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Da lag es, spitzgiebelig, mitten im Grünen hinter der Birkengruppe. Die Sonne spiegelte sich im Fenster von Janna-Bertas Zimmer, darüber blühten – in diesem Jahr besonders üppig – die Geranien am Balkon der Großeltern. Oma Bertas Stolz.
Die Großeltern würden alles aus der Zeitung erfahren.
Uli erschien auf dem unteren Balkon und winkte. »Sie haben uns heimgeschickt!« rief er. »In der Luft soll Gift sein! Ganz viel Gift! Und Almut hat angerufen, wir sollen in den Keller gehen. Ich hab schon Kartoffeln gerieben!«
Aus der Balkontür tönte ernste Musik. Uli hatte das Radio angestellt. Janna-Berta lief den Steilhang hinauf, nahm immer mehrere Stufen auf einmal. Uli hielt ihr die Tür auf. Sie warf die Tasche weg und stürzte ins Wohnzimmer. »Die sagen dauernd was von einer Wolke«, berichtete Uli aufgeregt. »Und die Wolke, die ist giftig. Aber ich hab's nicht richtig mitgekriegt.«
Die Musik war so laut, daß ihn Janna-Berta kaum verstehen konnte. Sie lief in die Küche und drehte das Radio leiser.
»Ich weiß, was los ist«, sagte sie.
»So was war schon mal im Fernsehn«, sagte Uli. »Da war was explodiert, und dann ...«
»Hat nur Almut angerufen?« unterbrach ihn Janna-Berta.
»Das Telefon hat noch mal geklingelt, aber da war ich im Keller, Kartoffeln holen. Wie ich wieder hochkam, war's schon weg.«
»Das war sicher Vati«, sagte Janna-Berta. »Oder Mutti. Warum bist du nicht hochgerannt?«
»Mit den ganzen Kartoffeln?«
»Du bist ein Schaf!«, schrie Janna-Berta.
»Wir wollten doch Reibekuchen machen«, sagte Uli vorwurfsvoll.
Janna-Berta lief ans Telefon und wählte Jos Nummer mit der Schweinfurter Vorwahl. Aber sie hörte nur das Freizeichen und ihren eigenen heftigen Atem. Uli wollte mithören. Sie stießen fast mit den Köpfen zusammen. Janna-Berta legte auf und wählte Almuts Nummer. Almut war ihre Lieblings verwandte: Muttis jüngere Schwester. Lehrerin. Verheiratet mit Reinhard, der auch Lehrer war. Sie unterrichteten in Hammelburg, wohnten aber in Bad Kissingen. Unter ihrer Nummer meldete sich auch niemand. Natürlich, Almut und Reinhard waren ja um diese Zeit in der Schule.
Janna-Berta kam ein böser Verdacht: Lagen Hammelburg und Bad Kissingen nicht auch irgendwo südlich von Fulda? Jedenfalls wußte sie genau, daß sie immer über Fulda gefahren waren, wenn sie Almut besucht hatten.
Sie nahm den Atlas aus dem Bücherregal und blätterte hastig, bis sie die richtige Seite gefunden hatte.
»Ich geh Kartoffeln reiben«, sagte Uli, zog die Nase hoch und verschwand wieder in der Küche.
Janna-Berta beugte sich über den Atlas: Hammelburg und Bad Kissingen lagen nahe bei Grafenrheinfeld. Sie versuchte ihre Gedanken zu sammeln. Nur zwanzig Kilometer! Almut hatte angerufen und geraten, in den Keller zu gehen. Hockte sie nun selber im Keller? Almut erwartete ein Kind.
»Sie sagen wieder was!« rief Uli aus der Küche.
Janna-Berta lief hinüber. Uli drehte an den Knöpfen des Radios.
Mit ungeheurer Lautstärke dröhnte es durch die Wohnung: »Der Katastrophenstab für den Regierungsbezirk Unterfranken/ Würzburg gibt folgende Anordnung bekannt: Durch den bereits gemeldeten Unfall im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld wurde vorübergehend Radioaktivität freigesetzt. Dadurch sind in einigen Gebieten der näheren Umgebung des Kernkraftwerkes Vorsichtsmaßnahmen für die Bevölkerung unumgänglich. Die Bevölkerung wird zur sofortigen Räumung folgender Ortschaften aufgefordert –«*
»Was sagt er?« fragte Uli.
