Reaktive Karrierestrategien

Auf einen Artikel über das Festhalten an toten Job-Pferden, den ich vor einer Weile für eine überregionale deutsche Zeitung geschrieben hatte, gab es auf deren Internetseite in kurzer Zeit weit über 200 Kommentare. Die große Mehrzahl hatte den empörten Grundtenor: »Man hat doch sowieso keine Chance. Es gibt keine guten Arbeitsplätze mehr. Die Arbeitsagentur und der Staat sollen gefälligst dafür sorgen, dass ich einen interessanten Job bekomme. Es ist alles Schuld der Arbeitgeber.« Und so weiter. Meine Aufforderung in dem Artikel, selbst für ein lebendigeres Job-Pferd zu sorgen, wurde mit heftigster Ablehnung bedacht.
Etwas überspitzt formuliert klang das in meinen Ohren so: » Ich bin eben ein Opfer der Bedingungen und kann sowieso nichts tun. Andere sollen dafür sorgen, dass es mir gut geht. Früher war es einfacher und besser – und so soll es gefälligst wieder werden.«
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Mir ist sehr wohl bewusst, wie schwierig es oft ist, einen passenden, guten Job zu finden. Glück spielt dabei sicherlich keine kleine Rolle. Und gerecht geht es auf dem Arbeitsmarkt ganz bestimmt nicht zu.
Für mich ist dabei aber die zentrale Frage: Was kann ich tun, damit es mir gut geht? Auch wenn die Bedingungen schwierig sind – welche Handlungsmöglichkeiten habe ich? Und wie kann ich sie am besten nutzen?
Dahinter steckt eine Frage des Glaubens: Was glaube ich über mich und die Welt? Sehe ich mich als Opfer der Bedingungen und anderer Menschen? Oder verstehe ich mich als freies Individuum, das das Recht und die Möglichkeit hat, das Beste aus der Situation zu machen? Konzentriere ich mich zuerst auf meine Abhängigkeiten, oder suche ich erst einmal nach Möglichkeiten, Einfluss auszuüben?
Diese Fragen sind zentral, wenn es darum geht, sich beruflich neu zu orientieren. Aus der Wahrnehmungspsychologie wissen wir, dass was wir sehen ganz entscheidend davon anhängt, wie wir hinschauen. Oder anders formuliert: Ich muss erst einmal verstehen, durch was für eine Brille ich sehe, bevor ich Rückschlüsse auf die Welt dahinter ziehen kann. Und wir haben immer eine Brille auf der Nase!

Die Brillen von Komparsen und Regisseuren

Stark vereinfacht unterscheide ich zwischen zwei gegensätzlichen Haltungen: die des »Komparsen« und die des »Regisseurs«. Im Kern steht jeweils ein anderes Verständnis der eigenen Möglichkeiten und der Angebote der Welt.
Während der Komparse fest daran glaubt, dass grundsätzlich die Bedingungen und andere Menschen über sein Leben bestimmen, geht der Regisseur davon aus, dass er der Gestalter seines Lebens ist. Psychologisch steht dahinter die sogenannte »Selbstwirksamkeitserwartung«. Je mehr wir davon in uns haben, desto mehr übernehmen wir die Regie in unserem Leben.
Natürlich sind die allermeisten von uns nicht nur das eine oder andere. Wir haben aber eine mehr oder weniger starke Tendenz zur einen oder anderen Seite, die wiederum relativ unterschiedlich ausfallen kann – je nachdem, um welchen Lebensbereich es sich handelt. So haben Menschen beispielsweise bei freundschaftlichen Beziehungen das Ruder fest in der Hand – wenn es aber um Liebe und Partnerschaft geht, fühlen sie sich eher passiv und ausgeliefert.
Angewendet auf die Arbeitswelt, führen diese beiden Haltungen zu ganz unterschiedlichen Strategien: Je nachdem, ob ich eher zum Regisseur oder Komparsen neige, habe ich ein anderes Verständnis von der Arbeitswelt und welche Rolle ich darin spielen muss oder darf.
Als »Kind der reaktiven Strategie« bin ich davon überzeugt, dass andere mir »Arbeit geben« (oder eben nicht) und damit die Rahmenbedingungen und Spielregeln festlegen. Meine Rolle erfordert folglich, zu tun und zu liefern, was man von mir verlangt. Veränderungen betrachte ich dann tendenziell als gefährlich, weil ich etwas verlieren, man mir etwas wegnehmen könnte.
Blicke ich aber durch die Brille der aktiven Strategie, sieht die Arbeitswelt ganz anders aus: Ich bin Mitspieler und entscheide, was ich zu welchem Preis einbringen möchte. Meine Regeln bestimme erst einmal ich. Da ich ein lebendiges Wesen bin mit sich wandelnden Interessen, gehört für mich Veränderung zu meinem (Berufs-)Leben.

