Kapitel 10:

»Kiwi Lounge«

Der Trainer ist hoffnungslos überfordert.

Von einem Moment auf den anderen hat sich ein harmloser Observierungsauftrag in eine höchst riskante Befreiungsaktion verwandelt. Das war nicht abzusehen. Und natürlich funktioniert wieder einmal nix so, wie es soll.

Sein neues, überraschendes Missionsziel lautet, Bettina schleunigst aus den Klauen eines liebestollen Barpianisten zu retten. Schauplatz der dramatischen Ereignisse ist das Hotel Kiwi, eine neunstöckige Bettenburg am Mariahilfer Gürtel, in deren Lounge Sascha Dietrich eben noch zur Happy Hour aufgespielt hat. Und jetzt, kaum daß die letzten Takte von »Smoke Gets In Your Eyes« verklungen sind, ist der Klavierhengst mit Bettina, seiner vermeintlichen Eroberung, auch schon unterwegs in eines der zirka neunhundert Zimmer der Vier-Sterne-Absteige.

Theoretisch wäre der Trainer drahtlos mit Bettina verbunden, durch ein James-Bond-Mikrophon in ihrer neoaztekischen Brosche, das ihnen der Doc mit auf den Weg gegeben hat. Aber seit Bettina und Dietrich jr. die Lounge in Richtung Lobby verlassen haben und er sich mit leichter Verzögerung an ihre Fersen geheftet hat, läßt der Empfang des angeblich von Secret Service, CIA, BKA, FBI, KGB und RTL getesteten Präzisionsgeräts mehr als zu wünschen übrig. Auf den ersten Metern drangen noch Wortfetzen der Belauschten aus dem Minikopfhörer ins Trainerohr, aber jetzt, als der Verfolger die riesige Empfangshalle mit den vier Liften erreicht, ist nur noch nervtötendes Rauschen zu hören. Von Bettina, dem Lockvogel, und Sascha Dietrich alias Delrue fehlt weit und breit jede Spur.

»Scheiße«, keucht der Trainer und meint nicht nur das für seinen großen Lauschangriff untaugliche Equipment, sondern auch die miserable Planung der gesamten Operation. Ursprünglich bestand seine Aufgabe darin, das Gespräch zwischen Bettina und dem tatverdächtigen Klavierspieler abzuhören, die beiden nicht aus den Augen zu lassen und im Ernstfall rettend einzugreifen.

Genau dieser Ernstfall ist nun eingetreten. Aber ohne genaue Kenntnis der weitläufigen Örtlichkeiten kommt sich der Trainer selbst ziemlich hilflos und verloren vor. Außerdem, muß er sich eingestehen, sollte man Wodka-Tonic nicht runterschütten wie kleine Biere. Zumindest nicht im Mischungsverhältnis 2:1, und schon gar nicht auf leeren Magen. Wie man aus der Fahrschule weiß, beeinträchtigt der Konsum alkoholischer Getränke das Reaktionsvermögen. Und so muß sich der Trainer voll darauf konzentrieren, dem Hotelpersonal nicht unangenehm aufzufallen, als er quer durch die Lobby schwankt, mit motorischen Störungen, wie man sie sonst nur bei Matrosen sieht, die nach vielen Wochen auf See ihren Landurlaub antreten.

Drei der vier Fahrstühle sind unterwegs — und einer außer Betrieb. Der Trainer denkt nach, soweit das die vielen Wodka-Tonic während der Happy Hour zulassen:

Also, in welche Etage würde ich fahren, wenn ich Geheimagentin Bettina wäre, einem professionellen Witwentröster falsche Hoffnungen gemacht habe, über kein eigenes Zimmer in diesem Hotel verfuge, aber eigentlich sekündlich damit rechne, von meinem Ermittlungspartner aus dieser hochnotpeinlichen Situation befreit zu werden?

»Neun«, sagt der Trainer, als er endlich mit dem Grübeln fertig ist. »Neun. Und wieder retour. Das bringt entscheidende Sekunden.«

»Neunte Etage?« erkundigt sich geflissentlich der livrierte Liftboy, der dem Trainer zu Hilfe eilt, weil dieser schon eine ganze Weile orientierungslos den anderen Gästen im Weg steht. »Ninth floor, Sir? Und what room-number?«

»Egal«, sagt der Trainer.

