Gut Holz: Stöße mit dem stumpfen Ende des Schlägers
Jane hatte beinahe Angst, sich umzuschauen. Wenn man einige von den Chinooks an diesem Morgen anschaute, konnte man den Eindruck gewinnen, Zeuge eines Eisenbahnunglücks zu sein. Grauenhaft, aber sie konnte nicht einfach darüber hinwegsehen. Sie saß ziemlich vorn im Flugzeug auf der anderen Seite des Gangs neben Darby Hogue, dem zweiten Geschäftsführer, den Sportteil der Dallas Morning News aufgeschlagen auf dem Schoß. Ihren Bericht über das Blutvergießen des Vorabends hatte sie abgeschickt, doch jetzt interessierte sie, was die Reporter aus Dallas dazu zu sagen hatten.
Am vergangenen Abend hatten sie und die örtlichen Sportreporter sich im Medienraum versammelt, um auf die Chance des Zutritts zum Umkleideraum der Chinooks zu harren. Sie hatten Kaffee und Cola getrunken und irgendetwas Enchilada-ähnlich Zusammengewürfeltes gegessen, doch als Coach Nystrom endlich in Erscheinung trat, ließ er sie lediglich wissen, dass keine Interviews gegeben würden.
Während der Wartezeit hatten die Reporter aus Dallas mit ihr herumgeflachst und Geschichten aus dem Berufsleben zum Besten gegeben. Sie hatten ihr sogar verraten, welche Sportler es ihnen leicht machten und bereitwillig ihre Fragen beantworteten. Und sie hatten ihr auch gesagt, welche Spieler niemals auf Fragen antworteten. Luc Martineau stand an der Spitze der Liste dieser arroganten Nervensägen.
Jane faltete die Zeitung zusammen und stopfte sie in ihre Aktentasche. Vielleicht waren die Reporter aus Dallas nett zu ihr, weil sie in ihr keine Bedrohung sahen und sich von einer Frau nicht ins Bockshorn jagen ließen. Vielleicht hätten sie sie ganz anders behandelt, wenn sie mit ihr um Interviews im Umkleideraum hätten wetteifern müssen. Sie wusste es nicht, und im Grunde war es ihr auch gleichgültig. Es war jedenfalls nett zu erfahren, dass nicht alle männlichen Reporter sie ablehnten. Es erleichterte sie zu wissen, dass einige Männer sich weiterentwickelt hatten und nicht alle sie als Angriff auf ihr Ego betrachteten.
Bisher hatte sie zwei Artikel an die Seattle Times abgeschickt. Und sie hatte noch kein Wort vom Chefredakteur gehört. Weder ein Wort des Lobes noch eines des Tadels, was sie als gutes Zeichen zu werten versuchte. Sie hatte gesehen, dass ihr erster Artikel unter den Spielern zirkulierte, aber auch von denen hatte sich keiner dazu geäußert.
»Ich habe Ihren ersten Artikel gelesen«, sagte Darby Hogue von der anderen Seite des Gangs her. Mit bloßen Füßen schätzte Jane ihn auf eins achtundsechzig. In Cowboystiefeln auf eins siebzig. Der Schnitt seines marineblauen Anzugs ließ vermuten, dass er maßgefertigt war und wahrscheinlich das Monatsgehalt eines Normalverdieners gekostet hatte. Sein stachelig gegeltes Haar war karottenrot, sein Teint noch heller als der ihre. Sie wusste, dass er achtundzwanzig Jahre alt war, aber er sah aus wie siebzehn. Seine braunen Augen waren intelligent und schlau, und er hatte lange, schön gebogene rote Wimpern. »Das war gute Arbeit«, fügte er hinzu.
Endlich nahm mal jemand Stellung zu ihrem Artikel. »Danke.«
Er neigte sich ihr über den Gang hinweg zu und gab ihr ein paar Tipps. »Beim nächsten Mal sollten Sie vielleicht unsere Torversuche erwähnen.« Darby war der jüngste zweite Geschäftsführer in der NHL, und in seiner Biografie hatte Jane gelesen, dass er Mitglied von Mensa, einer Akademikerverbindung, war. Das bezweifelte sie nicht. Obwohl er sich größte Mühe gab, nicht als Nerd zu erscheinen, hatte er sich offenbar doch nicht von dem Taschenschutz trennen können, der in seinem weißen Leinenhemd steckte.
»Hören Sie, Mr. Hogue«, sagte sie mit einem, wie sie hoffte, hinreißenden Lächeln. »Ich gebe Ihnen keine Ratschläge, wie Sie Ihre Arbeit zu machen haben, falls Sie mir nicht vorschreiben, wie ich zu arbeiten habe.«
Er blinzelte. »Das ist nur gerecht.«
»Ja, das finde ich auch.«
Er straffte sich und legte eine lederne Aktentasche auf seine Knie. »Gewöhnlich sitzen Sie doch hinten bei den Spielern. «
Sie hatte bisher immer hinten gesessen, weil die vorderen Sitze schon von Trainern und Geschäftsführern belegt waren, wenn sie an Bord ging. »Tja, allmählich fühle ich mich dahinten als Persona non grata«, gestand sie. Der Vorfall am Abend zuvor hatte allzu deutlich gezeigt, was sie von ihr hielten.