Reaktive Karrierestrategie

  1. Was kann ich? Das steht bei der Jobsuche im Mittelpunkt.
  2. Ich kann nur wenig, möglicherweise nur, was ich im jetzigen Job anwende.
  3. Wichtig ist, was andere von mir halten.
  4. Was ist auf dem Arbeitsmarkt gerade gefragt? Dort versuche ich, einen Platz zu finden.
  5. Ich realisiere nur definierte Karrierewege und Jobprofile.
  6. Ich verstehe mich als Arbeit-Nehmer.
  7. Arbeit ist ein knappes Gut.
  8. Solange es halbwegs okay ist, bleibe ich, wo ich bin.
  9. Ich gehe davon aus, dass ich meinen nächsten Job so lange mache wie irgend möglich.
  10. Ich tue alles, um einen unbefristeten Vollzeitjob zu bekommen.
  11. Ich muss es grundsätzlich meinen (potenziellen) Arbeitgebern Recht machen.
  12. Wahre Qualität wird irgendwann von allein erkannt.
  13. Ich suche nur in Stellenanzeigen und Jobbörsen und bewerbe mich darauf. Ich glaube, dass sich hier der Arbeitsmarkt abspielt – oder ich habe Angst, andere Wege zu gehen.
  14. Ein lückenloser Lebenslauf ist extrem wichtig.
  15. Ich streue möglichst viele, möglichst perfekte Bewerbungen, die dem Standard entsprechen.
  16. Experten sollen mir sagen, was ich kann und welcher Job zu mir passt.

Aktive Karrierestrategie

  1. Was will ich tun, und wo will ich hin? Danach suche ich.
  2. Ich habe viele Fähigkeiten und Talente – nur ein Teil davon hat mit meinem Job zu tun.
  3. Wichtig ist, ob ich mit mir im Reinen bin.
  4. Was möchte ich tun? Dafür suche ich den passenden Arbeitsplatz.
  5. Im Mittelpunkt stehen für mich Tätigkeiten und Themen.
  6. Ich bin mein eigener Karrieremanager.
  7. Ich kann immer arbeiten.
  8. Ich überprüfe immer wieder, ob mein Job noch stimmig ist.
  9. Was ich als Nächstes tun werde, wird nur eine Phase in meiner Laufbahn sein.
  10. Für mich kommen viele Jobmodelle in Frage, wenn ich dort tun kann, was ich möchte.
  11. Mein (potenzieller) Arbeitgeber ist mein Geschäftspartner auf gleicher Augenhöhe.
  12. Ich sorge dafür, dass meine Qualitäten gesehen werden.
  13. Wenn ich weiß, was ich tun will, suche ich möglichst breit. Ich suche den persönlichen Kontakt zu Unternehmen, Menschen und Märkten. Im Mittelpunkt stehen für mich Beziehungen und Netzwerke.
  14. Wichtig ist, dass »meine Story« und meine Motivation verstanden werden.
  15. Meine Bewerbung ist mein Portfolio, das von mir, meinen Zielen und Stärken berichtet.
  16. Ich kann nur selbst entscheiden, was ich beruflich tun möchte.

