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Von dem Dutzend Zuschauern des Vormittags waren nur noch übriggeblieben: die Hermes, die Kugl-Egger und Bergnolte, der noch darüber nachdachte, ob das Essen in diesem ihm als »bestes Haus am Platze« empfohlenen Lokal nun wirklich so schlecht gewesen sein könnte, wie’s ihm geschmeckt hatte, oder ob dieser Eindruck nur einer »zufälligen Disposition seiner Geschmacksnerven« zuzuschreiben sei, denn er konnte sich nicht denken, daß Grellber, dessen Gourmandismus so notorisch war, daß er gelegentlich sogar als Amateur-Gutachter bei einschlägigen Vergehen gegen das Lebensmittelgesetz auftrat — daß diesem dieses genüßliche Schmatzen bei der Empfehlung der dortigen Küche nicht ernst gemeint gewesen sei. Er nahm nachdenklich auf seinem alten Stuhl Platz, erst befriedigt, dann fast beklommen, weil die Zuschauerreihe sich so gelichtet hatte. Ferngeblieben waren am Nachmittag: die Frau des Verkehrssoziologen Heuser, die für ihren Mann noch ein Referat über Verkehrsampelprobleme vorbereiten mußte; da waren Statistiken auszuwerten, Stichworte hinzuschreiben, der Ablauf des Referates zu ordnen; außer ihr ferngeblieben waren: Agnes Hall aus bekannten Gründen, der Metzger Leuffen aus Huskirchen, Gruhls Schwager, weil er für eine große Hochzeit, die am nächsten Tage stattfinden sollte, ein Schwein und ein Kalb schlachten mußte, zwei Kollegen von Gruhl sen., denen daran gelegen hatte, die Aussagen des Wirtschaftsprüfers zu hören, die aber den Nachmittag nicht noch opfern konnten und Gruhl durch Schroer, den Justizwachtmeister, gebeten hatten, ihnen doch das Wichtigste aus dieser Aussage bei nächster Gelegenheit mitzuteilen; die Schorf-Kreidel aus bekannten Gründen und außerdem drei pensionierte Bürger, die gewöhnlich nur am Vormittag sich ihre Zeit als »Kriminalstudenten« vertrieben, nachmittags aber in einem ruhigen Hinterzimmer der »Bierkanne« für ein Skatturnier probten, das am kommenden Sonntag in der Nachbarkreisstadt Wollershoven vom Komitee »Freude für unsere alten Mitbürger« organisiert worden war; diese drei, ein alter Bauer, ein pensionierter Studienrat und ein fast achtzigjähriger Werkmeister, fanden unabhängig voneinander »irgendwas an der Sache merkwürdig«, weiter aber nichts bemerkenswert, da ihnen der ganze Fall bekannt war.

Neu unter den Zuschauern waren nur zwei: der junge Landwirt Huppenach, ein früherer Mitsoldat des jungen Gruhl aus dem Nachbardorf Kireskirchen, der ohnehin eines Kredits wegen bei der Kreissparkasse zu tun gehabt hatte, und ein pensionierter Kreisamtmann namens Leuben, der entfernt mit Stollfuss verwandt war. Sowohl der Landwirt Huppenach wie der alte Leuben wurden von Bergnolte nur kurz verdächtigt, Journalisten zu sein, nach rascher Prüfung ihres Habitus und Gesichtsausdrucks sofort aus diesem Verdacht entlassen.

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Die spürbar größere Aufgeräumtheit des Gerichtsvorsitzenden und der Angeklagten wäre eines weitaus größeren Zuschauerkreises würdig gewesen; besonders die beiden Gruhl, hatten sie am Morgen schon gelassen und ruhig gewirkt, strahlten nun eine Heiterkeit aus, die sogar die ein wenig beeinträchtigte Laune des Verteidigers besserte. Der Staatsanwalt schien durch das mißlungene Essen nicht übellaunig geworden zu sein: er hatte sich kurzerhand als zweiten Nachtisch von Schmitz eins seiner berühmten Omelettes soufflés bereiten lassen; die Gruhls, besondere Günstlinge des Schicksals, waren die einzigen Gäste der »Duhr-Terrassen«, die von der Störung der Kochkünste nicht betroffen wurden; jene Eröffnung, deren Folge die Störung der Kochkünste verursacht hatte, war von der jungen Dame erst gemacht worden, als die einzig perfekten Kalbsmedaillons dieses Tages für die Gruhls schon im Essenträger waren. Ungeheuer animiert hatte den älteren Gruhl auch der an diesem Tag besonders ausgezeichnete Kaffee, zu dem er eine jener Zigarren rauchte, von denen Schmitz, wie er wußte, nur selten eine »springen ließ«: ein mildwürziges Tabakgebilde von uneingeschränkter Reinheit. Die Eröffnung der Eva Schmitz, daß sie ein Kind erwarte, hatte sowohl den jungen wie den alten Gruhl in einen wahren Zustand der Euphorie versetzt: sie hatten abwechselnd mit ihrer Braut beziehungsweise Schwiegertochter ein kleines Tänzchen aufgeführt und sie immer wieder gefragt, ob es denn auch wirklich sicher sei. Der Staatsanwalt, beflügelt noch durch die Tatsache, daß seinem Kollegen Hermes die geplante Regie zu mißlingen schien, bat als ersten nach der Pause noch einmal Gruhl sen. vor die Schranke und fragte ihn wohlgelaunt, ob er sich nicht getäuscht habe, als er ausgesagt habe, er sei zwar mit den Gesetzen, den Steuergesetzen, in Konflikt gekommen, aber nicht vorbestraft. Gruhl sagte nein, vorbestraft sei er nicht — es sei denn, die unzähligen Zwangsvollstreckungsbefehle …, woraufhin ihn der Staatsanwalt freundlich unterbrach und sagte nein, die meine er nicht, er suche nur nach einer Erklärung für die merkwürdige Tatsache, die ihm beim neuerlichen Durchblättern der Akten aufgefallen sei, daß Gruhl, obwohl erst 1940 eingezogen, schon Ende 1942 Feldwebel gewesen sei, seltsamerweise Ende 1943 aber wieder den Rang eines einfachen Soldaten gehabt habe. Oh, sagte Gruhl heiter, das sei sehr einfach zu erklären, er sei eben im Sommer 1943 degradiert worden. Oh, sagte der Staatsanwalt, die Heiterkeit beibehaltend, das klinge so selbstverständlich, ob denn alle Soldaten so mir nichts, dir nichts degradiert worden wären? Nein, sagte Gruhl, nun schon nicht mehr nur heiter, sondern fast fröhlich, er habe ein Militärstrafgerichtsverfahren über sich ergehen lassen müssen, er sei zu acht Monaten Gefängnis verurteilt worden, habe aber nur sechs Monate verbüßt, diese in einer Art Festungshaft. Hier griff der Verteidiger energisch ein und fragte den Vorsitzenden, ob es zulässig sei, eine Militärstrafe hier als Vorstrafe zu bezeichnen. Der Staatsanwalt erwiderte, er habe bisher noch keine Militärstrafe als Vorstrafe bezeichnet, der Vorsitzende erwiderte dem Hermes ruhig, das käme darauf an, auf Grund welcher Straftat Gruhl verurteilt worden sei. Lächelnd fragte der Staatsanwalt nun den Gruhl sen., ob er denn, wenn er darüber befragt werde, sich einlassen wolle oder nicht. Ohne sich mit dem Verteidiger zu beraten, schüttelte Gruhl den Kopf und sagte ja, er würde sich einlassen. Darauf der Staatsanwalt: »Dann erzählen Sie mir doch einmal, was da passiert ist.« Gruhl erzählte, er sei schon während der Grundausbildung immer abkommandiert gewesen zu Tischlerarbeiten, teils in den Wohnungen der Offiziere und Unteroffiziere, teils habe er in der Bataillonswerkstatt für diese gearbeitet; als sein Regiment dann nach Frankreich ausgerückt sei, nach Beendigung des Krieges dort (Zwischenfrage des Staatsanwalts: »Sie meinen den Frankreichfeldzug?« Antwort des Gruhl: »Ich meine den Krieg«) sei er erst in Rouen, später in Paris gewesen; er sei auf Grund seiner »Gesuchtheit« immer höher gereicht worden, habe zuletzt für einen Oberst gearbeitet, und zwar »ausschließlich Louis Seize — das war der Tick seiner Frau«; es sei dann später für ihn eine kleine Tischlerwerkstatt im Pariser Vorort Passy beschlagnahmt worden, eine kleine Bude, die aber alles enthielt, was er gebraucht habe; dort sei er morgens hingegangen, habe gearbeitet, später habe er auch dort geschlafen, noch später habe er sich mit dem Kollegen, dem die Werkstatt gehörte, angefreundet, beim Oberst durchgesetzt, daß dieser mitarbeitete; der Kollege heiße Heribault, und er sei heute noch mit ihm befreundet. Heribault besitze jetzt ein gutgehendes Antiquitätengschäft; auf die Idee, ein solches Geschäft zu eröffnen, sei er während des Krieges bei der Zusammenarbeit mit ihm, Gruhl, gekommen; Heribault sei ein sehr, sehr guter Tischler gewesen, hauptsächlich Möbel, aber nicht Stilmöbel, das habe er, Gruhl, ihm beigebracht. Nun, nachher hätte Heribault ganz für seine eigene Tasche gearbeitet, der Oberst habe nicht die geringste Ahnung gehabt, und er, Gruhl, habe ihn natürlich über die Dauer einer Arbeit im unklaren gelassen; er habe sich für eine kleine Kommode, die er zu Hause als freier Mann in einer Woche oder gar in drei Tagen renoviert hätte, bis zu zwei Monate Zeit genommen. Nun, eines Tages habe er dem Oberst gesagt, daß er zu Hause mit dieser Arbeit gut und gerne vier- bis fünfhundert Mark im Monat verdienen könne, und daß der Sold eines einfachen Soldaten eigentlich eine sehr schäbige Bezahlung sei. Der Oberst habe gelacht, und er sei dann sehr rasch erst zum Gefreiten, zum Unteroffizier, später zum Feldwebel befördert worden. Es hätten später in Heribaults Werkstatt Zusammenkünfte stattgefunden, es seien manchmal abends ein paar Männer, auch Frauen, gekommen, hätten Wein und Zigaretten mitgebracht, und jedesmal habe Heribault ihn weggeschickt, indem er sagte, es sei besser für sie und für ihn, wenn er gar nicht wisse, worüber da gesprochen werde; an der Tür der Werkstatt sei ein Schild gewesen: Deutsche Wehrmacht oder so ähnlich. Er sei dann immer ins Kino oder zum Tanzen gegangen und auf Heribaults Bitte hin immer erst gegen Mitternacht nach Hause gekommen. Auf die mit tückischer Sanftmut ausgesprochene Frage des Staatsanwalts, ob ihm, Gruhl, das denn nicht verdächtig gewesen sei, sagte Gruhl, verdächtig: nein, aber er habe sich natürlich gedacht, daß die Männer und Frauen dort nicht zusammenkämen, um den Text einer Ergebenheitsadresse an Hitler zu diskutieren. Es sei ja Krieg gewesen, und er, Gruhl, habe nicht den Eindruck gehabt, die Franzosen seien sehr begeistert davon gewesen, Heribault habe ihm und dem Oberst auch geholfen, Möbel zu beschaffen; er habe viele Tischler, Althändler und auch Privatleute gekannt. Für die gekauften Möbel sei ein Preis in Butter, Zigaretten und Kaffee ausgemacht worden, »und zwar so hoch, daß auch die Nachbarschaft noch etwas mitbekommen« habe; es sei jeder Preis gezahlt worden in Butter, Kaffee, Zigaretten; er, Gruhl, sei auch viel umhergefahren, nach Rouen, Amiens und später nach Orléans, und er habe immer für Freunde von Heribault Päckchen mitgenommen: Butter, Kaffee und so weiter, bis eines Tages Heribault ihn gefragt habe, ob er ein Butterpaket mitnähme, auch wenn er wisse, daß weder Butter noch Zigaretten oder Kaffee drin sei; nun, er sei mit Heribault inzwischen sehr gut befreundet gewesen, habe bei dessen Familie gewohnt und gegessen, und Frau Heribault und die kleine Tochter seien beim Tode seiner Frau sehr gut zu ihm gewesen — er habe also Heribault gebeten, ihm zu sagen, was denn in dem Päckchen drin sei, und der habe gesagt »nichts Schlimmes, nur Papier, unglücklicherweise mit Sachen bedruckt, die deinem Oberst nicht viel Freude machen würden.« Nun ja, er habe also die Päckchen mitgenommen, mehrere Male, bis ihn eines Tages ein Soldat auf der Kommandantur, wo er hin und wieder hingemußt habe, Lebensmittelmarken und seinen Sold abzuholen, gewarnt und ihm zugeflüstert habe, die Werkstatt stünde unter Bewachung. Er habe daraufhin Heribault gewarnt, der sofort verschwunden sei mit seiner Familie; er selbst sei zwei Tage später verhaftet worden; er habe zugegeben, die Päckchen mitgenommen, doch nicht zugegeben, von deren Inhalt gewußt zu haben. Nach der Gerichtsverhandlung sei übrigens das »ganze Möbelgeschäft, denn darum handelte es sich, wie sich herausstellte« aufgeflogen, auch der Oberst sei degradiert worden. Gefragt, ob er diese Strafe als gerecht empfunden und Gewissensbisse empfunden habe, sagte Gruhl nein. Gewissensbisse habe er nicht die geringsten empfunden; und ob er die Strafe als gerecht empfunden habe — nun, gerecht, das sei ein großes Wort, besonders peinlich im Zusammenhang mit Krieg und dessen Folgen. So, er empfinde also die Worte gerecht und Gerechtigkeit als peinlich, auch heute noch? Ja, sagte Gruhl, »auch heute noch als ausgesprochen peinlich«. Er habe doch gesagt, er sei politisch nie interessiert gewesen, wieso er denn Partei ergriffen habe für diese Leute? Gerade weil er politisch desinteressiert sei, habe er für diese Leute Partei ergriffen; er habe sie gemocht. »Aber das verstehen Sie doch nicht.« Der Staatsanwalt wurde böse und verbat sich, von dem Angeklagten wieder ein Intelligenzurteil entgegennehmen zu müssen, im übrigen habe er keine Frage mehr an ihn zu stellen, seine Gesinnung sei ihm jetzt vollkommen klar und im Zusammenhang mit der Gesinnung des Horn noch klarer; auch falle ihm auf, daß der Angeklagte die merkwürdigsten Dinge »natürlich« fände; alles bezeichne er als »natürlich«. Der Vorsitzende rügte mit ernsten Worten Gruhls »Das verstehen Sie doch nicht« und erlaubte, nicht mehr ganz so gut gelaunt, weil er die kostbare Zeit entschwinden sah, dem Verteidiger eine Frage an Gruhl. Der: was Gruhl im Militärgefängnis und nach seiner Entlassung getan habe? Gruhl, müde und schon sehr gleichgültig: »Möbel repariert, später in Amsterdam.« Vom Verteidiger gefragt, ob er nicht doch an Kampfhandlungen teilgenommen habe, sagte Gruhl: »Nein, ich habe nur an der Möbelfront gekämpft, hauptsächlich an der Louis-Seize- und Directoire- und Empire-Front.« Der Staatsanwalt bat darum, den Ausdruck »Möbelfront« zu rügen, er erblicke darin eine Herabsetzung der Gefallenen des letzten Krieges, auch seines Vaters, der nicht an der Möbelfront gefallen sei. Gruhl, vom Vorsitzenden aufgefordert, sich zu diesem berechtigten Einwurf zu äußern, sagte mit ruhiger Stimme zum Staatsanwalt, es läge nicht in seiner Absicht, das Andenken von Gefallenen zu schmälern, in seiner Familie seien gefallen: ein Bruder, ein Onkel, ein Schwager, und außerdem sei sein bester Jugendfreund, der Landwirt Wermelskirchen aus Dulbenweiler gefallen, er aber, Gruhl, habe eben nur an der Möbelfront gekämpft, und er habe mit seinen Brüdern, seinem Schwager Heinrich Leuffen und seinem verstorbenen Freund Wermelskirchen oft über seine Tätigkeit gesprochen, er sei sogar von seinem Freund Wermelskirchen, der ein ziemlich hochdekorierter Fliegerunteroffizier gewesen sei, aufgefordert worden: »Halte du nur die Stellung an der Möbelfront«, das Wort stamme also nicht von ihm, Gruhl, sondern aus dem Mund eines ziemlich hochdekorierten Soldaten, der gefallen sei. Er fühle sich nicht verpflichtet, den Ausdruck zurückzunehmen.