Er sah ihr wieder in die Augen. »Ist etwas passiert, wovon ich wissen sollte?«
Abgesehen von dem Telefonterror, hatte sie am Vorabend eine tote Maus vor ihrer Tür gefunden. Das Tierchen war stark vertrocknet, als wäre es schon ziemlich lange tot. Offenbar hatte irgendwer es irgendwo gefunden und ihr dann vor die Tür gelegt. Das entsprach zwar nicht unbedingt einem Pferdekopf in ihrem Bett, aber sie glaubte auch nicht an einen Zufall. Das Letzte, was sie jetzt noch brauchte, war, dass die Spieler glaubten, sie würde zur Geschäftsleitung laufen und sie verpetzen. »Nichts, womit ich nicht allein fertig werde.«
»Gehen Sie heute Abend mit mir essen, dann können wir über alles reden.«
Über den Gang hinweg starrte sie ihn an. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob er einer von diesen zu kurz geratenen Typen war, die annahmen, sie würde schon deswegen mit ihnen ausgehen, weil sie selbst klein war. Ihr letzter Freund war eins sechsundsechzig groß gewesen und litt an der Mutter aller Napoleonkomplexe, was ihrem eigenen Napoleonkomplex ziemlich in die Quere gekommen war. Das Allerletzte, was sie sich wünschte, war ein zu kurz geratener Typ, der mit ihr ausgehen wollte. Insbesondere ein zu kurz geratener Typ, der der Geschäftsführung der Chinooks angehörte. »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Warum?«
»Weil ich nicht will, dass die Spieler denken, Sie und ich hätten was miteinander.«
»Ich gehe ständig mit Reportern essen. Auch mit Chris Evans.«
Das war nicht das Gleiche. Sie durfte nicht zulassen, dass über sie geklatscht wurde. Musste noch professioneller arbeiten als Männer. Obwohl Frauen inzwischen seit drei Jahren Zutritt zum Umkleideraum gewährt wurde, war die Unterstellung, dass Frauen mit ihren Quellen schliefen, immer noch ein Problem. Jane glaubte zwar nicht, dass ihre Glaubwürdigkeit oder die Akzeptanz ihrer Person bei den Spielern noch tiefer sinken konnte, aber sie wollte keinesfalls die Probe aufs Exempel machen.
»Ich dachte nur, Sie wären es vielleicht leid, ständig allein essen zu müssen«, fügte Darby hinzu.
Sie war es tatsächlich leid, allein zu essen. Sie war es leid, die Wände eines Hotelzimmers anzustarren oder das Innere des Mannschaftsflugzeugs. Vielleicht wäre ein sehr gut besuchtes Lokal nicht so schlimm. »Rein geschäftlich?«
»Unbedingt.«
»Können wir uns dann nicht im Hotelrestaurant treffen?«, schlug sie vor.
»Um sieben?«
»Um sieben, einverstanden.« Sie zog den Zeitplan aus ihrem Aktenkoffer. »Wo sind wir heute Nacht untergebracht?«
»Im LAX Doubletree«, antwortete Darby. »Das Hotel wird jedes Mal, wenn einer dieser Airbusse startet, in seinen Grundfesten erschüttert.«
»Wunderbar.«
»Willkommen im Glamourleben eines Sportlers«, sagte er und legte den Kopf an die Rückenlehne.
Jane war inzwischen schon klar geworden, dass ein Vier-Spiele-Marathon genau das war: ein Marathon. Obwohl sie den Zeitplan schon ein Dutzend Mal studiert hatte, überflog sie ihn noch einmal. L. A., dann San Jose. Sie hatten kaum die Hälfte des Programms bewältigt, und schon wollte sie nach Hause. Sie wollte wieder in ihrem eigenen Bett schlafen, ihren eigenen Wagen chauffieren, statt Bus zu fahren, und ihren eigenen Kühlschrank öffnen anstelle der Minibar in irgendeinem Hotel. Die Chinooks hatten noch vier Reisetage vor sich, bevor sie nach Seattle zurückfuhren, wo vier Spiele innerhalb von acht Tagen auf sie warteten. Anschließend ging es weiter nach Denver und Minnesota. Wieder Hotels und einsame Mahlzeiten für Jane.
Vielleicht war es gar nicht so eine schlechte Idee, mit Darby essen zu gehen. Es könnte recht aufschlussreich sein und die Monotonie durchbrechen.
Um sieben Uhr trat Jane aus dem Aufzug und begab sich zum Hotelrestaurant. Ihr Haar fiel in weichen Locken auf ihre Schultern. Sie trug eine schwarze Hose aus reiner Schurwolle und einen grauen Pullover. Der Pullover war seitlich am Hals offen und hatte ausgestellte Ärmel, und bevor Luc behauptet hatte, sie sähe aus wie der Erzengel der Verdammnis, hatte sie ihn sehr geliebt.
Jetzt allerdings fragte sie sich, ob es verborgene Gründe für ihre Angst vor nicht harmonierenden Farben gab, die sie auf dunkle Farben zurückgreifen ließ. War sie depressiv, ohne es zu wissen, wie Caroline angedeutet hatte? Litt sie an einer bisher nicht diagnostizierten geistigen Verirrung? War sie wirklich der Erzengel der Verdammnis, oder irrte Caroline sich, und Luc war nur ein arrogantes A…loch? Die letzte Vorstellung war ihr lieber.
