Marcus hat Angst
Zu Richards Freude war auch Julius in das Zimmer des Heimleiters gebeten worden.
»Wie ist es dir ergangen?«, flüsterte Richard, während sie im Vorzimmer warten mussten.
Julius lächelte schief. »Eigentlich halb so schlimm, mein Buch habe ich fast durch. Aber ich habe eine ganz schöne Wut im Bauch, kann ich dir sagen.«
»Da geht’s mir genauso«, antwortete Richard, als der Heimleiter auch schon die Tür öffnete und sie hereinbat. Sie mussten sich direkt gegenüber seinem Schreibtisch auf zwei Stühle setzen.
Der Heimleiter blieb stehen und stützte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte. »Was mach ich nur mit euch beiden?«
Julius blickte verlegen auf seine Hände. »Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit den Diebstählen wirklich nichts zu tun haben. Ehrenwort.«
Der Heimleiter holte tief Luft. »Ich muss gestehen, dass es mir sehr schwer fällt, das zu glauben. Die Hinweise sprechen leider gegen euch.«
Die Brüder warfen sich fragende Blicke zu. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten?
»Ich fasse mal zusammen«, ergriff nun der Begleitlehrer das Wort. Er zählte an den Fingern ab: »Erstens wurden die gestohlenen Gegenstände in deinen Sachen gefunden, Richard.«
Dieser nickte. »Aber ich weiß wirklich nicht, wie sie dorthin gekommen sind.«
Herr Krüger schien seine Bemerkung gar nicht gehört zu haben.
»Zweitens, seit Richard Stubenarrest hat, haben die Diebstähle schlagartig aufgehört.«
Richard nickte wieder. Das war ihm bewusst. Aber was hieß das schon? Wenn ihm einer eins auswischen wollte, gehörte das doch wohl zur Taktik.
»Drittens wurdest nun du erwischt, Julius, wie du nachts durch die Schule geschlichen bist, und zwar im Versorgungsbereich, wo du nun wirklich nichts zu suchen hast.«
»Aber ich habe Ihnen doch bereits erklärt, warum ich in der Nacht im Hinterhof war«, sagte Julius und hörte selbst, wie dünn seine Stimme klang. »Das Auto, von dem ich berichtet habe, war wirklich da, meine Ku… Ich schwöre es.«
Julius biss sich auf die Unterlippe. Fast hätte er verraten, dass Georg und Anne in der Nacht auch dort gewesen waren.
Herr Krüger blickte Julius über den Rand seiner Brille an. »Diese Autogeschichte lassen wir mal dahingestellt. Viertens haben wir die Aussage eines Zeugen, die euch schwer belastet.«
Die Jungen richteten sich auf. »Was?«, riefen sie wie aus einem Munde.
»Entschuldigung«, wagte Richard die Frage, wobei es ihm schwer fiel, seinen Zorn zu unterdrücken. »Könnten Sie uns das bitte genauer erklären?«
Herr Krüger nickte freundlich. »Aber gewiss doch. Ein Junge aus der untersten Klasse hat euch bei einem der Diebstähle beobachtet.«
»Dann lügt dieser Junge!«, rief Richard empört. Julius versuchte, ihn zu beruhigen, indem er ihm die Hand auf den Unterarm legte. Ein Wutausbruch half hier auch nicht weiter!
»Verzeihung, Herr Krüger, aber wo und wann soll das gewesen sein und wer hat das behauptet?«, hakte Julius höflich nach.
Herr Krüger räusperte sich. »Es geht hierbei um den entwendeten Füllfederhalter. Ihr wurdet von besagtem Jungen gesehen, wie ihr an genau dem Tag, an dem der Füller verschwand, im Zimmer des Besitzers gewesen seid. Besser gesagt du, Richard, sollst auf dem Schreibtisch herumgewühlt haben, und du, Julius, hättest an der Tür Schmiere gestanden. Den Namen des Jungen möchte ich nicht nennen.«
Richard hielt es nun kaum noch auf seinem Stuhl, aber es gelang ihm, sich im Zaum zu halten.