***

Dabei hatte die Operation Kiwi Lounge so vielversprechend begonnen.

Kurz vor fünf war der Trainer auf seinem Posten - einem Nischenplatz mit Blick auf das Podium mit dem weißen Flügel. Und vor allem geschützt durch ein Arrangement tropischer Plastikgewächse. Er ließ seinen Blick zwischen den Blättern einer synthetischen Bananenstaude durch die Bar schweifen. Reifere deutsche und skandinavische Reisebus-Touristinnen saßen bei bunten Drinks, schrieben Ansichtskarten an die Lieben daheim oder hielten diskret Ausschau nach einem raschen, reschen Urlaubsflirt. Dabei blieb ihr Auge unweigerlich am Pianisten hängen.

»Sascha Delrue - Ihr musikalischer Begleiter durch die Happy Hour«, verriet das Schildchen, das im Rhythmus der Musik auf dem Klavier hin- und hertanzte.

Der Trainer nahm den Sohn des Dieter Dietrich genauer ins Visier: Smoking, Rüschenhemd, silbernes Mascherl und mit viel Pomade angeklatschte schwarze Haare. Der junge Mann machte auf schöner, armer Gigolo und sah für seine 24 Jahre ganz schön vom Leben gezeichnet aus. Aber wenn man ihm so zuhörte, wie er sich durch einen L’amour-Hatscher nach dem anderen arbeitete, konnte man ihm ein gewisses improvisatorisches Talent nicht absprechen. Ob »Spanish Eyes«, der »St. Louis Blues«, »Red Roses For A Blue Lady« oder »Girl From Ipanema«, das Klavierspiel hatte durchaus internationales Niveau und wäre auch auf der einen oder anderen Dean-Martin-Platte nicht unangenehm aufgefallen.

»Was macht ein so begabter Mensch wie Sie in einer solchen Bar?« tönte es auf einmal verführerisch im Ohr des Trainers, der vor Schreck heftig zusammenzuckte. Anscheinend war Bettina endlich in Aktion getreten. Er drehte den Empfänger eine Spur leiser und spähte durch das künstliche Blätterwerk zur Wirkungsstätte des Künstlers.

Eine elegante Dame im kleinen Schwarzen lehnte lasziv am weißen Flügel. Die Pathologin aus der Kirchengasse hatte ihre honigblonde Kurzhaarfrisur mit einer Betty-Page-Perücke getarnt, eine schicke Designerbrille mit Fensterglas aufgesetzt und sich ein paar Krähenfüße und Kummerfalten ins Gesicht geschminkt, um älter zu wirken. Der Trainer ertappte sich bei dem Gedanken, daß Bettina auch in ihrer Maskerade absolut hinreißend aussah, und daß er sich spätestens seit der Nacht im Espresso Rosi so sehr zu ihr hingezogen fühlte, daß er kaum noch an seine Grazer Grazie denken wollte. Trainer, sagte er sich gleichzeitig vor, sei ausnahmsweise einmal vorsichtig ... die ist definitiv nicht dein Revier ...

Dietrich jr. sah das eindeutig anders. Er war von ihrem Auftritt und ihrem Anblick dermaßen verzaubert, daß er sein Set nach der zweiten Nummer kommentarlos unterbrach, um für Bettina allein seine strahlend weißen Zähne zu blecken.

»Tiefste Ergriffenheit, Gnädigste!« meinte er mit seinem anzüglichsten Grinsen. »Was Sie mir grad gesagt haben, ist Balsam für eine geplagte Musikerseele! Wenn ich einer so schönen Frau wie Ihnen Freude bereiten kann, ob mit oder ohne Klavier, bekommt selbst dieses trübselige Dasein einen neuen Sinn. Apropos: Was halten Sie davon, mich in meiner Pause auf einen Drink einzuladen?«

Bettina rang sich ein vielversprechendes Lächeln ab. Dann entschwand sie mit einem Hüftschwung, wie man ihn diesseits der Kinoleinwand so gut wie nie zu sehen kriegt, aus dem Blickfeld des Trainers zurück an ihren Tisch.