Darby erwartete sie am Eingang des Restaurants. In seinen Khakihosen und dem orangefarben bedruckten Hawaiihemd, mit frisch gegeltem Haar wirkte er sehr jung. Man wies ihnen einen Tisch in Fensternähe zu, und Jane bestellte einen Martini, um die Müdigkeit zu vertreiben, und sei es nur für ein paar Stunden. Darby bestellte ein Becks-Bier und wurde nach seinem Ausweis gefragt.
»Wie bitte? Ich bin achtundzwanzig«, beschwerte er sich.
Jane lachte und schlug die Speisekarte auf. »Man wird Sie für meinen Sohn halten«, zog sie ihn auf.
Er zog die Mundwinkel herab und zückte seine Brieftasche. »Sie sehen doch viel jünger aus als ich«, murrte er und zeigte dem Ober seinen Ausweis.
Als die Getränke gebracht wurden, bestellte Jane Lachs mit Wildreis. Darby entschied sich für Roastbeef mit gebackener Kartoffel.
»Sind Sie mit Ihrem Zimmer zufrieden?«, erkundigte er sich.
Es war wie jedes andere Hotelzimmer. »Ist in Ordnung.«
»Fein.« Er nahm einen Schluck Bier. »Gibt’s Probleme mit den Spielern?«
»Nein, sie gehen mir möglichst aus dem Weg.«
»Sie wollen Sie nicht bei sich haben.«
»Ja, ich weiß.« Sie nahm ein Schlückchen von ihrem Martini. Der Zucker am Glasrand, die schwimmende Zitronenscheibe und die perfekte Mischung von Absolut-Citron-Wodka und Triple Sec entrangen ihr um ein Haar einen Seufzer, als wäre sie eine hart gesottene Alkoholikerin. Alkoholikerin zu werden war allerdings eine Sache, über die Jane sich aus zweierlei Gründen keine Sorgen machen musste. Zum einen war ein Kater für sie so schmerzhaft, dass sie niemals zur Säuferin werden könnte, zum anderen verlor sie jedes Urteilsvermögen, wenn sie betrunken war, manchmal sogar zusammen mit ihrem Slip.
Janes und Darbys Unterhaltung wandte sich vom Hockeyspiel ab und anderen Themen zu. Sie erfuhr, dass Darby im Alter von dreiundzwanzig Jahren mit summa cum laude in Harvard abgeschlossen hatte. Dreimal erwähnte er seine Mitgliedschaft bei Mensa und auch, dass er auf Mercer Island ein fünfhundert Quadratmeter großes Grundstück besaß, ein neun Meter langes Segelboot und dass er einen kirschroten Porsche fuhr.
Kein Zweifel, Darby war ein Angeber. Was nicht unbedingt schlimm war; Jane selbst fühlte sich manchmal auch wie eine Angeberin. Um ihren Teil zur Unterhaltung beizutragen, brachte sie ihre Diplome in Journalismus und Englisch zur Sprache. Darby wirkte nicht sonderlich beeindruckt.
Das Essen wurde serviert, und Darby hob den Blick, als er Butter auf seine gebackene Kartoffel gab. »Werde ich in Ihrer Singlefrau-Kolumne verbraten?«
Jane wollte gerade die Serviette auf ihrem Schoß ausbreiten und hielt mitten in der Bewegung inne. Den meisten Männern widerstrebte es heftig, Eingang in ihre Kolumne zu finden. »Wäre es Ihnen unangenehm?«
Seine Augen leuchteten auf. »O nein.« Er überlegte kurz. »Aber gut muss es sein. Ich meine, keiner soll glauben, dass ich als Date nichts tauge.«
»Ich glaube nicht, dass ich lügen könnte«, log sie. Die Hälfte der Erlebnisse, die sie in ihren Spalten schilderte, war frei erfunden.
»Ich würde mich erkenntlich zeigen.«
Wenn er denn handeln wollte, konnte sie sich zumindest anhören, was er zu bieten hatte. »Wie?«
»Ich könnte den Jungs erklären, dass Sie meines Erachtens nicht hier sind, um über Schwanzgrößen oder ihre sexuellen Verirrungen zu schreiben«, sagte er, und sie fragte sich unwillkürlich, wer sich denn sexuelle Verirrungen zuschulden kommen ließ. Vielleicht Vlad der Pfähler. »Und ich könnte ihnen versichern, dass Sie nicht mit Mr. Duffy geschlafen haben, um diesen Job zu kriegen.«
Vor Entsetzen klappte ihr Unterkiefer herab, und sie schlug die Hand vor den Mund. Sie hatte schon vermutet, dass gewisse Kleingeister im Nachrichtenzentrum ihr unterstellten, sie wäre Leonard Callaway sexuell gefällig gewesen, weil er der Chefredakteur war und sie die Frau, die diese albernen Artikel über Singlefrauen in der Stadt verfasste. Sie war keine echte Journalistin.
