4
Knöcherne Fäuste hämmerten gegen die Tür. Ich fuhr aus dem Schlaf hoch.
Das harte Klopfgeräusch war verstummt. Ich lag auf dem Bett und dachte nach. Es mußte Einbildung gewesen sein. Ich hatte eben hämmernde Kopfschmerzen.
Da kam wieder das Dröhnen an der Tür. Jeder Schlag wurde in meinem Kopf tausendfach verstärkt. Ich ächzte. Diesmal konnte ich mich nicht irren. Die Person vor der Tür pochte dringlich, beinahe verzweifelt.
Ich sperrte die Tür auf und öffnete.
Barclay Fisher stand auf der Schwelle.
»Hallo, Fisher«, sagte ich.
»Was, um alles in der Welt, ist denn mit Ihnen los?« fragte er. »Ich habe stundenlang wie ein Verrückter an die Tür getrommelt. Haben Sie immer so einen gesunden Schlaf? Sie sind ja nicht einmal ausgezogen!«
»Ich hatte zu tun«, gab ich zurück.
Meine Kehle war wie ausgedörrt. Ich sah auf meine Uhr. Es war nach halb vier.
»Was machen Sie eigentlich hier?« fragte ich Fisher.
»Ich konnte nicht schlafen«, erwiderte er. »Da hab’ ich mich um Mitternacht ins Flugzeug gesetzt und bin hierher gekommen.«
»Und wie erklären Sie das Ihrer Frau?« erkundigte ich mich.
»Lam«, verkündete er todernst, »ich habe Minerva belogen. Ist Ihnen klar, was diese entsetzliche Geschichte aus mir gemacht hat? Einen Lügner!«
»Schlimm, schlimm«, meinte ich.
Ich ging zum Telefon und nahm den Hörer ab. »Ich wollte um sieben geweckt werden«, sagte ich. »Warum wurde ich nicht angerufen?«
»Augenblick bitte«, sagte eine zuckersüße weibliche Stimme.
Eine Weile blieb es still, dann sagte die Stimme: »Mr. Lam, Sie wollten um sieben Uhr geweckt werden. Sie wurden nicht angerufen, weil es noch nicht sieben Uhr ist. Es ist drei Uhr vierzig.«
»Schön, schön«, meinte ich resigniert. »Geben Sie mir den Etagenkellner.«
Ich bestellte mir einen Krug Tomatensaft, eine Flasche Worcestersauce und zwei Zitronen. Dann klopfte ich das Kopfkissen auf und lehnte mich zurück.
»Was hat Cadott zu sagen?« fragte Fisher. »Konnten Sie ihm seinen fürchterlichen Plan ausreden?«
»Ich habe ihn noch nicht gesprochen«, erwiderte ich. »Ich weiß jetzt, wo er ist. Das ist aber auch alles.«
»Sie haben ihn noch nicht gesprochen?«
»Nein.«
»Aber Sie riefen doch vor fünf Uhr an und sagten mir, daß er in Vallejo ist.«
»Stimmt.«
»Warum haben Sie ihn nicht aufgesucht?«
»Weil ich um sieben Uhr geweckt werden wollte, und die Telefonistin dachte, ich meinte sieben Uhr morgens.«
»Was soll das heißen? Wieso schlafen Sie am Nachmittag?«
»Ganz einfach«, erklärte ich. »Um Cadotts Freund dazu zu bringen, mir Cadotts Unterschlupf zu verraten, mußte ich mit ihm trinken. Danach brauchte ich ein paar Stunden Schlaf. Am Abend wollte ich dann nach Vallejo fahren.«
»Und Sie haben verschlafen?«
»Stimmt.«
Fisher zog an seinen Fingern, daß die Knöchel knackten. Seine wäßrigen Augen musterten mich vorwurfsvoll.
»Und ich hatte gehofft, daß inzwischen alles erledigt wäre«, meinte er.
