PROLOG

POCATELLO, IDAHO

Amalie Kimbo hatte schon vor langer Zeit gelernt, den Mund zu halten.

Als sie noch klein war, hatte sie sich nicht beherrschen können und den anderen Kindern von den hilfsbereiten Geistern und hinterlistigen Dämonen erzählt, deren Gegenwart nur sie spürte. Aber ihre Mutter hatte sie gewarnt: Wenn sie nicht als Hexe abgestempelt und verbannt werden wollte, dann sollte sie derartige Gedanken besser für sich behalten. Als sie dann in dieses Land namens Idaho gekommen war, hatte sie sich vorgenommen, ihre dunklen Vorahnungen nicht mit den anderen Frauen zu teilen. Sie waren ja zum Arbeiten gekommen, wollten in wenigen Monaten mehr Geld kassieren, als sie normalerweise in ihrem ganzen Leben verdienten. Aber kaum hatte sie ihren Fuß auf den gefrorenen Boden gesetzt, war Amalie klar geworden, dass sie einen schrecklichen Fehler begangen hatte.

Sie stammte aus dem Westen des Kongo, aus der Stadt Kama. Sie war jetzt einundzwanzig Jahre alt und hatte in den letzten fünf Jahren in der Maniokfabrik von Monsieur Nzute gearbeitet, wo sie die kartoffelähnlichen Wurzelknollen zu Mehl verarbeitete. Die Arbeit war nicht unbedingt schlecht, allerdings trank Monsieur Nzute zu viel und schlug sie und die anderen jungen Frauen, die für ihn arbeiteten. Manchmal kam es auch schlimmer. Christiane Shango, Amalies beste Freundin, war die Jüngste und Hübscheste in der ganzen Fabrik. Sie hatte mehr als alle anderen unter Monsieur Nzute zu leiden. Einmal war Christiane mitten in der Nacht zu Amalie ins Bett gekrochen und hatte am ganzen Körper gezittert. Ihr Kleid war zerrissen gewesen und die Innenseite ihrer Schenkel blutverkrustet. Christiane wollte ihr nicht sagen, was passiert war – nicht beim ersten Mal und auch nicht danach, aber das war nicht nötig. Amalie wusste es auch so.

Als dann ein Amerikaner namens Collier Christiane eine Arbeit in seiner Maniokfabrik in den Vereinigten Staaten anbot, bat sie Amalie, sie zu begleiten. Monsieur Collier, ein dünner Mann mit sanfter Stimme, versprach ihnen Unterkunft, Essen und einen Lohn von dreitausend US-Dollar für drei Monate Arbeit. Was bedeutete, dass Amalie und Christiane, wenn sie nach Hause zurückkehrten, genug Geld besaßen, um sich ein Haus zu kaufen und ein eigenes Geschäft aufzumachen – vielleicht einen kleinen Laden, in dem sie Töpfe und Pfannen verkauften. Wenn Christiane dann Monsieur Nzute auf der Straße begegnete, konnte sie ihm einen Blick zuwerfen, der ihm deutlich zu verstehen gab, was sie von ihm hielt.

Die Arbeit in Idaho war genau die gleiche wie in Kama. Amalie bediente eine Maschine, die die dunkle Rinde vom weißen, körnigen Fleisch der Maniokknollen abschälte. Die Maniokknollen wurden zu Mehl zermahlen, aus dem man Brot oder Kuchen backte. Man konnte sie aber auch wie Kartoffeln kochen und essen oder aus ihrem Mehl Tapioka herstellen, die kleinen Kügelchen, die man mit Milch vermischte oder zu einem Pudding verarbeitete.

Bei Amalies Aufgabe waren Schnelligkeit und Geschicklichkeit gefragt. Die Schälmaschine besaß zwei große Raspeln, die die Schale von den Knollen abzogen. Manchmal blieben die Knollen in der Maschine hängen, und dann musste jemand mit der Hand hineingreifen und aufpassen, dass sie nicht zwischen die Raspeltrommeln geriet. Diesen Fehler machte man nur einmal. Die Raspeln konnten einem den Arm abreißen oder die Haut und das Fleisch bis auf die Knochen abschälen.