Aber niemals wäre ihr in den Sinn gekommen, dass jemand glauben könnte, sie hätte mit Virgil Duffy geschlafen. Gütiger Himmel, der Mann war alt genug, um ihr Großvater zu sein. Klar, es war bekannt, dass er jüngeren Frauen nachstieg, und es hatte auch mal eine Zeit in ihrem Leben gegeben, als sie ihre Standards stark zurückgeschraubt und Sex mit Männern gehabt hatte, die sie lieber vergessen würde, aber nie im Leben war sie mit jemandem zusammen gewesen, der vierzig Jahre älter war als sie.
Darby lachte und machte sich über sein Roastbeef her. »Ihr Gesichtsausdruck verrät mir eindeutig, dass solcherlei Vermutungen nicht ins Schwarze treffen.«
»Natürlich nicht.« Sie griff nach ihrem Martini und trank ihn aus. Der Drink hinterließ eine angenehme Wärme auf seinem Weg zum Magen. »Ich kannte Mr. Duffy vor diesem ersten Tag im Umkleideraum nicht einmal.« Die Ungerechtigkeit dieser Unterstellung traf sie tief, und sie bestellte sich einen weiteren Martini. Gewöhnlich fand Jane es abscheulich, wenn jemand »Ungerecht!« schrie. Sie glaubte daran, dass das Leben ungerecht war, und wenn man sich deswegen beklagte, wurde alles nur noch schlimmer. Sie war der Typ Frau, der sich sagte: »Lass gut sein, das Leben geht weiter«, doch in diesem Fall war es wirklich ungerecht, weil sie nichts dagegen unternehmen konnte. Falls sie eine Szene machte und dementierte, würde ihr doch niemand glauben.
»Wenn Sie in Ihrem Artikel über mich schreiben und mich gut darstellen, dann mache ich Ihnen das Leben leichter.«
Sie griff nach der Gabel und nahm einen Happen Wildreis. »Wie? Haben Sie Schwierigkeiten, eine Frau zu finden, die mit Ihnen ausgeht?« Es sollte ein Scherz sein, doch als seine Wangen sich hochrot färbten, erkannte sie, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte.
»Die meisten Frauen halten mich für langweilig.«
»Hm, den Eindruck habe ich nicht«, schwindelte sie ohne Rücksicht auf die Gefahr schlechten Karmas.
Er lächelte, das Risiko hatte sich gelohnt. »Die Frauen geben mir gar keine Chance.«
»Tja, wenn Sie vielleicht nicht so viel über Mensa und Ihren tollen Abschluss reden würden, hätten Sie bestimmt mehr Glück.«
»Meinen Sie?«
»Ja.« Sie hatte ihren Lachs zur Hälfte verspeist, als ihr Martini gebracht wurde.
»Vielleicht könnten Sie mir ein paar Tipps geben.«
Genau, als wäre ausgerechnet sie die Expertin auf diesem Gebiet.
Sein schlauer Blick hielt sie fest, während er einen Bissen Kartoffel nahm. »Ich könnte mich erkenntlich zeigen«, wiederholte er.
»Sie überziehen mich mit Telefonterror. Sorgen Sie dafür, dass das aufhört.«
Er schien nicht einmal überrascht zu sein. »Ich werde sehen, was ich machen kann.«
»Tun Sie das, denn es ist überaus lästig.«
»Betrachten Sie es doch lieber als eine Art Aufnahmeprüfung. «
Aha. »Gestern Abend lag eine tote Maus vor meiner Tür.«
Er nahm einen Schluck Bier. »Die könnte auch von selbst dorthin gekrochen sein.«
Klar. »Ich will ein Interview mit Luc Martineau.«
»Da sind Sie nicht die Einzige. Luc legt großen Wert auf ein ungestörtes Privatleben.«
»Fragen Sie ihn.«
»Dafür bin ich denkbar ungeeignet. Er kann mich nicht leiden. «
Sie hob ihren Martini an die Lippen. Luc konnte sie auch nicht leiden. »Warum?«
»Er weiß, dass ich dagegen war, ihn einzukaufen. Ich habe viele gute Gründe dafür.«
Das war eine Überraschung. »Warum?«
»Tja, es ist kein Geheimnis, dass er sich eine üble Verletzung zugezogen hat, als er noch für Detroit spielte. Ich glaube nicht, dass ein Spieler in seinem Alter nach einer großen Operation an beiden Knien wieder einsteigen kann. Martineau war einmal gut, vielleicht sogar einer der Besten, aber mit elf Millionen im Jahr für einen zweiunddreißigjährigen Mann mit kaputten Knien setzt man eine Menge aufs Spiel. Wir haben vier erstklassige Spieler ausgewechselt. Dadurch sind wir auf dem rechten Flügel geschwächt. Ich bin nicht sicher, ob Martineau das wert ist.«
»Er spielt gut in dieser Saison«, wandte sie ein.
»Bisher, ja. Aber was passiert, wenn er verletzt wird? Man kann ein Team nicht nur um einen Mann herum aufbauen.«
Jane wusste nicht allzu viel über Hockey, und sie fragte sich, ob Darby vielleicht Recht hatte. War das Team um den Elite-Goalie herum aufgebaut worden? Litt Luc, der so cool und ruhig wirkte, unter dem enormen Erfolgsdruck, der auf ihm lastete?