Knapp ein Dutzend goldener Evergreens später bat Sascha Delrue sein Publikum um eine kurze Pause und begab sich schnurstracks an Bettinas Tisch, wo ihn bereits ein extratrockener Martini (ein Glas Gin, über das der Mixer kurz den Vermouthkorken geschwenkt hat) erwartete. Der Trainer spielte in Gedanken so ziemlich alle Variationen durch, wie er der bezaubernden Bettina bei einem trockenen Martini begegnen würde, und fand Sascha Dietrichs Gesprächseröffnung vergleichsweise enttäuschend.

»Kommen Sie aus Wien?«

»Ich bin geborene Wienerin, ja. Aber ich lebe seit fünfzehn Jahren in Düsseldorf. Der Kontakt zu Wien ist seit dem Tod meiner Eltern völlig abgerissen. Jetzt bin ich geschäftlich hier, für drei Tage. Die Textilmesse ...«

»Ah, Sie sind in der Modebranche? Hab ich mir fast gedacht. Mode, Kunst, vielleicht Architektur. Auf jeden Fall etwas Musisches. Das sieht und spürt man sofort -also ich zumindest«, flötete der Tastentiger. Der Trainer mußte an seinen Besuch in Bettinas Totenreich denken und schmunzelte in sein Wodka-Tonic.

Mit dem zweiten Martini kam das Du-Wort, und Bettina legte einen Gang zu.

»Du hast wunderschöne, sensible Hände«, gurrte sie. »Richtige Künstlerhände.«

»Liegt in der Familie«, sagte Sascha.

»Mütterlicherseits?«

»Meine Mutter hat Geige gespielt. Sie war eine ganz besondere Frau. Irgendwie erinnerst du mich an sie ...«

»Tatsächlich?« sagte Bettina mit einem leichten Beben in der Stimme. Der Trainer mußte bewundernd feststellen, daß die Medizinerin eine wahre Doppelbegabung war. Ihre Vorstellung war absolut oscarreif.

»Und der Papa?« fragte sie, nachdem sie sich von Delrues Kompliment erholt hatte. »Hat er auch eine künstlerische Ader?«

»Mein Vater ist auf seine Art ein Genie. Eigentlich ist er Beamter, aber es gibt nichts auf der Welt, das er nicht reparieren könnte. Abgesehen von der Beziehung zu seinen Kindern, aber das ist eine andere Geschichte ... Na, er ist halt ein Bastelvirtuose, wenn du weißt, was ich meine. Vor allem, seit meine Mutter tot ist, verbringt er seine ganze Freizeit in der Werkstatt und konstruiert Dinge, die möglicherweise nützlich sind, die aber in Wirklichkeit kein normaler Mensch je braucht.«

»Faszinierend«, meinte Bettina.

»Bei weitem nicht so faszinierend wie du«, säuselte Sascha, um dann direkt zur Sache zu kommen. »Gibts zu Hause eigentlich jemand, der auf dich wartet?«

»Ja. Einen Mann, zwei Kinder und einen Liebhaber, der aber nur freitags für mich Zeit hat, weil er da angeblich zum Bowling geht.«

»Aber die sind in Düsseldorf?« wollte Sascha bestätigt wissen.

»Die sind in Düsseldorf. Und wir sind hier. Also, wo liegt das Problem?«

Der Trainer hätte gern jetzt, in genau diesem Moment, Bettina in die Augen geblickt. Aber man kann nicht alles haben.

***

Eine halbe Stunde später ist er auf dem Weg in den neunten Stock. Hinter ihm hat sich eine japanische Reisegruppe, vollbeladen mit Sacher-Torten-Sackerln und schwerem Videogerät, in den Lift gedrängt. Der Trainer lehnt sich müde an die Rückwand des Fahrstuhls, starrt verwirrt vor sich hin und läßt dann einen gewaltigen Rülpser los, weil die vielen Wodka-Tonic seinen Magenhaushalt komplett durcheinandergebracht haben. Bevor er noch peinlich berührt sein kann, beginnen die Fernostmenschen freudig zu schnattern, verbeugen sich vor ihm und zücken ihre volldigitalen Kameras. Wahrscheinlich halten sie seinen Fauxpas für eine dieser drolligen europäischen Sitten ...

