubladen in Ruhe lassen und nichts auf dem Schreibtisch anrühren. Daran hab ich mich gehalten. Ich nehm höchstens mal die Bürsten und den Kamm von der Kommode, damit ich Staub wischen kann.»

«Schön, Mrs. O’Rourke, ich hab ja auch nur gefragt. Sie haben die Wohnung also genauso zurückgelassen, wie sie jetzt ist?»

«Aber nein», protestierte sie. «Ich würd doch keine Asche und Streichhölzer im Aschenbecher lassen. Und das Buch hätte ich fortgelegt. Aber das hab ich nicht, weil da keins rumlag.» Sie sah sich um. «Den Hocker da stell ich auch immer vor den Fernseher, denn da, wo er jetzt steht, wär er mir im Weg.»

«Einen Moment. Sagen Sie damit, dass jemand hier war, nachdem Sie fortgegangen sind?»

«Nein, nur Professor Hendryx. Der ist immer zwischen der Schule und der Wohnung hin- und hergependelt.» Sie seufzte. «Wär er doch hier geblieben, dann lebte der arme Herr heute noch. Ist es nicht schrecklich, was die Studenten heutzutage treiben?»