Ein verzweifelter Anruf von Mrs. Jackson informierte Luc, dass Marie seit seiner Abreise nicht mehr zur Schule gegangen war. Mrs. Jackson berichtete ihm, sie habe Marie jeden Morgen zur Schule gefahren und gesehen, dass sie das Schulgebäude betrat. Bis sie entdeckte, dass Marie es auf geradem Weg durch die Hintertür wieder verließ.
Als er Marie fragte, wo sie sich herumgetrieben hatte, antwortete sie: »Im Einkaufszentrum.« Als er sie fragte, warum, sagte sie: »Keiner in dieser Schule kann mich leiden. Ich habe keine Freundinnen. Sie sind alle bescheuert.«
»Komm schon«, sagte er, »du wirst Freundinnen finden, und alles wird gut.«
Sie fing an zu weinen, und wie immer fühlte er sich schlecht und völlig unzulänglich. »Mir fehlt meine Mom. Ich will nach Hause.«
Nachdem er das Gespräch mit Marie und Mrs. Jackson beendet hatte, rief er seinen Manager, Howie Stiller, an. Am Dienstagabend, sobald er zu Hause wäre, würde Luc in seiner Post Informationsmaterial über diverse Privatschulen finden.
Klaviermusik wehte hinüber in die Ecke der Hotelbar, wo Luc sich niedergelassen hatte. Er hob eine Flasche Molson’s an die Lippen und nahm einen großen Schluck. Dass Marie nach Hause ging, stand nicht zur Debatte. Ihr Zuhause war jetzt seine Wohnung, aber offenbar gefiel ihr das Zusammenleben mit ihm nicht.
Er stellte die Flasche auf den Tisch und lehnte sich in seinen Sessel zurück. Er musste mit Marie übers Internat reden, und er hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde. Er wusste nicht, was sie davon hielt und ob sie verstand, dass es eine vernünftige und für sie günstige Lösung wäre. Blieb nur zu hoffen, dass sie nicht hysterisch wurde.
Am Tag des Begräbnisses ihrer Mutter war sie jenseits von Hysterie gewesen, und Luc hatte nicht gewusst, wie er mit ihr umgehen sollte. Verlegen hatte er sie in die Arme genommen und ihr versichert, dass er sich immer um sie kümmern würde. Und genau das würde er auch tun. Er würde dafür sorgen, dass sie immer alles hatte, was sie brauchte, aber er war ein verdammt armseliger Ersatz für ihre Mutter.
Wieso war sein Leben so kompliziert geworden? Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, und als er sie wieder senkte, sah er Jane Alcott auf sich zukommen. Wahrscheinlich war die Hoffnung, dass sie vorbeigehen würde, allzu kühn.
»Wartest du auf eine Freundin?«, fragte sie und blieb neben dem Sessel ihm gegenüber stehen.
Er hatte tatsächlich auf eine Freundin gewartet, die er jedoch eben angerufen hatte, um die Verabredung abzusagen. Nach seinem Gespräch mit Marie war er nicht mehr in der Stimmung für ein Date. Er überlegte, ob er sich mit ein paar Teamkameraden in einem Sportlokal in der Stadt treffen sollte. Er griff nach der Flasche, blickte Jane über den Hals hinweg an und nahm einen Schluck. Er sah, dass sie ihn beobachtete, und fragte sich, ob sie wohl – irrtümlicherweise – annahm, dass er, weil er ja von Schmerzmitteln abhängig gewesen war, nun automatisch Alkoholiker sein musste. In seinem Fall hatte das eine nichts mit dem anderen zu tun.
»Nein. Ich sitze hier einfach so rum«, antwortete er und senkte die Flasche. Irgendetwas war an diesem Abend anders an ihr. Trotz der dunklen Kleidung wirkte sie weicher, nicht so verbissen. Irgendwie süß. Ihr Haar fiel in wilden Locken auf die Schultern. Ihre grünen Augen schimmerten feucht wie nasses Laub, ihre Unterlippe wirkte voller, und die Mundwinkel bogen sich nach oben.
»Ich komme gerade von einem Geschäftsessen mit Darby Hogue«, informierte sie ihn, als hätte er danach gefragt.
»Wo?« In seiner Suite? Das würde ihr Haar, die Augen, das Lächeln erklären. Luc wäre nie auf die Idee gekommen, dass Darby auch nur im Entferntesten wusste, was er mit einer Frau anstellen sollte, geschweige denn, dass er fähig wäre, diesen weichen, taufrischen Schimmer auf Janes Gesicht zu zaubern. Und er hätte nie gedacht, dass Jane Alcott, der Erzengel der Verdammnis, so warm und sexy aussehen könnte. Verdammt.
»Im Hotelrestaurant natürlich.« Ihr Lächeln erlosch. »Was hast du denn gedacht?«
»Im Hotelrestaurant«, log er.
Sie ließ sich nicht hinters Licht führen, und wie er sie kannte, auch wenn das noch nicht sehr lange war, gab sie nicht so schnell Ruhe. »Sag nicht, du gehörst zu den Typen, die glauben, ich hätte mit Virgil Duffy geschlafen, um den Job zu bekommen.«
»Nein, ich doch nicht«, log er weiter. Sie alle hatten es für möglich gehalten, aber er wusste nicht, wie viele von seinen Kameraden es wirklich glaubten.