Der Trainer schließt entnervt die Augen und denkt wieder an Bettina und die bevorstehende Rettungsaktion. Er läßt seine Lieblingsszenen aus dem filmischen (Euvre von Chuck Norris Revue passieren, und ein seliges Grinsen umspielt seine Lippen, als er sich ausmalt, wie er den klavierspielenden Sittenstrolch mit ein paar gezielten Karatehieben ausschaltet, die dankbare Lady in die Arme nimmt und mit ihr in den texanischen Sonnenuntergang reitet. Plötzlich reißt ihn die ungeduldige Stimme des Liftboys aus seinen Tagträumen. »Neunte Etage -Endstation, alles austeigen!«

Als er den Aufzug gerade verlassen will, kommt ihm Bettina entgegen. Sie schiebt ihn in die Liftkabine zurück, zischt dem Hotelangestellten ein »Abwärts!« entgegen und blickt sich noch einmal nervös um. Kaum hat sich die Tür geschlossen, fährt sie den Trainer an: »Verdammt noch einmal, wo warst du die ganze Zeit?«

»Ich ... die Technik ... wer weiß denn ...«, stammelt der Trainer und versucht es dann noch einmal. »Wo hast du denn den Junior gelassen?«

»Der wartet vor Zimmer 911, daß ich mit dem Schlüssel wiederkomme, den ich in meiner Kopflosigkeit an der Rezeption abgegeben hab«, sagt Bettina.

»Wunderbar. Genauso hab ich mir das vorgestellt«, lügt der Trainer und reicht Bettina erleichtert den Arm. »Operation Kiwi Lounge beendet. Ich würd vorschlagen, wir gehn was essen. Gleich da ums Eck ist ein hervorragender Inder.«

Bettina hakt sich beim Trainer unter, und sie schlendern durch die Hotel-Lobby zum Ausgang. Die reife Dame mit der Traumfigur unter dem kleinen Schwarzen und ihr Seemann auf Landurlaub.

»Schau ich nicht unmöglich alt aus mit der Perücke und dem ganzen Make-up?« will Bettina wissen.

»Du siehst hinreißend aus. Großartig. Umwerfend!«

»Ehrlich?«

»Ehrlich«, sagt der Trainer und drückt ihr einen zarten Kuß auf die Wange.

***

Dr. Trash wälzt sich unruhig auf seiner düsteren Bettstatt.

Obwohl draußen bereits die Morgendämmerung heraufzieht, ist an Schlaf nicht zu denken - dazu waren die letzten Tage viel zu ereignisreich. Außerdem würde er in diesem Augenblick fast alles für eine ordentliche Nase Äther geben. Wenn er seinen Freunden nicht versprochen hätte, mit dem Zeug aufzuhören, müßte er sich jetzt nicht durch Entzugserscheinungen quälen und könnte sich besser auf die anstehenden Probleme konzentrieren.

Und davon gibt’s ja wirklich genug.

Als er gegen Mitternacht von seinem Schafberg-Treffen mit Franz Brunner, Kriminalbeamter i. R., heimgekehrt war, hielt der Doc zuerst einmal den gesamten Fall sowie alle bisherigen Erkenntnisse schriftlich fest. Das so entstandene Acht-Seiten-Dokument wollte er anschließend nach Louisiana schicken, um den Kurtl endlich über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren; aber irgendwas stimmte mit der Faxnummer nicht. Wahrscheinlich hat der Herr Ostbahn dem Selbstgebrannten »White Lightnin’« zu heftig zugesprochen und sich mit der Nummer vertan. Oder die Leitung ist einem wütenden Alligator zum Opfer gefallen, was weiß man.

Dann tauchten Bettina und der Trainer auf, um von ihrer Observation des Sascha Dietrich zu berichten. Die beiden wirkten so euphorisch, daß dem Doc ganz schlecht wurde. Ihm war natürlich längst aufgefallen, daß der Trainer wieder einmal dabei war, sich zu verlieben, und daß seine Muse aus dem oberen Stockwerk darauf alles andere als ablehnend reagierte. Er hatte — aus Mangel an Erfahrung mit lebenden Menschen - nur keine Ahnung, was er dagegen tun sollte.