»Aber das kann wirklich nicht wahr sein«, erwiderte Julius. »Dieser Junge versucht, Ihnen einen Bären aufzubinden.«
Jetzt beugte sich Herr Krüger nah zu ihnen und fixierte Julius mit dem Blick. »Sagen wir, wie es ist, Julius. Hier steht Aussage gegen Aussage, aber da weitere Hinweise gegen euch sprechen, bin ich geneigt, dem Jungen zu glauben.«
Richard seufzte resigniert. »Und was soll jetzt geschehen?«
Der Heimleiter legte die Stirn in Falten. »Das Unangenehme an der Situation ist, dass euer Vater immer noch auf Dienstreise ist und eure Mutter ihn nicht erreichen kann. Sie selbst liegt immer noch im Krankenhaus. Deshalb kann sie nicht herkommen. Ich soll euch übrigens von ihr grüßen.«
Nach kurzem Schweigen fuhr der Heimleiter fort. »Eigentlich müsste ich euch sofort nach Hause schicken. Aber unter diesen Umständen bleibt es weiterhin bei dem Stubenarrest, bis ich mit euren Eltern von Angesicht zu Angesicht reden konnte. Und keine Besuche auf dem Zimmer bis auf weiteres.«
Mit hängenden Köpfen verließen die Jungen das Büro des Heimleiters. Ein kleiner Trost war es, dass sie nun wenigstens wieder zusammen in ihrem Zimmer sein konnten.
Richard hockte sich auf die Bettkante. »Wir sitzen ganz schön in der Falle, Julius. Wenn doch Vater kommen könnte. Er würde die Sache bestimmt regeln.«
Julius verschränkte die Arme und überlegte. »Dass unsere Eltern nicht herkommen können, das hat aber auch einen Vorteil, Richard.«
Richard ließ sich aufs Bett fallen und starrte an die Decke. »Was soll das schon für einen Vorteil haben.«
»Es bleibt uns mehr Zeit herauszufinden, wer wirklich hinter der Sache steckt«, antwortete Julius.
Richard richtete sich wieder auf und starrte seinen Bruder an. »Na toll, was sollen wir denn schon groß unternehmen, wenn wir in unserem Zimmer festsitzen?«
»Aber Georg kommt bestimmt …«, wandte Julius ein. Da fiel Richard ihm ins Wort und erzählte, welche Unachtsamkeit Georg am Nachmittag passiert war. »Die kommt so schnell nicht wieder her. Du hast doch gehört, was der Chef gesagt hat: bis auf weiteres keine Besuche.«
»Du hast Recht«, stimmte Julius zu. »Hoffen wir, dass die Mädchen weiterkommen.«
»Was mir auch einiges Kopfzerbrechen bereitet, ist die Aussage von diesem Schüler«, sagte Richard. »Hast du eine Ahnung, wer das gewesen sein könnte?«
Julius begann zu grübeln. »Hm, lass uns mal überlegen. An welchem Tag ist das gewesen mit dem Füller?«
Richard blätterte in seinem kleinen Taschenkalender und tippte schließlich auf eine Seite. »War das nicht letzte Woche, kurz nach unserer Ankunft hier im Schullandheim? Hier, der Fünfundzwanzigste.«
Julius versuchte, sich zu erinnern. »Nein, es muss etwas später gewesen sein. Irgendetwas war doch an dem Tag los. Ich erinnere mich, dass wir alle draußen waren, als Mike plötzlich jammernd angelaufen kam, weil er seinen Füller nicht wieder finden konnte. Lass mich mal überlegen. Ja genau, es war der Tag, an dem hier das Völkerballturnier stattfand.«
»Ach ja! Also der Siebenundzwanzigste«, stellte Richard fest. »Aber ich kann mich beim besten Willen nicht entsinnen, an dem Tag in Mikes Zimmer gewesen zu sein.«
Julius zuckte die Schultern. »Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht einmal, in welchem Zimmer Mike wohnt. Bei den jüngeren Schülern kann ich mir das nicht so genau merken.«
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Richard. »Aber ist er nicht mit Jakob und Simon in einem Zimmer?«
Plötzlich starrten sich die beiden Brüder an.
»Da geht mir ein Licht auf!«, rief Richard.