Bisher war Amalie immer sehr vorsichtig gewesen. Und hatte Glück gehabt. Sie fragte sich sogar, ob ihre dunklen Vorahnungen falsch gewesen waren, ein Echo vergangener harter Zeiten und einer anderen Welt. Aber eines Morgens, mitten im dritten Monat ihrer Zeit in Idaho, brach Christiane zusammen. Sie hatte Schaum vor dem Mund, nur noch das Weiße ihrer Augäpfel war zu sehen. Amalie wusste sofort, dass die bösen Geister zurückgekehrt waren.

Ihre Arme waren noch immer vom Manioksaft verschmiert, als sie Christianes Kopf hielt. Sie fühlte sich schuldig, sie hätte sie warnen sollen.

Estelle Olagun schüttelte den Kopf und sagte: »Konzo.«

Die anderen Frauen versammelten sich um sie herum und schnalzten mit den Zungen. Konzo war eine Krankheit, die in Dürrezeiten ausbrach, wenn die Menschen nur wenig zu trinken hatten und kaum andere Nahrungsmittel außer Maniok. Manche behaupteten, in der Maniokwurzel sei ein Gift enthalten, aber Amalie wusste, dass Konzo, wie alle Krankheiten, ein Fluch war, den böse Dämonen über die Menschen brachten.

»Monsieur Collier hat eine Medizin dagegen«, sagte Estelle. »Ich werde ihn holen.«

»Nein«, sagte Amalie. »Ich kümmere mich um sie. Helft mir bitte, Christiane zu ihrem Schlafplatz zu bringen.«

»Du willst dich um sie kümmern? Hast du etwa solche Medikamente wie Monsieur Collier?«

»Ich werde ihr helfen, die bösen Geister zu besiegen.«

»Böse Geister, böse Geister, du immer mit deinen bösen Geistern.« Estelle schaute sie finster an. »Mit diesem Gerede wirst du noch in der Hölle landen.« Estelle war vor einigen Jahren einer christlichen Sekte beigetreten und sprach ständig davon, dass man in die Hölle kommen konnte.

»Ich weiß, was ich weiß«, sagte Amalie. »Lasst es mich mal versuchen, bevor ihr ihn holt.«

Estelle hörte nicht auf sie, sondern ging zum Telefon. Sie war die Älteste und wurde deshalb von den anderen Arbeiterinnen als eine Art mütterliche Autorität geachtet. Amalie fand keine Verbündete für ihr Vorhaben.

Wenige Minuten später traf Monsieur Collier ein. Er stampfte mit den Füßen auf, um den Matsch abzuschütteln, und klopfte sich den Schnee vom Mantel. »Qu’est-ce qui s’est passé?«, fragte er auf Französisch mit starkem Akzent. Die Reihe der Frauen teilte sich wie ein Vorhang, damit er die kranke Christiane sehen konnte. Ihre kleinen Brüste hoben und senkten sich mit jedem ihrer flachen Atemzüge.

Collier legte seine Hand auf die schweißbedeckte Stirn der jungen Frau. »Konzo«, sagte er mitfühlend.

»Aber Sie können ihr doch helfen, nicht wahr?« Estelle knetete nervös die Hände.

Monsieur Collier sah sie an. Er schien über etwas nachzudenken, bevor er schließlich antwortete: »Sie wird wieder gesund. Aber ich muss sie ins Krankenhaus bringen.«

»Nein!«, brach es aus Amalie hervor.

»Was ist denn bloß los mit dir«, fragte Estelle. Dann schnippte sie mit den Fingern und forderte eine der Umstehenden auf: »Los, wir müssen sie hochheben.«

Hilflos folgte Amalie den beiden Frauen, die Christiane in die Kälte hinaustrugen. Draußen ächzten und stöhnten die Bäume, deren Zweige dick mit Schnee beladen waren. Irgendwo im Wald splitterte lautstark ein Ast und fiel zu Boden.

Monsieur Collier öffnete die Tür seines Pick-ups. Monsieur Nzute hätte niemals für eine Frau eine Tür aufgemacht, erst recht nicht für eine seiner Arbeiterinnen. Aber Amalie wusste, dass Monsieur Colliers Geste völlig bedeutungslos war. Hinter der freundlichen Maske, die er aufgesetzt hatte, lauerte der Mbwiri, ein Dämon, der in die Menschen fährt und sie dazu bringt, um sich zu schlagen und Schaum zu spucken. Manchmal zwang der Mbwiri die Besessenen sogar, Menschenfleisch zu essen oder schändliche sexuelle Handlungen zu begehen.