»Cadott hat sich verkrochen«, erklärte ich. »Ich mußte allerhand auf mich nehmen, um herauszubekommen, wo er sich aufhält.«
»Und warum versteckt er sich?«
»Weil Ihre Freundin Lois Marlow ihm dazu geraten hat.«
»Warum?«
»Ich hoffe, daß ich das in den nächsten Tagen feststellen werde«, versetzte ich. »Im Moment weiß ich nur, daß sie eine Begegnung Cadotts mit mir unter allen Umständen vermeiden wollte.«
»Lam«, meinte Fisher kläglich, »dieser Cadott kann jeden Moment den Brief an Minerva schreiben. Vielleicht ruft er sie sogar an. Er ist gefährlich. Wir sitzen auf einem Vulkan und können uns keine Verzögerung leisten.«
»Natürlich«, stimmte ich zu, »aber was soll ich machen? Soll ich den Burschen vielleicht morgens um vier Uhr aus dem Bett holen und sagen: >Mein lieber Freund und Kupferstecher, Sie dürfen Barclay Fisher keine Schwierigkeiten machen, sonst kommt es zu einer Katastrophen Nein, so kann ich die Sache nicht anpacken. Das spielt Cadott nur in die Hände. Er weiß dann, daß Sie vor ihm Angst haben, und wird sich seiner Macht bewußt. Nichts kann ihn dann davon abhalten, seine Macht auszunutzen.«
»Ja, aber was sollen wir denn sonst tun?« fragte Fisher ratlos. »Wie können wir verhindern, daß er sich mit Minerva in Verbindung setzt?«
»Es gibt eine Lösung«, meinte ich. »Aber ich muß erst meinen Tomatensaft haben, ehe ich zu denken anfangen kann.«
Fisher marschierte auf und ab und knackte mit den Knöcheln.
»Haben Sie ein Zimmer?« fragte ich.
»Nein, ich bin eben erst angekommen.«
»Dann lassen Sie sich eines geben.«
»Ich kann nicht schlafen.«
»Aber ich.«
»Sie haben genug Schlaf gehabt«, versetzte er anklagend.
»Schlimmer«, meinte ich, »ich habe ein Gemälde gekauft.«
»Ein Gemälde?«
»Richtig. Ich habe es mit Ihrem Geld erworben. Es kostete siebenundfünfzig Dollar, stammt von Horace Dutton und heißt >Sonne über der Sahara<. Wollen Sie es sehen?«
Er starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren.
Ich trat zum Tisch und schälte das Gemälde aus seiner Verpackung.
»Um Gottes willen!« rief er. »Diesen Schinken haben Sie gekauft?«
»Ja«, erwiderte ich. »Auf diese Art und Weise erfuhr ich Cadotts Anschrift. Außer dem Gemälde mußte ich noch eine Flasche Gin springen lassen.«
Es klopfte, und ich öffnete.
Das Klirren der Eiswürfel in dem großen Krug klang mir wie die holdeste Musik in den Ohren. Ich goß den Tomatensaft in ein hohes Glas, gab Eis, Worcestersauce und Zitrone dazu und trank gierig.
Fisher betrachtete noch immer Duttons Gemälde mit einem Ausdruck völliger Ungläubigkeit.
»Möchten Sie einen Schluck?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe Kaffee getrunken, ehe ich herkam. Ich möchte nichts... Lam, ich mache mir große Sorgen.«
»Das dachte ich mir.«
»Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Ich nickte.
»Sie sagen, Erpressung nimmt kein Ende«, fuhr er fort. »Die erste Zahlung ist nur die erste Rate.«
Wieder nickte ich.
»Wir könnten aber jetzt zahlen und damit Zeit gewinnen«, meinte er.
Ich goß mir noch ein Glas Tomatensaft ein.
»Es ist keine Erpressung«, versetzte ich ruhig.
»Was denn sonst?«
»Das kann ich noch nicht sagen, aber ich glaube, wir haben es mit einem psychologischen Problem zu tun.«
»Was soll das heißen?«
»Ich stütze mich natürlich nur auf Vermutungen«, sagte ich, »aber ich würde sagen, daß Cadott eine Tat begangen hat, die sein Gewissen belastet. Er wagt es nicht, ein Geständnis abzulegen, findet aber keinen Frieden, weil er sich für einen Sünder hält. Aus diesem Grund hat sich bei ihm ein Komplex herausgebildet. Er muß die Missetaten anderer ans Licht bringen, um sich selbst zu überzeugen, daß er nicht schlechter ist als seine Mitmenschen. Die Psychologen haben für diesen Komplex gewiß einen Namen. Ich persönlich würde sagen, es ist ein Versuch der Sühne. Der Mann ist zu einem selbstgerechten Weltverbesserer geworden.«
»Und?« fragte Fisher.