»Prima, und jetzt schlafe ich also mit Darby Hogue.«
Er hob eine Hand. »Das geht mich nichts an.«
Als die letzten Klaviertöne verhallten, ließ Jane sich in dem Sessel ihm gegenüber nieder und stieß den Atem aus. Von wegen ein bisschen Ruhe finden, verdammt.
»Warum werden Frauen immer wieder mit diesem Mist behelligt ?«, fragte sie. »Wenn ich ein Mann wäre, würde kein Mensch mir vorwerfen, ich käme nur gegen sexuelle Dienstleistungen an Aufträge. Wenn ich ein Mann wäre, käme niemand auf die Idee, dass ich mit meinen Informanten schlafe, um an eine Story zu kommen. Man würde mir höchstens auf die Schulter klopfen, mir fünf geben und sagen …« Sie unterbrach sich gerade lange genug in ihrer Tirade, um gleichzeitig Stimme und Brauen zu senken. »Prima Recherche, Spitzenjournalismus. Du bist unser Mann. Der beste Hengst im Stall.« Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern seitlich durchs Haar und schob es sich aus dem Gesicht. Ihre Ärmel fielen zurück und gewährten einen Blick auf die feinen blauen Äderchen an ihren schlanken Handgelenken, und der Stoff ihres Pullovers straffte sich über ihren Brüsten. »Niemand hat dich beschuldigt, mit Virgil zu schlafen, um deinen Job zu kriegen.«
Er hob den Blick und sah ihr ins Gesicht. »Das liegt daran, dass ich der beste Hengst im Stall bin.« Jeder von ihnen hatte sein Kreuz zu tragen, und nach diesem harten Tag hatte er nicht mehr die Energie, Mitgefühl und Verständnis vorzutäuschen. Luc Martineau hatte weder Zeit noch Kraft oder Lust, sich Gedanken über eine lästige Reporterin zu machen. Er hatte seine eigenen Probleme, verdammt, und eines davon war Jane.
Jane blickte ihn über den Tisch hinweg an, als Luc die Arme vor der Brust verschränkte. Das Deckenlicht ließ sein kurzes Haar noch blonder erscheinen und spielte auf seinen breiten Schultern in dem blau gemusterten Baumwollhemd. Die Farbe seines Hemdes unterstrich das Blau seiner Augen. Nach den zwei Martinis, die sie zum Essen getrunken hatte, erschien ihr die ganze Umgebung wie in einen hübschen, fröhlichen Schein gehüllt. So war es zumindest gewesen, bis Luc andeutete, dass sie und Darby miteinander schliefen.
»Hätte ich einen Penis«, sagte sie, »käme kein Mensch auf die Idee, dass ich Sex mit Darby hätte.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Wir sind uns nicht ganz klar über die sexuelle Orientierung dieses kleinen Frettchens. « Luc griff nach seinem Bier, und Jane wurde die Luft ein bisschen knapp. Er hatte die obersten zwei Hemdknöpfe offen gelassen, und die Bewegung gestattete ihr einen Blick auf sein Schlüsselbein, den oberen Teil seiner muskulösen Schultern und seinen kräftigen Hals.
Sie hätte Luc aufklären können, doch sie unterließ es, ihn darüber zu informieren, dass Darby beim Essen Tipps in Bezug auf Frauenbekanntschaften verlangt hatte. »Wie geht’s deinen Knien?«, fragte sie und stützte die Ellbogen auf den Tisch.
Er hob das Molson’s an die Lippen und sagte: »Hundertprozentig. «
»Völlig schmerzfrei?«
Er senkte die Flasche und sog einen Tropfen Bier von seiner Unterlippe. »Wie? Das weißt du nicht? Ich dachte, du hättest es zu deiner Berufung gemacht, meine Vergangenheit zu erforschen.«
Seine Eitelkeit war empörend, und er kam der Wahrheit ein bisschen zu nahe. Aus einem Grund, den sie sich selbst nicht so recht erklären konnte, interessierte Luc sie bedeutend mehr als alle anderen Chinooks. »Meinst du wirklich, ich hätte nichts Besseres zu tun, als meine Zeit mit Gedanken an dich zu verschwenden? Damit, ein paar kleine Leckerbissen über Luc Martineau auszugraben?«
Feine Fältchen erschienen in seinen Augenwinkeln, als er lachte. »Süße, Lucs Leckerbissen sind nun weiß Gott nicht klein.«
Die Jane, die die Singlefrau-Artikel schrieb, hätte eine schlagfertige Antwort parat gehabt und ihn mit ihrem Witz beeindruckt. Honey Pie hätte ihn an die Hand genommen und in einen Wäscheschrank gezerrt. Sie hätte sein Hemd vollends aufgeknöpft und ihre Lippen auf seine warme Brust gelegt. Hätte den Duft seiner Haut eingeatmet und sich an seinen heißen, harten Körper geschmiegt. Sie hätte sich mit eigenen Augen davon überzeugt, ob er die Wahrheit über diese Leckerbissen gesagt hatte. Doch Jane war weder die eine noch die andere. Die wahre Jane war gehemmt und schüchtern, und es ärgerte sie gewaltig, dass der Mann, der ihren Atem stocken ließ, derselbe Mann war, der durch sie hindurchsah und sie so unzulänglich fand.