Amalie spürte die Wärme, die aus dem Transporter drang, als die Frauen Christiane hineinschoben. Monsieur Collier zog den Sicherheitsgurt über die Kranke und nahm sich ein bisschen viel Zeit, ihre Kleider glatt zu ziehen. Der Anblick seiner ekligen weißen Haut, die sich von Christianes hübschem dunklem Teint abhob, ließ sie erschauern. Bitte, lieber Gott, sag mir, was ich tun soll, betete sie. Aber Gott gab keine Antwort.

»Geht zurück an die Arbeit«, sagte Monsieur Collier. Er hatte kleine schiefe Zähne.

Die anderen Frauen gingen zurück in die Fabrik, als er davonfuhr. Amalie blieb in der Kälte stehen und schaute dem Pick-up hinterher. Sie war sicher, dass sie ihre Freundin nie mehr wiedersehen würde. Nur die Bäume wussten, was hier geschah. Die Zweige mit den vielen grünen Nadeln zischten im Wind wie tausend Schlangen.

Dale Wilmot fand noch immer nicht die richtigen Worte. Obwohl er im Laufe der Jahre zahllose Reden geschrieben, Geschäftspläne erstellt und Unternehmensleitbilder entworfen hatte, war ihm bislang keine Aufgabe so schwergefallen wie diese. Es handelte sich um einen Brief an seinen Sohn Evan. Er kam nicht voran, weil dieser Brief an ein weitaus größeres Publikum adressiert war als nur an seinen Sohn. Die Medien würden ihn verbreiten und die Strafverfolgungsbehörden ihn analysieren. Am Ende würden die Historiker ihr Urteil darüber fällen. War es übertrieben, dieses Dokument mit der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten oder Abraham Lincolns Rede in Gettysburg zu vergleichen? Auf jeden Fall war es mehr als nur der Versuch eines Mannes, seine Handlungen dem eigenen Sohn gegenüber zu erklären. Es war ein Aufruf, der das in seiner Selbstgefälligkeit gelähmte amerikanische Volk aufrütteln sollte. Zu lange schon hatten die Bürger dieses Landes sich mit ihrer Sklavenrolle abgefunden. Dafür wollte er alles opfern, was er besaß, sogar sein eigenes Leben.

Er seufzte und wandte seinen Blick von dem leeren Computerbildschirm ab. An der Wand seines mit Mahagoniholz vertäfelten Arbeitszimmers hingen Fotos, auf denen er Präsidenten und Premierministern die Hand schüttelte oder mit Spitzensportlern und Wirtschaftsführern Golf spielte. Auf den Fotos strahlte der Mann mit dem dichten Haarschopf, dem markanten Kinn und dem souveränen Lächeln sehr großes Selbstvertrauen aus. Man sah sofort, dass dies ein Mensch war, der sich nicht nur zwischen den Reichen und Mächtigen wohlfühlte, sondern auch tatsächlich reiten und schießen und, wenn nötig, sogar einen Sicherungskasten neu verdrahten konnte. Über die Jahre war es ihm gelungen, dank seiner Anteile im Holzhandel, in der Logistikbranche sowie im Heizungs- und Klimaanlagengeschäft ein kleines Vermögen anzuhäufen. Er war ein einflussreicher Mann, und nicht nur seine großen, zupackenden Hände zeugten davon, dass er zum Anführer geboren war.

Aber Dale Wilmot ähnelte schon seit Längerem nicht mehr dem Mann auf den Fotos. Der lebendige Optimismus, der einst in seinen Augen geleuchtet hatte, war im Laufe der Zeit verblasst, bis er schließlich ganz erloschen und von einem kalten und verbissenen Ausdruck ersetzt worden war. Er war sich selbst fremd geworden. Die Fotos, die seinen einst so flammenden Patriotismus bezeugten, erschienen ihm jetzt wie Hohn. Sie erinnerten ihn nur noch daran, dass man den Versprechungen dieser Männer keinen Glauben schenken durfte.

