10. KAPITEL

Lacey zog ihren Badeanzug an. Es war zwar schon spät am Nachmittag, aber sie hatte noch etwas Zeit, bis sie sich für den Besuch bei den Lincolns zurechtmachen musste. Bis dahin wollte sie schwimmen gehen.

Auf dem Weg hinunter zum Strand blickte sie flüchtig zu Steves Haus. Es wäre schön, wenn es ihm nachher gut genug ging und sie gemeinsam zu der Grillparty fahren könnten. Lacey hoffte, dass Steve schlafen und sich bis zum Abend erholen würde. Andernfalls würde er akzeptieren müssen, dass sie für sie beide das Essen zubereitete.

Das Wasser war herrlich sanft und angenehm erfrischend bei dem heißen Wetter. Nachdem Lacey einige Runden geschwommen war, legte sie sich eine Weile in die Sonne. Schließlich war es Zeit, wieder nach oben zu gehen und sich für den Abend fertig zu machen. Aber zuerst musste sie sich nach Steves Befinden erkundigen. Wenn sein Fuß noch immer so schmerzte, war es besser, sie blieben zu Hause.

Lacey betrat Steves Haus wieder durch die Hintertür, ohne vorher anzuklopfen. Wenn er noch schlief, wollte sie ihn nicht aufwecken. Sie ging durch die Küche ins Wohnzimmer. Das Sofa war gemacht, und Steve war nirgends zu sehen.

Schnell schaute sie in die anderen Zimmer im Erdgeschoss, bevor sie es oben versuchte. Vorsichtig öffnete sie die Schlafzimmertür. Steve lag auf dem Bett und schlief, den Fuß auf ein Kissen gestützt. Sie betrachtete das Gesicht des geliebten Mannes, um sich für die vielen Jahre, die noch vor ihr lagen, jeden Zug einzuprägen. Im Schlaf wirkte Steve entspannt und verletzlich.

Lacey blieb unschlüssig an der Tür stehen. Sollte sie ihn aufwecken? Besser nicht, aber dann konnte er vielleicht in der Nacht nicht schlafen.

Vorsichtig betrat sie das Zimmer und näherte sich Steves Bett. Er lag in der Mitte, und wenn Lacey ihn berühren wollte, musste sie sich auf das Bett knien.

“Steve?”, sagte sie leise.

Er reagierte nicht.

“Steve?” Sie kniete sich auf die Matratze, beugte sich vor und berührte leicht seine Schulter.

“Hm?”, brummte er mit geschlossenen Augen.

“Steve, möchtest du jetzt aufstehen?” Sie hatte ihre Hand noch immer auf seine Schulter gelegt.

Steve öffnete die Augen ein wenig und schaute Lacey an.

“Warst du schwimmen?”

“Ja, es ist schön draußen. Möchtest du aufstehen?”

“Wie spät ist es?”, fragte er.

“Gleich sechs. Ich wusste nicht, ob ich mich umziehen soll oder nicht. Wenn es dir nicht so gut geht, kann ich uns das Abendessen hier machen.”

Steve schloss die Augen wieder für eine Minute. “Lass uns zu Kyle und Lynn fahren”, sagte er dann schließlich.

“Okay.”

Lacey wollte vom Bett heruntersteigen, aber Steve hielt sie fest und zog sie zu sich, so dass sie neben ihm im Bett lag.

“Dusch doch hier”, schlug er vor und sah sie mit leisem Lächeln von der Seite an.

“Nein danke, ich habe selbst eine Dusche zu Hause”, antwortete sie ihm.

“Aber dort kann ich nicht bei dir sein”, erklärte er.

Lacey lächelte. “Nein. Soll ich mir dort vorstellen, dass du bei mir bist?” Sie versuchte, sich gegen das Verlangen zu wehren, das diese Vorstellung in ihr weckte. Sie sah Steve fest in die Augen, in der Hoffnung, dass er ihre Gedanken nicht erriet.

“Und ich stell mir vor, dass du mit mir unter meiner Dusche stehst.” Er ließ den Finger ihr Bein empor bis unter den Saum ihres Bikinihöschens gleiten. “Ich wette, dass deine Haut hier drunter ganz hell ist.”

Laceys glaubte, innerlich zu schmelzen. Sie hatte keine Kraft mehr. Sie sollte Steve zurückstoßen, vom Bett springen und davonlaufen, aber sie konnte und wollte sich nicht bewegen. Sie hielt den Atem an, und ihr Herz schlug immer schneller.