»Sei doch still!« rief Janna-Berta.
Sie hörte das Wort Schweinfurt. Auch Bad Kissingen und Hammelburg wurden genannt. Eine Reihe anderer Ortsnamen folgte. Sie stellte das Radio wieder leiser. Am Knopf klebten Raspeln roher Kartoffeln.
»Kraftfahrzeugbesitzer werden gebeten, ältere oder gehbehinderte Nachbarn und Mütter mit Kleinkindern bis zur nächsten Kontrollstelle mitzunehmen ...«, hörte Janna-Berta. Und dann: »Wer nicht motorisiert ist, begibt sich auf kürzestem Weg zur nächsten Schule, Sporthalle, Gemeindehalle, Kirche oder einem anderen Versammlungsraum und wartet auf die Abholung. Beim Verlassen der Wohnung sollten Sie nur das Notwendigste mitnehmen! Dazu gehören ...«*
* Die kursiv gesetzten und mit einem Sternchen gekennzeichneten Passagen sind, nur leicht geändert, amtlichen Entwürfen von Katastrophenschutzplänen entnommen.
Bayern 3. Janna-Berta versuchte, einen hessischen Sender zu finden. Als die Stimme des Ansagers verstummte, dröhnte von draußen, durch die offene Balkontür, der Lautsprecher eines Polizeiwagens. Uli rannte schon auf den Balkon, Janna-Berta ihm nach. Sie beugten sich über die Brüstung. Der Wagen fuhr die Bahnhofstraße entlang, sie konnten ihn genau sehen.
»Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei! Innerhalb des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld bei Schweinfurt hat sich heute gegen zehn Uhr ein kerntechnischer Unfall ereignet. Die Bevölkerung von Schlitz wie des gesamten Vogelsbergkreises wird zum Schutz ihrer Gesundheit dringend gebeten, sich sofort in geschlossene Räume zu begeben und alle Türen und Fenster zu schließen.
Schalten Sie Lüftungs- und Klimaanlagen ab. Essen Sie vorerst möglichst nur im Hause vorhandene Konserven aus Dosen, Gläsern oder sonstigen staubdichten Verpackungen! Schließen Sie Ihre Haustiere sofort in Wohnung oder Stall ein. Verfüttern Sie an Haustiere nur in Haus, Scheune oder Stall gelagerte Futtermittel. Schalten Sie Ihr Rundfunk- oder Fernsehgerät ein. Informieren Sie Ihre Mitbewohner im Haus. Dies sind vorsorgliche Maßnahmen! Es besteht deshalb kein Anlaß zur Beunruhigung. Bleiben Sie ruhig und besonnen. Über etwaige notwendige weitere vorsorgliche Schutzvorkehrungen werden Sie unterrichtet ...«*
Der Lautsprecher verstummte.
»Das hat Almut auch gesagt«, rief Uli. »Wir sollen in den Keller gehen und alle Türen und Fenster zumachen. Aber die anderen fahren alle weg!«
Er zeigte hinunter auf das Städtchen. Lärm hallte herauf. Wagen stauten sich an den Einmündungen zur Bahnhofstraße und hupten. Wo die Straße aus Fulda auf die Bahnhofstraße stieß, hatte sich eine Schlange gebildet. Vor der Kreissparkasse waren zwei Wagen aufeinandergeprallt. Janna-Berta hörte Geschrei. Aber es gab keinen Auflauf. Auch auf der Abzweigung nach Lauterbach hatte es eine Karambolage gegeben. Die Wagen umfuhren die Unglücksstellen, schaukelten über den Bürgersteig. Die Straße nach Westen, nach Lauterbach hinüber, war stark belebt. Aber der stärkste Verkehr rollte nach Norden. Offensichtlich versuchten viele, auf die Autobahn Würzburg-Kassel zu kommen.
Unten, gegenüber der Garage, stiegen Soltaus in ihren Wagen. Der war vollgestopft mit Gepäck. Auf dem Rücksitz saß, eingezwängt zwischen Taschen und Kartons, die alte Frau Geibert. Frau Soltau streckte den Kopf aus dem Seitenfenster.
