Kapitel 4:

»Kondolenzbesuch im Single-Treff«

»Wunderbar«, denkt der Trainer und meint, wie so oft, genau das Gegenteil.

Ein unangekündigter Besuch bei einem als jähzorniger Gewalttäter bekannten Typen wie dem Erwin Stelzhammer — sowas kann ja nur zu bösen Überraschungen fuhren. Und mit denen kann der Trainer nicht wirklich umgehen. Seine langjährige Praxis als nebenberuflicher Privatermittler hat ihn gelehrt, die Grenzen seiner Belastbarkeit zu akzeptieren: Böse Überraschungen erlebt er am liebsten per Telefon, bei einem kleinen Bier im Cafe Rallye oder im Cockpit von Doktor Trashs Datenzentrale in der Kirchengasse. Hautnah und vor Ort — das ist des Trainers Sache nicht. Man ist ja schließlich nicht der Philip Marlowe.

Und deshalb macht er jetzt auch in der resopalen Tristesse von Erwins Substandard-Küche alles andere als eine souveräne Figur.

»Äh, ich wollt eigentlich ...«, versucht er zaghaft, die Situation in den Griff zu kriegen. Aber der Erwin läßt ihm keine Chance. Er legt ihm amikal seine rechte Pranke auf die schmale Schulter und meint: »Erledig ma zuerst des Geschäftliche. Also, wie telefonisch besprochen: französisch macht 400,-, Fullservice kummt auf 700,—, und diverse Extras kosten extra. Logisch, ned?«

Erwin lacht. Und dem Trainer wird langsam, aber sicher der Ernst der Lage bewußt. Der Marktfahrer ist mit seinem eigentlichen Beruf anscheinend nicht ausgelastet und verdient sich ein Zubrot, indem er eine Gunstgewerblerin mit durchdringender Stimme managt.

»Und noch was«, sagt der Erwin und nimmt seine Riesenpratze endlich wieder von der Trainerschulter. »Bei der Sonja is alles möglich - aber nix ohne. Alles klar?«

»Alles klar«, krächzt der Trainer. Er will hier nur raus, heim in seine Meidlinger Mansarde. Aber momentan schaut’s gar nicht gut aus, wie der Doc zu sagen pflegt. Denn die Tür zum Nebenzimmer fliegt auf, und Sonja — eine in die Jahre gekommene Zellolita mit roten Dessous, schwarzen Strümpfen und rosa Pantoffeln — betritt die Szene.

»Servas, Schatzi«, sagt sie und grinst mindestens genauso herzlos wie ihr Finanzberater. Ihr Lächeln enthüllt, daß ein Zahnarztbesuch dringend anzuraten wäre. Aber der Trainer beschließt, sich gute Ratschläge zu ersparen, zückt wie in Trance seine Geldbörse und überreicht dem Hausherrn seinen vorletzten Tausender.

Als der Blaue im Hosensack der Trainingskluft verschwunden ist, wünscht Erwin dem Trainer »gute Verrichtung« und meint im Abgehen zu seiner Sonja: »I bin drüben beim Ernstl, auf a Hülsen. Wann was sein sollt, du waaßt eh ...«

»Was soll scho sein mit uns zwa Hübschen?« meint Sonja, hakt sich bei ihrem unfreiwilligen Kunden unter und entführt ihn an ihren Arbeitsplatz.

***

Dem Trainer jagen jede Menge halbgare Überlegungen durch den Kopf, während die Gürtelschnalle mit geübter Hand sein Hemd aufknöpft und sich an seiner Gürtelschnalle zu schaffen macht.

»Ich wollt eigentlich nur reden«, sagt er mit kläglicher Stimme.

»Mit mir kannst über alles reden«, meint die Liebesdienerin anzüglich. »Wie denn am liebsten — französisch oder griechisch? Sag!«

Der Trainer sagt gar nichts. Stattdessen versucht er einen klaren Gedanken zu fassen, während Sonja beim Zippverschluß seiner Jeans angelangt ist, den sie mit einem fachkundigen Ruck öffnet.