Steve lächelte aufreizend. Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete er Laceys Mienenspiel, während er seine Hand über ihre Hüfte zur Taille wandern ließ.

“Lacey, deine Haut ist so zart wie eine Feder und warm wie ein Sommertag.”

“Steve …” Jetzt musste sie etwas sagen, ihm Einhalt gebieten.

“Hmm?” Er stützte sich auf einen Arm und schob seine rechte Hand unter ihr T-Shirt, zeichnete ihre Rundungen nach und hinterließ eine glühende Spur auf ihrer Haut.

“Hör auf”, flüsterte Lacey. Als sie ihm die Hand auf die Schulter legte, fühlte sie seine Körperwärme durch das dünne Baumwollhemd.

“Nein.” Steve ließ seine Hand unter ihr Bikinioberteil gleiten. Laceys drängte sich noch enger an Steve. Es war verrückt, aber sie konnte ihn nicht zurückweisen.

Als er seinen Mund auf ihren senkte, gab Lacey ihren Widerstand endgültig auf. Sie sehnte sich nur noch nach der Ekstase, die Steve ihr bereiten würde, und öffnete bereitwillig die Lippen. Das Gefühl war vertraut und doch aufregend neu. Steves Mund war warm, seine Lippen fest und fordernd, und Lacey erwiderte den Kuss voller Leidenschaft.

Steve rollte Lacey auf die Seite und öffnete den Verschluss ihres Bikinis. Er streichelte ihren Rücken, ließ seine Hand nach vorn zu ihrer Brust wandern und umkreiste mit dem Daumen die rosige Spitze.

Lacey stöhnte, legte ihm die Arme um den Nacken und ließ ihre Finger durch sein dichtes Haar gleiten. Sie bog sich ihm entgegen, gab sich seinen Zärtlichkeiten hin, bereit, das Wunder der Liebe mit ihm zu entdecken.

In diesem Augenblick ertönte das laute Schrillen des Telefons.

“Verdammt, ich sollte alle Telefone im Haus und im Büro herausreißen lassen”, fluchte Steve, rollte sich zur Seite und nahm den Hörer ab. “Hallo … Ja, Lynn, ich wollte euch gerade anrufen. Mir geht es gut … Ja, wir kommen bald. Kann ich irgendetwas mitbringen? … Na gut, bis bald.”

Es war also entschieden, dass sie zu den Lincolns fuhren, was bedeutete, dass Lacey sich mit dem Umziehen beeilen musste. Sie sprang vom Bett und machte mit hochrotem Kopf das Oberteil ihres Bikinis wieder zu.

“Ich bin in einer halben Stunde fertig”, sagte sie, ohne Steve anzuschauen.

“Dusch hier”, bat er sie noch einmal.

“Oh nein, dann schaffen wir es nie zu Kyle und Lynn”, erklärte sie und ging zur Tür. Wenn Steve sie jetzt wieder küsste, würde sie nirgends mehr hingehen wollen, und damit würde sie das Schicksal herausfordern.

Er lächelte. “Wahrscheinlich hast du Recht, aber wir hätten hier mehr Spaß.”

Lacey eilte hinüber zu ihrem Haus, wo sie sich sofort unter die Dusche stellte, um das Salz aus ihrem Haar und von der Haut zu spülen. Dann fönte sie das Haar und ließ es locker in Wellen über die Schultern fallen. Sie entschied sich für ein blaues Sommerkleid, das das Blau ihrer Augen betonte. Obwohl sie nach einem Blick in den Spiegel mit ihrem Aussehen zufrieden war, irritierte sie ihre Nervosität. Sie machte einige tiefe Atemzüge, bevor sie entschlossen das Haus verließ und zu Steve hinüberging.

Er erwartete sie bereits auf der Veranda. Sie lächelte zu ihm auf, blieb aber neben seinem Wagen stehen. Steve kam langsam die Treppe herunter und ging zur Beifahrerseite. Lacey fühlte sich plötzlich befangen. Nach dem, was in seinem Schlafzimmer geschehen und beinahe noch passiert wäre, wusste sie nicht, was sie zu ihm sagen sollte.

Steve blieb vor ihr stehen, stützte sich mit einer Hand auf die Krücke und hob mit der anderen Laceys Kinn. “Du siehst hübsch aus”, bemerkte er mit einem grollenden Unterton. “Für wen hast du dich so fein gemacht? Für Kyle? Ich habe dir schon gesagt, er ist glücklich verheiratet. Ich will nicht, dass du mit ihm flirtest und seine Ehe gefährdest.”