»Jane?«
Sie blinzelte. »Ja?«
Über den Tisch hinweg streckte er die Hand aus und strich mit den Fingerspitzen über ihre Hand. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja.« Es war nur eine federleichte Berührung, vielleicht auch überhaupt keine, doch sie spürte das Prickeln über die Handfläche hinweg bis in den Unterarm. »Nein. Ich gehe jetzt in mein Zimmer.«
Die Kombination aus Alkohol, Lucs schmelzendem Ton und den Anstrengungen der vergangenen fünf Tage vernebelte ihr Gehirn, während sie sich nach den Aufzügen umsah. Ein paar Sekunden lang war sie orientierungslos. Drei verschiedene Hotels in fünf Tagen, und plötzlich erinnerte sie sich nicht mehr, wo sich die Aufzüge befanden. Sie richtete den Blick auf das Rezeptionspult und entdeckte den Lift rechts davon. Ohne ein Wort verließ sie die Hotelbar. Das war nicht gut, sagte sie sich auf dem Weg durchs Foyer. Er war so groß und so unverkennbar männlich, er brachte ihre Hand zum Prickeln und setzte ihren Verstand außer Kraft. Mit heißen Wangen blieb sie vor den Aufzügen stehen. Warum er? Sie mochte ihn nicht. Ja, er interessierte sie, aber das hatte nichts mit Mögen zu tun.
Luc griff von hinten um sie herum und drückte die Aufzugtaste. »Nach oben?«, fragte er dicht an ihrem Ohr.
»Oh, ja.« Sie hätte gern gewusst, wie lange sie noch wie eine Blöde stehen geblieben wäre, ohne zu merken, dass sie vergessen hatte, den Knopf zu drücken.
»Hast du was getrunken?«
»Wieso?«
»Du riechst nach Wodka.«
»Ich hatte ein paar Martinis zum Essen.«
»Ah«, sagte er. Die Türen öffneten sich, und sie stiegen in den leeren Aufzug. »Welche Etage?«
»Dritte.« Jane senkte den Blick auf ihre Stiefelspitzen und ließ ihn zu seinen blaugrauen Laufschuhen wandern. Als die Türen sich schlossen, lehnte er sich gegen die Wand und kreuzte die Füße. Der Saum seiner Levi’s berührte die strahlend weißen Schnürsenkel. Janes Blick wanderte an seinen langen Beinen und Schenkeln hinauf, über die Ausbuchtung seines Hosenstalls und die Knöpfe seines Hemdes bis zu seinem Gesicht. In dem beengten Raum des Aufzugs waren seine blauen Augen geradewegs auf ihr Gesicht gerichtet.
»Dein Haar ist schön, wenn du es offen trägst.«
Sie schob es an einer Seite hinters Ohr. »Ich hasse mein Haar. Ich kann nichts damit machen, und es fällt mir immerzu ins Gesicht.«
»Es ist nicht übel.«
Nicht übel? Als Kompliment gesehen, hatte es etwa den gleichen Stellenwert wie: ›So dick ist dein Hintern nun auch wieder nicht.‹ Warum wanderte das Prickeln in ihrer Hand bis in ihren Bauch? Die Türen öffneten sich und enthoben sie einer Antwort. Sie stieg aus, und er folgte ihr.
»Welche Zimmernummer hast du?«
»Drei-fünfundzwanzig. Und du?«
»Mein Zimmer ist auf der fünften Etage.«
Sie blieb stehen. »Dann bist du im falschen Stockwerk ausgestiegen. «
»Nein, bin ich nicht.« Er umfasste mit seiner großen Hand ihren Ellbogen und geleitete sie den Flur entlang. Durch den Pullover hindurch spürte sie die Wärme seiner Hand. »Als du da unten im Foyer gestanden hast, sah es so aus, als würdest du im nächsten Moment auf die Nase fallen.«
» So viel habe ich nun auch wieder nicht getrunken.« Sie wäre erneut stehen geblieben, hätte er sie nicht unbeirrbar über den blaugelb gemusterten Teppich geführt. »Begleitest du mich zu meinem Zimmer?«
»Ja.«
Sie musste an jenen ersten Morgen denken, als er ihre Aktentasche getragen und dann gesagt hatte, er würde nicht versuchen, nett zu sein. »Versuchst du dieses Mal, nett zu sein?«
»Nein, ich treffe mich gleich mit den Jungs, und ich will mir keine Sorgen darüber machen, ob du es bis in dein Zimmer geschafft hast, ohne unterwegs umzukippen.«
»Und das würde dir den Spaß verderben?«
»Nein, aber es könnte mich für ein paar Sekunden von Candy Peeks und ihrer frechen Cheerleader-Nummer ablenken. Candy hat wirklich hart mit ihren Pompons gearbeitet, und es wäre eine Schande, wenn ich ihr nicht meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken könnte.«
»Eine Stripperin?«
»Sie ziehen es vor, sich Tänzerin zu nennen.«
»Ahhh.«
Er drückte ihren Arm. »Bringst du das in die Zeitung?«
»Nein, dein Privatleben ist mir egal.« Sie zog die Plastikkarte fürs Türschloss aus ihrer Tasche. Luc nahm sie ihr aus der Hand und hatte die Tür geöffnet, noch bevor Jane protestieren konnte.