»Mir ebenfalls!«, rief Julius. »Marcus war beim Völkerball gleich im ersten Match mit dem Fuß umgeknickt und Jakob sollte einspringen«, erinnerte sich Julius. »Aber er hatte seine Sportschuhe nicht dabei.«
»Um keine Zeit zu verlieren, spielte er erst in seinen Straßenschuhen«, fuhr Richard fort. »Und ich habe ihm angeboten, seine Schuhe aus seinem Zimmer zu holen.«
»Ja, das fällt mir auch ein!«, rief Julius. »Du hast eine Ewigkeit nach den Schuhen gesucht. Deshalb bin ich nach einer Weile nachgekommen, um zu gucken, wo du bleibst.«
»Ja, aber als du kamst, hatte ich die Schuhe gerade gefunden.« Richard grinste. »Der Racker hatte sie nach ganz hinten unter den Schreibtisch gepfeffert. Aber wer hat uns dort gesehen?«
Julius brauchte nur kurz zu überlegen. »Marcus. Ich stand im Türrahmen und er kam gerade den Gang entlanggehumpelt. Ich fragte noch, wie es ihm ergangen sei, und er antwortete mir, die Schulschwester habe ihm den Fuß bandagiert. Er sei nur verstaucht.«
Richard sprang auf die Füße. »Wie kann er behaupten, ich hätte auf dem Schreibtisch herumgewühlt, wo ich doch unter dem Tisch herumgekrochen bin! Als ob ich ein Paar Sportschuhe auf dem Tisch suchen würde! Julius, wir müssen sofort noch mal mit dem Rektor sprechen. Wir können die Sache doch aufklären.«
Julius machte ein nachdenkliches Gesicht. »Das können wir versuchen, aber er wird uns entgegenhalten, dass du bei der Gelegenheit genauso gut den Füller mitgenommen haben könntest.«
Richard tippte sich an die Stirn. »Da wäre ich ja schön blöd gewesen. Schließlich wusste Jakob doch, dass ich in sein Zimmer gehe.«
Julius schürzte die Lippen. »Das soll noch einer verstehen. Ich meine, da hätte Jakob doch auch sagen können, dass du an dem Tag, als der Füller geklaut wurde, in seinem Zimmer gewesen bist.«
»Tja«, sagte Richard. »Jakob weiß eben, dass ich kein Dieb bin.«
»Oder er hat es aus einem anderen Grund nicht gesagt«, fügte Julius hinzu. »Komm, versuchen wir unser Glück bei Herrn Krüger. Aus einem wichtigen Grund zum Begleitlehrer zu gehen, auch wenn wir Stubenarrest haben, das wird uns niemand verwehren. Und das hier ist wichtig.«
Doch die Brüder hatten Pech. Sowohl der Begleitlehrer als auch der Heimleiter waren nicht im Haus.
»Aber ich will auf keinen Fall bis morgen warten«, beschwerte sich Richard leise. »Wir werden eben mal Marcus einen Besuch abstatten. Sein Zimmer ist direkt neben dem von Jakob, wenn mich nicht alles täuscht.«
Aber Julius hatte Bedenken. »Du vergisst, dass wir Stubenarrest haben. Wenn uns nun schon wieder einer erwischt - womöglich ausgerechnet David -, dann sitzen wir in der Klemme, und zwar mächtig.«
Doch Richard boxte seinen großen Bruder gegen die Schulter. »Meine Güte, Julius, das ist doch jetzt auch egal. Alles spricht gegen uns, aber auch wirklich alles, da kommt es auf einen kleinen Ausflug aus dem ›Gefängnis‹ nicht mehr an.« Und ehe Julius protestieren konnte, war ihm Richard vorausgeeilt.
Was die Brüder nicht bedacht hatten, war, dass es inzwischen Abendbrotzeit war. Plötzlich füllten sich die Gänge. Die Gäste strömten zum Speisesaal, und die Brüder hatten alle Mühe, sich rechtzeitig hinter Vorhängen, Flurschränken oder in Zimmereingängen zu verstecken, um nicht entdeckt zu werden.
Doch schließlich schafften sie es bis zum Flur, auf dem sich sowohl Jakobs als auch Marcus’ Zimmer befanden. Und wie es der Zufall wollte, trat Marcus gerade aus der Tür, um sich auf den Weg zum Abendessen zu machen. Als er Richard und Julius kommen sah, blieb er erschrocken stehen und blickte sich um, als suche er einen Fluchtweg. Doch das Zimmer befand sich am Ende des Ganges, es gab kein Entkommen.
»Der hat doch was zu verbergen, das rieche ich zehn Meilen gegen den Wind«, zischte Richard.