Für einen Moment sah Lacey ihn sprachlos an, sie spürte Zorn in sich aufsteigen. Nach seinem letzten Kuss hatte sie geglaubt, dass Steve endlich begonnen hatte, ihr zu vertrauen. Lacey war verletzt, weil er sie offenbar noch immer als Femme fatale betrachtete, die nur daran interessiert war, Unruhe zu stiften und sich einen reichen Mann zu angeln.

“Ich weiß sehr wohl, wie ich mich einem Gastgeber gegenüber zu benehmen habe”, entgegnete sie kühl. “Und ich flirte grundsätzlich nicht. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, dass ich dich vor deinen Freunden blamiere. Bist du sicher, dass du wirklich hinfahren möchtest?”

“Ganz sicher.” Er gab ihr Kinn wieder frei und kletterte in den Wagen.

Lacey atmete tief durch, bevor sie um den Wagen ging und sich hinter das Lenkrad setzte. Vielleicht war es ein Fehler, zu der Grillparty zu fahren. Aber jetzt war es zu spät, sie hatte die Einladung angenommen.

Die Lincolns bewohnten ein großes, sehr geschmackvoll eingerichtetes Haus oberhalb von Bridgetown mit einem phantastischen Blick über die Stadt.

“Steve, wie schön, dass du kommen konntest.” Lynn begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange. “Hallo, Lacey, ich freue mich, Sie wiederzusehen. Tretet ein. Steve, wie konntest du nur die Treppe hinunterfallen? Mir ist das Herz vor Schreck fast stehen geblieben, als Kyle es mir erzählt hat.”

“Ich habe nicht aufgepasst. Ich war mit meinen Gedanken woanders”, antwortete er mit einem flüchtigen Blick auf Lacey.

Lacey schaute schnell weg und begrüßte ihren Gastgeber. Sie erinnerte sich an Steves Antwort, nachdem sie ihn gefragt hatte, wo er mit seinen Gedanken gewesen war. Er hatte ihr gestanden, dass er an sie, Lacey, gedacht hätte. Erst jetzt wurde ihr klar, dass es mehrere Möglichkeiten gab, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht.

Wenige Minuten später saßen sie zu viert bei einem Drink auf der Terrasse, und Steve erzählte von seinem Unfall.

“Aber jetzt genug davon. Wechseln wir das Thema”, erklärte er schließlich.

“Ich habe Dutzende von Fragen an Lacey”, sagte Lynn. “Ich möchte alles über Ihre Arbeit in Hollywood erfahren, wenn Sie es nicht als aufdringlich empfinden.”

“Fragen Sie ruhig, und ich quetsche Sie danach über Barbados aus.” Lacey lächelte. “Das Leben auf so einer Insel ist grundverschieden von meinem Leben in Los Angeles, also gibt es eine Menge zu erzählen.”

Es wurde ein sehr fröhlicher und unterhaltsamer Abend. Kyle grillte Hähnchen und Steaks auf dem Grill, und Steve führte die Aufsicht, wie er erklärte. Die beiden Frauen kümmerten sich um den Salat und das Brot und deckten den Tisch auf der Terrasse. Lacey lachte über die vielen Anekdoten, die ihre neuen Freunde ihr erzählten. Sie fühlte sich so wohl bei ihnen, als würde sie sie schon seit Jahren kennen.

Lacey berichtete von ihrem Leben in Hollywood und unterhielt ihre Gastgeber mit Geschichten, die sie bei den Dreharbeiten von “Many Lives und Loves” erlebt hatte.

“Ich wünschte, wir könnten die Serie hier auch sehen”, sagte Lynn. “Da ich jetzt weiß, dass Mimi Anderson in Wirklichkeit so schüchtern ist, würde es mir besonderen Spaß machen, sie im Film als Femme fatale zu erleben. Sie muss eine gute Schauspielerin sein, wenn sie sich so in eine Rolle einleben kann.”

“Sie ist großartig”, stimmte Lacey zu. “Nur so gelingt es ihr, trotz ihrer Schüchternheit auf dem Bildschirm überzeugend zu wirken.”

“So viel anders als hier ist es in Los Angeles eigentlich auch nicht”, überlegte Lynn.