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Die Vernehmung des fast achtzigjährigen Pfarrers Kolb aus Huskirchen verlief fast wie ein Gespräch unter Freunden; es nahm gelegentlich Formen eines theologischen Seminars auf Volkshochschulbasis an, enthielt einige Elemente von Dorfklatsch, zur Beruhigung des Vorsitzenden, zur Enttäuschung der Damen Hermes und Kugl-Egger wenig von dem, was den Pfarrer weit über den Kreis Birglar hinaus bekannt gemacht hatte: wenig von seiner »feurigen, unerschrockenen Originalität«, die zwar in seinen Äußerungen, doch nicht in deren Artikulation enthalten war. Bergnolte, der einzige der Anwesenden, der ihn nicht kannte (die Kugl-Eggers hatten bei ihrem Antrittsbesuch in Huskirchen Proben seines Temperamentes erfahren), bezeichnete ihn am Abend Grellber gegenüber als »richtiges Original, Sie wissen schon, was ich meine«.

Der Vorsitzende bot Kolb mit einer zurückhaltenden Höflichkeit, in der auch der Böswilligste keine Spur Kränkendes hätte entdecken können, einen Stuhl an, den Kolb mit ebenso höflicher Zurückhaltung, in der nichts Kränkendes sich verbarg, ablehnte.

Der Pfarrer sagte, er kenne Gruhl sen. nicht gerade von frühester Jugend an, aber doch, seitdem er zehn Jahre alt sei; damals sei er von Dulbenweiler oft zu seiner Tante Wermelskirchen nach Huskirchen gekommen. Gut kenne er ihn, seitdem er sechzehn sei und angefangen habe, »mit der Elisabeth Leuffen zu gehen, seiner späteren Frau«. Ihm sei der Gruhl immer als sehr fleißiger, zuverlässiger Mensch bekannt gewesen; hilfsbereit, etwas zu still, aber das könne mit sehr düsteren Kindheitserlebnissen zusammenhängen. Nach diesen vom Staatsanwalt gefragt, sagte Kolb, er sehe keinen Grund, darüber etwas zu sagen; solche Dinge würden allzuleicht ausgeschlachtet. Vom Staatsanwalt, der nicht wagte, in dieser Sache zu insistieren, dann gefragt, wie es mit Gruhls religiöser Haltung sei, zeigte Kolb fast Ansätze seines berühmten Temperaments, indem er, etwas lauter als bisher, sagte, er stehe hier vor einem weltlichen Gericht, und eine solche Frage stehe hier niemandem zu, eine Frage übrigens, die er auch vor einem kirchlichen Gericht nicht beantworten würde, die er nie beantwortet habe. Der Vorsitzende belehrte ihn höflich, daß er zwar die Antwort auf die Frage des Staatsanwalts verweigern könne, es hier aber darauf ankomme, eine Vorstellung von Gruhls Charakter zu bekommen, und da er, der verehrte Herr Kolb, ja immerhin Pfarrer sei, es wohl nicht so ganz unberechtigt sei, auch nach dieser Seite von Gruhls Charakter zu fragen. Kolb, so höflich wie Stollfuss, bestritt den Zusammenhang von Religion und Charakter, ja, wieder etwas lauter redend, zum Staatsanwalt gewandt, sagte er, er bestreite sogar den Zusammenhang von Religion und Anständigkeit. Eins könne er sagen: ein anständiger Mensch sei Gruhl immer gewesen, er habe sich auch nie abfällig oder blasphemisch über religiöse Dinge geäußert, im übrigen, was das Weltliche angehe, sich sehr um die Pfarre Huskirchen verdient gemacht beim Wiederaufbau und der Wiederherstellung der arg zerstörten Kirche; er sei auch sehr kinderlieb, habe in den »schlechten Jahren« mit eigener Hand sehr schönes Spielzeug aus Holz für die Kinder hergestellt, die keine Aussicht auf Weihnachtsgeschenke dieser Art gehabt hätten. Gruhl sen. bat hier durch ein Handzeichen ums Wort, erhielt es vom Vorsitzenden und sagte, er wolle ungefragt hier erklären, daß er religiös gleichgültig sei; er sei das schon sehr lange, schon als er bei dem verehrten Pfarrer Brautunterricht bekommen habe, also vor etwa fünfundzwanzig Jahren. Der Pfarrer sagte daraufhin, es möge ja sein, daß Gruhl der Glaube fehle, er aber, der Pfarrer, halte Gruhl für einen der wenigen Christen, die er in der Gemeinde habe. Als der Staatsanwalt, sehr höflich, fast liebenswürdig und lächelnd sagte, er sei recht erstaunt, solches von einem Pfarrer zu hören, und er hege — »bitte, verzeihen Sie« — einige Zweifel, ob das theologisch haltbar oder tragbar sei und ob ihn, den Pfarrer, diese Gleichgültigkeit nicht schmerze. Der Pfarrer sagte ebenso höflich, fast liebenswürdig und lächelnd, ihn schmerze sehr viel auf dieser Welt, aber er erwarte vom Staat keine Hilfe für seine Schmerzen. Was die theologische Trag- oder Haltbarkeit seiner Behauptung angehe, so habe er, der Staatsanwalt, wahrscheinlich zuviel »von katholischen Vereinen mitbekommen«. Der Vorsitzende erlaubte sich einen Scherz, indem er den Staatsanwalt fragte, ob ihm daran liege, eine Art theologischen Obergutachtens einzuholen, was die Konfession des Gruhl angehe; der Staatsanwalt wurde rot, der Protokollführer, Referendar Außem, grinste und erzählte später am Abend seinen Parteifreunden, »es sei fast zum Krach gekommen«. Der Verteidiger fragte nun den Pfarrer, ob es wahr sei, daß er den Gruhl einmal rauchend in der Kirche angetroffen habe. Ja, sagte der Pfarrer, einmal oder sogar zweimal habe er den Gruhl in der Kirche Pfeife rauchend angetroffen; Gruhl — das habe er wohl seiner verstorbenen Frau versprochen — setze sich manchmal in die Kirche, wenn kein Gottesdienst sei, und er habe den Gruhl tatsächlich Pfeife rauchend in einer der letzten Bänke sitzend angetroffen; zunächst habe ihn das sehr erschreckt und böse gemacht, er habe das als blasphemisch empfunden, dann aber, als er Gruhls Gesichtsausdruck gesehen, ihn angerufen, wohl auch ein wenig gescholten habe, habe er auf dessen Gesicht den Ausdruck einer »fast unschuldigen Frömmigkeit« entdeckt. »Er war ganz traumverloren und geistesabwesend, und wissen Sie«, fügte der Pfarrer hinzu, »vielleicht kann das nur ein Pfeifenraucher, wie ich selbst einer bin, verstehen, die Tabakspfeife wird fast zu einem Körperteil, ich habe mich selbst schon dabei ertappt, wie ich mit der brennenden Pfeife in die Sakristei ging und erst bemerkte, daß ich sie im Mund hatte, als ich die Kasel über den Kopf zog und die Pfeife mir bei dem engen Halsausschnitt im Weg war, und — wer weiß — wenn der Ministrant nicht gewesen wäre, wäre ich vielleicht, wenn der Halsausschnitt nicht so eng gewesen wäre, mit der Pfeife im Mund zum Altar gegangen.« Diese Bemerkung des Pfarrers wurde vom Gericht, den Angeklagten und den Zuschauern verschieden aufgenommen: Frau Kugl-Egger sagte später, sie habe ihren Ohren nicht getraut, Frau Hermes fand es »großartig«, Bergnolte meinte am Abend zu Grellber: »Ich glaube, der ist doch nicht mehr ganz richtig im Kopf«; der Vorsitzende, der Verteidiger und die Angeklagten schmunzelten, der Staatsanwalt sagte am Abend zu seiner Frau, ihm sei regelrecht unheimlich gewesen, während der junge Huppenach laut lachte und der alte Leuben den Kopf schüttelte und später erzählte, das sei »entschieden zu weit« gegangen. Vom Verteidiger gefragt, was er über Georg Gruhl sagen könnte, sagte der Pfarrer, der sich dem jungen Gruhl lächelnd zuwandte, den kenne er nun wirklich seit seiner Geburt, er sei ja in Huskirchen zur Welt gekommen, von ihm auf Wunsch seiner Mutter, die schon im Sterben gelegen habe, im Hause getauft worden, er sei in Huskirchen zur Schule gegangen; kurz: er kenne ihn, er schlage mehr nach seiner Mutter, sei aber »wilder als die«, er sei ein ordentlicher, fleißiger Junge gewesen, ein Herz und eine Seele mit seinem Vater; in den ersten Jahren seines Lebens sei er von seiner Großmutter aufgezogen worden, später, nach dem Krieg, als er etwa drei gewesen sei, von seinem Vater allein. Verändert sei der Georg erst, seit er in der Bundeswehr sei. Auch die Tatsache, daß sein Vater gerade in dieser Zeit immer mehr in Schwierigkeiten geraten sei, vor allem aber »die Langeweile, diese unaussprechliche Langeweile«, das habe den guten und gesunden Jungen, der sehr lebensfroh und fleißig gewesen sei, schwer getroffen, es habe ihn verändert, »böse, ja, fast bösartig gemacht«. Der Staatsanwalt, höflich und doch fest, unterbrach den Pfarrer hier, sagte, jemand, der durch den Dienst in einer demokratischen Institution wie der Bundeswehr böse, ja bösartig würde — was ihn angesichts der Gesinnung und des Lebenslaufs, der gesamten, hier sich offenbarenden Lebensphilosophie des Gruhl sen. nicht wundere —, also jemand, der dort bösartig würde, müsse schon bestimmte charakterliche Dispositionen mitbringen, seine Frage sei deshalb an den verehrten Pfarrer, worin sich denn die Bösartigkeit des jungen Gruhl geäußert habe; der Pfarrer, ebenso fest und höflich wie der Staatsanwalt, widersprach dessen These von der charakterlichen Disposition, die notwendig sei, einen jungen Menschen durch den Militärdienst böse, ja, bösartig zu machen; nichts sei verderblicher für einen jungen Menschen als die Einsicht in und die Erfahrung mit einer solch riesigen Organisation, deren Sinn in der Produktion absurder Nichtigkeiten, fast des totalen Nichts, also der Sinnlosigkeit, bestünde — nun, das sei seine Ansicht von der Sache, und im übrigen müsse dann er, der Pfarrer, auch eine charakterliche Disposition zur Bösartigkeit haben, er habe im Jahre 1906 als einjährig Freiwilliger bei der Artillerie gedient, und die Erfahrung mit dem Militärleben sei für ihn eine »arge Versuchung zum Nihilismus gewesen«. Was nun die Hauptfrage des Herrn Staatsanwalts beträfe, wie sich die Bösartigkeit des jungen Gruhl geäußert habe, nun, zunächst habe sich Gruhl, der, wenn auch kein frommer, so doch gläubiger und kirchentreuer Junge gewesen sei, er habe angefangen, sich sehr verächtlich über die Kirche zu äußern im Zusammenhang mit einem Vorgesetzten, der offenbar etwas zu katholisch sei. Der junge Gruhl habe ihm, dem Pfarrer, gesagt, er, der Pfarrer, habe ja keine Ahnung, was »da draußen los sei«, er habe immer nur ihn, den Pfarrer, predigen gehört, von ihm Religionsunterricht erhalten, und er schlüge ihm vor, die »katholische Kirche von Huskirchen« zu gründen. Doch habe sich des jungen Gruhl Bösartigkeit auch in fast blasphemischen Malereien und Plastiken geäußert, auch habe er einmal einer Holzplastik, einer Maria Selbdritt, die er gemeinsam mit seinem Vater an einem Wochenende restauriert und im Auftrage eines Kunsthändlers bei der Frau Schorf-Kreidel abgeliefert habe, einen Zettel mit dem Götz-von-Berlichingen-Zitat angeheftet, das er wörtlich zitiert und mit »Ihre Muttergottes« unterschrieben habe. Mit sehr feiner Ironie stellte der Staatsanwalt fest, der Ausdruck zu katholisch, von einem ehrwürdigen Pfarrer auf einen Offizier der Bundeswehr angewendet, käme ihm doch ein wenig seltsam vor, wie auch die Ansichten des verehrten Herrn Pfarrers über eine auf demokratischem Wege entstandene Institution, die dazu ausersehen sei, jene Werte zu verteidigen, an deren Erhaltung gerade der Kirche, deren Lehrmeinung über diese Sache anders sei als die vom Herrn Pfarrer vertretene, gelegen sein müsse; er, der Staatsanwalt, betrachte diese Äußerungen als die einer sehr liebenswürdigen Originalität; was ihm am wenigsten einleuchte, sei der Schluß: Militär gleich Schule des Nihilismus, wo doch bekannt sei, daß eine solche Institution dem Ordnungssinn und der Erziehung diene. Der Pfarrer, ohne erst ums Wort zu bitten, sagte höflich, fast herzlich sich an den Staatsanwalt wendend, seine, des Pfarrers, Äußerungen seien nicht die einer liebenswürdigen Originalität, sondern theologisch unanfechtbar; was er, der Staatsanwalt, als die Lehrmeinung der Kirche bezeichne, sei der Notwendigkeit entsprungen, sich mit den Mächten dieser Welt zu arrangieren, das sei nicht Theologie, sondern Anpassung. Er, der Pfarrer, habe dem jungen Gruhl seinerzeit geraten, doch den Wehrdienst zu verweigern, Gruhl aber habe gesagt, das könne man nur aus Gewissensgründen, und sein Gewissen spiele in dieser Sache gar keine Rolle, sein Gewissen sei sozusagen mit dem Wehrdienst gar nicht befaßt, sondern seine Vernunft und seine Phantasie, und tatsächlich habe er, der Pfarrer, eingesehen, daß sich in den Worten des jungen Menschen eine tiefe Einsicht verberge, denn auch er halte nicht viel vom Gewissen, das leicht manipulierbar sei, sich in Schwamm oder Stein verwandeln könne, aber die Vernunft und die Phantasie seien göttliche Geschenke an den Menschen; so habe er auch dem jungen Gruhl wenig Trost anbieten können, weil er selbst eingesehen habe, wie absurd mit diesen beiden göttlichen Gaben, der Vernunft und der Phantasie des Menschen, verfahren werde; man dürfe auch nicht verkennen, in welch besonders sinnloser Situation sich der junge Gruhl befunden habe; der habe mit ansehen müssen, wie sein Vater tiefer und tiefer in Schwierigkeiten geraten sei, während er, der Junge, in Unteroffiziers- und Offizierskasinos für einen Hundelohn Bareinrichtungen gezimmert habe; ganz besonders schlimm sei natürlich diese Dienstfahrt gewesen, von der er …, hier wurde der Pfarrer vom Vorsitzenden höflich unterbrochen und gebeten, keine Aussage darüber zu machen, da dies Gegenstand einer Verhandlung unter Ausschluß der Öffentlichkeit sein werde, zu der Gruhls ehemaliger Vorgesetzter vernommen werden sollte. Da schlug sich der alte Pfarrer an die Stirn und rief: »Ach, der — natürlich, daß ich darauf nicht gekommen bin! Der hätte mich innerhalb weniger Tage zum Atheisten gemacht, wenn ich jung wäre.« Dann meinte er, an dieser Dienstfahrt sei doch nichts Geheimnisvolles, das ganze Dorf wisse doch darüber Bescheid. Der Vorsitzende belehrte ihn darüber, daß ein Unterschied darin bestehe, ob ein ganzes Dorf von einer Sache wisse oder auf dem Wege der Indiskretion erfahren habe — zum Staatsanwalt gewandt meinte er nicht ohne Bosheit, vielleicht erwäge der Staatsanwalt eine Anklage wegen Geheimnisverrat — oder ob eine solche Dienstfahrt, die ja wirklich ein dienstlicher, also geheimer Auftrag sei, öffentlich abgehandelt werde. »Wenn wir«, sagte er höflich, »hier öffentlich darüber verhandeln, ist diese Dienstfahrt, was sie durch das Gerede von drei oder vier Dörfern nie werden kann: ›aktenkundig, und zwar für die Öffentlichkeit aktenkundig‹«; das unterscheide eine solche Verhandlung von Gerüchten und Gereden, gleichgültig, wie wahr oder unwahr diese seien. Er müsse also die Dienstfahrt des jungen Gruhl hier ausschließen; an dieser Stelle lachte der Zuschauer Huppenach so lange und so laut, daß er, nachdem er von Justizwachtmeister Schroer schon scharf angeblickt worden war, vom Vorsitzenden strengstens verwarnt und ihm der Ausschluß aus dem Saal angedroht werden mußte. Huppenach verwandelte sein Lachen in ein Lächeln, das vom Staatsanwalt als süffisant und obrigkeitsfeindlich bezeichnet wurde, während der Vorsitzende sagte, er empfinde zwar auch das Lächeln des Huppenach als »wenig Achtung ausdrückend«, könne aber angesichts der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit sich nicht entschließen, hier eine genaue Analyse und moralische Bewertung von Zuschauerlächeln vorzunehmen. Der junge Gruhl, darüber befragt, was er zu den Aussagen des Pfarrers zu sagen habe, sagte mit kühler Stimme, immer noch recht aufgeräumt, er danke dem Pfarrer, daß er seinen Gemüts- und Geisteszustand so genau beschrieben und ihm den Versuch erspart habe, sich selbst darzustellen, was ihm ganz bestimmt mit geringerer Präzision als dem Pfarrer gelungen wäre. Er habe von dessen Aussage weder etwas wegzunehmen noch etwas hinzuzufügen, der Pfarrer, der ihn wirklich von Kindesbeinen an kenne und den er verehre, habe alles gesagt, was er selbst so gut gar nicht hätte sagen können. Der Pfarrer wurde mit Dank entlassen. Er machte sich einer Protokollwidrigkeit schuldig, indem er den jungen Gruhl umarmte und ihm wünschte, er möchte an der Seite einer lieben und hübschen Frau wieder einen Lebenssinn entdecken, worauf Gruhl mit heiterem Lächeln sagte, das sei schon geschehen. Die Rüge des Vorsitzenden für die Umarmung des Pfarrers fiel sehr milde aus, klang fast wie eine Entschuldigung.