»Wenn ein Mensch ein schlechtes Gewissen hat und derartig darunter leidet, dann ist er meist auf dem Weg zum Geständnis. Es würde mich nicht überraschen, wenn ich Cadott dazu bringen könnte, mir die Wahrheit zu gestehen.«
»Und dann würden Sie das als Druckmittel benutzen?«
»Nein, Sie haben mich falsch verstanden«, entgegnete ich. »Ich glaube, wenn Cadott sein Herz ausgeschüttet hat, wird er wieder normal werden und eher bereit sein, das Leben so zu nehmen, wie es kommt. Dann könnte er Lois glücklich machen und würde seine Mitmenschen nicht mehr belästigen.«
»Sie müssen Informationen haben, von denen ich nichts weiß, Lam.«
»Warum auch nicht?« meinte ich. »Deshalb engagierten Sie mich ja.«
»Sie haben mir aber nichts davon berichtet.«
»Das alles können Sie sich doch selbst zusammenreimen«, versetzte ich. »Wir haben hier einen Menschen, der päpstlicher ist als der Papst. Er liebt ein Mädchen, das gern lacht und fröhlich ist, das das Leben und die Abwechslung liebt. Hin und wieder benimmt er sich ganz menschlich, aber dann kehrt er plötzlich wieder seine Selbstgerechtigkeit heraus und wird zum humorlosen Fanatiker. Er ist der Ansicht, daß Sie Lois Marlow in eine — um es milde auszudrücken — unkonventionelle Lage gebracht haben. Deshalb schreibt er Ihnen einen Brief und droht Ihnen, Ihren Ruf zu ruinieren. Er will Sie bloßstellen. Er wird Lois Marlow zwingen, ihre Sünden einzugestehen, und Sie, Ihre Scheinheiligkeit zu bekennen. Doch mein Erscheinen genügt, um ihn in die Flucht zu schlagen. Er versteckt sich. Nun, was machen Sie daraus?«
»Überhaupt nichts«, versetzte er nach längerem Überlegen.
»Ich auch nicht«, sagte ich. »Meine Theorie ist, daß er gegen Sie gar nichts Bestimmtes in der Hand hat. Der Mann ist nicht normal. Wenn er Ihnen einen solchen Brief geschrieben hat, dann hat er wahrscheinlich auch anderen gedroht.«
»Und was hat das zu bedeuten?«
»Es kann sehr viel bedeuten. Kommt darauf an, was er gegen seine anderen Opfer vorzubringen hat.«
Ich trank einen Schluck Tomatensaft.
»Hm«, meinte Fisher, »ich muß zugeben, daß Ihre Theorie einleuchtend klingt. Trotzdem habe ich das Gefühl, es wäre besser, dem Mann Geld zu geben.«
»Wie Sie meinen«, sagte ich. »Wenn es sich wirklich um Erpressung handeln sollte, können wir damit Zeit gewinnen. Ich persönlich glaube allerdings nicht daran... Wo ist Ihr Koffer?«
»Unten. Ich nehme mir jetzt ein Zimmer und treffe mich dann mit Ihnen um acht Uhr. Nach dem Frühstück fahren wir nach Vallejo.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sagen wir lieber halb acht«, meinte ich. »Dann können wir um acht losfahren.«
»In Ordnung. Halb acht.«
Fisher ging.
Ich zog mich aus und ließ mir ein Bad einlaufen. Das warme Wasser tat gut. Dann rasierte ich mich und wollte eigentlich wieder ins Bett kriechen, als mein Blick auf meinen zerknitterten Anzug fiel. Ich rief den Nachtportier an und fragte, ob man mir den Anzug bis spätestens drei Viertel sieben bügeln könnte. Nachdem man mir das versichert hatte, leerte ich die Taschen und wartete auf den Pagen, der das gute Stück abholen sollte.
»Sonne über der Sahara« strapazierte meinen Sehnerv über alle Gebühr. Ich drehte das Gemälde zur Wand, ließ mir von unten die Nachtausgabe der Zeitung kommen und legte mich zu Bett. Nachdem ich eine Weile gelesen hatte, nickte ich ein.
Das schrille Läuten des Telefons weckte mich um sieben Uhr. Mein Anzug war noch nicht da. Ich rief das Zimmermädchen an und mußte mir erklären lassen, daß der Anzug nicht vor halb acht Uhr fertig sein würde. Mit guten Worten gelang es mir, der Frau das Versprechen abzunehmen, daß sie sich der Sache sofort annehmen würde.
Ich holte frische Unterwäsche und ein sauberes Hemd aus meinem Koffer und zog mich langsam an. Um sieben Uhr zwanzig wurde der Anzug gebracht. Um sieben Uhr dreißig war ich unten im Frühstücksraum.
Fisher saß an der Theke und trank Kaffee.
»Morgen«, begrüßte ich ihn. »Sie haben mich geschlagen.«
»Ich konnte nicht schlafen«, versetzte er.