“Eigentlich nicht. Wir haben nur mehr Smog, eine höhere Einwohnerzahl und eine höhere Kriminalitätsrate.” Lacey schob ihren Teller weg und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Sie war angenehm satt und unterhielt sich prächtig.

“Und wie ist es in Hollywood?”

“Habe ich eine Frau geheiratet, die insgeheim von einer Schauspielkarriere träumt?”, fragte Kyle mit gespieltem Entsetzen.

“Nein; aber es hört sich so interessant an”, erklärte Lynn.

“Auch der Arztberuf ist interessant und der eines Import-Export-Händlers.” Lacey blickte Steve kurz an.

“Steves Beruf ist auf jeden Fall interessant. Er reist um die ganze Welt, trifft berühmte Leute und genießt alle Vorteile, die er als Eigentümer einer der größten Exportfirmen unseres Landes hat.” Lynn lächelte ihm zu.

“Warum erwähnen die Frauen nie die harte Arbeit, die damit verbunden ist?”, klagte Steve.

“Oder die vielen schlaflosen Nächte, die man an Krankenbetten verbringt?”, fügte Kyle hinzu.

Lynn und Lacey sahen sich an und schmunzelten.

“Die Männer haben es schwer, nicht wahr?”, bemerkte Lynn.

“Zumindest sollen wir das glauben”, erwiderte Lacey und stand auf. “Kann ich Ihnen beim Abräumen helfen?”

“Ja, gern. Ihr Männer bleibt sitzen und versichert euch gegenseitig, wie schwer ihr arbeitet, während wir Frauen aufräumen”, sagte Lynn, während sie das Geschirr zusammenstellte.

Kyle gab seiner Frau einen Klaps auf das Hinterteil, und sie bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick.

“Wir arbeiten wirklich hart, vergiss das nicht”, sagte er fröhlich.

“Ich weiß, Liebling. Du auf jeden Fall.” Lynn gab ihm einen Kuss, bevor sie das Geschirr in die Küche trug.

Lacey wich Steves Blick aus. Sie wünschte sich, Steve genauso selbstverständlich küssen zu können, wie Lynn dies soeben bei ihrem Mann getan hatte.

Sie folgte Lynn in die Küche, wo sie ihr beim Aufräumen half. Als sie fertig waren, nahmen sie für die Männer zwei kühle Flaschen Bier mit hinaus.

Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen, und die Lichter der Stadt funkelten zu ihnen herauf. Lacey ging zu Steve, um ihm sein Bier zu bringen. Er saß auf einer Liege, hatte den verletzten Fuß vor sich ausgestreckt und den anderen neben der Liege auf den Boden gestellt.

Er nahm Lacey die Bierflasche ab und hielt dabei ihre Hand fest. “Setz dich zu mir.”

Lacey zögerte einen Moment. Lynn hatte sich zu Kyle auf die Liege gesetzt. Warum versuchte Steve den Eindruck einer so intimen Beziehung zu wecken? Was bezweckte er damit? Wollte er Kyle zeigen, dass sie, Lacey, bereits in festen Händen war?

Aber sie wollte sich nicht streiten, und so setzte sie sich auf das Knie von Steves gesundem Bein. Sofort zog er sie an sich, so dass sie mit dem Rücken an seiner Brust lag und sein linker Arm sich unter ihren Brüsten befand.

“Möchtest du einen Schluck?” Steve reichte ihr das Bier.

“Nur einen kleinen.” Lacey führte die Flasche an den Mund, dann gab sie sie Steve zurück. Auch er trank noch einen Schluck, stellte die Flasche neben sich auf den Boden, lehnte sich wieder zurück und zog Lacey mit sich.

Allmählich entspannte Lacey sich. Sie genoss es, an Steves Brust zu liegen und seinen Herzschlag durch den dünnen Stoff ihrer Kleidung zu spüren. Noch immer lag seine Hand unter ihrer Brust, so dass er mit dem Finger den Ansatz berührte. Lacey versuchte, die Hand zur Seite zu schieben, doch Steve ließ es nicht zu.

Wie konnte er sich nur so ruhig mit Kyle und Lynn unterhalten, während er in ihr, Lacey, die köstlichsten erotischen Gefühle weckte? Sie wagte kaum zu atmen, geschweige denn sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Noch einmal versuchte sie es nun, freizukommen.

“Sitz still”, flüsterte er ihr ins Ohr, und sie spürte seinen warmen Atem auf der Haut.