Bevor Sie weiterlesen

Bitte halten Sie doch kurz inne, und fragen Sie sich, zu welcher der beiden Seiten Sie bisher eher neigen. Auf welche Weise haben Sie Ihr Berufsleben bis heute gesehen und gesteuert? Liegt für Sie die Wahrheit eher in der Mitte, oder haben Sie eine Tendenz zur einen oder anderen Seite? Wenn Sie bisher eindeutig zur reaktiven Strategie neigen, möchte ich Ihnen ans Herz legen, in der nächsten Zeit darauf zu achten, wann Sie verstärkt durch die Brille des Komparsen sehen.

Früher war alles anders

Mit einer reaktiven Karrierestrategie ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Aber vor nicht allzu langer Zeit war das noch ganz anders: Viele hundert Jahre war die Arbeitswelt sehr übersichtlich und verlässlich. Wenn damals Ihr Vater Bauer, Bäcker oder Schuster war, wurden Sie natürlich auch Bauer, Bäcker oder Schuster. Jemand aus einer Arbeiterfamilie wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Arbeiter. Alles war geregelt. Karriere? Aufstieg? Damit befassten sich nicht sehr viele Menschen. Und die Möglichkeit einer beruflichen Umorientierung, weil einen der Job nicht mehr erfüllte? Wäre wohl eine echte Lachnummer gewesen.
Schauen wir nur wenige Jahrzehnte zurück, sehen wir eine Arbeitswelt, die äußerlich einige Ähnlichkeit mit der Gegenwart hat. Sie drehte sich vor allem um den Aufstieg. Eltern wollten, dass ihre Kinder weiter kamen als sie selbst – sie sollten es einmal besser haben. Und besser hieß vor allem: ein Maximum an Sicherheit und ein stetig wachsendes Einkommen bis zur wohlverdienten Rente.
Dafür wurde eine Menge in die Ausbildung investiert. War der Vater noch Handwerker, sollte der Sohn möglichst einen Schreibtischjob bekommen in einem schönen, großen Unternehmen, das ihn dann eines fernen Tages mit einer Betriebsfeier und Lobreden in den Ruhestand entlassen würde. Dann hatte man etwas erreicht. Aufstieg fand in der Regel innerhalb des Unternehmens statt und hieß »Beförderung«. Bevor sich alles um Zielvereinbarungen und Tantiemen drehte, wurde man befördert, wenn man lange genug anständig seine Arbeit gemacht hatte. Drängeln gehörte sich dabei natürlich nicht. Wer ordentlich und fleißig war, wurde schon irgendwann vom gütigen Blick seines Chefs erfasst und ein wenig empor gehoben. Natürlich gab es zu jeder Zeit auch Menschen, die sich dem Mainstream widersetzten und taten, wonach ihnen der Sinn stand. Nur waren sie ganz bestimmt Ausnahmeerscheinungen. So etwas machte man früher nicht!
Diese Zeiten haben sich ein wenig geändert. Nur haben es viele noch gar nicht gemerkt. Oder wollen es nicht merken.
Wenn die Anstellung bei einer »guten Firma« einmal ein sicherer Hafen war, lag das auch daran, dass alle Beteiligten davon profitierten. Unternehmen und Märkte wandelten sich eher gemächlich – dazu passten eine Kultur, die auf Konstanz und Planbarkeit setzte, und der lebenslang beschäftigte Vollzeitarbeiter. Die Bindung für das ganze (Berufs-)Leben war im Interesse aller.
Der Bedarf an unserer Arbeitskraft sieht heute völlig anders aus: In vielen Bereichen braucht man schnell und flexibel einsetzbare Kräfte, die man auch möglichst flott wieder loswerden kann. Die logische Konsequenz sind befristete und projektgebundene Verträge, Leiharbeit, Outsourcing und Offshoring, Teilzeitjobs und ein wachsendes Heer von freiberuflich Arbeitenden.
Ob es uns gefällt oder nicht: In dieser Arbeitswelt taugt eine reaktive Karrierestrategie wie eine Postkutsche zu einem Formel-1-Rennen.