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In einer Pause, die Stollfuss kurzfristig anberaumte, bat er den Staatsanwalt und den Verteidiger, doch auf je einen Zeugen zu verzichten; es sei doch, wie er meinte, alles klar, und ob man sich wenigstens die beiden Damen Leuffen und Wermelskirchen ersparen könne. Nach kurzer Überlegung gaben sich Verteidiger und Staatsanwalt zufrieden, und so konnte sich der Pfarrer mit seinen beiden Pfarrkindern, die sowohl erleichtert wie verärgert waren, gemeinsam auf den Heimweg machen. Frau Kugl-Egger benutzte die Pause, den Gerichtssaal zu verlassen, da sie am frühen Nachmittag mit dem Anstreichermeister in ihrer neuen Huskirchener Wohnung eine Verabredung getroffen hatte, die Farbgebung der Einbauschränke in ihrer Küche betreffend. In ihrem Wunsch, ein wenig von der schmerzlich vermißten Ländlichkeit jenes »Nestes östlich Nürnberg« wiederzufinden, entschloß sie sich zu Fuß zu gehen, entsann sich jener Abkürzung, die sie als kleines Mädchen oft gegangen war, an der Rückseite des Friedhofs entlang, durch ein kleines Gebüsch, dann an der Duhr vorbei; so stieß sie auf den Pfarrer und die beiden Huskirchener Frauen, wurde als »Grabels Marlies« identifiziert und errötete ein wenig, als sie diese herzliche heimatliche Begrüßung mit stark bayrisch gefärbter Sprache beantworten mußte; der Pfarrer bezeichnete sie scherzhaft als »Landesverräterin« und riet ihr, sich, was die Tischlerarbeiten in ihrer neuen Wohnung betreffe, nicht an Gruhl zu halten, sondern den alten Horn um Rat zu bitten; Gruhl sei für Bautischlerarbeiten ganz und gar verdorben.

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Grähn, der nächste Zeuge, gab seinen Beruf als Diplom-Volkswirt und Dr. habil. an, sein Alter mit zweiunddreißig, und vom Vorsitzenden danach gefragt, gab er bekannt, ja, er sei schon in einigen Modellfällen als Gutachter tätig geworden. Grähn, mit dickem, blondem Haar, nettem Gesicht wirkte eher wie ein liebenswürdiger, fortschrittlicher junger Arzt; er war vom langen Warten, vor allem durch ein ermüdendes weltanschauliches Gespräch mit dem Oberleutnant im Zeugenzimmer, etwas matt, auch gereizt, und als er vom Vorsitzenden aufgefordert wurde, doch in möglichst knappen Worten zur ökonomischen Situation des Angeklagten Gruhl sen. etwas zu sagen, antwortete er mit der leicht mokanten Arroganz des Spezialisten, er könne, wenn er Verbindliches aussagen solle, nicht für die Länge oder Kürze seiner Aussage garantieren; es gäbe da zwar Formelhaftes, doch liege ein Fall wie der Gruhlsche schon »fast im Diluvium der Volkswirtschaft«. Er müsse sich also ausbitten — ja, sagte der Vorsitzende, mit knapp habe er nur gemeint, so knapp wie möglich, nicht in entstellender Verkürzung. Grähn, der frei sprach, auch die Ziffern aus dem Gedächtnis zitierte, blickte weder den Vorsitzenden noch Angeklagten oder Zuschauer an, sondern vor sich wie auf ein unsichtbares Pult oder einen Seziertisch, auf dem ein Kaninchen seiner geschickten Hände zu harren schien; seine Handbewegungen, mit denen er bestimmte Abschnitte markierte, hatten etwas Hackendes, doch nichts Grausames oder Brutales. Er habe, sagte er, die Bilanzen von Gruhl, mit dessen Einverständnis auch dessen Steuererklärungen studiert, und er könne nur vorweg sagen, daß Gruhl, was seine finanzielle Misere betreffe, das Opfer eines gnadenlosen, erbarmungslosen, aber — hier wandte er sich Gruhl zu und machte eine liebenswürdig-entschuldigende Geste — »aber, wie ich finde und sogar doziere: notwendigen« Prozesses sei, der nicht etwa modern sei, sich in der Wirtschaftsgeschichte schon oft abgespielt habe, etwa beim Übergang von der mittelalterlichen Zunft- in die neuzeitliche Industriegesellschaft; im neunzehnten Jahrhundert noch einmal, kurz: objektiv sei dieser Prozeß nicht aufzuhalten, denn die Wirtschaft kenne keine von ihr finanzierten Museen, in denen sie anachronistische Betriebe dotiere. Das sei der wirtschaftsgeschichtliche Aspekt der Sache. Den moralischen Aspekt wolle er gar nicht erwähnen: es gäbe keine moralischen Aspekte in der modernen Wirtschaft, was bedeute: es sei eine Kampfsituation, auch die Situation Finanzamt-Steuerzahler sei eine Kampfsituation, bei der die Finanzgesetzgebung Lock-Paragraphen hinwerfe, »so wie man dem Wolf, der hinterm Schlitten herrennt, einen Handschuh zuwirft, aber nicht«, wie Grähn lächelnd bemerkte, »weil man ihn ablenken, sondern weil man ihn fangen will.« Auch moralisch sei also an Gruhls Verhalten nichts auszusetzen, der einzige Fehler, den er gemacht habe: er habe sich erwischen lassen, und das sei kein moralischer Fehler. Es gäbe zwar eine Rechts-, aber keine Steuerphilosophie; die Finanzgesetzgebung begünstige die Kühe, die die meiste Milch geben, indem sie sie nicht vor der Zeit schlachte — auf Gruhl angewandt: Kühe seiner Art gäbe es nur noch so wenige, daß das Steuergesetz sie der Schlachtung, notfalls der Notschlachtung anheimgebe. In Zahlen, für den Laien verständlich ausgedrückt, sehe das etwa so aus: ein Betrieb wie der Gruhlsche arbeite mit viel zu geringen Unkosten, da seien kaum Maschinen nötig, wenig Material; was das Geld einbringe, seien die Hände, die Begabung und der Instinkt, und so käme es zu subjektiv wie objektiv betrachtet geradezu absurden Bilanzergebnissen; es habe Gruhl zum Beispiel, als sein Sohn noch mit ihm gearbeitet habe, in einem Jahr einen Umsatz von sage und schreibe fünfundvierzigtausend Mark erzielt, aber in diesem Jahr nur Unkosten von viertausend Mark nachweisen können, das bedeute einen Reingewinn von einundvierzigtausend Mark, eine Einkommensteuer von rund dreizehntausend Mark, eine Kirchensteuer von weiteren dreizehnhundert, eine Umsatzsteuer von fast siebzehnhundert, einschließlich der Zwangsversicherungen eine gesamte Belastung von mehr als fünfundfünfzig Prozent, so daß also, populär ausgedrückt, von einer verdienten Mark nur fünfundvierzig, ja, in einem anderen Jahr nur dreißig Pfennig in die Tasche des Gruhl gehört hätten, der aber, wiederum populär ausgedrückt, von einer Mark etwa siebzig bis fünfundsiebzig Pfennig als »sein wohlverdientes Geld« betrachtet und ausgegeben habe. Damit sei, so meinte Grähn, die volkswirtschaftliche Situation des Gruhl, so meine er, hinreichend umrissen. Er bäte nur darum, noch einen Vergleich ziehen zu dürfen: ein Reingewinn von vierzigtausend Mark für einen Betrieb, in dem »zwei fleißige, begabte Menschen mit Eifer arbeiteten« — ein solcher Reingewinn werde in vielen Fällen nicht einmal von einem mittleren Betrieb mit dem Umsatz von fast einer Million erzielt; er nenne diese Vergleichszahl nur, um darzustellen, »verständlich darzustellen«, als wie »subjektiv absurd«, objektiv aber notwendigerweise erbarmungs- und gnadenlos die Volkswirtschaft und die Steuergesetzgebung mit Unternehmen verführen, die »anachronistisch« seien und nicht das große allgemeine Gesetz befolgen könnten: die Investierungs-Personalkosten — das Unkostengefüge zu verbreitern. In etwa vergleichbar wäre die subjektive Absurdität, die der Volksmund als ungerecht bezeichne, des Falles Gruhl fast nur mit einem Künstler, der — er nenne hier nur angenommene, nicht statistisch stabile Werte — ein Bild zu einem »Selbstkostenpreis« von etwa 200 bis 300 Mark erstelle, es dann für zwanzig- bis dreißigtausend Mark oder mehr verkaufe. Gruhl habe nicht einmal Telefon gehabt, er habe keine Miete bezahlt, seine Unkosten seien eben nur das wenige Material, das für seine Arbeit notwendig sei, und er habe nicht einmal »Bewirtungskosten« gehabt, denn selbstverständlich wäre er es, der von Kunden und Kunsthändlern bewirtet werde, da ja nicht er deren Kundschaft, sondern diese seine Arbeit gesucht hätten. Er sei in wenigen Sätzen mit seiner Aussage fertig, sagte Grähn. Er wolle nur noch rasch erklären, was einem Laien wahrscheinlich unverständlich erscheine: wieso Gruhl es zu einer Steuerschuld von — es sei wirklich eine unwahrscheinliche Summe — effektiv fünfunddreißigtausend Mark und einschließlich der Pfändungs- und Zinsunkosten sechzigtausend Mark gebracht habe; Gruhl habe allein in den vergangenen fünf Jahren einen Umsatz von 150 000 Mark erzielt, einen Reingewinn von 130 000 Mark — rechne man davon, einschließlich aller Unkosten, die Hälfte für die Steuer, davon wiederum die Hälfte als von Gruhl »irrtümlich in die eigene Tasche gesteckt«, so sei diese immense Summe leicht zu erklären. Grähn hatte im letzten Teil seines Vortrages, den er scharf und rasch von sich gab, mehrmals mit einem seltsamen, aus Bedauern und Bewunderung gemischten Ausdruck zu Gruhl hinübergeblickt. Zum Abschluß möchte er noch sagen, die moderne Steuerpolitik spreche kaum noch von Steuermoral, dieser Begriff tauche zwar hin und wieder noch auf, sei aber im Grund lächerlich, wie er, Grähn, meine, sogar unzulässig; die Steuerpolitik laufe darauf hinaus, Ausgabenunkosten zu schaffen, wie sie von irgendeinem ethischen Standpunkt aus betrachtet als absurd erscheinen müßten; hätte er, Grähn, über Gruhls Schuld oder Nichtschuld zu befinden, er meine, was sein Steuergebaren betreffe, nicht das hier zur Verhandlung stehende Vergehen, so würde er sagen: menschlich gesehen absolut unschuldig; auch ethisch, ja, sogar abstrakt ethisch betrachtet sei an Gruhls Verhalten nichts verdammenswert, aber der Wirtschaftsprozeß sei erbarmungs- und gnadenlos, und die Finanzgesetzgebung könne sich keine »anachronistischen Hofnarren« leisten, sie habe einen Reingewinn als Reingewinn und als nichts anderes als Reingewinn zu betrachten. »Ich bin«, sagte Grähn, der in seiner schlanken Jugendlichkeit ungewöhnlich intelligent und sympathisch wirkte und seinen Zeigefinger jetzt nicht drohend, sondern nur markierend auf Gruhl richtete, »ich bin kein Richter, ich bin kein Pfarrer, ich bin kein Finanzbeamter, ich bin theoretischer Volkswirt. Als Mensch kann ich nicht umhin, dem Angeklagten einen gewissen Respekt zu bezeugen: wie es ihm angesichts seiner Buchführungspraktiken gelungen ist, länger als zehn Jahre weiterzuexistieren, ohne in weitaus erheblichere Schwierigkeiten zu kommen, als theoretischer Volkswirt stehe ich vor diesem Fall — nun, wie ein Pathologe vor einem Fall hoffnungslosen Krebses stehen mag, dessen Exitus schon vor fünf Jahren zu erwarten gewesen wäre.« Die Frage des Staatsanwalts, ob er als nicht nur angehender, sondern offenbar schon praktizierender Wissenschaftler die Frage der Steuermoral so eindeutig ablehnen könne, beantwortete Grähn ziemlich scharf, natürlich werde diese Vokabel noch gebraucht, aber er — und er doziere öffentlich und in einer staatlich finanzierten Position dasselbe, was er hier sage —, er lehne den Begriff der Moral in der Steuerwissenschaft ab. Da keine weiteren Fragen gestellt wurden, konnte Grähn entlassen werden.

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In der kleinen Pause, die entstand, als der nächste Zeuge — Gerichtsvollzieher Hubert Hall — aufgerufen wurde, schlich sich der vierte der vier verbleibenden Zuschauer, der pensionierte Amtmann Leuben, aus dem Gerichtssaal: die Ausführungen des Grähn hatten ihn über die Maßen ermüdet und gelangweilt, und er erwartete vom Gerichtsvollzieher Hall und Finanzoberinspektor Kirffel nichts weniger Langweiliges. Auch Huppenach gähnte, er blieb nur, weil er noch nicht begriffen hatte, daß er bei der Vernehmung des Oberleutnants und des Feldwebels ausgeschlossen sein würde.