Lacey lehnte sich wieder zurück und schloss die Augen. Die Wärme, die von Steves Hand an ihrer Brust ausging, durchflutete ihren Körper. Wie lange soll ich das noch ertragen, ohne verrückt zu werden?, dachte sie.

“Man kann Steves Büro von hier aus sehen”, sagte Lynn. “Zeig es Lacey, Steve.”

Steve deutete auf das Gebäude, und Lacey musste sich ein wenig zur Seite drehen, um es sehen zu können.

“Wenn du nicht damit aufhörst, trete ich dir auf deinen kranken Fuß”, sagte sie dabei so leise, dass nur er es hören konnte.

“Das wäre schlimm.” Er lächelte und küsste sie leicht.

Lacey schmiegte sich wieder an ihn, achtete aber darauf, dass seine Hände keine gefährlichen Zonen berührten. Sie genoss diesen Abend, und sie genoss es, mit Steve zusammen zu sein. Sie mochte seine Freunde, und die Sympathie beruhte vermutlich auf Gegenseitigkeit. Lacey träumte davon, wie anders alles sein könnte. Sie stellte sich vor, noch oft so in Steves Armen zu liegen, mit ihm über die Ereignisse des Tages zu reden oder über die Probleme der Welt zu diskutieren. Ob Steve wohl gern ausging oder lieber zu Hause blieb und Freunde einlud wie Lynn und Kyle?

Lacey ließ ihren Blick über die funkelnden Lichter der Stadt bis zu dem dunklen Meer wandern, und sie wusste, dass sie diesen Abend für immer im Gedächtnis bewahren würde. Sie atmete den schweren, süßen Duft des Jasmins ein, und eine sanfte, warme Brise von der See strich über ihre Haut. Sie wünschte sich, dass dieser Abend nie enden möge.

“Schläfst du?” Steve rüttelte sie ein wenig.

“Nein.”

“Lynn wollte wissen, wann du wieder anfängst zu arbeiten”, sagte er amüsiert.

“Ich muss Mitte nächsten Monats wieder in Kalifornien sein. Dann beginnen die Dreharbeiten, und es wird ziemlich hektisch.”

Bildete sie es sich ein, oder hatte Steve sich tatsächlich ein wenig versteift, als sie von ihrer Rückkehr nach Hollywood sprach? Sie hoffte, dass er ihre Abreise zumindest ein wenig bedauern würde.

“Kommen Sie im nächsten Sommer wieder?”, fragte Lynn.

“Ich weiß nicht”, antwortete Lacey ehrlich. Sie hatte keinen Grund, noch einmal hierherzukommen, wenn Steve nichts sagte. Und würde er das tun? Würde er zugeben, dass er sich freuen würde, wenn sie, Lacey, wieder nach Barbados zurückkehrte?

“Dann sollten Sie sich alles auf der Insel ansehen, solange Sie noch hier sind. Ich kann Sie herumführen, wenn Sie möchten”, bot Lynn an.

“Darauf komme ich gern zurück”, sagte Lacey. “Außer Sam Lord’s Castle habe ich kaum etwas gesehen. Ich will auch noch zum Surfen an die Ostküste und mir die Windmühlen und die Zuckerrohrfelder ansehen.” Mit Bestürzung dachte sie daran, wie schnell die Zeit verflog. In zwei Wochen waren ihre Ferien vorüber, sie musste zurück nach Los Angeles, und Steve würde nicht mehr als eine bittersüße Erinnerung sein. Lacey verdrängte mühsam diese trüben Gedanken.

“Vielleicht können wir am nächsten Sonntag alle zusammen zur Ostküste fahren und dort surfen. Steve ist zwar nicht in der Lage, auf ein Brett zu steigen, aber er kann mitkommen und mit uns picknicken”, schlug Kyle vor.

“Ich bin überzeugt, dass mir Sand in meinem Gips gefällt”, murrte Steve, worüber alle lachten.

“Wir stecken dein Bein in eine Plastiktüte, wie du es auch machst, wenn du duschst”, sagte Kyle. “Also, wie ist es mit Sonntag? Ich habe frei.”

“Ich komme gern mit”, erklärte Lacey begeistert. Sie wusste zwar, dass sie sich bis dahin bestimmt noch einige Male mit Steve streiten würde, doch das sollte ihr die gute Laune nicht verderben. Sie freute sich darauf, einen Tag mit Lynn und Kyle verbringen zu können.