»Schön, denn ich habe dich nur verarscht. In Wirklichkeit treffe ich die Jungs in einem Sportlokal ganz in der Nähe.«
Sie blickte in sein Gesicht, auf das die Schatten aus ihrem dunklen Zimmer fielen. Welche Geschichte sie glauben sollte, wusste sie nicht so genau. »Und warum diese Verarschung? «
»Um diese kleine Falte zwischen deinen Brauen zu sehen.«
Sie schüttelte den Kopf, und er reichte ihr den Zimmerschlüssel.
»Bis dann, du Ass«, sagte er und drehte sich um.
Janes Blick heftete sich auf seinen Hinterkopf und die breiten Schultern, als er den Flur hinunterschritt. »Bis morgen Abend, Martineau.«
Er verhielt den Schritt und sah über die Schulter zurück. »Hast du vor, in den Umkleideraum zu kommen?«
»Natürlich. Ich bin Sportreporterin, und das gehört zu meiner Arbeit. Ganz so, als wäre ich ein Mann.«
»Aber du bist kein Mann.«
»Ich erwarte aber, dass ich wie ein Mann behandelt werde. «
»Dann lass dir einen guten Rat geben: Guck nicht nach unten«, sagte er, drehte sich wieder um und ging weiter. »Dann wirst du wenigstens nicht rot, und dein Kiefer klappt nicht runter bis auf den Boden wie bei einer Frau.«
Am nächsten Abend saß Jane in der Presseloge und verfolgte den Kampf der Chinooks gegen die Los Angeles Kings. Die Chinooks hatten einen starken Auftritt und erzielten in den ersten beiden Dritteln drei Tore. Es sah aus, als hätte Luc sein sechstes Nullspiel in dieser Saison, bis ein Fehlschuss vom Handschuh des Verteidigers Lynch abprallte und hinter Luc ins Netz ging. Am Ende des letzten Drittels war der Spielstand drei zu eins, und Jane atmete erleichtert auf. Die Chinooks hatten gewonnen. Sie war kein Unglücksbringer. Zumindest nicht an diesem Tag. Wenn sie morgen aufstand, würde sie noch in Lohn und Brot sein.
Sie sah ihren ersten Auftritt im Umkleideraum der Chinooks wie einen abscheulichen Farbfilm vor ihrem inneren Auge ablaufen, und ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft, als sie eintrat. Die anderen Reporter befragten bereits den Mannschaftskapitän Mark Bressler, der vor seiner Nische stand und Auskunft gab.
»Wir haben ein gutes Spiel geliefert«, sagte er, während er sich das Trikot über den Kopf zog. »Wir haben Überzahlspiele genutzt und den Puck ins Netz gedonnert. Das Eis war heute Abend weich, aber das hat unser Spiel nicht beeinträchtigen können. Wir wussten, was wir zu tun hatten, und wir haben es getan.«
Ohne den Blick von seinem Gesicht zu lösen, tastete Jane in ihrer Tasche nach dem Kassettenrekorder. Sie hob die Notizen, die sie während des Spiels gemacht hatte, vor ihre Augen. »Eure Verteidigung hat zweiunddreißig Schüsse aufs Tor durchgelassen«, meldete sie sich zwischen den anderen Fragen zu Wort. »Wollen die Chinooks einen bewährten Verteidiger akquirieren, bevor am 19. März das Austauschultimatum abläuft?« In ihren Augen war es eine ziemlich tolle Frage. Insidermäßig geradezu.
Mark sah sie durch die anderen Reporter hindurch an und sagte: »Die Frage kann nur Nystrom beantworten.«
Also doch nicht so insidermäßig.
»Du hast heute Abend das dreihundertachtundneunzigste Tor deiner Karriere erlebt. Wie fühlt man sich da?«, fragte sie. Das wusste sie nur, weil sie die Fernsehreporter in der Presseloge darüber hatte reden hören. Sie hoffte, dem Kapitän mit ein wenig Schmeichelei eine Stellungnahme entlocken zu können.
»Gut.«
Tolle Stellungnahme.
Sie drehte sich um und strebte an einer Reihe übermächtig erscheinender Männer auf Nick Grizzell zu, der das erste Tor geschossen hatte. Wie auf ein Stichwort fielen lange Unterhosen, wurden Suspensorien abgeschnallt, als sie vorüberging. Sie hielt den Kopf hoch und den Blick geradeaus gerichtet, während sie ihren Kassettenrekorder einschaltete und die Fragen der anderen Reporter aufnahm. Bei der Times würde ja keiner wissen, dass nicht sie diese Fragen gestellt hatte.
Grizzell war erst vor einer Woche nach einer Verletzung ins Team zurückgekehrt, und sie fragte ihn: »Was ist das für ein Gefühl, wenn man gerade erst wieder im Spiel ist und gleich das erste Tor schießt?«
Er sah sie über die Schulter hinweg an und ließ sein Suspensorium fallen. »Prima.«
Jane hatte genug von diesem Unsinn. »Toll«, sagte sie. »Ich werde deine Antwort zitieren.«
Sie sah zu einer wenige Schritte entfernten Nische hinüber und entdeckte Luc Martineau, der sie auslachte. Ausgeschlossen, dass sie zu ihm ging und ihn fragte, was es denn zu lachen gab.
Sie wollte es gar nicht wissen.