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Hall, der sechzig Jahre alte Gerichtsvollzieher, dessen dichtes, dunkles Haar, weil er immer mit den Händen hindurchfuhr, wie gewöhnlich wirr um den Kopf stand, machte, wie Bergnolte — der einzige der Anwesenden, der Hall nicht kannte — später Grellber berichtete, »einen zwiespältigen Eindruck, fast möchte ich sagen: nicht nur zweideutig, sondern geradezu obskur; er war ziemlich schlampig, zerstreut, nicht gerade sehr vertrauenerweckend«. Hall, vom Verteidiger gefragt, ob es ihm möglich sei, die menschliche und die dienstliche Beziehung zum Angeklagten getrennt darzustellen, sagte mit fast schnoddriger Gleichgültigkeit, diese Art der Schizophrenie sei ihm durchaus vertraut, denn mit den meisten seiner »Klienten« stehe er auf diesen beiden Füßen. Was die menschliche Seite betreffe, so habe er »natürlich« den Gruhl sehr gut gekannt, sich glänzend mit ihm verstanden, ja, sogar des öfteren Bier mit ihm getrunken, wobei meistens er den Gruhl eingeladen habe, denn da Gruhl schon für die Taschenpfändung angestanden habe, sei es ihm peinlich gewesen, Gruhls Geldbörse, seine Brieftasche, notfalls seine Taschen in einer Kneipe durchsuchen zu müssen. »Mein Gott«, rief Hall, »wir sind ja auch nur Menschen«, und deshalb, weil er ein Mensch sei, habe er immer Gruhls Bier oder Korn bezahlt, wenn er ihn getroffen habe. Vom Verteidiger gebeten, eine Definition der Taschenpfändung zu geben, da er annehme, daß das hier angebracht sei, las Hall aus den Geschäftsanweisungen für Gerichtsvollzieher vor, die er offenbar immer mit sich führte: »Die Kleider und Taschen des Schuldners darf der Gerichtsvollzieher durchsuchen. Einer besonderen Genehmigung des Vollstreckungsgerichts bedarf es nicht. Körperliche Untersuchungen einer weiblichen Person läßt der Gerichtsvollzieher durch eine zuverlässige weibliche Person durchführen.« Diese Geschäftsanweisung, sagte Hall, den die atemlose Stille im Saal zu beruhigen schien, habe ihre Rechtsgrundlage in den Paragraphen 758 und 759 ZPO, und diese Paragraphen lauteten: »Paragraph 758, Abschnitt eins: Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse des Schuldners zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dieses erfordert. Abschnitt zwei: Er ist befugt, die verschlossenen Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse öffnen zu lassen. Abschnitt drei: Er ist, wenn er Widerstand findet, zur Anwendung von Gewalt befugt und kann zu diesem Zwecke um Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachsuchen. Paragraph 759: Wird bei einer Vollstreckungshandlung Widerstand geleistet oder ist bei einer in der Wohnung des Schuldners vorzunehmenden Vollstreckungshandlung weder der Schuldner noch eine zu der Familie gehörige oder in dieser Familie dienende erwachsene Person anwesend, so hat der Gerichtsvollzieher zwei erwachsene Personen oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen zuzuziehen.« Hall, den die atemlose Aufmerksamkeit angesichts der Verlesung eines ihm so vertrauten Textes zu überraschen schien, fuhr, da er von Stollfuss weder unterbrochen noch gefragt wurde, mit nun recht weinerlicher Stimme fort, indem er, seine Weinerlichkeit durch ein gewisses Pathos stützend, nun den »Herrschaften« erzählte, wie oft er gezwungen sei, in den gerichtsnotorischen Kaschemmen der verschiedensten Art bei »gewissen Damen Taschenpfändungen« vorzunehmen, ein Vorgang, der meistens darin bestehe, ihnen im geeigneten Augenblick die Schuhe von den Füßen zu reißen, »denn darin bewahren sie traditionsgemäß fast immer noch ihr Bargeld auf«, und den Inhalt der Schuhe rasch in eine bereitgehaltene Papiertüte zu schütten und das Lokal schleunigst zu verlassen, bevor der Zuhälter alarmiert sei; er werde, sagte Hall, bei diesen »Taschenpfändungen« meist von einer gewissen Frau Schurz begleitet, die fünfzehn Jahre lang Wärterin in einem Frauengefängnis gewesen, mit allen Tricks, auch, was die Verstecke in Unterwäsche betreffe, vertraut und eine »Frau von erheblichen Körperkräften« sei; er habe allerdings — und auch das sei gerichtsnotorisch — immer seine Last mit der Schurz, die — und das sei auch der Grund für ihre Entlassung aus dem Gefängnisdienst — »zu Körperverletzung neige«. Taschenpfändungen jedenfalls, sagte Hall, seien ein widerwärtiges Geschäft; er gebe offen zu, daß er sich meistens davor drücke, aber es gebe eben Gläubiger, die ihn als ihren Büttel betrachteten und auf ihrem Recht bestünden.

Was nun das Menschliche betreffe, sagte Hall mit müder, fast gleichgültiger Stimme, so wisse jeder im Kreise und im Ort Birglar — und er habe einen weiteren Kundenkreis als manche Wirtschaftswunderpropheten wahrhaben möchten —, jeder wisse, daß er kein Unmensch sei, daß er nur Gesetze vollstrecke, Zwangsvollstreckungen vollziehe, wenn auch manchmal mit Hilfe der Polizei, und was Gruhl angehe, so habe der ihm nie etwas übelgenommen. Gruhl bestätigte das mit dem Zwischenruf: »Sehr richtig, Hubert, übelgenommen habe ich dir nie etwas!« und wurde vom Vorsitzenden scharf für diesen Zwischenruf gerügt — es sei halt nicht so sehr eine Kampfsituation, sondern eher die Situation Jäger und Gejagter, wobei der Jäger so viele Tricks anwenden müsse wie der Gejagte, der im Vorteil sei, jedenfalls, wenn er intelligent genug sei, weil er nicht an Gesetze und Vorschriften gebunden, sozusagen sich auf freier Wildbahn bewege, während er, Hall, der Jäger, scharf kontrolliert werde und sich keine Blöße geben dürfe. Von Stollfuss, der wiederum überraschend scharf wurde, aufgefordert, sachlich zu bleiben und sich nicht in »mehr oder weniger vagen Metaphern zu verlieren«, nahm Hall, wie Bergnolte später Grellber erzählte, »einen peinlich schmutzig, sagenhaft zerknitterten, jedenfalls höchst unseriös wirkenden Zettel« aus der Tasche und las davon einige Beispiele ab.

Durch Säumniszuschläge allein, die Pfändungs-, Mahn- und Portokosten nicht gerechnet, könne eine Steuerschuld von 300 Mark in sieben Jahren auf 552 Mark, in zehn auf 660, also auf weit über das Doppelte sich vermehren. Bei größeren Summen, und um solche handele es sich bei Gruhl in einigen Fällen, etwa bei einer Summe von 10 000 Mark erhöhe sich die Schuld innerhalb von zehn Jahren auf 22 000 DM. Kämen dann noch Steuerstrafen hinzu, und auch um solche handele es sich bei Gruhl, der ja nicht nur Steuer schuldig geblieben sei, auch solche hinterzogen habe, dann, ja dann — Hall stieß einen langen, endlos lang erscheinenden Seufzer aus, von dem Bergnolte später behauptete, »der ganze Gerichtssaal habe danach gerochen«. Eine besondere Kategorie, wollte Hall fortfahren, seien natürlich die Pfändungs- und Mahngebühren; das hänge von der Häufigkeit der Mahnung und von der Häufigkeit der beantragten Pfändungen ab. Es gebe da natürlich schikanöse Gläubiger, die wissen, daß bei einem Schuldner »nichts zu holen« sei, dennoch um neuerliche Pfändung ersuchten und die Schuld sinnlos erhöhten; besonders spürbar sei das bei kleineren Summen, da die minimale Pfändungsgebühr eine Mark, die minimale Mahngebühr achtzig Pfennige betrage, dazu Portokosten kämen, Gebühren, und es könnte spielend eine Schuld von etwa 15 Mark innerhalb weniger Jahre auf das Zwei-, Drei-, ja, Vierfache gesteigert werden. Er habe da den Fall der Witwe Schmälders, deren Mann ein, wie man ja wisse, recht übelbeleumundeter Kellner gewesen sei; diese Witwe Schmälders … Er wurde vom Vorsitzenden unterbrochen und gebeten, doch über das Gruhl laut vorliegender Gerichtsakten zur Last gelegte Vergehen der Zwangsvollstreckungsvereitelung zu sprechen, Hall sagte, es sei nicht eigentlich Zwangsvollstreckungsvereitelung gewesen, sondern Gruhl sei viel geschickter vorgegangen: er habe zuletzt nur noch gegen Naturalien gearbeitet, die sich sehr leicht der Pfändbarkeit entzögen, wenn sie aber gepfändet würden, fast nur Schwierigkeiten verursachten: Gruhl habe zum Beispiel sich für die Restaurierung eines Bauernschrankes zwanzig Kilo Butter geben lassen, habe davon achtzehn Kilo ihm, Hall, zur Pfändung preisgegeben, er, Hall, habe sie törichterweise genommen, nachts aber sei ein schweres Gewitter niedergegangen, die Butter sei »mit einem Schlag ranzig geworden«, habe natürlich nicht nur an Wert verloren, sondern sei wertlos geworden, und Gruhl habe ihm gedroht, ihn »wegen unsachgemäßer Lagerung gepfändeter Naturalien« zu verklagen; ähnlich sei es mit einigen Schinken ergangen, und vergleichbar mit dem jetzigen Pächter der »Duhr-Terrassen«, dem Gastwirt Schmitz, für den Gruhl gearbeitet habe, eine sehr hochbezahlte, umfangreiche Arbeit — genaugesagt, eine komplette, künstlerisch sehr wertvolle, von allen Gästen bewunderte gesamte Neuausstattung des Lokals erstellt habe; zunächst habe Gruhl gesagt, er habe die Einrichtung Schmitz, der ein alter Freund von ihm sei, geschenkt, aber damit sei er nicht durchgekommen — ein Mann in der Lage des Gruhl dürfe nicht so kostbare Geschenke machen; dann habe er mit Schmitz ausgemacht, er würde zwei Jahre lang jeden Mittag im Werte von zehn Mark bei ihm essen und trinken — das sei der ungefähre Gegenwert, aber das sei auch nicht gegangen, denn ein Mann in der Pfändungssituation des Gruhl unterliege der Bedingung des Existenzminimums, und das sehe keine Mittagsmahlzeiten im Werte von zehn Mark vor; daraufhin habe Gruhl für sich und seinen Sohn »eine Tagesbeköstigung, Frühstück, Mittag- und Abendessen für zwei Jahre abgemacht«. Schmitz habe den Gruhls zwar nur das Existenzminimum angerechnet, ihnen aber Mahlzeiten im mehrfachen Wert gegeben — die er ihnen ja, wie gerichtsnotorisch sei, auch in die Haft liefere; dafür aber habe Gruhl die fiktive Rechnung auch auf ein Viertel gekürzt — nun, die Sache liefe noch: es seien da Sachverständige am Werk, die den effektiven Wert der Gruhlschen Arbeit schätzen würden; das sei rechtlich nicht so kompliziert, wie es aussehe. Jedenfalls, trotz all dieser Tricks und Haken, die Gruhl geschlagen habe — »schließlich, Herr Dr. Stollfuss, macht Ihnen ja, wenn Sie auf die Jagd gehen, auch ein Hase keinen Spaß, der Ihnen brav vor die Mündung spaziert und darauf wartet, daß Sie ihn waidgerecht abknallen« —, habe er menschlich nach wie vor sich mit Gruhl gut verstanden. Der Vorsitzende rügte noch einmal die Jagdmetaphorik, die ihm »auf Menschen angewendet, vor allem auf gesetzliche Maßnahmen angewendet, reichlich makaber und unangebracht« vorkomme, gab den Zeugen Hall zur Befragung frei; der Verteidiger verzichtete, der Staatsanwalt begnügte sich mit der nicht sehr deutlich, aber noch gerade verständlich gemurmelten Bemerkung, »das Gesagte genüge ihm vollauf« — irgend etwas, das nach Sumpf und Korruption klang, murmelte er hinterdrein.

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Zu einem unerwarteten Zwischenfall kam es bei der Vernehmung des Finanzoberinspektors Kirffel, der als nächster in den Zeugenstand trat und sein Alter mit fünfundvierzig Jahren angab. Kirffel, ein sanfter, friedliebender Mensch, der sich auch innerlich schon darauf eingestellt hatte, darzutun, was er angesichts seines Habitus gar nicht darzutun brauchte: daß auch er »kein Unmensch« sei; von dem im ganzen Kreise Birglar bekannt war, daß er nicht nur ein Liebhaber der Malerei, auch der schönen Literatur war, ein Muster der Friedfertigkeit und Menschlichkeit, von dem sich ‘rumgesprochen hatte, obwohl er selbst solchen Gerüchten entgegenwirkte, daß er mehrmals ausländischen Arbeitern, die sich in Abzahlungsgeschäften verstrickt hatten und die der mit Schwarzarbeit verbundenen Lohnsteuerzahlungen wegen zur Pfändung anstanden, daß er denen aus eigener Tasche Geld vorgelegt hatte, ohne Rückzahlung zu erwarten, um ihnen Pfändungen und Schwierigkeiten zu ersparen; Kirffel, dessen Beiname »der gute Hans« niemals auch nur mit einem Unterton von Ironie ausgesprochen wurde, ausgerechnet er wurde, nachdem so manche überflüssige Arabeske durchgelassen worden war, schon nach dem ersten Satz, den er sprach, mit einer Schärfe unterbrochen, fast angeschnauzt, die allen Beteiligten, selbst dem Staatsanwalt, unangemessen erschien; allerdings lautete sein erster Satz: »Wir tun ja nur unsere Pflicht.« »Pflicht«, schrie Stollfuss, »Pflicht? Unsere Pflicht tun wir ja schließlich alle. Ich will hier keine Deklamationen, sondern sachliche Angaben!« Da wurde Kirffel — was alle überraschte — böse und schrie: »Auch ich bin an Gesetze gebunden, muß diese Gesetze zur Anwendung bringen, und im übrigen«, fügte er schon mit ersterbender Stimme erstaunlicherweise noch hinzu, »im übrigen weiß ich ja, daß ich kein Akademiker bin.« Dann wurde er ohnmächtig. Es wurde eine Verhandlungspause einberaumt, die Stollfuss mit gebrochener Stimme, sich vor allen Anwesenden, auch vor Kirffel, entschuldigend, bekanntgab, und Schroer holte seine in solchen Situationen erfahrene Frau.

Kirffel wurde von Schroer und Gruhl, der nicht einmal zu diesem Zweck beurlaubt, dessen protokollwidriger Abgang nicht einmal vom Staatsanwalt gerügt wurde, in die Schroersche Küche gebracht, wo er von Frau Schroer mit Weinessigwaschungen an Brust und Beinen wieder zu sich gebracht wurde. Stollfuss, der die Gelegenheit wahrnehmen wollte, ein paar Züge an seiner Zigarre zu tun, sich dann aber schämte, weil er Kirffel wirklich schätzte und dessen plötzlicher Ausbruch ihn erschreckt hatte, folgte in die Küche, wo Frau Schroer, während ihr Mann und Gruhl Kirffel Trost zusprachen, rasch einen Kuchen aus der Backröhre zog, dessen Güte sie prüfte, indem sie mit einer Haarnadel in den Teig stach. Stollfuss entschuldigte sich noch einmal bei Kirffel, hielt dann auf dem Flur eine kurze Rücksprache mit Hermes und Kugl-Egger ab, die sich beide bereiterklärten, Kirffel endgültig aus der Zeugenschaft zu entlassen. Kirffel genoß wie kaum ein Mensch in Birglar, wie nicht einmal sein Vater, der Polizeimeister, die ungeteilte Sympathie aller Bevölkerungs- und Gesinnungsschichten.

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Es war knapp fünfeinhalb Uhr, als die Verhandlung fortgesetzt wurde. Der Vorsitzende kündigte an, daß er die Öffentlichkeit ausschließen müsse, da er jetzt die ehemaligen Vorgesetzten und ehemaligen Mitsoldaten des jungen Gruhl vernehmen werde und einem Antrag des Staatsanwalts stattgebe, der die mögliche Mitteilung von Dienstgeheimnissen für staatsgefährdend ansehe. Diese Maßnahme traf nur Frau Dr. Hermes und den jungen Huppenach. Die Hermes war darüber nicht sehr unglücklich, weil sie ohnehin nach einer Tasse Kaffee und einem langen Plausch mit ihrer Freundin verlangte, der Frau eines Studienrats, die sich der Verschwörung, die Veranstaltungen des katholischen Akademikerverbandes durch Modernismen zu sprengen, angeschlossen hatte und dem Komitee zur Vorbereitung des Nikolaus-Balles beigetreten war. Betroffen, was er durch den Ruf »So ‘ne Scheiße« zu verstehen gab, war lediglich der junge Huppenach, der darauf gebrannt hatte, den Oberleutnant Heimüller und den Feldwebel Behlau öffentlich blamiert zu sehen. Er verließ unter Protesten, die aber nicht bemerkt wurden, den Saal. Sobald Huppenach und Frau Hermes den Saal verlassen hatten, gab Stollfuss bekannt, der dritte der anwesenden Zuschauer, Amtsgerichtsrat Bergnolte, sei nicht als Öffentlichkeit zu verstehen, da er in dienstlicher Eigenschaft hier und Beamter sei. Verteidiger und Staatsanwalt hatten gegen die Anwesenheit des Bergnolte nichts einzuwenden.