»Wie lange sind Sie schon hier?«
»Seit hier aufgemacht wurde — halb sieben.«
»Wollen Sie nicht frühstücken?«
Er schüttelte den Kopf. »Kaffee genügt mir.«
Der Hocker neben ihm war frei.
»Orangensaft, Schinken und Ei, Kaffee«, bestellte ich bei der Kellnerin. »Mein Bekannter zahlt.«
Fisher schob die leere Kaffeetasse über die Theke. »Noch einen Kaffee«, sagte er.
»Das würde ich Ihnen nicht raten«, meinte ich. »Davon werden Sie nur nervös. Essen Sie lieber etwas.«
Er schnitt ein Gesicht. »Ich könnte keinen Bissen hinunterbringen.«
Ich verzehrte eilig mein Frühstück. Die Kellnerin schob Fisher die Rechnung zu. Er zahlte.
Dann sprang er auf und eilte zur Tür.
»Wie kommen wir nach Vallejo?« fragte er.
»Ich habe einen Leihwagen«, versetzte ich.
Ich holte den Wagen, und wir machten uns auf den Weg. Durch die Stadt ging die Fahrt langsam. Doch als wir die Schnellstraße erreichten, kamen wir gut vorwärts. In Vallejo fand ich das Roadside Motel ohne Schwierigkeiten.
»Fragen wir unter seinem falschen Namen nach ihm?« wollte Fisher wissen.
»Wir fragen gar nicht«, erklärte ich. »Der Mann hat einen Sportwagen. Wir sehen uns um.«
Zu dieser Stunde war hier alles still. Der Geschäftsführer holte den Schlaf nach, den er in der Nacht versäumt hatte, und die meisten Gäste hatten sich schon wieder auf den Weg gemacht. Die Zimmermädchen reinigten die leeren Zimmer.
»Das erste, was Sie lernen müssen, wenn Sie Detektiv werden wollen«, instruierte ich Fisher, »ist, daß Sie niemals den Eindruck machen dürfen, als suchten Sie etwas. Dann fallen Sie den Leuten nämlich auf, und später erinnert man sich an Sie. Sie müssen so tun, als hätten Sie es eilig, als hätten Sie ein bestimmtes Ziel und wüßten genau, wohin Sie wollen. Dabei sehen Sie sich dann unauffällig um. Wenn Sie das, was Sie suchen, nicht gefunden haben, kehren Sie um und marschieren ebenso zielstrebig wieder zurück — so, als hätten Sie etwas vergessen.«
Wir schritten den Bürgersteig entlang, der den langgezogenen flachen Bau umrandete. Nur vor wenigen Türen standen noch Autos. Es bereitete keine Schwierigkeiten, den auffallenden Sportwagen auszumachen. Er stand vor Zimmer Nummer 24.
»Was jetzt?« fragte Fisher. »Wir wissen zwar, wo er wohnt, aber was hilft uns das?«
»Jetzt reden wir mit dem guten Mann«, erwiderte ich und klopfte.
Drinnen rührte sich nichts.
Ich klopfte etwas lauter.
Alles blieb still.
»Vielleicht sitzt er beim Frühstück«, meinte ich. »Gehen wir.«
Wir drehten um und gingen ins Restaurant.
»Wissen Sie denn, wie er aussieht?« erkundigte sich Fisher.
»Ich glaube, ich kann den Burschen erkennen«, erklärte ich. »Er ist ein Fanatiker, selbstgerecht, intolerant und bigott. Er hat wahrscheinlich hohe Backenknochen, brennende Augen, wirres Haar und einen weichlichen Mund. Seine Bewegungen sind nervös und rastlos.«
Wir betraten das Restaurant. Fisher bestellte sich die unvermeidliche Tasse Kaffee. Ich ließ mir ein Brötchen und eine Tasse Schokolade kommen.
Aufmerksam musterte ich die Gäste. Einen George Cadott, so wie ich ihn mir vorstellte, konnte ich nicht entdecken.
Wir kehrten wieder zu Cadotts Zimmer zurück.
»Vielleicht hat er geduscht, als ich vorhin klopfte«, sagte ich. »Versuchen wir’s noch einmal.«
Ich klopfte nachdrücklich. Wieder blieb alles still. Ich drückte auf die Klinke und stieß die Tür auf.
»Was machen Sie da?« rief Fisher entsetzt.
»Will mich nur mal umsehen.«
Die Tür öffnete sich, ohne zu quietschen.
Fisher wich zurück. »Damit will ich nichts zu tun haben.«
»Warten Sie hier«, sagte ich.