Noch ein Wort zu toten Pferden

Eine extreme Form der reaktiven Strategie ist das Reiten von toten Pferden – darüber habe ich ja schon viel geschrieben: Wenn meine Selbstwirksamkeitserwartung gering ist, ich also glaube, wenig für mein berufliches Glück tun zu können, wenn ich Angst vor Veränderungen und ein negatives Bild meiner Fähigkeiten und Optionen habe, halte ich reflexhaft an dem fest, was ich habe. Auch wenn ich in meiner Arbeit kaum Freude und Befriedigung finde, unternehme ich doch nichts, um etwas an meiner Situation zu ändern.
Wenn Menschen tote Job-Pferde reiten, liegt das fast nie an mangelnden Kompetenzen und Möglichkeiten, sondern an einschränkenden Glaubenssätzen wie: »Ich finde doch niemals einen Job. Ich bin viel zu alt. Ich kann doch eigentlich nichts richtig.« Obwohl sie, wenn man sie sich einmal genauer anschaut, ziemlich unsinnig sind, halten viele Menschen solche Sätze für unumstößliche Wahrheiten. Kein Wunder, wenn man dann lieber bleibt, wo man ist, und Job-Mikado spielt.
Außerdem löst die Vorstellung von Veränderungen und damit einhergehenden Risiken in den meisten von uns Angst aus. Das ist ganz normal. Und ein Weg, der Angst aus dem Weg zu gehen, ist deshalb die Nicht-Veränderung. »Schuster bleib bei deinen Leisten« ist dann das unumstößliche Gesetz der Karriereplanung. Da wir uns und anderen aber ungern eingestehen, dass wir kalte Füße haben, schieben wir andere, vermeintlich »vernünftige« Argumente vor. Reiter von toten Job-Pferden sind unglaublich kreativ darin, gute Gründe für ihr Nicht-Handeln zu finden!
Nur sind tote Pferde einfach keine guten Transportmittel.

Von Ratgebern und Potenzialanalysen

Als ich mein Abi in der Tasche hatte, kam ich in den Genuss einer Beratung in einem Berufsinformationszentrum des (damals noch) Arbeitsamts. Nach einem kurzen Gespräch war mein Berater der Meinung, ich solle doch Medizin studieren. Schließlich hatte ich ihm erzählt, ich wolle »etwas mit Menschen machen«. Meine Familie fand die Idee auch super – Arzt zu sein galt damals noch als Traumberuf. Und da mir keine Alternative einfiel (weil ich nicht wirklich danach suchte), studierte ich eben fünf Semester Medizin. Dabei war mir vom ersten Tag an klar, dass dies überhaupt nicht mein Ding war. Aber ich hatte ja – wenn auch kleinlaut – »A« gesagt …
Dass Eltern und Lehrer in diesen Dingen nicht mehr den allerbesten Überblick haben, ist wohl inzwischen bekannt. Also müssen Berufs- und Karriereberater, Arbeits- und Trendforscher und Coaches her. Aus den Zeiten der überschaubaren, statischen Arbeitswelt stammt nämlich die Vorstellung, dass ein Experte am besten weiß, für welchen Job wir uns entscheiden sollten. Er kann unsere Fähigkeiten einschätzen und weiß, welche Tätigkeit dazu passt. Außerdem kennt er den Arbeitsmarkt, sämtliche Branchen und alle Jobprofile. Und natürlich kann er uns sagen, welche Jobs »krisensicher« sind.
Ich werde häufig von Menschen gefragt, was ich denn von ihren Fähigkeiten halte und was sie damit am besten anstellen sollten. »Ganz objektiv.« Dahinter steht oft der Verdacht, sie selbst würden sich viel zu positiv einschätzen. Wahrscheinlich würden mir die meisten glauben, wenn ich ihnen sagte: »Sie wollen den Job XY machen? Das können Sie vergessen! Mit Ihren Kompetenzen/Ihrem Alter/Ihrer Vita haben Sie auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen.« Ja, das wäre dann bitter – aber immerhin gäbe es ihnen Orientierung.
Mein Tipp: Wenn Ihnen ein Mensch begegnet, der vorgibt, Sie »objektiv beurteilen« zu können – laufen Sie!
Denn unsere Welt ist einfach viel zu komplex, als dass ein Fachmensch auch nur ansatzweise den Überblick über alle Branchen und Tätigkeiten haben könnte. Und selbst wenn sich jemand in einem Bereich gut auskennt, ist jede Einschätzung immer auch eine Frage der Interpretation und der individuellen Haltung.
Auch Testverfahren halte ich für nur sehr bedingt aussagefähig. Klar, die Idee ist verlockend: Wir machen ein paar Tests, lassen uns vom Psychologen durchleuchten und bekommen dann den passenden Job ausgespuckt. Glauben Sie mir: Das funktioniert genauso wenig, wie Psychotests in Zeitschriften Ihre Persönlichkeit erfassen können!
Natürlich ist es sinnvoll, sich Feedback von anderen zu holen, um eine gute Selbsteinschätzung zu erreichen. Aber der beste Experte für Ihre Kompetenzen sind Sie selbst!
Außerdem halte ich die Logik »Wenn ich nur weiß, was ich besonders gut kann, führt das automatisch zu dem Job, der richtig für mich ist« für nicht gerade zielführend. Denn viele Menschen haben hohe Kompetenzen durch die Arbeit, der sie seit langer Zeit nachgehen – und die ihnen zum Hals heraushängt! Sich auf die Kompetenzen als entscheidendes Kriterium zu beziehen, ist recht sinnlos, weil wir dann immer wieder dort landen, wo wir gar nicht sein wollen.
Also: Nur durch die Brille der reaktiven Karrierestrategie gesehen ist es attraktiv, dass andere uns sagen können, was wir tun sollen.