»Ihr wollt doch nicht etwa dableiben?« rief sie herauf. »Das Zeug kann jeden Augenblick hier sein!«
»Fenster zu!« hörte Janna-Berta Herrn Soltau brüllen.
Frau Soltau zog den Kopf zurück, das Fenster schloß sich, der Wagen rollte abwärts und verschwand hinter der Hangmauer.
»Warum fahren sie weg?« fragte Uli.
»Sie haben Angst«, antwortete Janna-Berta.
»Wir auch?« fragte Uli.
Janna-Berta schluckte. »Nein«, sagte sie, ohne Uli anzusehen.
Sie versuchte, ihre Lage zu überdenken. Sie besaßen nur Fahrräder. Konnten sie auf ihnen dem Südostwind entkommen? Sie beobachtete die Lärchenzweige im Nachbargarten. Sie hoben und senkten sich. Der Wind hatte nicht nachgelassen. Aber vielleicht hatte er sich gedreht? Sie hob ihr Taschentuch. Es flatterte noch immer nach Nordwest. Etwas mehr nach Norden als nach Westen.
Atombunker kamen ihr in den Sinn. Vielleicht sollten sie sich doch im Keller einrichten?
»Bleiben wir da oder fahren wir weg?« drängte Uli. »Wenn wir dableiben, geh ich die Kartoffeln fertigreiben. Ich hab Hunger –«
Almut hatte geraten, in den Keller zu gehen, und die Polizei auch. Der Vorratskeller der Großeltern war wahrscheinlich der beste Raum dafür. Er lag an der rückwärtigen Mauer des Hauses, tief im Berghang. Oma Berta hatte dort ganze Reihen von Konservendosen, vollen Weckgläsern und Marmeladengläsern stehen, auch Unmengen von Mehltüten, Milchpulverbüchsen, Zuckersäckchen, Nudelpackungen, von allem, was eßbar und haltbar war. Sie achtete immer genau darauf, daß keine Lücken entstanden. Opa Hans-Georg behauptete, sie hätte einen Eichhörnchenkomplex. Und Vati hatte Janna-Berta einmal erklärt, seine Mutter habe sich die Horterei im letzten Weltkrieg angewöhnt. Damals sei das auch richtig und notwendig gewesen.
Janna-Berta warf einen Blick auf ihre Uhr. Zwölf Uhr zwei. Seit sie die Schule verlassen hatte, waren dreiundsechzig Minuten vergangen.
»Wir bleiben hier«, sagte sie entschlossen. »Im Keller.«
Uli nickte und wollte in die Küche zurück. Janna-Berta erklärte ihm, daß jetzt keine Zeit zum Kartoffelreiben blieb, und ließ ihn Besteck und Geschirr für den Keller zusammensuchen. Sie selber lief durchs ganze Haus und schloß Türen und Fenster. Oma Bertas Vorratskeller hatte kein eigenes Fenster, sondern nur eine Luke zum Nachbarkellerraum. Dessen Fenster schloß sie sorgfältig.
Uli hatte das Radio in der Küche wieder auf volle Lautstärke gedreht. Bis in den Keller schallte eine neue Durchsage: »An alle Einwohner Nordbayerns und Osthessens: Bitte verlassen Sie Ihren Wohnort nicht, solange die zuständigen Behörden Sie nicht dazu auffordern! Alle ernstlich gefährdeten Bezirke werden evakuiert. Wer unaufgefordert flüchtet, stört den reibungslosen Ablauf des Verkehrs und damit auch die Evakuierungsmaßnahmen. Die Polizeiorgane sind angewiesen, gegen alle Zuwiderhandlungen drastisch vorzugehen, um die Verkehrswege für eine geordnete Evakuierung freihalten zu können. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Handeln Sie mit Verantwortungssinn!«*
»Schalt aus«, rief Janna-Berta hinauf, »sonst hören wir das Telefon nicht klingeln!«
Uli schaltete das Radio aus, stülpte sich eine Schüssel auf den Kopf und trug einen Henkeltopf, voll mit Messern, Gabeln, Löffeln und einem Büchsenöffner, in den Keller. Janna-Berta hastete in Ulis Zimmer, riß Jeans aus dem Schrank, Unterwäsche, T-Shirts, zwei Pullover, stopfte sie in eine große Plastiktüte, klappte Ulis Bett auf, zerrte Steppdecke und Kopfkissen heraus und schleppte alles treppab bis zur Tür von Oma Bertas Keller. Dann rannte sie wieder hinauf und schleifte Ulis Matratze hinunter, fieberhaft überlegend, was sie beide da unten außer Bettzeug, Kleidung und Essen noch brauchen würden. Kerzen? Es konnte einen Stromausfall geben. Ein paar Bücher. Memory und Malefiz. Spielzeug für Uli, vor allem seinen Teddybär. Ohne ihn weigerte er sich zu schlafen. Wasser – wie war es mit Wasser?