»So, jetzt leg di nur hin und tu relaxen! Den Rest erledig ich«, verspricht sie. Aber der Trainer will sich weder auf der Profiliege entspannen noch die Fremdsprachenkenntnisse seiner Gastgeberin erforschen. Also zieht er ihre Hand aus seiner Hose und geht abrupt auf Distanz.

»Was is los mit dir, Schatzi?!« erkundigt sich Sonja und mustert ihn skeptisch.

»Nix. Das Ganze ist ein Mißverständnis. Ich wollt eigentlich mit dem Erwin reden.«

»Mit welchem Erwin?«

»Na, der Erwin halt. Stelzhammer.«

»Und wer, bitte, soll des sein?« erkundigt sich Sonja. Dann steigt sie aus dem Bett und geht zur Tür. »Also entweder du willst mi höscherln, oder du bist a Kieberer oder gar a Perverser. Weil ganz dicht in der Birn bist du für mi ned!«

Mit diesen Worten rauscht sie ab in die resopale Wohnküche, wohl um ihren muskulösen Manager telefonisch um Rat zu fragen. Die Vorstellung, von einem Erwin, der gar kein Erwin ist, mit offenem Hemd und ebensolchem Hosenschlitz aus dem Haus geprügelt zu werden, läßt den Trainer zur Höchstform auflaufen. In Windeseile ist er wieder korrekt bekleidet und verläßt grußlos, aber schnellen Schrittes die Absteige.

Er hirscht soeben zur Treppe, als die Tür der 5er-Wohnung auffliegt. Der falsche Erwin und ein weiteres Muskelpaket, das sein jüngerer Bruder sein könnte, treten heraus.

»Gibts a Problem?« erkundigt sich der Bruder.

Der Trainer winkt mit beiden Händen ab: »Alles paletti. War nur eine Verwechslung. D’Ehre, Burschen. Und nix für ungut, gell!« Dann rennt er los, die Stiegen hinunter, durch die finstere Hauseinfahrt hinaus auf die Straße.

»Hast dei Puffn einstecken, Ernstl?« hört er in seinem Rücken den falschen Erwin fragen. Und ein paar Augenblicke später die Antwort: »Na, aber des Arschloch bau ma a ohne Kandl um auf a Nochtkastl!«

Im grellen Schein der Nachmittagssonne überlegen es sich die beiden Verfolger offenbar anders. Denn als der Trainer außer Atem die Tür seiner froschgrünen Rostlaube zuschlägt, steht das Muskelduo vor dem traurigen Portal der einstigen Fischfiliale und zeigt ihm grimmig die ausgestreckten Mittelfinger.

***

Neun Uhr abends. Dr. Trash hat sich inzwischen rasiert und präsentabel gemacht. Trotzdem geht ein seltsamer Geruch von ihm aus. Das Fräulein Bettina, das mit den beiden Herren in ihrer Wohnküche sitzt, rümpft ihr entzückendes Näschen, grübelt kurz vor sich hin und schüttelt dann den Kopf. Dem Trainer, der seine aufregende Exkursion in die Rauchfangkehrergasse noch nicht ganz verdaut hat, sind solche Feinheiten fremd.

»Warst du vielleicht beim Zahnarzt, Doc — einmal Reißen und Abschleifen?« erkundigt er sich frohgemut. »Oder kriegst du dein After Shave jetzt direkt von der ÖMV?«

»Was soll das heißen?«

»Naja, du riechst ein bisserl streng. Irgendwie chemisch.«

Trash hüstelt verlegen.