Karriere-Zombies

Keiner hat den Überblick, und keiner weiß wirklich, wohin die Reise geht. Da ist es erstaunlich, dass viele Menschen eine so genaue Vorstellung davon haben, wie »man Karriere macht«.
Ich wundere mich immer wieder, in was für ein enges Korsett sich – auch viele jüngere – Menschen selbst pressen. Als sei es so selbstverständlich wie Zähneputzen: Man will natürlich »Karriere machen«, was gleichgesetzt wird mit einem hohen Anfangsgehalt in einem internationalen Konzern, mit Teamverantwortung und einem schnellen Aufstieg. Also muss die Abi-Note sehr gut sein, sonst war’s das mit dem beruflichen Erfolg. Dann müssen ein Turbostudium und Praktika während der Semesterferien folgen, dazu Kontakte, Kontakte, Kontakte, Ausland, klar, und dann rauf auf die Karriereleiter. Alles steht und fällt mit den Noten und einem »lückenlosen CV«.
Mal ein bisschen das Leben genießen? Ein paar Monate reisen? Sich die Zeit nehmen, die man braucht, um sich über die eigenen großen und kleinen Ziele klar zu werden? Ausprobieren und sich ein wenig umschauen? (Das galt in meiner Jugend noch als völlig legitime Option.) Wenn ich solche Möglichkeiten erwähne, schauen mich diese jungen Menschen oft an, als hätte ich ihnen ein unsittliches Angebot gemacht. Denn das hieße ja: eine »Lücke im Lebenslauf«! Und das erscheint vielen als das vorzeitige Ende aller beruflichen Träume.
Nicht wenige Menschen schaffen es, mit dieser Haltung auf der Karriereleiter schnell und weit voranzukommen. Andere stellen – gerade in Krisenzeiten – fest, dass diese stromlinienförmige Denke sie nicht so interessant macht, wie sie gedacht hatten. Denn wer sich ausschließlich darauf konzentriert hat, das Pflichtprogramm perfekt zu absolvieren, überzeugt nicht unbedingt in der B-Note. Die Karriereberaterin Svenja Hofert nennt diese Gattung »Karriere-Zombies«. Ich finde den Begriff hart, aber nicht unpassend, da bei solchen Turbokarrieren oft Entscheidendes auf der Strecke bleibt: Persönlichkeit, Individualität, Authentizität – und vor allem eine eigene Vorstellung vom Leben im Beruf.
Eine reaktive Karrierestrategie führt eben meist zu einer »Karriere von der Stange«. Wenn die Karriere nicht Ausdruck eines persönlichen Ziels oder von Interessen und Werten ist, wird sie schnell zum Selbstzweck. Auch wenn sie uns Ansehen, Geld und Sicherheit verschafft, ist die Sinnkrise vorprogrammiert.