Im selben Moment wollte Marcus einen Satz zurück in sein Zimmer machen, als Julius ihn schon mit einem Sprung erreicht hatte und am Arm packte. »Langsam, Freundchen, wir wollen doch nur mit dir reden.«
»Ich … ich kann nichts dafür!«, wimmerte Marcus und blickte Julius mit hochrotem Gesicht an wie ein Kaninchen, das zur Schlachtbank getragen wird. »Die … die haben mich gezwungen!«
»Jetzt mal der Reihe nach«, sagte Julius. »Wer hat dich wozu gezwungen?«
009
Doch ehe Marcus antworten konnte, passierte etwas Unglaubliches. Jemand versetzte den Jungen einen Stoß, dass sie in Marcus’ Zimmer stolperten. Die Tür krachte ins Schloss. Dann hörten sie nur noch ein leises Klacken. Sie waren eingeschlossen!
Die drei Jungen hatten nur vage einen Schatten wahrgenommen und waren dermaßen überrumpelt, dass sie keine Gegenwehr leisten konnten.
Richard fand als Erster die Sprache wieder. »Verflucht, was war das jetzt?«
Julius drückte die Türklinke. »Wir sind tatsächlich eingeschlossen!«
Marcus hockte völlig verängstigt auf dem Fußboden, die Arme um die Beine geschlungen, und schüttelte den Kopf. »Aber wir haben doch gar keinen Schlüssel zu der Tür. Unser Klassenlehrer hat uns gesagt, dass die Türen nie verschlossen werden sollen, falls es mal Feuer gibt oder so.«
Richard nickte. »Das ist richtig. Die Zimmerschlüssel sind unter Verschluss. Der Hausmeister hat einen Generalschlüssel, der für alle Schlösser passt.«
Julius schnippte mit den Fingern. »Es gibt noch einen zweiten Generalschlüssel! Ich weiß ganz sicher, dass der Begleitperson, die jeweils nachts Bereitschaft hat, ein Generalschlüssel zur Verfügung steht.«
Marcus war jetzt dem Weinen nahe. »Aber warum sollte uns denn ein Lehrer hier einschließen?«
Richard zuckte die Schultern. »Ich versteh das alles auch nicht.«
Julius warf einen besorgten Blick zum Fenster. »Meine Güte, da können wir auch nicht rausklettern. Eure Fenster sind ja vergittert!«
Marcus schluchzte. »Ja, aus Sicherheitsgründen, weil doch direkt darunter der Teich ist. Das Fenster lässt sich auch nicht aufmachen, nur das Oberlicht kann man auf Kipp stellen. Die meinen wohl, doppelt gemoppelt hält besser. Als ob wir kleine Babys wären!«
Richard ließ sich neben Marcus im Schneidersitz auf dem Boden nieder. »Tja, sieht so aus, als säßen wir ganz schön in der Patsche. Aber wenn wir jetzt sowieso nicht herauskönnen, dann erklär uns mal, was das mit deiner merkwürdigen Zeugenaussage sollte. Weißt du eigentlich, dass du uns damit in Teufels Küche gebracht hast?«
Marcus nickte beschämt und wich dem Blick der Brüder aus. »Aber die haben mich dazu gezwungen! Ich hab denen gesagt, dass ich euch in Mikes und Jakobs Zimmer gesehen habe, aber ich habe auch gleich dazugesagt, dass Richard nur die Sportschuhe geholt hat und den Füller nicht genommen haben konnte.«
»Wie konntest du das so genau wissen?«, hakte Julius nach. »Richard hätte den Füller doch einstecken können, als er nach den Schuhen gesucht hat.«
Marcus schüttelte energisch den Kopf. »Ich bin doch in mein Zimmer gegangen, weil mein Fuß so wehtat. Aber die Tür von Jakobs und Mikes Zimmer hat im Durchzug so geklappert, die hattet ihr nicht richtig zugemacht. Da bin ich aufgestanden, um sie zu schließen, und dabei habe ich Mikes Füller auf dem Schreibtisch liegen sehen. Ich hab mir noch gedacht: Wie leichtsinnig von ihm, so einen teuren Füller einfach offen rumliegen zu lassen.«
»Und das war, nachdem wir in dem Zimmer waren«, stellte Richard zufrieden fest und schlug sich mit der Faust in die Hand. »Anschließend waren wir die ganze Zeit bei dem Völkerball-Turnier. Das können jede Menge Leute bezeugen.«
»Das verstehe ich nicht, Marcus«, sagte Julius. »Warum hast du dann etwas anderes ausgesagt?«
»Na, das habe ich doch vorhin schon gesagt!«, rief Marcus außer sich. »Die haben mich dazu gezwungen, meine Beobachtung mit dem Füller wegzulassen!«
»Wer denn, Marcus?«, fragte Richard ungeduldig. »Wer hat dich gezwungen?«
»David und Paul!«, rief Marcus mit tränenerstickter Stimme. »David hat mich doch erwischt, weil ich Archie mit hierher genommen habe. Der hatte mich in der Hand!«
Julius schüttelte sich wie ein nasser Hund, denn er verstand von den zusammenhanglosen Erklärungen des Jungen höchstens die Hälfte. »Wovon redest du eigentlich? Und wer ist Archie?«
Marcus holte tief Luft, griff unter sein Bett und zog etwas hervor.