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Der erste militärische Zeuge, der Gefreite Kuttke, erschien mit rotem Kopf; im Zeugenzimmer war, nachdem als letzter ziviler Zeuge Kirffel aufgerufen worden war, ein heftiger Disput zwischen dem Oberleutnant, dem Feldwebel und Kuttke ausgebrochen, währenddessen Kuttke ziemlich laut und letzten Endes doch recht weinerlich verteidigt hatte, was er seine »sexuelle Freiheit« nannte. Kuttkes ein wenig gewundene Intellektualität hatte überraschenderweise auch den Feldwebel auf die Seite des Oberleutnants getrieben; der Ausdruck »sexuelle Freiheit« reizte ihn, er nannte das Problem anders: »mein Unterleib unterliegt nicht dem Befehlsbereich des Verteidigungsministers«, was der Oberleutnant abstritt, der sagte, die Bundeswehr brauche den ganzen Menschen. Kuttke dagegen hatte betont, er sei als Bundeswehrsoldat nicht nur nicht (und diese doppelte Verneinung brachte ihm endgültig den Ruf eines Intellektuellen ein) zu christlicher Moral verpflichtet, sondern gerade diese von dem Herrn Oberleutnant so heftig angestrebte christliche Moral habe ja seit zweitausend Jahren jene Bordelle geduldet, und er müsse sich vorbehalten, mit einer Hure wie mit einer Hure zu verhandeln (es hatte sich im Gespräch ergeben, daß er mit der Seiffert eine Verabredung fürs kommende Wochenende getroffen hatte). Er kam also mit rotem Kopf in den Gerichtssaal, und da sich außerdem auf Grund seiner totalen inneren wie äußeren Erhitzung seine Brille beschlagen hatte, die er hatte aufsetzen müssen, bevor er sie hatte ganz klarwischen können, stolperte er auch noch über die flache Schwelle, fing sich aber gerade noch, bevor er in den Zeugenstand trat. (Bergnolte berichtete am Abend Grellber über ihn, er habe nicht gerade als Mustervertreter der Gattung Soldat gewirkt, was Grellber wiederum zu einem Telefongespräch mit Kuttkes Abteilungskommandeur Major Troeger veranlaßte, der, gefragt, wieso man Typen wie Kuttke nehme, sagte: »Wir nehmen, was kommt, haben keine andere Wahl.«) Kuttke, klein, schmal, fast schmächtig, wirkte eher wie ein gescheiter Apotheker, der sich als Drogist unwohl fühlt; er gab sein Alter mit fünfundzwanzig an, seinen Beruf mit Soldat, seinen Rang mit Gefreiter. Als er von Stollfuss gefragt wurde, wie lange er schon diene, sagte er, vier Jahre; wieso er keinen höheren Dienstgrad habe? Kuttke: er sei schon Stabsunteroffizier gewesen, aber degradiert worden im Zusammenhang mit einer peinlichen, mehr bundeswehrinternen Sache; über die Natur dieser Sache gefragt, bat er, diese kurz als »bundeswehrinterne Weibergeschichte zwischen verschiedenen Dienstgraden« bezeichnen zu dürfen; mehr dürfe er nicht sagen. Ebenfalls von Stollfuss wurde er gefragt, warum er Soldat geworden sei. Er antwortete, er habe die Reifeprüfung abgelegt, angefangen, Soziologie zu studieren, dann aber habe er sich die Verdienstmöglichkeiten bei der Bundeswehr vorrechnen lassen, auch das mäßige Arbeitstempo bei derselben in Betracht gezogen, sei zu dem Entschluß gekommen, mindestens zwölf Jahre zu dienen, dann käme er mit dreiunddreißig raus, erhalte eine saftige Abfindung, könne sogar vorher noch sparen und dann ein Wettbüro aufmachen. Stollfuss, der ihn merkwürdigerweise nicht unterbrach, schüttelte einige Male während der folgenden Aussage den Kopf, machte »hm, hm« oder »so, so«, übersah das Gestikulieren von Bergnolte, der hinter dem Angeklagten saß, überhörte auch das Bleistiftklopfen des Staatsanwalts und ließ Kuttke weitersprechen. Er wollte, sagte Kuttke, das Wetten auf Hunde in der Bundesrepublik populär machen, im »Gefolge der unausbleiblichen Automation und der damit verbundenen Arbeitszeitverkürzung« benötige der »Bundesmensch«, wie Kuttke es nannte, neue »Stimulantien«, und da sich Toto und Lotto in Routine erschöpft hätten, überhaupt seiner Meinung nach das Spielen mit Ziffern allein nicht genug Magie, gar keine Mystik enthalte, müsse der »Bundesmensch« auf andere Gedanken gebracht werden. Kuttke, der nun wieder »ganz er selbst« war, wirkte jetzt fast wie ein sehr intelligenter, etwas verworrener Gymnasiast, der bei anrüchigen Vergehen ertappt worden ist. Kurz bevor er wirklich unterbrochen werden mußte, sagte er noch, das Leben bei der Bundeswehr enthalte genau die Art konzentrierter Langeweile, nach der er begehre, und mit Langeweile und Fast-Nichtstun auch noch Geld zu verdienen und sich eine dicke Abfindung zu ersitzen, das sei ihm gerade recht; er habe sich ausgerechnet, daß er — außer seinem Sold, der Kleidung, Verpflegung, Unterbringung, Urlaub etc., einfach dadurch, daß er »nichtstuend da sei«, täglich zehn Mark extra verdiene, die Abfindung. Er habe sogar berechtigte Hoffnung, sagte Kuttke, daß gewisse moralische Vorbehalte gegen ihn, die mit der Ursache seiner Degradierung zusammenhingen, mit der Zeit wegfielen, er doch, wie ursprünglich geplant, die Offizierslaufbahn einschlagen, mit entsprechender Beförderung rechnen könne, und da er später auch zu heiraten beabsichtigte und sich gewiß »Kindersegen nicht versagen« würde, könne er wohl damit rechnen, nach zwölfjähriger Dienstzeit im Alter von 33 Jahren als verheirateter Hauptmann mit zwei Kindern entlassen zu werden und eine Abfindung von knapp einundachtzigtausend Deutsche Mark »zu kassieren«, dann erhöhe sich der von ihm täglich zusätzlich ersessene Betrag auf achtzehn bis neunzehn Mark, und die Abfindung repräsentiere eine Rente von monatlich — sein Vater sei im Bankfach und er könne mit den besten Anlagemöglichkeiten rechnen — mehr als fünfhundert Deutsche Mark, und mit zweiunddreißig sei er ja noch jung und könne ein neues Leben beginnen, mit einem Polster ausgestattet, das so leicht in keinem Beruf zu ersitzen sei. Außerdem habe er herausgefunden, daß Langeweile und Nichtstun — außer gewissen Chemikalien natürlich — die besten Stimulantia, Aphrodisiaka genannt, seien, und an erotischen, beziehungsweise sexuellen Erlebnissen liege ihm viel; »das Weib«, meinte Kuttke, »dieser Kontinent der Freuden«, sei noch nicht richtig entdeckt, beziehungsweise in der abendländischen Zivilisation unterdrückt, beziehungsweise unterschätzt. Hier unterbrach ihn Stollfuss und bat ihn, doch etwas darüber zu sagen, wie Gruhl, den er ja wohl in dem Angeklagten wiedererkenne, als Mitsoldat gewesen sei. Kuttke wandte sich zu Gruhl jun. um, sah ihn an, als erkenne er ihn jetzt erst, schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, als fiele ihm erst jetzt ein, wozu er hier sei, und rief: »Natürlich, der gute alte Schorch«; zum Vorsitzenden gewandt, sagte er, Gruhl sei ein »großartiger Kamerad gewesen«, habe leider von sexuellen Gesprächsthemen nicht viel wissen wollen, daran sei wohl dessen »arg katholische Erziehung« schuld, die er, Kuttke, für vollkommen falsch halte — er selbst sei zwar auch nicht besser, nämlich streng protestantisch erzogen und da sei ein gerüttelt Maß Heuchelei unausbleiblich gewesen, aber —, hier mußte er wieder, diesmal schärfer unterbrochen und streng aufgefordert werden, jetzt sachlich zu bleiben; nun ja, sagte Kuttke, er könne nur wiederholen, Gruhl sei ein sehr guter Kamerad gewesen, aber er habe diese Sache viel zu ernst genommen, emotionell unter ihr »gelitten«. Gefragt, was er mit Sache meine, sagte Kuttke, der dieses Kalauers wegen gerügt wurde: die Hasselbande. Leid aber sei eine unsinnige Kategorie in diesem Zusammenhang, aber Gruhl habe gelitten unter dieser »Quaternität des Absurden«; Sinnlosigkeit, Unproduktivität, Langeweile, Faulheit, die er, Kuttke, geradezu für den einzigen Sinn einer Armee halte. Hier wurde Stollfuss böse, fast laut rief er dem Zeugen zu, endlich zur Sache zu kommen und dem Gericht seine Privatphilosophie zu ersparen. Kuttke nahm daraufhin nicht übertrieben, nicht daß es hätte als Beleidigung angesehen werden können, aber doch mit überraschendem Schneid die Hacken zusammen, sprach mit völlig veränderter Stimme in Stichworten zu Ende: »Großartiger Kamerad. Zuverlässig. Zu allen Schandtaten bereit. Kaffee geholt, Brot und Butter geteilt, Aufschnitt geteilt: immer altruistisch, das heißt brüderlich. Unter Sinnlosigkeit leidend, was nicht nötig gewesen wäre, da Nichts plus Nichts plus Nichts ja immer Nichts ergibt.«

Der Verteidiger, die Angeklagten, auch der Protokollführer Außem, der auf einen Wink des Vorsitzenden hin die Äußerungen des Kuttke nicht protokollierte, hörten sehr interessiert, mit fast atemloser Spannung Kuttke zu. Bergnolte, der hinter Verteidiger und Angeklagten saß, so daß er nur von Stollfuss, Kugl-Egger und Außem gesehen werden konnte, winkte erst, fuchtelte dann regelrecht mit den Händen und versuchte Stollfuss zum Abbruch der Vernehmung zu bewegen, was dieser ebenso ignorierte wie des Staatsanwalts zuletzt schon fast peinlich lautes Bleistiftgefuchtel. Schließlich gelang es Kugl-Egger durch ein Räuspern, das eher wie ein derber Fluch klang, eine Pause in Kuttkes Gemurmel zu bewirken und eine Frage anzubringen, die er mit sehr sanfter Stimme an Kuttke richtete; ob er, der Zeuge Gefreiter Kuttke, je krank gewesen sei, er meine nervenkrank. Kuttke wandte sich ihm zu und sagte mit einem Gesichtsausdruck, den Außem am Abend im vertrauten Gespräch mit »ungerührt« bezeichnete, er, Kuttke, sei permanent nervenkrank, und er, der Staatsanwalt, sei übrigens auch permanent nervenkrank (die Rüge für die Unterstellung kam sofort, ohne daß der Staatsanwalt hätte darum bitten müssen), und er, Kuttke, erlaube sich die Hypothese, sein »ehemaliger Kamerad« Gruhl sei nicht nervenkrank, was ihn eben besonders »leidend« gemacht habe; eins aber, und das möchte er betonen und das sei ihm von einigen Ärzten, Kapazitäten und Nichtkapazitäten bescheinigt worden: unzurechnungsfähig sei er, Kuttke, nicht; das sei für ihn wichtig, da er bereits einen Lizenzantrag für sein Wettbüro laufen habe; nein, nein, der Unterschied zwischen —, aber an dieser Stelle erbarmte sich Stollfuss des armen Bergnolte, der inzwischen zu verzweifeltem Händeringen übergegangen war, er unterbrach Kuttke und sagte, er habe keine Fragen mehr an ihn. Hermes fragte nun Kuttke, wie es zu der Dienstfahrt, deren Ende hier ja verhandelt werde, gekommen sei, und Kuttke wurde überraschend sachlich. Er sagte, er habe Gruhl diese Dienstfahrt »zugeschanzt«, da er ihn gemocht habe. Er sei — und das sei die Dienststellung eines Stabsunteroffiziers — sozusagen Buchhalter für die Kraftfahrzeugpapiere in der Schirrmeisterei, nicht nur Buchhalter, er sei auch für die ständige Dienstbereitschaft der Kraftfahrzeuge zuständig, wie sein Vorgesetzter Feldwebel Behlau werde bezeugen können. Es sei unter anderem seine Aufgabe, die Kraftfahrzeuge rechtzeitig inspektionsbereit zu haben, das heißt, sie, wenn die Inspektion erfolge, mit dem inspektionserforderlichen Kilometerstand vorzuführen. Dadurch aber, sagte Kuttke, der jetzt kühl und ruhig, auch artikuliert zum Verteidiger gewandt sprach, käme es manchmal zu Überschneidungen, denn manche Kraftfahrzeuge würden später geliefert als geplant, beziehungsweise zugesagt sei, die Inspektion aber käme dann pünktlich, und um nicht auch noch den Inspektionstermin zu versäumen, der, wenn man ihn versäume, sich wieder hinauszögere, müßten eben manchmal Fahrzeuge »zum Kilometerfressen auf die Landstraße gehetzt werden«. Ob den Herren klar sei, was das bedeute: diese Frage stellte er, indem er sich mit überraschender Eleganz in den Hüften drehte, Stollfuss, Kugl-Egger und Hermes gleichzeitig. Die drei blickten einander fragend an, Stollfuss, der bekannte, nichts von Autos zu verstehen, zuckte die Schultern. Nun, sagte Kuttke, dessen Seufzen als mitleidig hätte bezeichnet werden können, das bedeute am Beispiel erläutert folgendes: Es könne vorkommen, daß ein Fahrzeug mit einem Kilometerstand von knapp eintausend Kilometern innerhalb von weniger als einer Woche für die Fünftausend-Kilometer-Inspektion anstünde. »Dann«, sagte er, »muß also irgendeiner mit der Karre losbrausen und sie ihre Kilometerchen abgrasen lassen.« Diese Jobs, sagte Kuttke, habe er meistens Gruhl besorgt, der ein sehr guter Autofahrer sei und der sich gelangweilt habe, weil er in der Tischlerei »ja doch nur für Offiziersmiezen und Kaponudeln Kitschmöbel« habe aufpolieren müssen. Stollfuss fragte Kuttke, ob er die Aussage über die Natur dieser Dienstfahrt notfalls beschwören könne, da sie für die Beurteilung des Gruhlschen Vergehens sehr wichtig sei. Kuttke sagte, was er sage, sei die Mahlzeit, die nächste Mahlzeit und nichts als die nächste Mahlzeit, und bevor er gerügt werden mußte, ja, bevor dieser ungeheuerliche Lapsus recht bemerkt worden war, korrigierte und entschuldigte er sich und sagte, er habe sich versprochen, er sei sich natürlich der Bedeutung eines Eides vollauf bewußt, und er habe sagen wollen, die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit, er sei, fügte er mit natürlich, fast kindlich wirkender Bestürztheit hinzu, immer sehr für Vokalassoziationen empfänglich gewesen und ihm wären immer Mahlzeit und Wahrheit auf eine fatale Weise durcheinandergeraten, das habe ihm schon in der Schule im Deutschunterricht immer Schwierigkeiten gemacht, aber sein Deutschlehrer sei …, hier wurde er von Stollfuss unterbrochen, der ihn, ohne Staatsanwalt und Verteidiger noch zu befragen, entließ. Beide gaben durch eine Handbewegung ihr nachträgliches Einverständnis. Kuttke, der im Abgehen Gruhl jun. zuwinkte und ihm ein »Salute« zurief, wurde aufgefordert, sich für eventuelle weitere Aussagen bereitzuhalten. Stollfuss kündigte eine Pause von einer halben Stunde an und fügte hinzu, daß auch nach der Pause die Öffentlichkeit ausgeschlossen bleiben müsse.