»Das kommt wahrscheinlich von diesem ekelhaften Löschschaum«, meint er. »Schließlich war ich ein paar Stunden lang in meiner Wohnung unten. Ein deprimierender Anblick - was der Brand und die Feuerwehr nicht vernichtet haben, das stampfen die Handwerker in Grund und Boden. Und gestunken hat‘s auch. Wer weiß, was diese Menschen treiben ...«

»Verstehe. Macht ja nix. Man gewöhnt sich an alles«, sagt der Trainer, nur um irgendwas zu sagen. Und dann berichtet er den beiden Stubenhockern in aller Ausführlichkeit von seinen Außendiensterlebnissen.

»Da müssen wir ja dem Herrgott danken, daß Sie so glimpflich davongekommen sind«, strahlt die freundliche Gastgeberin den Trainer an, als er mit dem Erzählen fertig ist. »Mir ist lieber, Sie sitzen jetzt an meinem Tisch, als daß Sie morgen vor mir am Tisch liegen.«

»Wie meinen?« murmelt der Trainer verblüfft

»A blede Gschicht, um mit dem Kurtl zu sprechen«, unterbindet der Doc jede weitere Diskussion. »Bisher haben wir also weder einen Verdächtigen noch sonstige weiterführende Informationen. Meine Recherchen haben nämlich auch nichts ergeben — wahrscheinlich deshalb, weil unsere Polizei immer noch mehr mechanische Schreibmaschinen benützt als Computer. Wenn wir wenigstens wüßten, mit welcher Waffe die Tat begangen wurde ...«

»Die Horvath wurde von einem großkalibrigen Geschoß getötet, das wahrscheinlich aus nächster Nähe in ihr Gesicht abgefeuert wurde und sofort danach explodiert ist«, mischt sich Bettina ein. »Dadurch erklärt sich auch das Ausmaß der fazialen Verstümmelung. Ob es sich um eine Gewehrpatrone oder eine Revolverkugel gehandelt hat, konnte bisher nicht festgestellt werden, da interessanterweise keinerlei Metallrückstände, sondern nur Spuren des Sprengmittels gefunden wurden. Höchst ungewöhnlich.«

Dem Trainer fällt fast die Bierflasche aus der Hand. Er starrt fassungslos in Bettinas unschuldig lächelndes Gesicht und wendet sich dann fragend dem Doc zu.

»Schau nicht so«, sagt der Privatgelehrte. »Sie ist Pathologin - das heißt, noch nicht ganz, aber bald. Und sie hat Freunde in der Gerichtsmedizin.«

»Wir haben uns im Narrenturm kennengelernt«, strahlt Bettina den Trainer an.

»Das paßt«, sagt der nur.

»Blöde Bemerkungen sind hier völlig unangebracht«, rügt ihn der Doc. »Wie jeder weiß, befindet sich im Narrenturm des alten AKH das pathologisch-anatomische Bundesmuseum, einer meiner liebsten Studienorte. Es gibt kaum etwas Aufschlußreicheres als Tod und Krankheit; aber darin erschöpfen sich unsere gemeinsamen Interessen auch schon.«

Der Trainer setzt einen zweifelnden Blick auf. »Wie du meinst«, sagt er. »Aber jetzt muß ich einmal telefonieren.«

»Graz?« fragt Trash bissig.

»Wirst schon sehen«, gibt der Trainer zurück und schnappt sich den Hörer.

***

»Kumm, Trainer, erspar mir wenigstens du die ganze Suderei. Die hör i heut scho den ganzen Tag. Plötzlich hat jeder mein Rikki gern ghabt, was haaßt: geliebt hams sies! Und jetzt sans alle fassungslos und tief getroffen. Verlogene Bagasch. I sag dir, wias wirklich war: Pudert und danach in Arsch treten hams mei Klane! So schauts aus! Gholfen hat ihr kana von die miesen Haberer. Ausgnutzt schon, aber gholfen ned ein einziges Mal!«

Die Rosi hustet in den Hörer. Der Trainer, der das Telefonat mit einer umständlichen Beileidsbekundung eröffnet hat, schweigt.