Mir war es recht, wenn er nicht mitkommen wollte. Mein Gespräch mit Cadott ließ sich so besser führen. Wenigstens lenkte mich Fishers Fingerknacken dann nicht ab.
Es dauerte einen Moment, ehe meine Augen sich an die Dunkelheit des Zimmers gewöhnten. Ich schloß die Tür sacht hinter mir. Dann sah ich, daß das Bett unbenutzt war.
Das verblüffte mich.
Ich ging zum Badezimmer. Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen: Zwei beschuhte Füße versperrten mir den Weg.
Ich stieg über sie hinweg und blickte um die Ecke des Bettes.
Der Tote war völlig angekleidet. Auf seiner Brust hatte sich ein roter Fleck gebildet. Die Haut war wächsern und bleich, der Mann hatte volles schwarzes Haar, hohe Backenknochen und einen schwächlichen, eingesunkenen Mund. Die Augen waren geschlossen.
Nichts deutete auf einen Kampf hin. Alles befand sich an seinem Platz. Halb verborgen unter dem Jackett des Mannes lag ein lederner Schlüsselbund. Ich hob ihn auf und steckte ihn ein.
Dann ging ich wieder um das Bett herum, zog mein Taschentuch heraus und wischte die innere Türklinke ab. Mit dem Taschentuch in der Hand umfaßte ich die äußere Klinke und zog die Tür zu.
Fisher hatte nicht auf mich gewartet. Er hatte sich entfernt und tat, als gehörte er nicht zu mir.
Ich rannte hinter ihm her. »Kommen Sie«, sagte ich, als ich ihn eingeholt hatte.
»Was hat er gesagt?« fragte Fisher.
»Er war nicht da«, erwiderte ich. »Ich glaube fast, er ist irgendwo in der Stadt und telefoniert.«
»Er war nicht da?«
»Ich habe ihn jedenfalls nicht gesehen«, erklärte ich. »Allerdings habe ich nur einen kurzen Blick ins Zimmer geworfen. Ich bin nicht auf Entdeckungsreise gegangen.«
»Ach so«, meinte Fisher. »Und er lag auch nicht im Bett?«
»Das Bett war unbenutzt.«
»Was?«
»Ja.«
»Aber sein Auto steht doch hier.«
»Das glauben wir jedenfalls.«
»Sehr weit kann er also nicht sein. Sollen wir nicht doch lieber beim Empfang nachfragen, um ganz sicherzugehen?«
»Nein.«
»Was tun wir dann jetzt?«
»Wir fahren zurück.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Fisher. »Erst machen wir die lange Fahrt hierher, um mit dem Mann zu reden, und jetzt fahren wir unverrichteterdinge wieder ab.«
»Ganz recht. Wir haben es uns anders überlegt.«
»Ich sehe den Grund nicht ein.«
»Sie brauchen nicht alles zu wissen«, versetzte ich. »Es wäre mir sowieso lieber gewesen, Sie wären gar nicht erst hierher gekommen.«
»Tut mir leid, aber das läßt sich nicht ändern. Ich muß wissen,, was vorgeht. Diese entsetzliche Ungewißheit kann ich nicht ertragen. Lam, sagen Sie mir ehrlich — glauben Sie, der Kerl hat seine Drohung wahrgemacht und sich bereits mit Minerva in Verbindung gesetzt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wir müssen ihn erreichen, Lam. Wir müssen ihn daran hindern.«
»Ich glaube, das ist schon erledigt«, sagte ich.
»Wieso?«
»Ich habe mit Lois Marlow gesprochen und ihr erklärt, worum es geht.«
»Und Sie meinen, daß sie ihn warnte?«
»Natürlich. Warum wäre er sonst so schleunigst hier untergekrochen?«
»Hm, stimmt«, meinte Fisher.
»Und deshalb«, bemerkte ich, »bringe ich Sie jetzt , zum Flughafen zurück. Sie fliegen mit der nächsten Maschine nach Hause.«
»Das will ich nicht. Ich möchte an Ihrer Seite bleiben. Deswegen bin ich ja gekommen.«
»Sie fahren nach Hause«, beharrte ich. »Sie sind hier nur im Wege.«
»Ich muß erst zurück ins Hotel, meinen Koffer holen.«
»Gut«, entschied ich, »wir fahren zum Hotel und holen Ihren Koffer. Dann setzen Sie sich in die erste Maschine Richtung Heimat.«
Fisher musterte mich argwöhnisch. »Sie scheinen sich plötzlich alles mögliche anders überlegt zu haben.«
»Richtig«, bestätigte ich. »Das ist so eine Angewohnheit von mir.«