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Agnes Hall bekam die Blumen schon gegen halb vier gebracht: Sie errötete vor Freude, gab dem Mädchen, das die Blumen brachte, ein gutes Trinkgeld, und jetzt erst fiel ihr das Brandloch in ihrem neuen, rostbraunen Seidenkleid ein; es war kaum größer als ein Hemdenknopf, und sie betrachtete es, indem sie den Stoff über ihrem Schoß strammzog, mit einer gewissen Zärtlichkeit: war es nicht auch, dachte sie, ein kleines Blümchen mit schwarzen Rändern? Beim Abfassen ihres Testaments noch ein zweites Zigarillo rauchend, hatte sie sich hemmungslos jenen Kräften hingegeben, die von Fachleuten »Emotionen« genannt werden; Gruhl ihr gesamtes mobiles und immobiles Vermögen zu vermachen, erforderte nur wenige Sätze, schwierig war die Formulierung der einzigen Bedingung, »jährlich am 21. Januar, Sankt-Agnes-Tag, einen Jeep der Bundeswehr zu verbrennen, möglichst an jener Stelle, die ›Küppers Baum‹ genannt wird, als große Kerze, als Feuermesse und zum Gedenken an einen unbekannten Soldaten des Zweiten Weltkriegs, der zwei Tage lang mein Geliebter war«. Da die Hall-, die Hollweg- und die Schorfmeute das Testament anfechten würden, würde sie wohl ein psychiatrisches Gutachten beifügen müssen, das ihre Zurechnungsfähigkeit zur Zeit der Abfassung bescheinigte. Immer wieder strich sie den Satz aus, ergänzte hinter Bundeswehr »oder deren Rechtsnachfolger«, raffte gegen viereinhalb Uhr ihre Notizen zusammen und verließ, ohne das Kleid zu wechseln, ihr Haus. Sie verbrachte einige Zeit auf dem Postamt, im Blumengeschäft, dann auf dem Friedhof am Familiengrab der Halls, in dem auch Stollfuss’ Eltern beerdigt waren: einem riesigen, schwarzen Marmormonument, das von überlebensgroßen Bronzeengeln in edler Pose flankiert war; sie ging um die Kirche herum über die Hauptstraße zur Telefonzelle, bestellte sich ein Taxi, das knapp zwei Minuten später kam, und bat den Fahrer, einen ortsfremden jungen Mann, sie zu »Küppers Baum« zu fahren, erklärte ihm den Weg dorthin, der etwa drei Minuten in Anspruch nahm; an »Küppers Baum« stieg sie aus, bat den Fahrer zu warten und inzwischen zu wenden; es war ein milder, ausnahmsweise regenloser Oktobertag; sie blickte in den Feldweg hinein, sah den Stein, auf dem die Gruhls gesessen haben mußten, blickte über die endlos erscheinenden flachen Rübenfelder, auf denen die Ernte schon begonnen hatte, ging zum Taxi zurück und ließ sich zum Gericht fahren; die endlosen flachen Rübenfelder mit dem üppigen grünen Laub, der graublaue Himmel darüber — das Rot und Schwarz eines Feuers einmal im Jahr würde diese grandiose Eintönigkeit ein wenig beleben.

Sie kam gerade beim Gericht an, als Schroer vorschriftsmäßig von innen die Tür zum Zuschauerraum abschloß; durch die Glasscheibe hindurch gab er ihr durch ein Kopfschütteln und Schulterzucken sein Bedauern zu verstehen und verwies sie mit einer raschen Daumenbewegung in seine Privatwohnung. Zwischen Schroer und der Hall bestanden vertraute, fast freundschaftliche Beziehungen, in die auch Frau Schroer einbezogen war, da die Hall nicht gerade täglich, aber doch drei-, manchmal viermal in der Woche ins Gericht kam und oft in Pausen, oder, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, in der Schroerschen Küche bei einer Tasse Kaffee mit Frau Schroer einen Plausch hielt. Diesmal mußte sie erst den wirklich vorzüglich gelungenen Rodon-Kuchen bewundern, in den die Schroer, um neuerlich ihre Backkunst zu bestätigen, noch einmal mit einer Haarnadel hineinstach, die sie makellos, ohne daß diese auch nur eine Spur »Ansatz« zeigte — so nannte sie es —, wieder herauszog. Ausführlich berichtete Frau Schroer auch über des alten Kirffel Trauer, des jüngeren Kirffel Ohnmacht, und die beiden Frauen, Zigaretten rauchend, unterhielten sich eine Weile darüber, ob Kampfer oder Essigwasser in solchen Fällen das bessere sei; Frau Schroer vertrat den Standpunkt, es sei eine »Typenfrage«, vor allem hänge es von der Haut des Befallenen ab, sie würde, sagte sie, nie wagen, die Haut des jüngeren Kirffel, die die Haut eines Rothaarigen sei, obwohl sein Haar nachgedunkelt habe, mit Kampfer einzureiben; da bestünde die Gefahr eines Ausschlags, während sie etwa — und sie blickte die Hall dabei fast anerkennend an — die Hall ohne weiteres mit Kampfersalbe einreiben würde; dabei blickte sie auf das Brandloch, sagte, es sei eine Schande, und sie wäre froh, wenn die Gruhls aus dem Hause seien, es gäbe durch deren Anwesenheit zu viele Konflikte, von den neuesten Komplikationen wisse sie ja wohl schon; als die Hall das verneinte, wurde sie in das Geheimnis der Schmitzschen Schwangerschaft eingeweiht; flehend, fast schon in Tränen, bat die Schroer darum, die Hall möge doch ihren ganzen »nicht geringen Einfluß« auf die Gruhls geltend machen, damit es nicht herauskäme, daß es in der Haft passiert sei, es könnte ihren Mann ruinieren, auch Stollfuss und sie, Frau Schroer, würde wahrscheinlich ein Verfahren wegen Kuppelei unter besonders straffälligen Umständen zu gewärtigen haben; die Hall versprach — und legte dabei beruhigend ihre Hand auf die Arme der Schroer — daran mitzuwirken, daß diese Sache in Ordnung käme, die sie mit Hermes, mit dem sie außerdem noch etwas zu besprechen habe, abmachen würde. Geschickt lenkte sie das Gespräch wieder auf das Thema »Ohnmachtsanfälle vor Gericht« und staunte über die umfangreiche Erfahrung der Schroer, einer rothaarigen Person mit sehr blauen Augen und einer zwiebelfarbigen Haut, die in Birglar ihrer dicken Beine wegen »Die Walze« genannt wurde. Sie sei, sagte die Schroer, notfalls darauf gerichtet, eine Spritze zu setzen — gerade, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen sei, kämen die tollsten Dinge vor, natürlich auch rein hysterische Anfälle, die sie durch Ohrfeigen kuriere, doch habe Dr. Hulffen sie bevollmächtigt und ihr gezeigt, wie sie notfalls eine Spritze setzen könne, sogar eine intravenöse. Gefragt, wie es Kirffel dem jüngeren denn jetzt gehe, sagte die Schroer, es ginge ihm besser, doch ins Amt habe er noch nicht gehen können. Die beiden Frauen sprachen dann über die Vorzüge der Familie Kirffel, über des alten und des jungen Untadeligkeit, bestätigten einander zum wiederholten Male, wie »prachtvoll doch des jüngeren Kirffel Frau« sei und »daß der Alte doch zufrieden sein könne, eine Tochter als Nonne und einen Sohn als Mönch, und daß es doch eine Verschwendung«, »fast eine Schande« gewesen wäre, wenn der jüngere Kirffel auch noch klerikale Bahnen betreten hätte. Hier wurden sie durch Schroer unterbrochen, der hereinkam, die Pause ankündigte — etwas zu gravitätisch, fast martialisch die Gitter- und Zellenschlüssel an einen Haken über dem Herd hängte und sich aus dem Kaffeetopf Kaffee einschenkte; als er die Tasse, ohne eine Untertasse zu nehmen, auf den Tisch setzte, wurde er von seiner Frau zur Ordentlichkeit ermahnt und des Leichtsinns bezichtigt, weil er die Schwängerung der Schmitz zu leichtnehme, überhaupt — und die Stimme der Schroer wurde recht scharf — nähme er doch alles ein wenig zu leicht, was er ja an der Langsamkeit, am Schneckentempo seiner Beförderung ablesen könne. Dies schien der Hall der geeignete Punkt, sich zu verabschieden; sie fürchtete die scharfe Zunge der Schroer, die, wenn sie in Stimmung kam, es auch an intimsten Anspielungen nicht fehlen ließ. Sie verabredete mit Schroer, daß er sie anrufen würde, sobald, wie sie hoffte, spätestens bei den Plädoyers und der Urteilsverkündung, die Öffentlichkeit wieder zugelassen sei. Sie sah noch, bevor sie das Gerichtsgebäude verließ, wie Stollfuss mit Außem die Treppe zur oberen Etage hinaufging. Es gelang ihr, Hermes zu erwischen, als er gerade eines der beiden neumodischen Cafés auf der Birglarer Hauptstraße betrat. Mit einer gewissen Nervosität stellte sie fest, daß sie noch nie in einem der Cafés gewesen war: dieses, in dem Hermes jetzt nach einem freien Tisch ausschaute, war riesig, auch um diese Tageszeit überfüllt, nicht mit Schülern, sondern mit Kuchen essenden Bauersfrauen aus der Umgebung; die Hall, die nie ausging, selten ihr Haus verließ, war erstaunt, den schweren Menschenschlag, der ihr von ihrer Jugend von Tanzereien und Kirchgängen her so vertraut gewesen war, unverändert wiederzufinden. Sie folgte Hermes, der sie am Arm faßte, bestellte sich verwirrt Schokolade, während sie die Testamentsentwürfe aus ihrer Handtasche nahm. Nervös, da er vorgehabt hatte, die Pause zu einem ersten Entwurf seines Plädoyers zu benutzen, hörte Hermes der Hall, die er »Tante« nannte, zu und überlegte, ob es das elfte oder schon das zwölfte Mal sei, daß sie ihm mit Testamentsänderungen kam.

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Bergnolte entschloß sich zu einem kleinen Spaziergang, erst mit raschen Schritten, da er fürchtete, in einer halben Stunde den geplanten Rundgang um den »alten Kern« von Birglar nicht zu schaffen, dann langsamer, als er feststellte, daß er den alten Kern: Kirche, Kirchhof, die beiden Stadttore im Osten und Westen und das mittelalterliche Rathaus, das eine Bundeswehramtsstube zu beherbergen schien — innerhalb von zwölf Minuten umschritten beziehungsweise besichtigt hatte; natürlich, da war noch die kleine, ganz hübsche Brücke über die Duhr mit einer renovierten Nepomukstatue — einer, wie ihm vorkam, in dieser Landschaft ungewöhnlichen Brückenverzierung; von schwarzen Pfeilen, die auf römische Thermen verwiesen, ließ er sich nicht verführen, da ihm aber noch fünfzehn Minuten verblieben und er gar nicht in die Versuchung kommen wollte, mit Stollfuss oder Kugl-Egger in ein Gespräch verwickelt zu werden, erlag er der Verführung roter Pfeile, die eine »Spitalskirche, 17. Jh.« versprachen, fand die Kirche allzurasch, betrat sie und stellte zu seinem Erstaunen fest, daß er, obwohl seit zwei Jahrzehnten aus der Übung, die Gebärden fast automatisch vollzog: Hand ins Weihwasserbecken, Kreuzzeichen, eine angedeutete Kniebeuge zum Altar hin, ein Rundgang »auf leisen Sohlen«, da er zwei vor einer Pieta betende Frauen entdeckte; an Sehenswürdigkeiten nicht mehr als ein alter, mit schmiedeeisernen Beschlägen versehener Opferstock und ein kahl wirkender moderner Altar. Als er sehr langsam — es blieben immer noch fast sieben Minuten — zum Gericht zurückging, wieder über die Brücke, wieder an der Nepomukstatue vorbei, die ihm auf eine Weise, die er nicht hätte ausdrücken können, hier unangebracht erschien, war er entschlossen, seiner Frau, die am Morgen beim Frühstück den Wunsch geäußert hatte, in ein »Nest wie etwa dieses Birglar« versetzt zu werden, heftiger, als er’s getan, zu widersprechen. Was ihn besonders abstieß: wie schmutzig, »ja ungepflastert«, die Straßen wurden, sobald man »im alten Kern« die Hauptstraße verließ. Natürlich gab es ein paar hübsche alte Patrizierhäuser, es bestand auch, falls er es sich wirklich überlegen würde, die konkrete Aussicht, als Stollfuss’ Nachfolger sofort Direktor zu werden, und doch …, es gefiel ihm nicht sonderlich. Als er rasch noch einmal eine der gerichtsnotorisch zahlreichen Toiletten frequentiert hatte und wieder den Schulhof betrat, stieß er fast mit Oberleutnant Heimüller zusammen, der in offenbar wenig froher Stimmung allein zwischen alten Bäumen ambulierte. Bergnolte machte sich ihm mit seinem Namen und der Bezeichnung eines »beamteten Juristen in beobachtender Funktion« bekannt, kam kopfschüttelnd auf Kuttke zu sprechen und versuchte herauszufinden, was wohl von der Aussage des Feldwebels zu erwarten sei. Der Oberleutnant, der Bergnoltes Wohlwollen als nicht gespielt erkannte und dankbar annahm, erklärte seufzend des Gefreiten Kuttke »merkwürdige Charaktervariationsbreite«, bestätigte durch ein Kopfnicken dessen »Fast-Unmöglichkeit«, erging sich dann in den wenigen Minuten, die noch blieben, in seiner Lieblingstheorie von einer »Elite der Reinheit«, die Bergnolte zu einem Zusammenziehen der Brauen veranlaßte. Es blieb Heimüller gerade noch Zeit, Bergnolte zu fragen, wie lange es wohl bis zu seiner Vernehmung noch dauern könne, er sei zwar wie alle Soldaten warten gewöhnt, aber —; Bergnolte beruhigte ihn und sagte, es könne nach der Pause kaum noch zwanzig Minuten dauern.

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Es gelang Stollfuss nach der Pause, Hermes den Zeugen Motrik, einen Kunsthändler aus der nahe gelegenen Großstadt, auszureden. Es sei, meinte Stollfuss, doch hinlänglich bewiesen, wie es mit Gruhls Fähigkeiten bestellt sei, und — das fügte er leise und mit einem etwas schmerzlichen Lächeln, bevor er den Gerichtssaal betrat, hinzu — jeder »Ansatz von Hoffnung«, er, Hermes, könne die Prozeßdauer über einen Tag hinaus ausdehnen, sei ganz und gar zwecklos. Brandstiftung und Sabotage, so sagte Stollfuss schon in der Tür — da kämen seine, des Hermes Mandanten, nicht unter vier oder fünf Jahren Zuchthaus weg, und ob ihm, dem Hermes, »das bißchen Publicity« so viel wert sei. Hermes verzichtete resigniert auf den Zeugen Motrik, der sich geweigert hatte, das »muffige Zeugenzimmer« zu betreten, und auf dem Flur wartete — Motrik, ein langhaariger, nicht mehr ganz junger Mensch in Kamelhaarmantel und Wildlederhandschuhen, sagte, als Hermes ihm bedauernd mitteilte, daß man ihn vergebens bestellt habe, auf eine Art »Scheiße«, die bewies, daß dieses Wort nicht zu seinem üblichen Wortschatz gehörte. Auch als er zu seinem Auto, einem grünen Citroën, zurückging, gelang es ihm nicht, in seine Schritte jene »maßlose Verachtung« zu legen, die er mit der starken Vokabel hatte ausdrücken wollen. Er wirkte doch sehr wie ein Mann, der sich vergebens bemüht, den Eindruck von Härte zu erwecken.