Die von unzähligen Halbweltlegenden umrankte Espressobesitzerin, erinnert er sich, hat immer nur gehustet, nie geweint. »Nur nix anmerken lassen«, war stets ihre Devise. Seinerzeit, als Marktamt und Gesundheitspolizei ihr erstes Espresso Rosi geschlossen haben, reagierte sie nicht anders. Das Lokal war sozusagen ihr Leben und in den 70er Jahren Hauptquartier der Ostbahn-Partie. Und als der behördliche Bescheid kam, sagte sie nur: »Aus is, Burschen. Aber do muaß ma durch.« Und dann hat sie gehustet.

Die zwei bis drei Schachteln Chesterfield und die vielen Fernet oder Scharlachberg nach dem fetten Essen — und zu späterer Stunde gegen den Durst — haben ihrem Bellen seine unverkennbare Note gegeben. Inzwischen hat sich die Rosi auf zwei Schachteln Marlboro light runterdosiert, und Magenbitter oder Weinbrand sind aus gastritischen Gründen gestrichen. Ihr Husten und ihre Stimme legen aber noch heute, trotz der selbstauferlegten Zurückhaltung, deutlich Zeugnis ab von funfundvierzig Jahren Nachtleben der exzessiven Art.

»Weiß eigentlich der Kurtl scho, wos gschehn is?« fragt die Rosi, nachdem sie ihren Hustenanfall mit dem Anzünden einer leichten Marlboro niedergekämpft hat. »Wo steckt denn der Flohbeidl überhaupt?«

»Der is versumpft. In Louisiana«, sagt der Trainer.

»Typisch. Und du? Wann schaust du vorbei?«

»Jederzeit«, meint der Trainer und weiß aus langjähriger Erfahrung, was die Rosi jetzt gleich sagen wird.

»Weil es gibt da ein paar Sachen, über die redt ma ned am Telefon.«

***

Wien-Ottakring. Das sechste Espresso Rosi in einer langen bewegten Karriere. In seiner neuesten Inkarnation ist das traditionsreiche Etablissement ein diskreter, charmanter Single-Treff im schönen Liebhartstal. Chet Baker singt »Everything happens to me«. Der Trainer und Dr. Trash haben sich soeben an der Bar eingeparkt und bei der Rosi ihre Wünsche deponiert: einen großen Jameson mit ganz wenig Eis (Trainer), einen Tequila mit Orange und Zimt (Trash). Der Trainer eröffnet seinem immer noch stark nach Chemiewerk duftenden und offenbar in düsteren Gedanken schwelgenden Ermittlungspartner stolz, daß er für das musikalische Ambiente von Rosis schummriger Plüsch-Bar verantwortlich zeichnet. In nächtelanger Kleinarbeit hat er Cassetten angefertigt, die den kontaktsuchenden Herrn und die nach Zweisamkeit dürstende reifere Dame mit sinnlichen, unaufdringlichen, aber wohlbekannten Melodien umspülen: Anita O’Day, Billie Holiday, La Vern Baker, Frank Sinatra, Antonio Carlos Jobim ...

»Burt Bacharach?« stellt der Doc den Trainer auf die Probe.

»Logo«, lügt der Trainer. »Kommt noch. Und natürlich Jimmy Smith, weil es nach der elektrischen Gitarre kein geileres Instrument gibt als die Hammond-Orgel.«

»Tenorsaxophon«, sagt der Doc und läßt seinen Blick in unbekannte Weiten schweifen.

»Tenorsaxophon«, muß der Trainer zugeben.

Die Rosi stellt die erste Runde vor den beiden Amateurkriminalisten ab.

»Was soll i machen?« wendet sie sich an den Trainer. »Soll i allaa daham hockn und plärrn? Do steh i lieber hinter der Budel und plärr mit meine Gäst.«

Dann hustet sie. Für ihre tote Tochter. Und mindestens fünfundvierzig Jahre Nachtleben.