Wut und Empörung waren immer Wilmots Antrieb gewesen, egal ob auf dem Footballfeld oder im Sitzungszimmer des Aufsichtsrats. Genauso war es jetzt auch. Die Saat des Zorns war vor einundzwanzig Monaten gesät worden, als Evan, sein einziger Sohn, aus dem Krieg zurückgekehrt war.

Er erinnerte sich noch, wie er die hallenden Korridore des Walter-Reed-Militärkrankenhauses entlanggegangen war, vorbei an einem Zimmer, in dem junge Männer mit verstümmelten Körpern wie Zombies vor einem dröhnenden Fernsehapparat hockten. Er erinnerte sich daran, wie er Generalmajor William D. Bradshaw getroffen hatte, der ihn mit ernster Miene in sein Büro bat. Für Dale Wilmot war es normal, dass jede Art von Neuigkeit, ob gute oder schlechte, ihm immer von der ranghöchsten Person im jeweiligen Haus mitgeteilt wurde. Aber in diesem Fall kam er dem General zuvor, noch ehe dieser etwas sagen konnte, und fragte: »Wo ist mein Sohn?«

Bradshaw setzte eine Maske des Bedauerns auf und sagte: »Mr Wilmot, wir haben bei der Behandlung unserer verwundeten Soldaten enorme Fortschritte gemacht und unterstützen sie beim Übergang …«

»Bringen Sie mich zu meinem Sohn. Sofort. Ich möchte es nicht noch mal sagen müssen.« Wilmot ballte die Fäuste.

Sie kamen Bradshaw wie Vorschlaghämmer vor. »Kommen Sie bitte mit, Sir«, sagte er und führte ihn aus dem Büro einen kurzen Flur entlang zu den Aufzügen. Schweigend fuhren sie ins Untergeschoss, wo sie einem Schild folgten, das den Weg zur Station für Verbrennungsopfer wies.

Der auf geradezu groteske Art zusammengeschrumpfte Patient, der unter dem Sauerstoffzelt schlief, hatte keine Ähnlichkeit mehr mit seinem Sohn. Sein dichter blonder Haarschopf war verschwunden, und nur noch ein fleckiger, von Narbengewebe überzogener kahler Schädel war zu sehen. Sein einst hübsches Gesicht war kaum noch vorhanden, Lippen und Nase schienen weggeschmolzen, ihre Umrisse fast gar nicht sichtbar. Die bandagierten Überreste der Beine hörten kurz unterhalb des Knies auf und der rechte Arm war nur bis zum Ellbogen vorhanden. Der linke Arm war noch intakt, aber von einem Narbenmuster überzogen, das von Granatsplitterwunden herrührte. Durch den transparenten antibakteriellen Verband konnte man die verbrannte Haut sehen.

Das Klingeln seines Telefons riss Wilmot aus seinen Gedanken. Die Erinnerung an den scharfen Geruch nach Desinfektionsmittel und Urin hing ihm noch in der Nase, als er den Stift beiseitelegte und nach dem Hörer griff.

»Was ist denn?«, fragte er.

Collier antwortete mit ruhiger Stimme: »Wir haben hier ein Problem, Sir.«

Einige Minuten später erreichte Wilmot in seinem Jeep Wrangler die Stallungen und hielt neben Colliers Ford F-150 an. Nachdem Evan zur Army gegangen war, hatte Wilmot alle Pferde verkauft. Der Stall und die angrenzende Scheune standen seitdem leer.

Wilmot betrat den kalten Stall. Die Boxen waren ausgemistet und sauber. In einer davon stand Collier neben einer der jungen Frauen, die sie aus Afrika geholt hatten. Sie lag auf einer dünnen, mit Rostflecken überzogenen Matratze auf einer Armeedecke. Ihre weit aufgerissenen Augen glänzten feucht. Sie schauten Wilmot an und flehten um Hilfe. Ihre Schönheit verwirrte ihn für einen Moment.

Dann ergriff Collier das Wort: »Konzo«, sagte er. Als Wilmot ihm seinen Plan vorgetragen hatte, war Collier skeptisch gewesen und hatte ihn genau vor so etwas gewarnt. Er hatte ihm erklärt, dass die Blausäure, die in den kongolesischen Fabriken vorhanden war, ein noch größeres Risiko darstellte als die gefährlichen Maschinen. Collier hatte vorgeschlagen, den Aufenthalt der Frauen in der Fabrik zu begrenzen und rotierende Schichten einzuführen, damit sie dem Gift nicht zu lange ausgesetzt waren. Ganz offensichtlich hatte er sich verkalkuliert.