Atemlos holte sie auch ihr Bettzeug. »Und wenn wir mal müssen?« rief Uli vom Keller herauf, wo er seine Matratze neben Oma Bertas Kartoffelkiste schleifte und seine Daunendecke darüberbreitete.
Daran hatte Janna-Berta noch nicht gedacht. Konnten sie dazu in die Wohnung hinaufgehen? Oder sollte sie einen Eimer mit Deckel in den Kellerraum stellen? Würden sie es aushalten in dem Gestank? Da schrillte das Telefon. Janna-Berta stürzte ins Wohnzimmer. Es war Frau Jordan, die Nachbarin.
»Seid ihr denn allein, um Himmels willen?« fragte sie. »Ich hab euch auf dem Balkon gesehen. Wir fahren gleich. Kommt rüber, wir haben noch Platz.«
»Nein«, sagte Janna-Berta. »Wir sollen hierbleiben. Wir gehen in den Keller.«
»Sagen das eure Eltern?« fragte Frau Jordan. »Die müssen ja wissen, was sie tun.«
Sie legte auf.
»Jetzt ist sie eingeschnappt«, dachte Janna-Berta.
Kaum war sie wieder im Treppenhaus, schrillte das Telefon noch einmal. Es war Mutti.
»Janna-Berta!« rief sie mit einem ungewohnten Unterton in der Stimme. »Bist du's? Gott sei Dank – ich hab schon zweimal angerufen, aber es hat sich niemand gemeldet –«
»Ich bin gerade erst heimgekommen«, antwortete Janna-Berta. »Sollen wir wirklich im Keller bleiben? Die andern fahren alle weg!«
»Nein«, schrie die Mutter, »nicht in den Keller, dort seid ihr nicht sicher! Es dringt überall ein. Ihr müßt so schnell wie möglich weg. Fahrt mit Soltaus –«
»Die sind schon fort«, sagte Janna-Berta.
»– oder mit Jordans oder Hofmanns oder Manholts! Ruf sie an und bitte sie drum, euch mitzunehmen. Sie tun's bestimmt! Sie wissen nicht, daß ihr allein daheim seid, sonst hätten sie euch schon geholt.«
»Gut, Mutti, ich ruf sie an«, sagte Janna-Berta. »Und wo treffen wir euch wieder?«
»Nimm das grüne Adreßheft aus meinem Schreibtisch«, sagte die Mutter. »Dort sind alle Adressen und Telefonnummern drin. Helga in Hamburg ist die erste Kontaktadresse, hörst du? Und nimm Geld mit, damit ihr euch nicht alles schenken lassen müßt. In der linken Schreibtischschublade! Jetzt mach, ihr müßt weg! Mein Kleingeld ist auch gleich alle.«
»Rufst du nicht von Jo an?« fragte Janna-Berta erstaunt.
»Wir sind am Bahnhof und warten auf den Abtransport«, sagte die Mutter. »Sie haben Sonderzüge eingesetzt. Mit dem nächsten oder übernächsten kommen wir fort.«
Janna-Berta hörte Kai weinen.
»Und Vati?« fragte Janna-Berta. Sie spürte, wie ihr Herz zu klopfen begann.
»Er war auf der Tagung, als es losging«, antwortete die Mutter hastig. »Hier kann er uns nicht finden. Er ist sicher längst abgefahren.«
»Und Jo?« rief Janna-Berta.