Richard runzelte die Stirn. »Ein Käfig? Was ist da drin?«
»Na, Archie!«, erwiderte Marcus gereizt, öffnete den Deckel und klaubte unter einem kleinen Holzhäuschen einen Goldhamster hervor.
Richard streckte die Hand aus und streichelte das possierliche Tierchen mit dem Finger. »Jetzt verstehe ich so langsam. David hat entdeckt, dass du verbotenerweise ein Tier mit ins Schullandheim genommen hast, und hat gedroht, dich bei der Heimleitung zu verpetzen, wenn du nicht bereit bist, gegen uns falsch auszusagen. Hab ich das richtig verstanden?«
Marcus nickte und senkte den Blick. »Die hätten mir Archie sonst weggenommen.«
Julius stand vor dem Fenster und verschränkte die Arme vor der Brust. »Hab ich doch gewusst, dass die beiden was auf dem Kerbholz haben. Aber ich frage mich, warum denen so daran gelegen ist, uns in die Pfanne zu hauen. Was haben wir denen getan?«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, je mit ihnen aneinander geraten zu sein«, sagte Richard. »Es muss einen anderen Grund für ihr Verhalten geben.«
Julius rüttelte am Fenster. »Ich frage mich noch etwas anderes. Wie kommen wir hier raus?«
»Hast du irgendeinen Draht oder so etwas, womit wir vielleicht das Schloss aufkriegen, Marcus?«, fragte Richard.
Aber Marcus saß wie ein Häufchen Elend zusammengekauert auf dem Teppich und schüttelte schluchzend den Kopf. »Wir kommen hier nicht wieder raus.«
Jetzt musste Richard lachen. Er legte dem kleinen Jungen den Arm um die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Marcus. Wir werden hier nicht verhungern und verfaulen.«
»Da unten laufen welche!«, rief Julius plötzlich. »Kommt, versuchen wir, sie auf uns aufmerksam zu machen.«
Julius und Marcus trommelten an die Fensterscheibe, während Richard auf die Fensterbank kletterte und durch den Spalt im Oberlicht rief. Aber die Leute, die dort unten entlangliefen, waren zu weit weg. Sie hörten nichts, zumal jenseits des Teiches hinter einem kleinen Stauwehr das Wasser rauschte und seine Rufe verschluckte.
Fluchend sprang Richard auf den Boden. »So wird das nichts.«
»Na, irgendwann werden doch deine Mitbewohner wiederkommen«, sagte Julius zu Marcus. »Die werden sich schon wundern, dass die Tür verschlossen ist.«
Jetzt brach Marcus wieder in Tränen aus. »Eben nicht! Robert liegt mit Fieber im Krankenzimmer, und Thomas durfte für zwei Tage nach Hause fahren, weil seine Schwester heiratet.«
»Puh!«, rief Richard und kratzte sich am Kopf. »Ich befürchte, dann müssen wir jetzt darauf hoffen, dass Georg, Anne und Tim etwas unternehmen.«
»Wer sind Georg, Anne und Tim?«, fragte Marcus.
Julius legte ihm die Hand auf die Schulter. »Weißt du was, jetzt setzen wir uns gemütlich her und spielen eine Partie Karten, um uns die Zeit zu vertreiben. Dabei erzählen wir dir dann, wer Georg, Anne und Tim sind.«