Bettina war nach diesem Abend fest davon überzeugt, daß Dietrich jr. keinesfalls etwas mit dem Mord an Rikki zu tun haben konnte. »Er spielt nur den Gigolo«, sagte sie, »aber in Wahrheit ist er ein ungeliebtes Kind, das nach einer Mama sucht — und wenns nur für eine Nacht ist. Und ich glaube, der Sascha weiß ganz genau, daß sein Vater ein Doppelleben führt.«

Weiblicher Instinkt, dachte Dr. Trash. Dagegen kommt man nicht an.

Kein Wunder, daß der Doc nach all diesen neuen Informationen und Erkenntnissen nicht einschlafen kann. Also steht er auf, zieht eine praktische Trainingshose, einen Rollkragenpullover, seine bewährte Lederjacke und ein Paar Turnschuhe (selbstverständlich alles in schlichtem Schwarz) an, verstaut ein paar Spezialwerkzeuge in einem Rucksack und ruft ein Taxi.

Es gibt zu viele offene Rechnungen, denkt der Doc. Und es wird höchste Zeit, wenigstens eine davon zu begleichen.

***

Das Taxi hat den Doc am Ende der Döblinger Hauptstraße abgesetzt und ist ins Morgengrauen verschwunden. Außer ein paar todmüden Buschauffeuren auf dem Weg zur Arbeit ist um diese Zeit noch kein Mensch unterwegs. Das kommt dem für jede Eventualität gerüsteten Privatermittler gerade recht.

Wie ein Schatten bewegt er sich durch die stillen Gäßchen des Viertels, in dem der österreichische Staat allen Bundespräsidenten, die sich selbst kein Haus leisten können, eine Luxusvilla zur Verfügung stellt. Nach einigen Minuten hat er sein Zielobjekt gefunden: ein feudales Herrschaftshaus, das hinter einem schmiedeeisernen Tor, einer langen, gewundenen Einfahrt und einer Menge Bäume gerade noch sichtbar ist. Da neben dem Vordereingang ein beleuchtetes Wächterhäuschen steht, in dem ein vierschrötiges Individuum an einer langen Zigarette zieht und in die Gegend schaut, wird er sich wohl auf andere Art Zugang verschaffen müssen.

Wenige Minuten später kauert der Doc vor einer Mauer, die den hinteren Teil des parkähnlichen Anwesens umgibt. Um hierher zu gelangen, mußte er nur ein paar Drahtzäune durchschneiden und hoffen, daß die reichen Herrschaften, deren Gärten er lautlos durchquerte, sich keine Killerhunde halten. Jetzt beginnt der schwierige Teil des Einsatzes.

Die Videokamera, die diesen Abschnitt überwacht, ist schnell ausgeschaltet. Dazu braucht der Doc nur ein paar Kabel, eine Kneifzange und seine ausgezeichneten elektronischen Kenntnisse. Die mit rasiermesserscharfen Glasscherben bestückte, zweieinhalb Meter hohe Mauer ist da schon etwas schwerer zu überwinden. Aber wer so viele Spionagefilme gesehen hat wie Dr. Trash, wird auch damit fertig.

Er zieht Haken und Seil aus dem Rucksack, wirft sie gekonnt über die Mauer, zieht sich hoch und plaziert vorsichtig seine Lederjacke auf der Mauerkrone. Als er sich auf der anderen Seite abgeseilt hat, atmet er erleichtert auf. Nun gilt es nur noch, ins Haus zu kommen.

»Flach auf den Boden und Hände über den Kopf, du Arschloch — sonst blas ich dir das Hirn aus dem Schädel!« gellt auf einmal eine hohe Stimme hinter ihm. Trash fährt zu Tode erschreckt herum und kann nicht glauben, was er sieht: Da steht ein höchstens achtjähriger Knabe im taunassen Gras und bedroht ihn mit einer großkalibrigen Pistole.

Daran ist nur das Fernsehen schuld, denkt der Doc, als er sich resigniert auf die Knie sinken läßt.