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Die Vernehmung der beiden verbleibenden Zeugen, Oberleutnant Heimüller und Feldwebel Behlau, die getrennt vernommen wurden, verlief wider Erwarten reibungslos, ganz und gar unsensationell. Behlau, als erster nach der Pause aufgerufen, trat in korrekter Haltung, auch korrekt gekleidet ein, gab sein Alter mit siebenundzwanzig, seinen Beruf mit Soldat, seinen Dienstgrad mit Feldwebel an, bestätigte in präziser Aussage, was Kuttke bereits ausgesagt hatte: daß er, Behlau, Schirrmeister der Einheit, Kuttke sein unmittelbarer Untergebener sei, der ebenfalls Schirrmeisterdienst versehe; eine umständliche Erklärung über den Unterschied zwischen Dienstgrad und Dienststellung, die Behlau angesichts der Tatsache, daß Kuttke als Gefreiter Schirrmeisterdienst versehe, angebracht schien, wurde von Stollfuss höflich abgewürgt, der sagte, dieser Unterschied treffe auf alle Behörden zu. Behlau bestätigte auf Befragen des Verteidigers die Kilometerfresserei, die er »Tachometer-Angleichungsfahrt« nannte, und fügte ungefragt hinzu, Kuttke möge zwar einen »etwas seltsamen Eindruck gemacht haben«, aber im Dienst sei er makellos; wenn ihre Einheit, was die Fahrzeugwartung betreffe, als vorzüglich gelte, ja, schon des öfteren gelobt worden sei, so sei das zu einem nicht geringen Ausmaß Kuttkes Verdienst. Diese überraschende Objektivität des Behlau wurde durch beifälliges Nicken von Bergnolte und Außem gewürdigt. Gefragt, wie oft wohl im Jahr in einer motorisierten Einheit eine solche »Tachometer-Angleichungsfahrt« vorgenommen werden müsse, meinte Behlau, das könne zwei- bis dreimal im Jahr vorkommen. Vom Staatsanwalt über Gruhl jun. befragt, sagte Behlau, Gruhl sei zwar nicht gerade ein begeisterter Soldat gewesen, aber das seien ja die allerwenigsten, doch sei er auch nicht renitent, eher mürrisch-gleichgültig gewesen; er habe sich einige Male der Urlaubsüberschreitung schuldig gemacht, sei entsprechend bestraft worden — aber das sei ja schließlich kein Verbrechen, sei fast normal. Behlau, der hier ganz anders wirkte, als er im Zeugenzimmer gewirkt hatte und in Kneipen zu wirken pflegte, hinterließ einen sehr guten Eindruck. Er war sachlich, korrekt, nicht übermäßig militärisch; er wurde aufgefordert, sich zu eventuellen weiteren Aussagen bereitzuhalten. Nachdem Behlau gegangen war, Oberleutnant Heimüller schon aufgerufen, legte Verteidiger Dr. Hermes mit höflichen Worten Protest gegen den Ausschluß der Öffentlichkeit ein; er betonte, er wisse wohl, dieser Ausschluß habe nur seine Frau betroffen, die ohnehin, da sie als ausgebildete Juristin ihm zur Hand gehe, Einsicht in alle Vorgänge bekäme und selbstverständlich der Schweigepflicht unterliege — und außerdem den jungen Landwirt Huppenach, der genau über alle Vorgänge unterrichtet sei, da er gleichzeitig mit Gruhl in derselben Einheit seine Wehrpflicht abgeleistet habe; nun — dabei wies er ironisch auf die leeren Stühle im Zuschauerraum — würden hier aber Dinge verhandelt, die nicht eigentlich militärische, sondern Verwaltungsgeheimnisse wären, gerade das aber sei für die Öffentlichkeit interessant, es sei kein strategisches, kein taktisches Geheimnis, sondern offenbare nur die Absurdität einer leerlaufenden Verwaltung. Bedächtig, während Heimüller schon im Saal stand und bescheiden auf seinen Auftritt wartete, antwortete Stollfuss dem Verteidiger, was er Absurdität einer leerlaufenden Verwaltung nenne, eben das sei nicht öffentlichkeitsreif: ein Staat habe das Recht, und er, Stollfuss, mache von diesem Recht auf Antrag des Staatsanwalts Gebrauch, nicht jedermann Einblick in diesen unvermeidlichen Leerlauf zu geben, der ja nicht der immanente Sinn der Sache sei, sondern sich unvermeidlicherweise ergebe. Er könne jedenfalls dem Antrag des Herrn Verteidigers, die Öffentlichkeit wieder zuzulassen, nicht stattgeben. Dann bat er Oberleutnant Heimüller nach vorne, entschuldigte sich für die Verzögerung, die sich, nachdem er, Heimüller, schon aufgerufen gewesen sei, ergeben habe. Heimüller gab sein Alter mit dreiundzwanzig Jahren, seinen Beruf als den eines Soldaten, seinen Dienstgrad mit Oberleutnant bei der Nachrichtentruppe an; ungefragt fügte er auch noch seine Konfession hinzu, die er mit römisch-katholisch angab; diese zusätzliche Angabe, die er mit energischer Stimme machte, löste unter den anwesenden Juristen eine Verlegenheit aus; sie blickten sich an, es kam dann zu einem kurzen Geflüster zwischen dem Protokollführer Außem und dem Vorsitzenden Stollfuss, der den Protokollführer beschied, diese zusätzliche Angabe aus dem Protokoll zu streichen. Außem erzählte am Abend, Heimüllers Stimme habe bei der Konfessionsangabe geklungen wie eine »knatternde Fahne«. Heimüller, der sich mehrmals während seiner Aussage dem jungen Gruhl — in fast schmerzlicher Attitüde — zuwandte, bestätigte inhaltlich, was Behlau über dessen Qualität als Soldat gesagt hatte, drückte sich aber anders aus. Er nannte ihn »ausgesprochen begabt«, vom Verteidiger gefragt, auf welchem Gebiet begabt, sagte Heimüller »als Soldat«, woraufhin Gruhl jun. lachte, was ihm keine Rüge eintrug, wohl aber die umständliche Erklärung des Oberleutnants, der ihn daran erinnerte, wie er, Gruhl, ihm, dem Oberleutnant, im Manöver beim Ausarbeiten und Zeichnen der Einsatzpläne geholfen habe, woraufhin Gruhl, der dann doch gerügt werden mußte, ohne dazu aufgefordert zu sein, sich in Heimüllers Aussage einschaltete, meinte, das seien abstrakte Spielereien, in denen ein gewisser, sogar künstlerischer Reiz liege. Schließlich, das sei seine eigene Kunstphilosophie, bestehe Kunst darin, das Nichts in seine verschiedenen Nichtigkeiten zu ordnen, und das Zeichnen und Ordnen von Einsatzplänen habe natürlich einen gewissen graphischen Reiz. Stollfuss, der festgestellt hatte, daß es noch nicht sieben war, die Verhandlung spätestens gegen acht abgeschlossen sein würde, der auch ein wenig stolz darauf war, daß trotz aller unerwarteten, teils peinlichen Arabesken die Verhandlung ihm doch so gediehen war, wie er es sich vorgenommen hatte, hörte voller Geduld zu und unterbrach den jungen Gruhl erst, als dieser mit seiner Erklärung schon fast zu Ende war. Der Oberleutnant fuhr in der Beurteilung des jungen Gruhl fort, nannte ihn »intelligent, nicht renitent, doch von einer fast bösartigen Gleichgültigkeit«; er habe sich im großen und ganzen gut geführt, einige Male — »oder besser gesagt, eigentlich recht oft, nämlich fünfmal« — habe er seinen Urlaub überschritten, »davon dreimal erheblich«, sei bestraft worden. Vom Verteidiger gefragt, ob denn nun Gruhl am Tage des »Geschehens« Soldat oder Zivilist gewesen sei, sagte Heimüller, Gruhl sei »zur Tatzeit« de facto Soldat, de jure Zivilist gewesen, die Bundeswehr — er habe sich dieser Tatsache noch einmal bei seinem Vorgesetzten vergewissert — stehe hier nicht als sachgeschädigte Nebenklägerin, werde die Tat des Gruhl militärrechtlich nicht verfolgen. Es habe sich nach der Tat erst herausgestellt, daß auf Grund von Rechenfehlern, wie sie unvermeidlich seien, dem Gruhl, der um diese Zeit ungefähr zur Entlassung angestanden habe, ein Besuch bei seinem an einer schweren Bronchitis erkrankten Vater als Sonderurlaub hätte angerechnet werden müssen — vier Tage —, die ihm aber irrtümlich auf den normalen Urlaub gegeben worden seien; so sei Gruhl de jure »zur Tatzeit« schon Zivilist gewesen. Ob man, fragte der Verteidiger, erwäge, Gruhl wegen unberechtigten Tragens von Uniform, wegen unberechtigten Fahrens eines Bundeswehrjeeps — denn de jure sei ja Gruhl dieser Vergehen schuldig, und zur Klärung der Rechtslage wäre ja eigentlich ein, wenn auch rein formelles Verfahren dieser Art notwendig —, ob man Gruhl dieser beiden Vergehen wegen, wenn auch nur formell, anklagen werde? Der Oberleutnant begriff die Ironie des Verteidigers nicht, er antwortete umständlich, ernst und korrekt, Gruhl sei ja an diesen beiden Vergehen, die tatsächlich vorlägen, nicht schuldig, jedenfalls nicht durch eigenes Verschulden; ihm, Heimüller, sei nicht bekannt, daß man ein solches Verfahren gegen Gruhl erwäge. Nun, ebenfalls vom Verteidiger nach den Umständen gefragt, über die Kuttke und Behlau im wesentlichen gleichlautend ausgesagt hatten, über die ominösen Dienstfahrten, diese Kilometerfresserei, bestätigte Heimüller sowohl Kuttkes wie Behlaus Angaben; ja, sagte er, solche Dienstfahrten kämen vor, denn es sei weitaus ärgerlicher, die fällige Inspektion hinauszuschieben als den »inspektionserforderlichen Kilometerstand« herbeizuführen. Der Verteidiger: Man könne darüber streiten, ob der Terminus »fällig« für eine solche Inspektion zulässig sei; fällig — er sei auch Autofahrer — sei ja eine Inspektion erst, wenn der Kilometerzähler auf natürliche Weise, nämlich durch normalen Dienstgebrauch, die Ziffer erreicht habe, die eine Inspektion erfordere; ihm komme, mit Verlaub zu sagen, diese Methode »absolut sinnlos« vor. Der Staatsanwalt verwahrte sich dagegen, daß hier philosophische und betriebsfremde Aspekte ins Spiel gebracht würden und an einem Wort wie »fällig« Haarspalterei zu betreiben: in einem Betrieb wie der Bundeswehr müsse der Aspekt der Mobilität und Einsatzfähigkeit berücksichtigt werden, und da sei eine scheinbare Sinnlosigkeit — die zu beurteilen einem Betriebsfremden nicht zustehe — oft das Sinnvollere. Solche käme in jedem — auch dem »Gerichtsbetrieb« — vor. Über die Einzelheiten der fraglichen Dienstfahrt befragt, sagte Heimüller, ja, Kuttke und Behlau hätten ihm Gruhl vorgeschlagen — und er habe Gruhl auf eine fünftägige Prüfungsfahrt geschickt, allein, was nicht ganz den Vorschriften entsprach, aber nicht nur geduldet wurde, sogar erlaubt sei. Gruhl sei, wie sich später herausgestellt habe, nur von Düren bis Limburg auf der Autobahn gefahren, dann von dieser ab zum Rhein, am Rhein entlang nach Hause und schon abends gegen sechs bei seinem Vater eingetroffen, wo er bis zur Tat geblieben sei. Der Staatsanwalt bat Gruhl jun., sich zu der protokollarisch vorliegenden Äußerung der Witwe Leuffen, seiner Großmutter, und der Witwe Wermelskirchen, der Nachbarin, zu äußern, die bestätigt hätten, daß er den Jeep in eine leere Scheune gefahren, dort vier Tage stehengelassen und zur fraglichen Zeit zu Hause gewohnt und mit seinem Vater gearbeitet habe. Gruhl bestätigte die Aussagen der Leuffen und der Wermelskirchen als auch in den Details zutreffend, dasselbe tat sein Vater; vom Verteidiger gefragt, ob Gruhl sich nicht durch dieses Abweichen von der vorgeschriebenen Dienstfahrt strafbar gemacht habe, sagte Heimüller, solche Abweichungen seien zwar strafbar, würden aber geduldet, im übrigen sei Gruhl ja nur angehalten gewesen, den erforderlichen Kilometerstand zu erzielen, wohin er fahre, habe er ihm, wenn auch nicht nachdrücklich, so doch praktisch freigestellt, später habe sich ja, wie die kriminologische Untersuchung des Wracks ergeben habe, herausgestellt, daß der Kilometerstand des Zählers 4992 km betragen habe. Dieses Ergebnis habe Gruhl erzielt, indem er den Wagen aufgebockt und mit angelassenem Motor habe laufen lassen; durch einen Schlauch habe er die entstehenden Abgase ins Freie gelenkt; das Geräusch des laufenden Motors, obwohl durch Stroh- und Heuballen veränderte akustische Bedingungen geschaffen worden seien, sei ebenfalls von der Leuffen wie von der anwohnenden Wermelskirchen bestätigt. Der Vorsitzende erklärte die Tatsache, daß diese Details jetzt erst zur Sprache kämen, mit der Tatsache, daß dies zu den Dienstgeheimnissen gehöre. Die Idee, das Auto aufzubocken, stamme von Gruhl sen., der während des Baues des sogenannten Westwalles in den Jahren 1938/39 ähnliches beobachtet, zum Teil daran mitgewirkt habe; die Methode entspreche einer alten Praktik betrügerischer Fuhrunternehmer, die auf diese Weise Kilometertarife geschunden hätten. Auch das alles wurde von Gruhl sen. und Gruhl jun. bestätigt, der bei dieser Gelegenheit aussagte, die Ziffer 4992 auf dem Kilometerzähler habe er bewußt erzielt, sie sei ein kompositorisches Element; die Bedeutung dieses Terminus würde sich im Plädoyer seines Verteidigers klären. Über die Glaubwürdigkeit und den Charakter des Gefreiten Kuttke gefragt, sagte der Oberleutnant, es erscheine vielleicht unwahrscheinlich, aber Kuttke versehe seinen Dienst, die ihm zugewiesene Aufgabe, mit äußerster Korrektheit, fast Pedanterie, seine, des Oberleutnants Einheit sei schon mehrfach wegen der vorzüglichen Wartung ihrer Fahrzeuge gelobt worden, und das sei Kuttkes Verdienst; privat — nun, was privat mit Kuttke los sei, das hätten die Herren vielleicht bemerkt. Heimüller zuckte weniger resigniert als mit aufrichtiger Trauer die Schultern und fügte hinzu, ihm schwebe ja ein anderes Ausleseverfahren für Berufssoldaten vor, aber Kuttke sei rechtlich, oder besser gesagt, gesetzlich Soldat, und es sei ihm nicht beizukommen. Ihm, dem Oberleutnant, schwebe eine Armee der Reinheit, der Sauberkeit vor — aber es sei hier wohl nicht der Ort, eine eigene Wehrphilosophie zu entwickeln. Der Vorsitzende nickte dazu bestätigend, blickte Verteidiger und Staatsanwalt fragend an — beide gaben durch eine Geste zu verstehen, daß sie des Zeugen Oberleutnant Heimüller nicht mehr bedürften. Der Vorsitzende dankte dem jungen Offizier und bat ihn, seinen Untergebenen doch mitzuteilen, daß auch sie entlassen seien.