»Frag doch nicht so viel, Kind, das kostet alles Zeit!« schrie die Mutter. Ihre Stimme überschlug sich. »Jo ist irgendwo im Rotkreuzeinsatz. Sie haben sie gleich nach dem Alarm gerufen. Hier geht alles drunter und drüber –«
»Aber die Wolke ist doch längst über euch!« schrie Janna-Berta zurück.
»Fahrt los!« schrie die Mutter. »Fahrt, um Gottes will –«
Da brach das Gespräch ab. Im Hörer rauschte es. Janna-Berta hielt ihn noch eine Weile ans Ohr gepreßt. Dann legte sie auf.
»Und?« fragte Uli, der ganz verschwitzt aus dem Keller kam. »Wer war's?«
»Mutti«, sagte Janna-Berta. »Es geht ihnen gut. Sie sagt, wir sollen nicht im Keller bleiben. Wir sollen mit irgend jemand wegfahren.« Sie lief hinaus auf den Balkon und beugte sich übers Geländer. Jordans waren weg. Erleichtert kehrte sie zum Telefon zurück und rief Manholts an. Aber niemand meldete sich.
»Und wozu haben wir das ganze Zeug runtergeschleppt?« schimpfte Uli.
Janna-Berta rief Hofmanns an. Tina Hofmann meldete sich. Tina war in der Grundschule Janna-Bertas Klassenkameradin gewesen.
»Wir bleiben hier«, sagte Tina. »Im Keller. Kommt doch zu uns! Soll ich dir meine Mutter geben?«
Aber Janna-Berta wollte nicht mit Tinas Mutter sprechen. Sie verabschiedete sich knapp und warf den Hörer auf die Gabel.
»Wir fahren allein los«, sagte sie entschlossen. »Mit dem Rad.«
Ulis Miene hellte sich auf. Er fuhr gern Rad. Janna-Berta ließ ihn die Plastiktüte mit seinen Kleidern aus dem Keller holen und seine Jacke anziehen, schüttete ihre Schultasche aus, stopfte eine Hose aus ihrem Kleiderschrank, ein T-Shirt und eine Handvoll Unterwäsche hinein, dann ein frisches Paket Schnittbrot und eine Packung Käsescheiben aus dem Kühlschrank. In die vordere Reißverschlußtasche schob sie Muttis Geldbörse und das Adreßheft. Zu Ulis Teddybär, den er entschlossen umarmt hielt, nickte sie resigniert. Ohne ihn würde Uli wohl nicht mitkommen. Sie schloß noch schnell die Balkontür, dann nahm sie ihre Jacke und verließ mit Uli das Haus. Sie trieb ihn zur Eile an.
Sie liefen die Treppe hinunter und schoben ihre Räder aus der Garage. Janna-Berta klemmte Plastiktüte, Bär und Jacke auf Ulis Gepäckträger und die Tasche auf ihren eigenen, dann fuhren sie los.
»Bleib immer dicht hinter mir!« rief sie Uli zu.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war zwölf Uhr und vierundvierzig Minuten. Seit dem Alarm waren nicht einmal zwei Stunden vergangen, und doch kam es ihr vor wie eine Ewigkeit.
Noch bevor der Hangweg in die nächste Straße mündete, rief Uli aufgeregt: »Und wer füttert jetzt Coco?«
Coco war Opa Hans-Georgs Wellensittich. Sein Käfig hing im Wohnzimmer der Großeltern. Uli hatte ihnen fest versprochen, Coco während ihrer Mallorca-Reise gewissenhaft zu füttern und zu pflegen. Das hatte er bisher auch getan. Sogar an diesem Vormittag, vor dem Kartoffelreiben.
»Niemand«, rief Janna-Berta zurück. »Der ist jetzt auch nicht wichtig.«
»Natürlich ist er wichtig!« rief Uli empört.
Und schon bremste er, sprang vom Fahrrad und drehte um.
»Bleib hier!« schrie Janna-Berta. Sie holte ihn ein und herrschte ihn an: »Du bleibst hinter mir, hörst du! Du hast ja keine Ahnung, du Blödmann!«
Uli brach in Tränen aus. Aber er stieg wieder aufs Rad und folgte ihr.