Während sich der Doc ganz und gar seinem Tequila-Ritual hingibt, schwenkt der Trainer den Eiswürfel in seinem Whiskyglas.

»Über was kann ma am Telefon ned reden?« sagt er leise vor sich hin und schaut interessiert dem Eiswürfel zu, der langsam mit der bernsteinfarbenen irischen Spirituose verschmilzt.

»Die Rikki war bei mir, in der Nacht, bevor des passiert is. Und wia i die Abrechnung gmacht hab in der Fruah, wollts plötzlich den Schlüssel vom Kurtl seiner Wohnung in der Reindorfgassn. Sie hat ned wolln heimgehn. Nicht um die Burg.«

»Verstehe«, sagt der Trainer zu seinem Jameson.

»Und weiter? Was könnte sie dazu veranlaßt haben?« meldet sich der Doc. »Wurde Ihre Tochter bedroht? Hatte sie Angst? Und wenn ja, vor wem oder was?«

Die Rosi bricht mit ihrem Gelübde und schenkt sich einen fürstlichen Scharlachberg ein.

»Wir ham immer vü gredt mitanand, die Rikki und i. Aber ein Thema war zwischen uns tabu, und zwar seit dem Debakel mit dem Erwin: ihre Mannsbilder. Irgendwann kummt der Punkt, wo du als Mutter weißt, da kannst nimmer helfen. Da is Hopfen und Malz verloren.«

Die Rikki hatte nach ihrer katastrophalen Ehe viele Männer. Und sie ist immer an oder mit ihnen gescheitert. In letzter Zeit aber, weiß die Rosi, obwohl sie eigentlich nix weiß, ist ihr aufgefallen, daß die Rikki ruhiger, sanfter und weniger gereizt war als früher. Welche Männerbekanntschaft dafür verantwortlich gewesen sein könnte, entzieht sich jedoch der mütterlichen Kenntnis.

»Aber es war garantiert keiner von meine Gäst — des hätt i sofort mitkriagt, auch wenn ma nix gredt ham über ihre Gschichtn.«

Der Trainer will noch einen zweiten Jameson und in diesem Zusammenhang nachfragen, ob die Rikki an besagtem frühen Morgen tatsächlich mit dem Zweitschlüssel von Kurtls Wohnung das Espresso Rosi verlassen hat, da landet - bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Tages — eine mächtige Pranke amikal auf seiner schmalen Schulter.

»Da schau her, der Herr Trainer! Scho wieder auf Brautschau!« freut sich Kommissar Skocik und macht es sich auf dem Barhocker neben Trainer und Trash bequem. »Und natürlich in Begleitung vom Herrn Doktor Dresch. So ein Zufall ...«

»Ein Kondolenzbesuch«, mault der Trainer. »Was dagegen?«

Skocik ordert bei der Rosi eine Römerquelle und zückt ein leichtes Kamel.

»Immer schön sprechen«, rät er dem Trainer. »Damit keine Unklarheiten aufkommen: Wenn Sie schon als Privatdetektive pfuschen, dann will ich am laufenden ghalten werden. Das fand ich fair.«

Die Rosi stellt wortlos die Römerquelle vor ihn auf die Theke.

»Und sollt einer von euch mehr wissen als ich, aber mir nix sagen«, fährt Skocik fort und schenkt sich dabei gemächlich ein Glas Mineralwasser ein, »dann kann ich extrem unfair werden. Aber sowos von unfair. Is a Spezialität von mir.«

Seine nächtliche Visite gilt aber eigentlich nicht den beiden Ermittlern, sondern der Chefin des Hauses. Skocik macht sich mit beiden Ellenbogen auf der Theke breit und bläst der Rosi den leichten Camel-Rauch ins heute besonders stark geschminkte Gesicht.