Wilmot unterdrückte seinen Ärger: »Wird sie sterben?«

Collier nickte. »Nach dem ersten Anfall tritt normalerweise eine Lähmung ein, die dann zum Atemstillstand führt.« Er zögerte kurz, bevor er fortfuhr: »Aber wir können nicht das Risiko eingehen, sie zu einem Arzt zu bringen.«

»Das weiß ich selbst.« Natürlich durften sie die junge Frau nicht in ein Krankenhaus oder zu einem Arzt bringen. Da es sich um eine Blausäurevergiftung handelte, war der behandelnde Arzt verpflichtet, den Fall dem Gesundheitsamt zu melden, vielleicht sogar der Einwanderungsbehörde. Sie konnten jetzt also nur zusehen, wie sie qualvoll starb, oder ihrem Leiden selbst ein Ende bereiten.

»Ich erledige das«, sagte Collier.

Wilmot hörte heraus, dass Collier geradezu darauf brannte, diese unangenehme Aufgabe zu übernehmen. Collier war auf Wilmots Ranch aufgewachsen, seine Mutter hatte hier als Wirtschafterin gearbeitet. Als er im Teenageralter war, fand ein Stallgehilfe im Wald einen geköpften und ausgeweideten Hund. Sechs Monate später wurde ein Rehkitz gefunden, das an einem Baum hing. Schon damals hatte Wilmot den Verdacht gehabt, Collier könnte hinter diesen Gräueltaten stecken. Und nun bestätigte der hinterhältige, räuberische Ausdruck in den Augen des jungen Mannes seine Befürchtungen.

»Nein!«

Collier zuckte zusammen, als Wilmot ihn so kategorisch zurechtwies.

»Ich werde das selbst erledigen«, fügte er beherrscht hinzu. Dale Wilmot war schon immer stolz darauf gewesen, rechtzeitig erkennen zu können, was getan werden musste, um es dann möglichst effizient und leidenschaftslos durchzuführen. Zum Beispiel hatte er einmal einem aufmüpfigen Angestellten den Kiefer gebrochen. Der arme Mann war so verschreckt gewesen, dass er sogar darauf verzichtete, ihn zu verklagen. Um seine Einheit zu retten, hatte Wilmot ein Dutzend Vietcong umgebracht. Und nun würde er diese junge Frau davor bewahren, durch die Hände eines Sadisten zu Tode zu kommen.

Er beugte sich über das Gesicht der jungen Frau, spürte ihren warmen Atem und nahm den Geruch nach Bittermandeln wahr. »Es tut mir leid, Liebes«, sagte er mit sanfter Stimme. »Wirklich.«

Mit einer schnellen und entschiedenen Bewegung verschloss er ihre Nase mit Daumen und Zeigefinger und drückte mit der übrigen Hand auf Mund und Kinn. Der ganze untere Bereich ihres Gesichts war wie von einem Maulkorb umklammert. Ihre Augen weiteten sich in Panik, sie bäumte sich auf und warf sich hin und her. Wilmot drückte sie mit dem linken Arm auf die Matratze. Sie war überraschend stark, ihr Körper hatte trotz der Vergiftung noch genug Energie, um sich vehement gegen die eigene Auslöschung zu wehren. Er bezwang sie, indem er den Ellbogen auf ihren Venushügel legte und sie mit aller Kraft auf die Matratze zwang.

Er merkte, dass diese Situation durchaus eine sexuelle Komponente hatte. Die Brüste der jungen Frau bewegten sich unter dem dünnen Kleid auf und ab, ihr warmer Unterleib drückte gegen seinen Arm. Aber nach einer Weile musste sie aufgeben, und schließlich starrte sie mit leeren Augen zur Decke.

Wilmot nahm die Hand von ihrem Gesicht. Dann schloss er mit einer sanften Geste ihre Augen und zog ihr Kleid glatt. »Ich möchte, dass sie ein anständiges Begräbnis erhält«, sagte er, ohne Collier anzusehen. »Der Boden ist gefroren. Du musst eine Spitzhacke nehmen.« Damit verließ er den Stall.