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Stollfuss bat zu einer kurzen Beratung Kugl-Egger und Hermes zu sich an den Tisch, senkte nicht einmal die Stimme, als er die beiden fragte, ob sie es vorzögen, jetzt eine kürzere Pause zu haben oder ohne Pause mit der Vernehmung des Zeugen Professor Büren zu beginnen, dann eine große Pause einzulegen, dreißig bis vierzig Minuten, bevor man den Schlußakt mit einer letzten Vernehmung der Angeklagten, den Plädoyers und der Urteilsverkündung beginne. Hermes gab zu bedenken, daß Bürens Aussage wahrscheinlich einige Zeit in Anspruch nehmen würde, während Kugl-Egger mürrisch die Vernehmung eines Kunstprofessors für überflüssig erklärte. Nach einer kurzen Besprechung mit seinen Mandanten (Gruhl sen. meinte, sie bekämen ohnehin kaltes Abendessen, und auch der Rotwein würde nicht verderben) erklärte Hermes sich damit einverstanden, sofort mit der Vernehmung Bürens zu beginnen. Stollfuss bat nun Schroer zu sich und fragte ihn, ob seine Frau, wie schon öfter in solchen Fällen, wohl auf einen kleinen Imbiß und ein stärkendes Getränk gerichtet sei. Schroer sagte, seine Frau habe geahnt, daß für heute »ein Gewaltmarsch« geplant sei, sie sei jederzeit darauf gerichtet, Kaffee zu erstellen, auch sei Bier in ausreichenden Mengen da, »sogar Würstchen, ganz sicher belegte Brote, Bouillon und ein Schlag Kartoffelsalat, wenn ich recht unterrichtet bin, auch Gulasch, allerdings aus Büchsen, und hartgekochte Eier«. Er fragte Stollfuss, der auf diese Auskünfte hin beruhigt nickte, ob er die Öffentlichkeit wieder zulassen beziehungsweise die Tür wieder aufschließen dürfe. Ob denn Publikum warte, fragte Stollfuss; ja, sagte Schroer, das Fräulein Hall sei »sehr am Verlauf der Sache interessiert«. Weder Kugl-Egger noch Hermes hatten gegen die Öffnung der Tür etwas einzuwenden, sogar Bergnolte gab hier zum erstenmal offen zu erkennen, daß seine Anwesenheit nicht ganz der Amtlichkeit entbehrte: er nickte Stollfuss bestätigend zu. Schroer ging zur Tür, schloß sie auf; Agnes Hall schritt herein und nahm in der letzten der vier Stuhlreihen bescheiden Platz. Sie hatte die Kleidung gewechselt, trug einen dunkelgrünen Tweedrock, dazu eine etwas hellere, ebenfalls grüne, lose Jacke, die an den Ärmeln und am Kragen mit schmalen Chinchillastreifen besetzt war. Es wurde später darüber gestritten, ob Stollfuss ihr zugenickt habe oder die als Zunicken bezeichnete Kopfbewegung nur ein »Sichversenken« in die Akten gewesen sei. Referendar Außem meinte, in dieser Bewegung habe beides gelegen: sie sei für ein Sichversenken in die Akten nicht routiniert oder automatisch genug gewesen, für ein bloßes Zunicken allerdings zu schwach, jedenfalls, da sei er sicher, denn er habe Stollfuss sich schon oft in Akten versenken sehen, ein bloßes Sichversenken in die Akten sei’s nicht gewesen. Schroer meinte später, es sei nur Zunicken gewesen, er kenne Stollfuss’ Kopfbewegungen, während Hermes »jegliche Beimischung von Zunicken für undiskutabel« erklärte. Die einzige außerdem an dieser Kopfbewegung interessierte Person, Agnes Hall selbst, deutete die umstrittene Kopfbewegung eindeutig als Zunicken, das sie für sich sogar mit dem Beiwort »freundlich« registrierte.

Der Auftritt des Zeugen Professor Büren in dem nur schwach beleuchteten Saal wäre nicht nur eines größeren, er wäre eines großen Publikums würdig gewesen; es gab später auch über ein Detail der Beschreibung des Bürenschen Auftretens eine Kontroverse zwischen dem literarisch sehr interessierten Außem und dem weniger an solchen Feinheiten interessierten Hermes, der der Außemschen Beschreibung des Bürenschen Auftretens als »prägnante Lässigkeit« widersprach, indem er anführte, der Begriff der Lässigkeit schließe jegliche Beimischung des Begriffes der Prägnanz aus; dem setzte Außem entgegen, gerade die Lässigkeit bedürfe der Prägnanz und die Prägnanz der Lässigkeit, was zu ersehen sei an einem Begriff wie Schmissigkeit — schmissig, das beinhalte Lässigkeit und Prägnanz, und wenn er Bürens Auftritt nicht als schmissig bezeichne, so deshalb, weil ihm dieser Begriff zu verschlissen vorkomme, er blieb dabei: Bürens Auftritt sei von prägnanter Lässigkeit gewesen. Offenbar hatten alle Anwesenden, außer Hermes, der mit Büren schon einige Male in der anhängigen Sache verhandelt hatte, als ein Professor zum Zeugen aufgerufen wurde, keineswegs erwartet, eine Erscheinung wie Büren zu Gesicht zu bekommen; sogar die Gruhls schienen zum erstenmal neugierig zu werden. Büren trug ein sehr loses, erbsengelbes Kordjackett, und da Hermes ihm gesagt hatte, es sei wohl besser, mit Krawatte zu erscheinen, trug er zu dem ebenfalls erbsengelben Hemd eine ziemlich dicke, am Hals geknotete Goldkordel, wie man sie zum Verpacken von Geschenken in der Weihnachtszeit verwendet; seine Hose war spinatgrün, seine Schuhe aus sehr lose geflochtenen Lederschnüren, fast Sandalen, sein dunkles Haar dagegen war ausgesprochen bürgerlich geschnitten; auch war er sauber rasiert und bartlos; sein gebräuntes, gesundes Gesicht mit den, wie Agnes Hall später sagte, »lieben Hundeaugen« strahlte fast vor Freundlichkeit, als er mit heiserer Stimme seine Personalien bekanntgab: vierunddreißig Jahre, verheiratet, sieben Kinder, mit den Angeklagten weder verwandt noch verschwägert. Von Hermes kurz dazu aufgefordert, sagte er aus, er habe den »Vorgang«, der hier zur Verhandlung stehe, genau studiert, in alle Aussagen darüber Einsicht bekommen, einschließlich in die für ihn wichtigste, des Reisevertreters Erbel, von der er soeben durch den Herrn Rechtsanwalt Hermes erfahren habe, daß die ungemein wichtigen Details, die Erbel zu Protokoll gegeben habe, von einem Polizeibeamten im Verlaufe der heutigen Verhandlung bestätigt worden seien; es seien da höchst interessante Elemente beschrieben worden, ob er an die Angeklagten eine Frage stellen dürfe. Als Stollfuss sagte, er dürfe, fragte Büren, dessen Gesicht nie die Heiterkeit verlor, den jungen Gruhl, wie er jenes musikalische Geräusch erzielt habe, das teils als Knallen, teils als trommelartig, von dem Reisevertreter Erbel als »fast schön« beschrieben worden sei. Gruhl jun. flüsterte erst mit Hermes, bevor er aufstand und sagte, er könne das Geheimnis nicht preisgeben, da es eins der wenigen Stilelemente sei, die er weiterzuentwickeln gedenke, er plane mehr dieser Art; er habe sich bereits auf einem Schrottplatz nach alten Kesseln, »von der Größe von Lokomotivkesseln« umgesehen, um, sobald er Zeit und Gelegenheit habe, ein Konzert zu geben. Der beschriebene, ihm als Sachbeschädigung zur Last gelegte Vorgang sei nur ein »erstes, allerdings gelungenes Experiment« gewesen, das er weiterzuführen gedenke. Von Stollfuss aufgefordert, doch der Geheimhaltungspflicht aller Beteiligten, auch der Zuschauerin Fräulein Hall, zu vertrauen und dem »Herrn Professor« die Auskunft nicht zu verweigern, sagte Gruhl, er sei sicher, der »Zeuge Büren« habe Plagiatorisches im Sinn, wie es unter Künstlern üblich sei; auch daraufhin verlor Büren nicht seine Heiterkeit, er gab zu, seine Neugierde sei nicht ganz altruistisch, gab aber dem Gruhl zu bedenken, daß er, Büren, einer ganz anderen Kunstrichtung angehöre und daß er ihm feierlich verspreche, das Geheimnis außerhalb des Gerichtssaals nicht zu verraten. Wiederum besprach sich Gruhl jun. mit dem Verteidiger, der den Vorsitzenden bat, die Aussage des Gruhl jun. protokollieren zu lassen und »auf diese Weise eine Art Copyrightvermerk anzubringen«. Stollfuss, der sehr gut gelaunt war, forderte Außem auf, die Aussage des Gruhl ins Protokoll aufzunehmen. Gruhl jun., dessen Mißtrauen wieder der Aufgeräumtheit gewichen war, gab nun an, diese Geräusche habe er mit Malzbonbons, zum Teil auch Rahmbonbons erzielt, das heißt, die dunkleren Töne mit Malz-, die helleren mit Rahmbonbons, und zwar habe er die beiden Kanister erst ins Auto entleert, dann durchlöchert, sie mit Malz- beziehungsweise Rahmbonbons gefüllt, wieder zugeschraubt, das Feuer, das heftige Feuer, habe dann den gewünschten Effekt erbracht; frühere Versuche mit sauren Bonbons und sogenannten Seidenkissen, die er mit einer großen Konservenbüchse vorgenommen habe, seien gescheitert, da das Zeug geschmolzen und breiig zerflossen sei, anstatt »Musik zu machen«. Er habe auch mit Ziegenkot und einfachen zerbrochenen Zuckerstangen experimentiert — ohne Ergebnis. Der Staatsanwalt, der nicht nur die Geduld verlor, auch ärgerlich zu werden begann, weil er, wie er später bekannte, »anfing zu bereuen, daß er sich von diesen rheinischen Füchsen diesen Prozeß hatte andrehen lassen«, fragte nun Büren, ob er ein ordentlicher oder ein außerordentlicher Professor sei. Büren, dem hier ein fast albernes Kichern entschlüpfte, sagte, er sei weder das eine noch das andere, er sei Akademieprofessor in der nahe gelegenen Großstadt, seine Bestallungsurkunde sei vom Ministerpräsidenten unterzeichnet, er trüge diese Urkunde zwar nicht immer mit sich oder an sich, aber sie sei ganz sicher »irgendwo zu Hause aufzutreiben«, er sei sogar pensionsberechtigt, und auch das gab er wiederum mit einem Kichern von sich — zwar bei der letzten Direktorenwahl noch »übergangen worden«, sei aber sicher, beim nächsten Mal »’ne echte Chance zu haben«. Seine Plastiken, fügte er hinzu, stünden in, »warten Sie«, sagte er und zählte an den Fingern, leise mit sich selber flüsternd, bis sieben, »in sieben Museen, davon drei im Ausland. Ich bin tatsächlich Beamter, wissen Sie«, sagte er, immer noch heiter lächelnd, zum Staatsanwalt. Der fragte nun, ohne seinen Ärger zu unterdrücken, den Vorsitzenden, ob er erfahren dürfe, oder ob er’s vielleicht von seinem Kollegen Hermes erfahren dürfe, warum hier der Zeuge Professor Büren vernommen werde. Darauf Hermes: der Professor sei da, um zu bezeugen, daß die »Tat« — er sprach die Anführungszeichen geschickt mit —, die hier ja schon als »Vorgang« bezeichnet werde, ein Kunstwerk gewesen sei. Da auch Stollfuss zu dieser Aussage von Hermes nickte und da Bergnolte, den Kugl-Egger flehend, mit erhobenen Händen stumm bittend ansah, kniff, indem er die Augen senkte und fiktive Eintragungen in sein Notizbuch machte, wußte Kugl-Egger, wie er später seiner Frau sagte, »in diesem Augenblick wußte ich erst, daß ich verraten und verkauft war.«

Von Hermes aufgefordert, eine Definition jener neuen Kunstrichtung oder, besser gesagt, Kunstart zu geben, die als Happening international bekannt sei, sagte Büren, er wolle betonen, daß er noch der guten alten Tradition der gegenstandslosen Plastik huldige, sich in dieser Kunstart ausdrücke; er habe — das sagte er mit deutlichem, wenn auch liebenswürdig-ironischem Akzent zum Staatsanwalt hin — zwei Staatspreise erhalten; also: er sei kein Happening-Mann, habe sich aber mit dieser Kunst, die sich als Anti-Kunst deklariere, auseinandergesetzt und beschäftigt. Es sei, wenn er recht unterrichtet sei — und wer wäre das schon?!-, ein Versuch, heilbringende Unordnung zu schaffen, nicht Ge-, sondern Entstaltung, ja, Entstaltung — aber diese in eine vom Künstler beziehungsweise Ausübenden bestimmte Richtung, die aus Ent-staltung wieder neue Ge-stalt mache. In diesem Sinne sei der Vorgang, der hier zur Verhandlung stünde, »ohne den geringsten Zweifel«, ein Kunstwerk, ja, es sei sogar eine außerordentliche Tat, da es fünf Dimensionen aufweise: die Dimension der Architektur, der Plastik, der Literatur, der Musik — denn es habe ausgesprochen konzertante Momente gehabt — und schließlich tänzerische Elemente, wie sie seines Erachtens im Gegeneinanderschlagen der Tabakpfeifen zum Ausdruck gekommen sei. Nur eins — und hier runzelte Büren mißbilligend die Brauen — habe ihn gestört: der Ausdruck »erwärmen«, der von dem Angeklagten gebraucht worden sei. Das sei eine, wenn auch nicht erhebliche, so doch bemerkenswerte Einschränkung des Kunstwerkcharakters, denn schließlich sei ein Kunstwerk nicht zum Erwärmen da; auch verwerflich sei die Tatsache, daß es sich um ein neues, ja, fast fabrikneues Auto gehandelt habe, daß es ein Auto, und ein noch brauchbares habe sein müssen, leuchte ihm durchaus ein: Benzin, Auto, Brand, Explosion: schließlich seien hier Elemente der modernen Technik auf eine fast geniale Art künstlerisch komponiert worden. Nicht mehr sehr wütend, nur noch mit einer allerdings von Bosheit schillernden Resignation fragte ihn an dieser Stelle der Staatsanwalt, ob seine Aussage als verbindlich oder halbwegs objektiv zu gelten habe, woraufhin Büren lächelnd erwiderte, verbindlich oder halbwegs objektiv seien Vokabeln einer Kunstkritik, die für diese Art Kunstwerk nicht mehr zuträfen. Ob es denn, fragte der Staatsanwalt, nicht möglich gewesen sei, ein anderes Instrument zu wählen, warum es denn ein Auto habe sein müssen — da lächelte Büren ominös. Jeder Künstler bestimme sein Material selbst, da könne keiner hinein- oder mitreden, und wenn einer glaube, es müsse ein neues Auto sein, dann müsse es eben ein neues Auto sein. Ob es, fragte der Staatsanwalt, dessen tiefe Bitterkeit fast schon wieder heiter klang, ob es denn üblich sei, daß ein Künstler sich das Material für ein Kunstwerk — er sprach das mit offenem Hohn aus — stehle? Büren parierte wieder mit jener von Außem später als phantastisch bezeichneten prägnanten Lässigkeit: er sagte, Kunst machen zu wollen, sei eine derart heftige Leidenschaft, daß ein Künstler durchaus jederzeit bereit sei, sich das Material zu stehlen; Picasso, sagte er, habe sich von Abfallhalden oft Material für Kunstwerke aufgelesen, und einmal habe sogar die Bundeswehr einige Minuten lang Düsenjägermotoren an einem Kunstwerk dieser Art mitwirken lassen. Er habe nicht mehr sehr viel zu sagen: eins sei sicher, es habe sich bei dem Vorgang um die Erstellung eines Kunstwerks von hohem Rang gehandelt, es sei nicht, wie er gesagt habe, fünfdimensional, sondern fünfmusal; natürlich strebe man Neun-Musalität an, aber fünf Musen in einem Kunstwerk zu vereinen, das sei auch schon »ganz nett«; da die religiöse Literatur in Form einer Litanei beteiligt gewesen sei, zögere er nur ein wenig, nicht sehr: dieses Kunstwerk sogar als christliches gelten zu lassen, es seien schließlich Heilige angerufen worden. Ob er, fragte Büren nun mit anmutiger Bescheidenheit, nun gehen dürfe, er habe —, es sei ihm äußerst peinlich, es sei ihm geradezu »stinkpeinlich« das sagen zu müssen, er habe eine Verabredung mit dem Herrn Ministerpräsidenten, dem er zwar gesagt habe, er sei in einer äußerst wichtigen Sache aufgehalten, aber zu lange dürfe er den Herrn wohl nicht warten lassen. Der Staatsanwalt sagte, er habe keine Fragen mehr, er verkneife sich einige Worte, die er gern sagen würde, behielte sich aber vor, einen weiteren Gutachter zu beantragen, denn er halte den Büren nicht für einen Zeugen, sondern für einen Gutachter. Hermes bat nur noch eine einzige Frage stellen zu dürfen: er schilderte Büren rasch, daß Erbel, der Reisevertreter, vom Gruhl jun. um eine Probeflasche des von ihm vertriebenen Badesprays gebeten worden sei; sein Mandant habe ihm verraten, er habe das Badespray als zusätzliches Kunstmittel benötigt — seine Frage an den Herrn Zeugen: ob eine »tüchtige Zugabe« des erbetenen Badesprays, das bekanntlich gelbgrün oder blau aufschäume, nicht noch das Element der Malerei, also eine sechste Dimension oder sechste Musalität hineingebracht haben würde; Büren bestätigte das, bezeichnete den Einfall, ein Badespray hineinzugeben, als kluge Lenkung der Effekte. Er durfte, mit Dank vom Vorsitzenden verabschiedet, sich zum Rendezvous mit dem Herrn Ministerpräsidenten begeben.