Es war schon recht spät, als Steve vorschlug, nach Hause zu fahren. “Einige von uns müssen morgens früh aufstehen und hart arbeiten”, sagte er.

“Ich arbeite sonst auch hart, und deswegen habe ich mir meinen Urlaub redlich verdient.” Lacey war ein wenig beleidigt, weil Steve ihre Arbeit offenbar für unwichtig hielt.

“Jedenfalls kannst du morgen früh ausschlafen”, erklärte er, während er auf dem dunklen Boden nach seinen Krücken suchte.

Es war ein schöner Abend gewesen, und Lacey war überzeugt, dass auch Steve ihn genossen hatte. Er saß entspannt und müde neben ihr, als sie zurückfuhren. Ob sein Fuß noch schmerzte? Lacey wagte nicht, ihn danach zu fragen, um die angenehme Stimmung, die zwischen ihnen herrschte, nicht durch einen von Steves sarkastischen Kommentaren zerstören zu lassen.

Sie parkte den Wagen vor Steves Haus und lehnte sich zurück. Obwohl sie müde war, mochte sie sich noch nicht von Steve verabschieden.

Auch er konnte sich nicht dazu entschließen auszusteigen. Er saß schweigend da und blickte hinaus zum Sternenhimmel.

“Kyle und Lynn sind wirklich reizend”, bemerkte Lacey. “Ich habe mich bei ihnen sehr wohl gefühlt.”

“Wir sind schon seit Jahren befreundet. Kyle und ich sind zusammen aufgewachsen.”

“Ich weiß.” Sie lächelte. “Ich habe schon von einigen eurer Jungenstreiche auf der Party deiner Eltern gehört.”

“Jede Geschichte hat zwei Seiten. Du musst dir auch meine Version anhören”, forderte Steve.

“Bei einigen der Episoden wäre das bestimmt sehr interessant”, meinte Lacey.

“Komm mit mir herein”, bat er rau.

“Brauchst du Hilfe? Soll ich eine Taschenlampe holen?”

“Nein, ich möchte, dass du die Nacht mit mir verbringst.”

Lacey schwieg. Steve hatte nicht von Liebe gesprochen, nicht erklärt, dass er sein Leben mit ihr verbringen wollte. Er hatte sie nur eingeladen, die Nacht mit ihm zu verbringen. Sie war verletzt, weil er anscheinend glaubte, dass sie ohne Weiteres mit jedem Mann ins Bett sprang. Hielt er sie für so leichtfertig?

“Das geht nicht”, sagte sie leise.

“Warum nicht?”

“Was ist mit Liebe?”

Steve setzte sich aufrecht hin und versuchte, Laceys Gesicht in dem schwachen Licht zu sehen.

“Liebe ist ein Gefühl, das überbewertet und von Frauen benutzt wird, um Lust und Verlangen mit dem Mantel des Anstands zu bedecken. Wenn du von mir Beteuerungen unsterblicher Liebe hören willst, wirst du vergebens warten. Was willst du von mir? Einen Ehering? Den wollte Elizabeth auch, als Zeichen dafür, dass ich ihre Karriere in jeder Weise unterstützen würde.”

“Dafür brauche ich dich nicht, Steve”, erwiderte Lacey ruhig. “Ich habe bereits erreicht, was ich wollte, und ich möchte dich auch nicht heiraten. Außerdem halte ich Liebe nicht für ein überbewertetes Gefühl. Deine Freunde haben mir heute Abend wieder einmal gezeigt, dass es so etwas gibt. Deine Eltern lieben sich, genau wie meine. Ich bin daher der Meinung, dass es sich lohnt, auf die Liebe zu warten.”

Sie öffnete die Wagentür und drehte sich noch einmal zu Steve um. In dem Licht, das von draußen hereinfiel, konnte sie jetzt sein Gesicht erkennen, sah die Wut in seinen Augen und die zusammengepressten Lippen.

“Ich bin nicht Elizabeth”, schrie Lacey ihn an. “Und ich versuche nicht, dich einzufangen. Ich hatte einen schönen Abend, aber es war wohl zu viel erwartet, dass es so weitergehen würde. Am Ende bist du jedes Mal wütend auf mich. Warum? Was habe ich dir eigentlich getan? Gute Nacht, Steve.”

Lacey kletterte aus dem Auto und schlug die Tür hinter sich zu. Ohne zurückzublicken, lief sie zu ihrem Haus, während ihr die Tränen über die Wangen rannen.