»Ihre Tochter, Frau Horvath, war, wie wir wissen, ned grad ein Kind von Traurigkeit. Beruflich wie privat. Und da ist es doch zumindest erstaunlich, daß wir in ihrer Wohnung nicht den geringsten Hinweis auf ein Mannsbild in ihrem Leben gefunden haben. Keine Fotos, keine Briefe, keine Namen oder Telefonnummern. Ned einmal gar nix. Außer einer alten Langspielplatten von meinem speziellen Freund, dem Herrn Ostbahn. A schene Leich, mit persönlicher Widmung. Also, Frau Horvath, hat die Rikki noch eine zweite Wohnung ghabt? Ein Liebesnest vielleicht, wo sie eventuell Herrenbesuche empfangen hat? Beruflich oder privat? Und wie is des mit dem Ostbahn, dem alten Freund des Hauses? Wie man hört, war der ja ihr liebster Stecher, praktisch von Kindesbeinen an? Was glaubens denn, warum er sie besucht hat in der Peep-Show? Und kurz drauf wars tot!«

»Keine Ahnung«, sagt die Rosi, die im Laufe ihres an Tiefpunkten reichen Lebens schon mit vielen Polizisten zu tun hatte, aber bei so einem ekelhaften Exemplar nur mühsam die Fassung bewahren kann. »Was Sie von meiner Tochter haltn, hams mir grad laut und deutlich gsagt. Ihnen kann ma eh nix erzähln.«

»Stimmt«, sagt Skocik. »Gar nix.«

Die Rosi wirft dem Trainer einen warnenden Blick zu und dreht sich weg. Ihr Hustenanfall hört sich besonders schlimm an.

***

»Weil wir grad so gemütlich beinander sitzen«, wendet sich Skocik mit einem Barracuda-Lächeln an Trainer und Doc. »Wir haben ermittelt, wohin sich der Ostbahn, ihr bester Freund und mein Hauptverdächtiger, abgesetzt hat - per Westbahn nach Frankfurt, dann mit dem Flieger nach New York und von dort aus in ein gewisses New Orleans. Und jetzt passens gut auf: Sie zwei haben genau achtundvierzig Stunden Zeit, mich davon zu überzeugen, daß der feine Herr Doktor Ostbahn unschuldig is. Entweder Sie schaffen ihn persönlich her, oder Sie liefern mir eindeutige Beweise.«

»Und wenn nicht?« erkundigt sich der Doc.

»Ganz einfach«, sagt Skocik und lüftet das Designer-Sakko, um die Handschellen zu zeigen, die an seinem Hugo-Boss-Gürtel baumeln. »U-Haft. Alle beide. Sie wissen eh, was das bedeutet: keine harten Drinks mehr und keine Orangenspaltln zum Auszuzeln. Und euern Ostbahn kauf ich mir mit der Interpol. Und dem FBI. Ende der Dienstreise.«

Dann schwingt er sich vom Hocker, gibt der Rosi mit einem boshaften Augenzwinkern zu verstehen, daß die Römerquelle auf Haus geht und empfiehlt sich.

»Also, die Schlüsseln vom Kurtl seiner Wohnung«, sagt die Rosi nach Skociks Abgang leise, »hat die Rikki in der Früh mitgnommen. Das war alles. Da hab ich sie das letzte Mal gsehn.«

»Verstehe«, sagt der Trainer und durchsucht im Geiste fieberhaft seine Meidlinger Mansarde nach den Reserveschlüsseln seines einstigen Plattenlagers, das nun schon seit Jahren Kurtls Bleibe ist. Und das Rikki offenbar als Versteck dienen sollte, vor dem letzten üblen Mannsbild ihres Lebens.

»Ohne Hausdurchsuchungsbefehl kommt der Skocik nicht in Kurtls Wohnung«, sagt der Doc und ist plötzlich voller Tatendrang. »Bis er sich den besorgt hat, sind wir im Vorteil. Und den sollten wir nützen.«

»Vorausgesetzt, ich find die Schlüsseln«, meint der Trainer mit wenig Hoffnung in der Stimme.